Freitag, 16. November 2012

Insolvenzticker: Concordia Hamburg

In Hamburg neigen sich 105 Jahre reiche Fußballtradition ihrem Ende zu. Der SC Concordia Hamburg, 1907 gegründet und viele Jahre in der Oberliga, der Regionalliga und der Amateuroberliga spielend, wird zur neuen Saison in einer Fusion mit dem TSV Wandsbek verschwinden. Für die Anhänger der Rot-Schwarzen ist dies der möglicherweise finale Rückschlag, nachdem ihr Klub 2009 schon das traditionsreiche Marienthalstadion im Wandsbeker Gehölz hatte aufgeben müssen.

Weitere Infos: http://www.google.de/imgres?hl=en&sa=X&biw=1920&bih=985&tbm=isch&prmd=imvns&tbnid=hfl0z-DQvmSugM:&imgrefurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/005_Neuigkeiten.htm&docid=O-QVAZEJThbw-M&imgurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/Diverse-Bilder/Saison_2012-2013/Vereinsnachrichten_02.11.12%252520(1).jpg&w=540&h=761&ei=kAWmUJqgCs7Usgbio4H4Cg&zoom=1&iact=hc&vpx=645&vpy=112&dur=56&hovh=267&hovw=189&tx=129&ty=143&sig=107842849491740770134&page=1&tbnh=136&tbnw=96&start=0&ndsp=55&ved=1t:429,r:2,s:0,i:75


Nachstehend der Eintrag über den SC Concordia aus dem "großen Buch der deutschen Fußballvereine", 2009 erschienen im Verlag Die Werkstatt.


2009 war ein trauriges Jahr für den Sport-Club Concordia von 1907 e.V. 85 Jahre, nachdem man im Wandbeker Gehölz sein Marienthalstadion errichtet hatte, hieß es Abschied nehmen. Das Geld war auch bei „Cordi“ chronisch knapp, und die Toplage der Anlage inmitten eines exklusiven Villenviertels ließ den Verkauf nur logisch erscheinen. Damit war es vorbei mit einem Dreisatz der besonderen Art, der Hamburgs Amateurfußball seit Jahrzehnten ausgezeichnet hatte: Freitagabend + Flutlicht + Marienthal = SC Concordia. Concordia ist ein Verein nach altem Schlage. Der Vereinsgeist waberte in Marienthal durch alle Ecken und Winkel, die Nachwuchsarbeit ist seit langem berühmt und den aufopferungsvollen Mitgliedern der Rot-Schwarzen gelang es in der Vergangenheit mehrfach, ihren Verein aus der Krise zu führen. Die sportliche Erfolgsstory der 1907 gegründeten Rot-Schwarzen begann 1939, als die von Vereinslegende Kurt „Malik“ Hinsch geführte Mannschaft in die Gauliga Nordmark aufstieg. Schon damals war der Erfolg ein Resultat der Nachwuchspflege, und auch wenn es zwei Jahre später zurück in Liga 2 ging, hatte „Cordi“ ein Markenzeichen gesetzt. Nach dem Krieg zählten die Wandsbeker zu den Gründungsmitgliedern der Oberliga Nord, in der sich die Elf dank ihres gefürchteten Innensturms (Hinsch, Ackermann, Eccarius) bestens etablierte. 1950 erreichte man mit Platz sechs den Zenit seiner Vereinsgeschichte – und das, obwohl „Cordi“ seit Kriegsende nicht auf der von den Briten beschlagnahmten Anlage in Marienthal hatte kicken können! 1951 durfte man zwar in die runderneuerte Anlage („Schmuckkästchen am Wandsbeker Gehölz“) zurückkehren, doch sportlich reichte es nur noch zu Abstiegskampf, in dem die Rot-Schwarzen 1953 den Kürzeren zogen. 1956 gelang im dritten Anlauf die Rückkehr, und anschließend verteidigte der Klub bis zur Auflösung der Oberliga Nord seinen Platz im norddeutschen Oberhaus. Nach Einführung der Bundesliga gab es sieben Spielzeiten lang Regionalligafußball in Wandsbek zu sehen, wo die Sorgenfalten jedoch mit jedem Jahr größer wurden. Marienthal war vom öffentlichem Nahverkehr abgetrennt („Die Welt“: „Eine kaum noch erreichbare Oase in der Wüste“), Parkplätze gab es auch keine und die Zuschauerzahlen sanken stetig ab. 1970 war der Abstieg nicht mehr zu vermeiden. Als drei Jahre später die Rückkehr gelang, stand die 2. Bundesliga bereits vor der Tür, und „Cordi“ konnte schon mal für die drittklassige Amateuroberliga Nord planen. Dort waren die Rot-Schwarzen dann 17 Spielzeiten lang fester Bestandteil, brachten Spieler wie Frank Neubarth hervor und feierten als größten Erfolg Platz fünf im Spieljahr 1976/77. 1991 sorgte eine Mixtur aus sportlicher Schwäche und finanziell eingeschränkten Möglichkeiten erstmals für den Sturz in die Viertklassigkeit, der Concordia, wie einst in der Ober- und der Regionalliga nach drei Jahren wieder entkam. Noch einmal flammte anschließend der Kult um die Wandsbeker auf, begrüßte man in der Regionalliga Nord große Kulissen zum traditionellen Freitagabendspiel. Mit dem erneuten Abstieg begann 1997 der Absturz. Im Frühjahr 1999 musste Michael Schickel, langjähriger „Cordi“-Obmann und „Morgenpost“-Sportchef, bereits vor dem drohenden Konkurs warnen, dem der Klub nur knapp entging. 2000 wurde er erstmals fünftklassig, kehrte unter Marc Fascher noch einmal in die Oberliga zurück und verschwand 2005 abermals auf lokaler Ebene – und diesmal wird es für immer sein.

Donnerstag, 15. November 2012

Die Löwen. Neues Buch über den TSV München 1860

Gemeinsam mit dem unersetzlichen Claus Melchior ("Der tödliche Pass") habe ich 1996 ein Buch über den TSV München 1860 herausgegeben, das seit vielen Jahren vergriffen war: "Legenden in Weiß und Blau".

Nun haben wir uns die durchaus turbulente Löwen-Fußballgeschichte erneut vorgenommen und versucht, sie auf möglichst interessante und zugleich verdauliche Häppchen zu unterteilen. Herausgekommen ist der 512-Seiten-Wälzer "Die Löwen", in der ich mich ausführlich über die 1860-Historie von der Klubgründung bis ins Jahr 1994 austoben durfte.

Danach übernimmt Claus Melchior und erzählt aus eigener Leidenserfahrung vom Auf und Ab der Weißblauen seit dem Durchmarsch von Liga 3 in Liga 1. Dem Ganzen beigemengt sind Exkurse zu Fans, 1860 und Politik, Stadtteil, Stadion, Rivalität mit den Bayern sowie ein ziemlich üppiger Statistikteil, der wirklich kaum noch Fragen offen lässt.

Für 29,90 Euro ist das gute Stück ab sofort im gutsortierten Fachhandel zu erwerben.

Hier gibt's weitere Infos und auch einen "Blick ins Buch": http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/497

Montag, 12. November 2012

Vergessene Traditionsvereine: Bremerhaven 93

Über Jahrzehnte war Bremerhaven 93 eine etablierte Adresse im norddeutschen Fußball. Die Weinroten aus der Hafenstadt mischten sowohl in der Oberliga als auch in der Regionalliga in der norddeutschen Spitze mit. 1977 verschwanden sie für immer von der Bildfläche. Ein Nachruf.

Seit dem 1. Juli 1977 ist Bremerhavens einstiger Fußballstolz Geschichte. Seinerzeit übernahm der fünf Jahre zuvor gebildete Großverein OSC Bremerhaven die Tradition (und die Schulden…) der Weinroten, deren Aufschwung und Niedergang dem der Hafenstadt an der Wesermündung glich.

1893 als Arbeiterturnverein gegründet, eröffnete Bremerhaven 93 kurz vor dem Ersten Weltkrieg eine Fußballsektion, die nach dem Krieg ad hoc zur Vorzeigeabteilung bei den Weinroten wurde. Allerdings im vom DFB unabhängigen Arbeitersport, wo die Nordlichter rasch zu den stärksten Teams im gesamten Reichsgebiet aufstiegen. 1921 und 1923 erreichten sie jeweils das Halbfinale der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft und verpassten nur knapp das Endspiel. 1926 eröffnete der engagierte Klub zudem im ehemaligen Zollinlandshafen eine neue Spielstätte, die rasch den Kosename „Zolli“ erhielt und zum Zentrum des Bremerhavener Spitzenfußballs wurde.

Die proletarischen 93er hatten dort über Jahre friedlich Seite an Seite mit den im DFB-Spielbetrieb integrierten Stadtrivalen Sparta und ATS Bremerhaven um Punkte gerungen, als der Arbeitersport 1933 unter den Nationalsozialisten zerschlagen wurde. Von dem Verbot war auch der ATV 93 betroffen. Doch weil Bremerhaven 93 eine hohe Bedeutung im Fußball der Hafenstadt genoss und zudem schichtenübergreifend in der ganzen Stadt beliebt war, durfte der Klub als TuS 93 übergangslos im bürgerlichen Lager weiterkicken. 1942 erreichten die Weinroten die Gauliga und waren damit erneut führendes Team vor Ort.

Nach dem Zweiten Weltkrieg boomte die 1947 durch den Zusammenschluss von Wesermünde, Lehe und Bremerhaven gebildete Stadt Bremerhaven, die zum größten deutschen Passagierhafen Deutschlands aufstieg. Auch auf dem „Zolli“ war seinerzeit ordentlich was los. Als den 93ern 1948 der Aufstieg in die Oberliga gelang, wurde Bremerhaven über Nacht zur brodelnden Fußballhochburg. Ihren Zenit erreichten die vom ehemaligen Nürnberger Robert „Zapf“ Gebhardt trainierten Weinroten um Kapitän Kapteina 1954/55, als sie hinter dem ewigen Nordmeister Hamburger SV Zweiter wurden und sich für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizierten. Weil der altehrwürdige „Zolli“ zu klein für derlei Spektakel war, musste 93 allerdings ins Bremer Weserstadion ausweichen, wo man Worms und Offenbach besiegte, während es gegen den späteren Finalisten Rot-Weiss Essen immerhin ein Unentschieden gab.

Der Höhepunkt markierte zugleich den Beginn einer schleichenden und schier unendlichen Talfahrt. Problem Nummer 1 war das beschauliche Zollinlandstadion, das in Zeiten des anbrechenden Profitums zu wenige Einnahmemöglichkeit bot. Damit verbunden Problem Nummer 2: Finanzsorgen. Die prägten fortan die Geschicke eines Klubs, der unter dem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt Bremerhaven litt und immer wieder Leistungsträger verlor. 1959 verließ Erfolgstrainer Gebhardt den Verein, aus dem spätere Bundesligaasse wie Uwe Klimaschefski, Willi Reimann und Egon Coordes hervorgingen.

1963 mit der Bundesligagründung in die Zweitklassigkeit abgerutscht, konnten die Weinroten nur durch den regelmäßigen Verkauf von Leistungsträgern überleben. Der Publikumszuspruch in der wirtschaftlich inzwischen danieder liegenden Hafenstadt ging kontinuierlich zurück, so dass Schmalhans bald ungeliebter Küchenmeister war. Zudem bereitete der entwürdigende Zustand des „Zolli“ Sorge. Seitdem die Haupttribüne Anfang der 1970er Jahre einer Straßenverbreitungsmaßnahme zum Opfer gefallen war, verfügte das Areal nur noch über drei Seiten mit heruntergekommenen Stehtraversen und keinerlei überdachten Sitzplätzen.

Bis zur Auflösung der Regionalliga Nord 1974 hielt sich Bremerhaven 93 dennoch in der zweithöchsten Spielklasse, ehe Platz 14 im Spieljahr 1973/74 nicht zur Qualifikation für die neue 2. Bundesliga-Nord reichte und Bremerhaven 93 erstmals in die Drittklassigkeit musste. Zu jenem Zeitpunkt war das Aus des Traditionsvereins bereits besiegelt. Ein hoher Schuldenberg und das moderne Nordseestadion sorgten für die Bildung des Großvereins OSC Bremerhaven, der in die Fußstapfen der 93er trat. Bis 1977 geschah dies aus formalen Gründen noch unter dem Namen „93“, ehe der Traditionsklub mit dem Gewinn der Nordmeisterschaft und dem Aufstieg in die 2. Bundesliga am 1. Juli 1977 endgültig Geschichte wurde.

Die Erfolgsära des OSC währte nur kurz, und der anschließende Absturz des Klubs, der emotional nie die Rolle der 93er einnehmen konnte, war brutal. 1985 verschwand der Klub auf Landesebene und kehrte nie zurück. Das Nordseestadion, mit seinen weitläufigen Leichtathletikanlagen nie geliebt, verwaiste, und auf dem „Zolli“ ließ sich der in FC Bremerhaven umbenannte VfB Lehe nieder, der kürzlich nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit aus dem Vereinsregister gestrichen wurde. Der Mythos von Bremerhaven 93 waberte bis heute durch Hafenstadt. „93 war ein Markenzeichen, ein Begriff, den man nicht hätte aufgeben sollen“, konstatierte Ex-Erfolgstrainer Helmut Johannsen schon 1980, nachdem der OSC auch im zweiten Anlauf, sich in der 2. Bundesliga zu etablieren, gescheitert war.
 
Dieser Artikel erschien im August 2012 im Rahmen meiner wöchentlichen Kolumne in "Nordsport" 

Montag, 5. November 2012

Insolvenzticker: VfB Lübeck

Zum zweiten Mal nach 2008 musste der VfB Lübeck am heutigen Montag den Gang zum Insolvenzrichter antreten. Der Viertligist aus Schleswig-Holstein hofft aber, die Eröffnung des Verfahrens noch verhindern zu können. Das muss in den kommenden drei Monaten geschehen, ansonsten stünden die Grün-Weißen als erster Absteiger aus der Regionalliga Nord fest. "Die Chancen, das Verfahren zu verhindern, stehen derzeit bei 50:50", wurde Vorstandssprecher Holger Leu auf ndr.de zitiert.

Gegenwärtig belasten den VfB 450.000 Euro Schulden, die im Saisonverlauf auf 700.000 Euro ansteigen könnten. Durch den Insolvenzantrag soll vor allem Zeit gewonnen werden, denn die Gehälter der Mitarbeiter und Spieler, die schon im Oktober nicht mehr flossen, werden nun von der Agentur für Arbeit gezahlt.

Zudem ist der Klub auf der Suche nach einem neuen Aufsichtsrat, nachdem der alte am 30.Oktober in einer turbulenten Veranstaltung von der Jahreshauptversammlung abgewählt worden war. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung soll am 26. November die Nachfolger bestimmen. Davon wird abhängen, inwiefern es dem Klub gelingt, Investoren zu gewinnen. Medienberichten zufolge steht ein Investor aus Hessen bereit. Vorstandssprecher Leu bezeichnete einen Neuanfang in der fünften Liga (Schleswig-Holstein-Liga) jedoch als konkrete Option, sollte kein Investor gefunden werden.

Weitere Infos: http://www.ln-online.de/sport/regional/3596545/vfb-luebeck-zweite-insolvenz-binnen-vier-jahren

Freitag, 2. November 2012

Mein erster Stadionbesuch

Ja, ja, ich weiß - Ewigkeiten nichts mehr passiert hier. Und der Insolvenzticker verschwand auch plötzlich von der Bildfläche Ganz schön blöd! :-( Sorry, aber es gab und gibt (natürlich) Gründe dafür. Da waren nicht nur zwei Buchprojekte, die enorm zeitintensiv waren sowie meine sommerlichen Radrenn-Ambitionen, die sich gleichfalls als Zeitfresser herausstellten (aber enorm Spaß machten!) - da war leider auch eine saftige Antwaltsrechnung wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung, die mir ziemlich den Wind aus den Segeln nahm und gehörig die Freude an diesem Blog vergällte, den ich schließlich nur als unbezahltes Hobby betreibe.

Wie es hier nun weitergehen wird mit dem FußballGlobus, darüber will ich in den nächsten Wochen  etwas nachdenken. In jedem Fall will und werde ich den Insolvenzticker wieder anwerfen! As erstes Schmankerl zunächst aber mein Beitrag aus dem Buch "Mein erster Stadionbesuch", das kürzlich im Verlag die Werkstatt erschien und zahlreiche Geschichten vom "ersten Mal" enthält. Weitere Infos zum Buch gibt es hier: http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/489

Und hier ist meine Story:

Wer braucht schon Europapokal?

Wenn es um Fußball ging, konnte mein Vater ausgesprochen cool sein. So wie am 24. Mai 1975, dem Tag unseres Umzugs von Dortmund nach Göttingen. Seit dem frühen Morgen zockelten wir nervtötend langsam durch die Landschaft. Mit einem Möbelwagen kommt man halt nicht so flott voran, zumal mein Vater die eigentümliche Angewohnheit hatte, Autobahnen zu meiden und stattdessen ausnahmslos Landstraßen zu benutzen. Ob das daran lag, dass er zur letzten Kriegsgeneration zählte und Autobahnen unheimlich fand? Keine Ahnung, jedenfalls quälten wir uns in einem muffigen und bis unters Dach vollgepropften 15-Tonner über schmale Landstraßen, passierten Örtchen wie Brilon, Warburg und, jetzt bitte nicht lachen, Erbsen und näherten uns im Schneckentempo Göttingen. Meiner neuen Heimat.

Ich war zwölf und voller trauriger Wut. Ich wollte nicht weg aus Dortmund, von meinen Freunden, von meinem Leben. Vom Mengeder Volksgarten, wo ich mir erste Meriten als Reinkarnation eines bärbeißigen Terriers namens Berti Vogts erworben hatte. Mit meinem fußballerischen Talent war es nicht allzu weit her, doch einen Gegner zudecken und ihn mit wütenden Tritten bearbeiten, sobald er an den Ball kam, das konnte ich.

Doch nun hockte ich auf dieser rumpelnden Dieselschleuder und dachte mit bangem Herzen an mein neues Zuhause. Hinten im Laderaum unser gesamter Hausstand. Auf dem Schoß mein Meerschweinchen Pukki, das mit starren Augen aus seinem Käfig glotzte und an trockenen Grashalmen mümmelte.

Was mich in Göttingen erwarten würde, wusste ich nicht. Vater hatte dort einen neuen Job gefunden. Ich würde eine neue Schule besuchen, neue Freunde finden. Und in der Provinz verdörren. Da war ich mir sicher. Denn, also bitte: Göttingen! Gibt es eine piefigere Kleinstadt für jemanden, der mitten im Ruhrgebiet aufgewachsen ist?

Nur eine Aussicht versetzte mich in Aufregung: Fußball. Fußball würde mich erwarten in Göttingen. Endlich! Ich war Spätstarter. Erst bei der WM 1974 hatte ich entdeckt, dass ich Fußballfan bin. Durch die Holländer, die mit ihren orangefarbenen Klamotten und lauten Gesängen durch die Dortmunder Innenstadt gezogen waren. Während mein Vater eilig vor ihnen geflohen war, blieb ich stehen und staunte. So wollte ich auch sein. Doch wie? Wir wohnten in Mengede. Eine gefühlte Weltreise vom Westfalenstadion entfernt. Zudem war Vater, eigentlich glühender Borusse und 66 beim Europacupsieg live dabei, auf den BVB nicht mehr gut zu sprechen. Der Abstieg aus der Bundesliga hatte ihm das Herz gebrochen. All mein Bitten und Flehen, doch endlich mal zu einem Spiel zu fahren, war an seinem Starrsinn (»Die spielen doch nur noch 2. Liga!«) abgeprallt. Seit fast einem Jahr war ich nun schon Fußballfan, verfolgte jeden Samstag »Sport und Musik« mit Kurt Brumme, doch im Stadion war ich immer noch nicht gewesen.

Und nun Göttingen. Dass meine neue Heimat tiefste Fußballprovinz war, ahnte ich nicht. Wie auch? Immerhin spielte Göttingen 05 wie der BVB in der 2. Bundesliga Nord, fand der Verein im Bergmann-Sammelbilderalbum der Saison 1974/75 statt, horchte ich seit Wochen aufmerksam auf, wenn bei »Sport und Musik« die Zweitligaergebnisse kamen. Göttingen 05 war zwar nur im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt, doch ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Name fiel. Noch in Dortmund knüpfte ich ein emotionales Zweckbündnis mit Göttingen 05. Eine zunächst platonische Fernbeziehung, gespeist aus reiner Vernunft. Von wegen Nick Hornby und »wir suchen uns unsere Vereine nicht aus«. Ich suchte mir meinen Verein im vollem Bewusstsein aus! Denn seit ich wusste, dass wir nach Göttingen ziehen werden, war 05 mein Lieblingsverein. Ohne das Team jemals gesehen zu haben. Ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie es in Göttingen aussieht. Einfach aus der Verlockung heraus, dass mein Vater mir nach unserem Umzug nach Göttingen endlich den ersten Stadionbesuch versprochen hatte. Was ich über Göttingen 05 wusste, stand im Bergmann-Sammelbilderalbum. Gelbe Trikots, schwarze Hosen. Wie Vaters BVB. Das fand ich einen guten Start. Auf dem Teamfoto sah ich mutige, entschlossene Männer. Mein Team!

In der Schule in Deininghausen kannte niemand Göttingen 05. Da zählte nur Borussia oder Schalke. Mir war es egal. Mit Vaters Versprechen in der Hand hatte ich sämtliche Spielernamen gelernt, konnte auf dem Mannschaftsbild jeden zuordnen. Den langen Manfred Zindel mit den tollen Freistößen. Lothar Hübner, vordere Reihe ganz links. Der blonde Verteidiger Harald Evers. Helmut Hinberg, der Libero mit dem ernsten Blick. Torhüter Albert Wenzel im grauen Sweater. »Ede« Wolf mit diesen ultracoolen Koteletten. Frank-Michael Schonert, der in der kicker-Torschützenliste ganz oben stand. Mein Team! Mit vollem Herzen stürzte ich mich in etwas, das sich als »amour fou« entpuppen sollte. Aber, bitte: Ich war doch erst zwölf! Was wusste ich schon von tragischer Liebe?

Irgendwann so gegen Mittag erreichten wir unsere neue Heimat. Müde prügelte mein Vater die Gänge in den röhrenden LKW, während wir die letzten Hügel vor Göttingen überkrochen. Pukki hockte noch immer auf meinem Schoß und zuppelte friedlich an ein paar Grashalmen, die ich bei einem Zwischenstopp vom Straßenrand gerupft hatte. Über eine Ausfall-straße röhrten wir in Richtung Stadtzentrum, als an beiden Straßenrändern immer mehr wild auf den Grünstreifen abgestellte Autos auftauchten. Menschen mit schwarz-gelben Fahnen und Schals eilten zu einer abgesperrten Straße, die schon voller Menschen war. »Junge«, meinte mein Vater und bremste den 15-Tonner ab, »Junge, hier ist heute ein Spiel!« Vor Aufregung wurden meine Augen groß. »Halten wir an?«, fragte ich mit hoffnungsvollem Timbre. Vater guckte kurz rüber, grinste und meinte: »Klar halten wir an. Komm Junge, wir gehen zum Fußball!«

Wenn es um Fußball ging, konnte mein Vater eben ausgesprochen cool sein.

Einen Parkplatz für den 15-Tonner zu finden, war nicht einfach. Und dass wir unseren gesamten Hausstand, all unseren Besitz, und auch Pukki, unbewacht stehen lassen mussten, auch nicht. Zumindest nicht für meinen Vater. Mir hingegen war das ziemlich egal. Aufgeregt hüpfte ich vom Führerhaus, drängte zur Eile, fürchtete, keinen Platz mehr im Stadion zu finden. Überall waren doch so viele Menschen!

Die Sichtweise eines Zwölfjährigen ist noch unfertig. Mein größtes Erlebnis war bis dahin ein Konzert von The Sweet in der Dortmunder Westfalenhalle gewesen. In der kleinen wohlgemerkt; also der Westfalenhalle II. Das war meine einzige Orientierungshilfe für »Masse«. Und hier liefen mindestens genau so viele Menschen herum. Davon war ich zumindest überzeugt. Vor dem Stadion sogar lange Schlangen. Aufgeregt trieb ich meinen Vater zur Eile, fürchtete ein ausverkauftes Stadion. Und war plötzlich abgelenkt, als ich neben den Kassen einen fahrbaren Fanstand entdeckte. Oben drauf schwarz-gelbe Fahnen mit dem Wappen von Göttingen 05. Sieben Mark waren dafür fällig. Mein Vater hatte keine Chance. Aufgeregt schwenkte ich meine neue Fahne, als wir auf die Gegengerade marschierten.

Das Jahnstadion war anno 1975 wahrlich keine Schönheit. Keine Überdachung, durch die Leichtathletikanlagen sehr weitläufig. Die Gegengerade so flach, dass man selbst von ganz oben durch den Gitterzaun gucken musste. Ein rumpeliges, notdürftiges Zweitligastadion ohne jegliche Atmos-phäre. Für mich der Himmel auf Erden. Meine neue Heimat. Dass es nur spärlich gefüllt war, entging meinen liebesblinden Augen. Vielleicht 2.000 waren es, die gekommen waren. Platz war für 24.000. Ob es am Gegner lag? Die Spielvereinigung Erkenschwick stand ein paar Spieltage vor Saisonende wie 05 in der Tabelle jenseits von Gut und Böse. Und repräsentierte zumindest in Göttingen eine dieser »grauen Mäuse«, die es damals in der 2. Bundesliga Nord zuhauf gab.

Vater hatte einen Vorteil gegenüber vielen der Stadionbesucher. Denn er wusste, wo Erkenschwick ist! Wir hatten ja in Mengede gewohnt, und von dort ist es nur ein Katzensprung nach Oer-Erkenschwick. Für einen Göttinger aber klang Erkenschwick exotisch unbekannt. Ich war stolz, als Vater unseren Nachbarn auf den Stehrängen verriet, dass er schon einmal dort gewesen sei und dass es bei Recklinghausen läge. Irgendwie waren Vater und ich damit so etwas wie Weltbürger in der Provinz.

Dann kamen die Teams und Dauerregen setzte ein. Ein trister, zutiefst unspektakulärer Frühsommertag. Nicht für mich. Die gelben Shirts der 05er kamen mir vor wie die Sonne, und »meine« Mannschaft endlich spielen zu sehen fühlte sich an, als sei ich an einem langersehnten Ziel angekommen. Unermüdlich schwenkte ich meine Fahne, die vom Regen klatschnass war und Vater immer wieder Wassertropfen zuschleuderte. Das Spiel erschloss sich mir nur bedingt. Im Grunde genommen hatte ich keine Ahnung davon. Fußball gesehen hatte ich bislang nur bei der WM ’74 im Fernsehen. Und natürlich kannte ich die Sportschau. Live im Stadion aber war das alles viel aufregender. Da fühlte ich mich als Teil einer wogenden Masse. Auch wenn das Stadion tatsächlich ziemlich leer war. Auch wenn das Spiel grottenschlecht und unsagbar langweilig war. Halbzeit 0:0. Nach 64 Minuten brachte »Patsche« Hansing 05 in Führung. Eine Viertelstunde später der Ausgleich für Erkenschwick. 1:1. Dabei blieb es. Im strömenden Regen des Göttinger Jahnstadions.

Mein erstes Spiel muss, nüchtern betrachtet, eine ziemlich abschreckende Erfahrung gewesen sein.

Später, als ich allmählich begriff, welch folgenschwere Entscheidung ich bei der Wahl meines Lieblingsvereins getroffen hatte, musste ich immer wieder an diesen Regen zurückdenken. Wie ich klitschnass meine ebenso klitschnasse Fahne schwenke. Glückselig und resistent gegen Niederschlag, Tristesse, leere Ränge. Heute schmunzle ich gern mal über meine eigene Fansozialisierung. Immerhin komme ich aus Dortmund, wuchs im Spannungsfeld von BVB und S04 mit dem Fußball auf. Ich könnte also BVB-Fan sein, ich könnte Schalker sein, auch wenn mein Vater das als Borusse vermutlich nicht geduldet hätte. Stattdessen wurde ich 05er. Und ließ 32 Jahre später im Mai 2012 eine 1:2-Heimniederlage in der fünften Liga gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck über mich ergehen, während der BVB in der Bundesliga mal wieder Deutscher Meister wurde. Umgeben von Göttingern, die den BVB als ihren Lieblingsklub bezeichneten und sich über die Meisterschaft freuten. Während ich als gebürtiger und auch noch immer leidenschaftlicher Dortmunder dem Titelgewinn mit zwar schwarz-gelbem, aber eben 05er-Herzen, gleichgültig gegenüberstand und an der peinlichen Pleite gegen Osterholz-Scharmbeck nagte.

Mal ehrlich: Irgendetwas muss da doch schiefgelaufen sein?

Doch derart vorbehaltlos, wie ich Göttingen 05 bei meinem ersten Stadionbesuch begegnete, war die Sachlage eigentlich klar. 05 konnte tun, was es wollte, ich wäre geblieben. Das karge 1:1, die von meinem Vater als »grausam« definierte Leistung, das leere Stadion, der überschaubare Fanblock neben dem alten hölzernen Ansagehäuschen auf der Hauptgeraden, der Regen, dem wir ungeschützt ausgesetzt waren – nichts konnte meine glühende Zuneigung zu Göttingen 05 bremsen. Und schon gar nicht der BVB, denn der war für mich ja nicht erreichbar. Zu 05 hingegen konnte ich fortan alle zwei Wochen gehen. Und wie geht Liebe, wenn man sich nicht ständig sehen kann? Fernsehfußballfan hätte ich nie werden können.

Nach dem Schlusspfiff schlurften wir klatschnass zu unserem 15-Tonner zurück. Rumpelten hinauf nach Geismar, in unsere neue Wohnung. Wie die Möbel ins Haus kamen, weiß ich nicht mehr. Wie wir den ersten Abend in der neuen Wohnung verbrachten auch nicht. Aber ich weiß noch, wie ich meine schwarz-gelbe Fahne stolz in mein neues Zimmer trug und die Wände nach dem besten Platz absuchte. Fortan war ich 05er. Zur neuen Saison gründete ich mutig einen Fanklub, nachdem sich eine Klassenkameradin ebenfalls als 05-Fan geoutet hatte. Zum Einstand der »Schwarz-Gelben Löwen« gab es ein 3:0 gegen Tennis Borussia, und dass 05 in derselben Saison auch den BVB mit 3:0 abfertigte, sorgte für schlechte Laune bei meinem Vater, die ich insofern zu meinen Gunsten nutzte, als ich ihm kommentarlos ein BVB-Fähnchen mitsamt einer Schachtel Streichhölzer auf den Küchentisch legte.

Wie jeder Fan (außer denen der Bayern) habe ich meine Wahl seitdem zigtausendfach bereut und mich hundertmillionenfach darüber gefreut. Natürlich hätte ich mit dem BVB oder Schalke viele große Erfolge feiern können. Stattdessen musste ich 2003 die Auflösung meines Klubs miterleben, beim Neustart in der achten Liga selbst mit Hand anlegen. Als Borusse oder Königsblauer würde ich zu Europapokalspielen fliegen, meine Mannschaft im Fernsehen sehen, überall Fans meines Klub begegnen. Mit 05 war ich schon in Käffern wie Landolfshausen, Ihrhove und Hillerse, freue mich über gelegentliche halbseitige Spielberichte im hiesigen Provinzblatt und ernte regelmäßig mitleidige Blicke, wenn ich von meinem Lieblingsverein erzähle.

05-Fan geworden zu sein war eben die beste Entscheidung meines Lebens. Danke Papa, dass du damals so cool warst und angehalten hast!

Donnerstag, 19. April 2012

Neuling in der Football League: Fleetwood Town

Zur Spielzeit 2011/12 wird mit Fleetwood Town ein Klub in der englischen Football League vertreten sein, der nie zuvor im Profifußball dabei war. Das Team aus der Kleinstadt unweit von Blackpool erreichte nach einem 2:2 gegen Lincoln sowie einem 2:2 von Verfolger Wrexham gegen Grimsby vorzeitig das Ziel, das in der vorherigen Saison noch in den play-off-Spielen verpasst worden war.

Der Klub existiert erst seit 1997, reicht aber zurück auf eine Klubgründung im Jahr 1908. Der seinerzeit gegründete Fleetwood FC musste 1976 aus finanziellen Gründen aufgelöst werden. Nachfolger Fleetwood Town erreichte 1985 das Finale um die FA Vase (1:3 gegen Halesowen Town vor 16.000 Zuschauern in Wembley) und ging 1996 ebenfalls in die Insolvenz.

1997 entstanden daraufhin die Fleetwood Wanderers, die zunächst unter dem Sponsorennamen Fleetwood Freeport auftraten und erst 2002 ihren heutigen Namen erhielten. Seit 2010 arbeitet der Klub unter Vollprofibedingungen. Das bereits Football-League -Ansprüchen genügende Stadion Highbury fasst 5.500 Zuschauer.

Für Fleetwood war es ist der fünfte Aufstieg in nur acht Jahren. Als Vater des Erfolges gilt Klubchef Andy Pilley, der den Klub seit 2003 anführt und der von der BBC mit den Worten zitiert wurde: "Es ist das Resultat von vieler Jahre Arbeit. Der Aufstieg ist ein großer Erfolg für die Stadt und wird dort neue Jobs schaffen. Wir hatten immer die Vision, in die Football League aufzusteigen. Nun haben wir es geschafft."

Montag, 2. April 2012

Gründung des VfB Stuttgart vor 100 Jahren

Heute vor 100 Jahren entstand der VfB Stuttgart, als sich der Stuttgarter FV 1893 und der FC Krone Cannstatt vereinten. Hier ein Auszug aus meinem Buch "Mit dem Ring auf der Brust. Die Geschichte des VfB Stuttgart" über den Zusammenschluss.

 
Die Fusion
Mit dem imposanten Aufschwung des FV 93 nach dessen Wandel von einem Rugby- in einen Fußballverein geriet Stuttgarts Fußball völlig durcheinander. Plötzlich gab es neben den Kickers, den Sportfreunden sowie dem FC Union einen weiteren Verein, der sich unter den besten Klubs in Süddeutschland festzusetzen versuchte.

Die Schwarz-Gelben waren drauf und dran, dieses Ziel zu erreichen, als sie auf Widerstände stießen. Der erste war sportlicher Natur und hieß FV Zuffenhausen – 1910 hatten die Männer von der Schlotwiese im Aufstiegsspiel zur A-Klasse glücklich die Nase vorn. Der zweite verband sich mit dem Sportplatz am Karl-Olga-Krankenhaus, dessen Zukunft höchst ungewiss war. Und als dritter Grund spielte eine bedrohlich dünne Personaldecke eine Rolle, die die sportliche Zukunft der 93er ungewiss erscheinen ließ.

Während der packenden Saison 1910/11, als sich der FV 93 und der Kronenclub Cannstatt ein dramatisches Rennen um den Staffelsieg geliefert hatten, war es zu engeren Kontakten zwischen Akteuren beider Vereine gekommen. Gemeinsame gesellige Veranstaltungen festigten das Verhältnis, und so war eines Tages das Thema Fusion aufgetaucht, dem beide Seiten durchaus offen gegenüber standen.

Auch der im gesellschaftlichen Leben Cannstatts eine wichtige Rolle spielende FC Krone war nämlich ein wenig an seine Grenzen gestoßen. Vor allem sportlich. Erst 1908 verwandelten sich die Grün-Weiß-Roten offiziell von einem Schülerklub in einen „echten" Sportverein, dessen Mittel jedoch begrenzt waren. Unter Vorsitz von Eugen Imberger sowie FV-93-Vertreter Karl Rupp kam es 1911 zu ersten Gesprächen über einen möglichen Zusammenschluss, der zahlreiche Vorteile bot: Während der FC Krone neben seinem Sportplatz am Fuße der Münsterer Kirche mit Copé Wendling, Willy Giersch und Fritz Stiefel drei Ausnahmefußballer vorweisen konnte, bestach der FV 93 durch langjährige Erfahrungen im Vereinswesen und wies einen innovativen Geist auf.

Im Spätsommer 1911 kam es im Hotel Concordia zu einer gemeinsamen Versammlung, bei der der Durchbruch erzielt wurde. Wenigen Skeptikern stand die überwältigende Mehrheit an Befürwortern gegenüber, und so wurde beschlossen, die Fusion nach Ende der laufenden Spielzeit im Spätsommer 1912 durchzuführen.

Von diesem Moment wirkten Kronenclub und FV 93 Hand in Hand, denn als die Schwarz-Gelben Weihnachten 1911 zu einem Freundschaftsspiel zu Inter Mailand reisten, waren mit Giersch, Stiefel und Wendling sogar drei Kronenklübler dabei. Das brachte den Akteuren zwar eine Sperre durch den Verband ein (sie hätten nicht für einen anderen Verein spielen dürfen), festigte aber die Bindung zwischen den Fusionswilligen.

Dass der am 2. April 1912 mit der Eintragung ins Vereinsregister vollzogenen Fusion zum VfB Stuttgart eine glückliche Zukunft beschieden war, verdankte man nicht zuletzt seinem sportlichen Traumstart mit dem Aufstieg in die Südkreisliga. Nicht nur der Erfolg schweißte den von Wilhelm Hinzmann angeführten Klub zusammen – schließlich stammten beide Ursprungsvereine aus schulischem Umfeld, war man vergleichbaren sozialen Milieus entsprungen und verfügte über diverse vereinsübergreifende „zarte Bande".

Die Harmonie bestätigte sich bei Fragen nach den neuen Vereinsfarben bzw. dem Wappen. Für das erste wurde weder das Schwarz-Gelb des FV 93 noch das Grün-Weiß-Rot des FC Krone gewählt, sondern das verbindende Weiß-Rot Cannstatts, während die als Logo fungierenden drei Hirschangeln des württembergischen Hauses den Anspruch des VfB dokumentierten, Nummer eins von Württemberg zu werden!