Alsenborn war der Inbegriff des Dorfklubs in den 1960er Jahren. 1969 scheiterten die Pfälzer in einer Aufstiegsrunde mit dem VfB Lübeck nur knapp am Sprung in die Bundesliga und wären um ein Haar zu einem frühen Hoffenheim geworden.
Die Farbe an der schmucken Tribüne ist abgeblättert, und auch der Spielfeldzaun ist sichtlich in die Jahre gekommen. Überall wuchert das Gras, erobert sich die Natur ihren Raum zurück. Raum genug ist da. Das Stadion Kinderlehre im Enkenbacher Ortseil Alsenborn fasste einst über 8.000 Menschen. Heute kommen selten mehr als 200.
Alsenborn. In den 1960er Jahren der Inbegriff des „Dorfklubs“. Dreimal klopfte der Klub aus der 2.000-Einwohnergemeinde nördlich von Kaiserslautern von 1968 bis 1970 ans Tor zur Bundesliga. Selbst beim großen Nachbarn 1. FC Kaiserslautern zitterte man damals vor dem Winzling, der dem uneingeschränkten Herrscher über die Pfälzer Fußballwelt gehörig auf die Pelle gerückt war.
Der Mann, der hinter den Erfolgen des Dorfklubs stand, hieß Fritz Walter. Der Kapitän der deutschen WM-Wunderelf von 1954 hatte gemeinsam mit seiner Frau Italia und dem gemeinsamen Pudel Arion in dem beschaulichen Artisten- und Zirkusdorf zwölf Kilometer nordöstlich von Kaiserslautern gebaut. Und wie es damals noch so üblich war, ließ sich selbst ein Weltstar wie Fritz Walter auch schon mal bei seinem örtlichen Verein blicken. Walter entwickelte prompt eine Zuneigung zum damals in der A-Klasse spielenden Klub, und als er 1962 gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitspieler und Bauunternehmer Hannes Ruth zum Endspiel um den Europapokal der Landesmeister zwischen Benfica Lissabon und Real Madrid nach Amsterdam reiste, nahm das Märchen Alsenborn seinen Anfang. „In so einem Stadion müsste der SV Alsenborn mal spielen“, witzelte das Pfälzer Duo – und beschloss auf der Heimreise, genau das anzustreben.
Bauunternehmer Ruth übernahm die finanzielle Protektierung des Vorhabens, während Walter seine Kontakte in die Fußballwelt spielen ließ. Der ehemalige Lauterer Meisterkeeper Willi Hölz rückte zwischen die Pfosten des A-Klassenklubs. Otto Render, 1953 mit dem FCK Deutscher Meister, wurde Trainer, und der Tiefbau-Unternehmer Hannes Helmes schloss sich dem wachsenden Sponsorenpool an. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. 1964 stieg der SV Alsenborn in die 1. Amateurliga auf, 1965 in die Verbandsliga und 1966 in die Regionalliga Südwest. Drei Aufstiege in Folge – Alsenborn war seinerzeit bundesweit in aller Munde und wurde zum „Fußballdorf“.
Wenngleich Walter und Co. den Erfolg auch dank üppiger finanzieller Ausstattung rasch hatten umsetzen können, war Alsenborns Erfolg kein gekaufter. Dafür hätte eine Fußball-Ikone wie Fritz Walter auch gar nicht zur Verfügung gestanden. Statt dessen waren Scouts über den gesamten Südwesten der Bundesrepublik ausgeschwärmt und hatten nach Talenten für die Blau-Weißen gesucht. In der Abwehr regierte Stopper Klaus Schmidt, der mit millimetergenauen 40-Meter-Pässen brandgefährliche Konter einleiten konnte. Im Sturm lauerte Lorenz „Lenz“ Horr, der später nur durch eine Verletzung an einer Länderspielkarriere gehindert wurde. Neben ihm rochierte Jürgen Schieck, und im Mittelfeld dirigierte der dribbelstarke Franz Schmitt.
Zwei Jahre brauchte der SV Alsenborn, um, sich in der Regionalliga zu akklimatisieren. 1968 wurde die nächste Stufe auf dem Weg zu „einem Stadion wie Amsterdam“ beschritten. Mit neun Punkten Vorsprung wurde der SVA Südwestmeister und qualifizierte sich für die Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Beim DFB schlug man die Hände über den Köpfen zusammen beim Gedanken des „Fußballdorfes“ in seiner schmucken Großstadtliga. Alsenborn erfüllte keine der Kriterien für einen Bundesligavertreter. Eine bescheidene 8.000-Plätze Spielstätte, vier „Flutlicht“ genannte Funzeln, dörfliche Infrastruktur. Wie sollte da um Bundesligapunkte gestritten werden? Ein Jahr dürfte der SVA im Falle des Aufstiegs in einem Fremdstadion spielen, dann müsse in Alsenborn eine bundesligataugliche Spielstätte entstanden sein, verfügte der DFB.
Die „Fremdstätte“ war das Ludwigshafener Südweststadion. Rund 50 Kilometer von Alsenborn gelegen, sah es 1968 auch das erste Aufstiegsrundenheimspiel gegen Hertha BSC, wo mit 36.000 Zuschauern die 18fache Einwohnerzahl Alsenborns einen 2:1-Sieg der Dorfelf feierte. Doch es reichte nicht. Nicht 1968, nicht 1969, als eine dumme 0:3-Niederlage in Zehlendorf den möglichen Aufstieg verhinderte, und auch nicht 1970.
Dass Alsenborn nicht zu einem frühen Hoffenheim werden würde, zeichnete sich ab April 1969 ab, als Erfolgstrainer Render bei einem Autounfall ums Leben kam. Ein Schock, den der trotz seiner Erfolge stets familiär gebliebene SVA nicht verdauen konnte. Nachdem 1974 zudem der 1. FC Saarbrücken unter umstrittenen Umstände bei der Gründung der 2. Bundesliga-Süd vorgezogen war, trat der SV Alsenborn schon 1988 wieder dort an, wo sein Traum 1962 begonnen hatte: In der A-Klasse.
Alsenborn ist bis heute ein Fußballdorf. Das liegt nicht nur am SVA, sondern auch am liebevollen Fritz-Walter-Museum hoch oben über den Dächern des inzwischen zur Kleinstadt angewachsenen ehemaligen Dorfes.
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