Mittwoch, 18. August 2010

Fußball-Legenden: VfB Peine

Im Rahmen meiner wöchentlichen Kolummne für "Nordsport" habe ich mich im Mai mit dem abgestürzten niedersächsischen Traditionsverein VfB Peine beschäftigt, der in seiner Historie ungewöhnlich häufig auf Lübecker Gegner traf - und stets scheiterte. Nachstehend das Ergebnis.

VfB Peine
In den Annalen des VfB Lübeck hat der VfB Peine tiefe Spuren hinterlassen. Dreimal trafen die Grün-Weißen in Aufstiegsrunden auf die Grün-Roten aus Ostniedersachsen – und stets waren es entscheidende Duelle für den VfB Lübeck.

Zum ersten Aufstiegsrundenthriller zwischen den beiden VfB kommt es am Ende der Saison 1956/57. Lübeck ist sowohl mit dem VfB als auch dem Phönix im Aufstiegsrennen vertreten. Doch das Duell, das alle mitreißt, lautet VfB Lübeck gegen VfB Peine. Am 2. Juni 1957 steht auf der Lohmühle das alles entscheidende direkte Duell an. Nach seiner 0:1-Niederlage unter der Woche bei Sperber Hamburg braucht Lübeck einen Sieg, um Spitzenreiter Peine noch den Oberligaaufstieg zu entreißen. 10.000 Fans stärken dem VfB den Rücken. Sie müssen lange zittern, denn Peine stellt die „technisch einwandfrei bessere Mannschaft“ („kicker“). Doch die Niedersachsen haben ihre Schussstiefel vergessen. Sieben vor Schluss steht es immer noch 0:0, als VfB-Verteidiger „Heini“ Schröder in eine zu kurze Rückgabe eines Peiner Kollegen spitzelt und das Leder über Keeper Bolchert hinweg ins Netz hebt. 10.000 Fans jubeln: der VfB Lübeck ist in der Oberliga, während den 600 mitgereisten Peiner Fans nur die (nicht erfüllte) Hoffnung auf das nächste Jahr bleibt.
18 Jahre später stehen sich die beiden VfB erneut in einer Aufstiegsrundengruppe gegenüber. Diesmal geht es um die Qualifikation zur Oberliga Nord, der erst im Vorjahr aus der Taufe gehobenen dritten Liga. Doch weil weder Lübeck noch Peine überzeugen kann, hat keine der beiden Mannschaften etwas mit der Entscheidung um den Aufstieg zu tun.
Das sieht 1977 ganz anders aus. Am 12. Juni kommt es in Peine zum Gipfeltreffen in der Oberliga-Aufstiegsrundengruppe A. Gastgeber VfB Peine kämpft nach 4:4-Punkten aus vier Spielen bereits um seine letzte Chance. Der VfB Lübeck hingegen hat in seinen vier Begegnungen erst einmal verloren und kann mit einem Sieg an der Ilseder Straße den Aufstiegs quasi perfekt machen.
3.000 Zuschauer füllen die Ränge der altehrwürdigen Kampfbahn in der alten Industriestadt zwischen Hannover und Braunschweig. Peine schwelgt im kollektiven VfB-Fieber. Unter Trainer Otto Laszig, 1958 mit Schalke 04 Deutscher Meister und später mit Hannover 96 in der Bundesliga am Ball, haben die Grün-Roten das Entscheidungsspiel um die Niedersachsenmeisterschaft gegen den TSV Helmstedt souverän mit 5:1 zu ihren Gunsten entschieden und wollen nun mit Macht in die Oberliga Nord. Die ist keineswegs Endziel der Walzwerkstädter, denn in Peine spricht man von der 2. Bundesliga-Nord. Möglich machen soll das Enno Menz, ein Mäzen, der den VfB mit der Formel „mehr Leistung durch größere Investitionen“ lenkt.
Angeführt von den Ex-Profis Klaus Gerwien (1967 mit Eintracht Braunschweig Deutscher Meister) und Wolfgang Hoinza (ebenfalls Braunschweig) gehen die Peiner voller Entschlossenheit in ihr Schicksalsspiel gegen den Lübecker Namensvetter. Das Hinspiel auf der Lohmühle hatten die Marzipanstädter knapp mit 2:1 für sich entschieden. Und auch in Peine haben die Lübecker die Nase vorn und zerstörten zum zweiten Mal nach 1957 die Aufstiegsträume der Grün-Roten. Nach Lübecks 2:0-Sieg feiern nur die zahlreich mitgereisten grün-weißen Fans.
Ein Jahr später spielte die Fußballstadt Lübeck zum dritten Mal Schicksal für den VfB Peine. Erneut in die Oberliga-Aufstiegsrunde eingezogen, bezwang der VfB zwar den Lübecker Phönix auf eigenem Platz mit 2:0, musste ihm aber in der Endabrechnung den Vortritt lassen. Das dritte Scheitern im vierten Anlauf hatte fatale Folgen für den Klub. Der innere Frieden war schon lange gestört, und auch Mäzen Enno Menz hatte sich mit seinen bisweilen etwas einsamen Entscheidungen nicht nur Freunde gemacht. 1979/80 kam es mitten in der Saison zu einem Spieleraufstand, in dessen Folge der gesamte Vorstand seinen Hut nahm. Mit einem 0:6-Heimdebakel gegen Lüneburg stieg der VfB Peine nach über dreißig Jahren aus dem niedersächsischen Amateuroberhaus ab und musste in der fünften Liga weiterkicken.
Doch die Talfahrt hatte erst begonnen. Nach dreizehn sieglosen Spielen in Folge rutschte der VfB auch 1980/81 wieder ans Tabellenende. Eilig wurde Otto Laszig an die Ilseder Straße zurückgeholt, der jedoch auch nichts mehr retten konnte. Im Mai 1981 war der Durchmarsch in die Bezirksoberliga perfekt. Drei Jahre später ging es sogar in die Bezirksliga, wo die Talfahrt endlich gestoppt werden konnte. Am 16. April 1980 feierten 800 VfB-Fans nach einem 2:1 über Lokalrivale BSC Bülten sogar die Rückkehr in die Bezirksoberliga, wo dem VfB der Durchmarsch in die Landesliga gelang.
Mit dem erneuten Abstieg begann 1995 eine weitere Talfahrt, die den VfB diesmal sogar in der Kreisliga verschwinden sah. Erst 2000 gelang die Rückkehr auf die Bezirksebene, und 2009/10 verbrachten die Grün-Roten sogar noch einmal eine Spielzeit in der Bezirksoberliga. Doch die lange Zeit der sportlichen Misserfolge hat Spuren hinterlassen. Das altehrwürdige VfB-Stadion mit seiner historischen Holztribüne ist inzwischen nur noch spärlich gefüllt, wenn der VfB aufläuft, und Zweitligaträume hegt man in Peine nur noch im Hinblick auf die in der Region beliebte Braunschweiger Eintracht.

1 Kommentar:

  1. wow, echt guter Blog hier!
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    Schau doch mal vorbei :)

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