Mittwoch, 21. September 2011

Buchrezension: Zonenfussball - Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen

Zonenfussball.
Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen

Im Verlag "Neues Leben" erschien kürzlich ein Titel, der etwas zweideutig ausfiel: "Zonenfußball. Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen".

Ein Titel, der nach ganz viel DDR-Notalgie in Form von Vereinsporträts klingt. Und in Frank Willmanns kleinem Sammelband finden sich in der Tat auch viele schöne Geschichten aus alten DDR-Fußballtagen. Wer jedoch angesichts des Untertitels eine Aufsatzsammlung zur Geschichte diverser DDR-Klubs erwartet, wird enttäuscht sein.

Statt dessen erwarten den Leser 34 teilweise sehr persönlich gefärbte Geschichten über das Fandasein nicht nur zu DDR-Zeiten. Wo die Reise emotional hingeht, macht Herausgeber Frank Willmann bereits in seinem Vorwort deutlich, in dem er die heutige Fußballpresse als "akritische Fußballmedienmeute" bezeichnet und den Wandel des Fußballs zum "fetten Event" betrauert.

Mit seiner Biografie als Fanforscher und Punkrockforscher bringt Willmann alsdann eine ungewöhnliche Sichtweise ein und hat sich zudem Fachleute wie Veit Pätzung, Christoph Ruf oder Péter Zilahy ins Boot geholt, um über den "Fußball im Osten - einst und heute" (Klappentext) zu philosophieren.

Fußball in der Ex-DDR, in der ehemaligen "Zone", das hat häufig etwas wehmütiges. Und Wehmut klingt dann auch in den meisten der 34 Geschichten durch. Jochen Schmidt berichtet von seinem ersten Stadionprogramm, dass er 1979 beim Oberligaspiel zwischen dem BFC Dynamo und Stahl Riesa erhielt. Andreas Gläser erinnert an eine Begegnung in den 1970er Jahren, als er durch Zufall bei der BSG Obertrikotagen Apolda landete und die bei ihrem Heimspiel auf die BSG UT Erfurt traf - wobei UT zur Verwirrung des Autors nicht für "Untertrikotagen" sondern für "Umformtechnik" stand. DDR-Fußballalltag in Reinkultur.

Die Geschichten sind ausnahmslos lesenswert und genügen häufig höheren literarischen Ansprüchen. Sie lassen wehmütige Erinnerungen aufkommen, als Fußball noch ein Sport der Massen und nicht eines des Events war. Und sie lassen deutlich werden, wie wichtig das Dasein als Fußballfan auch in der DDR für die Sozialisation vieler Jugendlicher war.

Aus den schönen Storysammlung ragen einige Perlen der Schreibkunst heraus. Da ist beispielsweise der Gastbeitrag von Wladimit Sergijenko, der über die unterschiedlichen Ausprägungen des Nationalismus in der Ukraine in den letzten Tagen der UdSSR bzw. in den Hochtagen der Orangenen Revolution berichtet. Anne Hahn erinnert in schönen Szenen an die Rückkehr der männlichen Mitglieder ihrer Familie von einem Magdeburg-Spiel, und Dominik Bartels zeigt in frappierender Offenheit auf, warum ein unbekannter Zweitligakicker (sein Vater nämlich) mehr Wert war, als Cristiano Ronaldo. Das ist groß!

Kein Buch für akribische Statistiker oder ernsthafte Historiker, sondern ein Werk für literaturverliebte Fußballfans. Auch wenn der Titel das auf den ersten Blick nicht verrät.

Zonenfußball
Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen
Frank Willmann (Hrsg.)
Verlag Neues Leben
224 Seiten
ISBN: 978-3-355-01792-3
16,95 Euro

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