Vor 40 Jahren traf der IF Tönning im Rahmen des DFB-Pokals auf Bayer04 Leverkusen. Hier ein kleiner Rückblick, den ich für "Nordsport" verfasste.
Man kann ihn gar nicht genug feiern, den DFB-Vereinspokal. Wo sonst hat ein kleiner Klub wie der IF Tönning schon die Chance, ins bundesweite Rampenlicht zu treten und seinen bescheidenen Alltag für ein paar glorreiche Stunden zu verlassen?
Tönnings große Stunde schlug am 7. August 1976 in der damals noch 128 Mannschaften starken 1. Hauptrunde des Pokalwettbewerbs, als man mit Zweitbundesligist Bayer Leverkusen ein „Traumlos“ zog. „Wir kommen uns vor wie in einem Fußball-Märchen aus Tausendundeiner Nacht, wir können es immer noch gar nicht fassen. Aber der DFB-Pokal macht so etwas eben möglich“, wird Klubpräsident Manfred Ziegeler im bundesweit erscheinenden „Fußball-Sport“ zitiert.
Unter der Überschrift „Tönning: Wie ein Märchen“, stellte das Blatt seinen Leser den ungewöhnlichen Verein alsdann mit folgenden Worten vor: „Es klingt vieles märchenhaft, wenn man von diesem IF Tönning erzählt. Erstens einmal ist dieser Klub (IF = Idräetsforling) ein dänischer Verein! Er wurde 1946 von Dänen nur für Dänen gegründet. Erst Anfang der 50er Jahre nahm dieser Verein dann auch deutsche Mitglieder auf – und spielt in der heutigen Ligamannschaft spielt nur noch ein Däne (Martin Frost Larsen), der als Lehrer an einer dänischen Schule arbeitet. Zweitens: IF Tönning ist siebentklassig, zieht also nur über die Dörfer, ist froh, wenn einmal 100 Zuschauer kommen.“
Klubchef Ziegeler und die damals 260 Köpfe zählende IF Tönning sahen in dem Pokalauftritt den „größten Augenblick der Vereinsgeschichte“. Zwar hatte es Glücksgöttin Fortuna nicht gut gemeint mit den Blau-Weißen aus der 4.000 Einwohnergemeinde zwischen Heide und Husum und sie nach Leverkusen geschickt, statt die Bayer-Elf in den hohen Norden zu beordern (damals genossen Amateurklubs im Pokal noch nicht automatisch Heimrecht), doch der Abenteuerfaktor war dadurch umso größer. Schließlich ging die Reise nicht wie im Ligaalltag nach Bredstedt oder Süderlügum, sondern in die Chemiemetropole am Rhein. Ein regelrechter Abenteuerurlaub!
Und Gegner Bayer Leverkusen tat alles, um seinem unterklassigen Rivalen den Ausflug so angenehm wie möglich zu gestalten. „Die Herren von Bayer Leverkusen haben uns jede Unterstützung zugesagt. Sie wollen uns sogar einen Mann zur Betreuung von der ersten bis zur letzten Minute abstellen. Und uns auch zu einer Besichtigung der Bayer-Werke einladen. Außerdem soll ein kleiner Ausflug organisiert werden. Dass es so etwas im großen Fußball, der doch eigentlich nur noch Geschäft ist, noch gibt, hat uns sehr beeindruckt“, freute sich Tönnings Vorsitzender Ziegler über die Gastfreundschaft des Profiklubs.
Trainer Bonneß und sein Team nutzten derweil die günstige Gelegenheit und nahmen die Bayer-Elf zwei Wochen vor dem großen Tag bei einem Freundschaftsspiel im nahegelegenen Brunsbüttel höchstpersönlich unter die Lupe. Was sie sahen, war beeindruckend. Einhellige Meinung nach dem Leverkusener 6:0-Erfolg über den immerhin drei Klassen über der IF Tönning spielenden BSC Brunsbüttel: „Die sind gleich ein paar Nummern zu groß für uns“.
Und dann kam er, der große Ausflug des kleinen IF Tönning. Bereits am Donnerstag vor dem für Samstagnachmittag terminierten Spiel brach die nordfriesische Fußballdelegation Richtung Westdeutschland auf. Mit einem gut gefüllten Kleinbus ging es in fröhlicher Stimmung auf die 530 Kilometer lange Reise. Eine Reise, die im Übrigen jeder Spieler selbst finanzieren musste! „Gewiss werden wir ja an den Einnahmen beteiligt, aber wenn wir als Dorfmannschaft nach Leverkusen kommen, werden die Ränge dort kaum voll sein. Also zahlt jeder Spieler alles selbst, mindestens so um die 160 Mark herum. Sonst würden wir gar nicht fahren können. Aber keiner murrte deshalb“.
1.300 Neugierige fanden sich schließlich am 7. August 1976 im Ulrich-Haberland-Stadion ein und bereiteten dem Siebtligisten einen unvergessenen Tag. Das galt auch sportlich, denn das Team von Trainer Boneß („Alles unter 10:0 ist ein Erfolg“) schlug sich mehr als tapfer, verlangte der Profielf um Ex-Nationalspieler Dieter Herzog vor allem in der ersten Halbzeit alles ab und blieb lediglich im Sturm harmlos. Entschieden war die Sache dennoch frühzeitig, denn als Eickerling Leverkusen in der zwölften Minute in Führung brachte, war Tönnings Schicksal besiegelt. Bis zur 50. Minute verteidigten die Amateure den knappen Rückstand, dann erhöhten Hermann und Herzog per Doppelschlag auf 3:0. Jürgen Gelsdorf war es schließlich, der in der 68. Minute den 4:0-Endstand herstellte.
Dennoch durften die Tönninger Fußball-Abenteurer ihre Heimreise erhobenen Hauptes antreten.
Jensen – Konrad (84. Rower), Eggers, Brandt (63. Holst), Krüger, Larsen, Röhe, Mölck, Otto, Röhr, Hecht
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