Donnerstag, 23. Februar 2012

Was macht eigentlich der... TuS Hessisch Oldendorf

Aus meiner Reihe "Jahrestage" für die Zeitschrift "Nordsport" ein Porträt über den TuS Hessisch Oldendorf - manch einer mag sich noch daran erinnern, dass die Grün-Weißen mal in der Oberliga Nord rumkickten.


Er sorgte in den 1980er Jahren auch in Schleswig-Holstein für allerlei Verwirrungen – nicht zuletzt geografischer Natur: der TuS Hessisch Oldendorf, der die Fans drei Drittligaspielzeiten lang rätseln ließ, was ein „hessischer“ Verein in die Oberliga Nord macht.

Die verwirrende Ortsbezeichnung hatte jedoch andere Hintergründe. Bis 1905 hieß das eine Handvoll Kilometer nördlich von Hameln gelegene Weserstädtchen nämlich schlicht „Oldendorf“. Weil es mit diesem Alltagsnamen im wachsenden Bahn- und Postverkehr immer wieder zu Verwechslungen mit anderen Oldendorfs gekommen war, erhielt die niedersächsische Gemeinde den Zusatz „Hessisch“ – die Stadt gehörte seinerzeit zur preußischen Provinz Hessen-Nassau.

Bis Hessisch Oldendorf im Fußball über die Kreisgrenzen hinaus Bekanntheitsgrad erwarb, vergingen noch beinahe sieben Jahrzehnte. 1970 war das spektakuläre Wendejahr in der bis dahin höchst unspektakulären Historie des TuS von 1928. Damals übernahm mit Siegfried Gottwald ein engagierter Unternehmer die Vereinsführung und gab gewagte Visionen aus: „Mit 50 will ich in der Verbandsliga sein.“ Da der neue Chef zu jenem Zeitpunkt bereits 45 Jahre auf dem Buckel hatte, musste sich der seinerzeit in der 2. Kreisklasse dümpelnde TuS sputen. Denn bis zu Gottwalds Jubeljahr waren vier Aufstiege binnen fünf Jahre vonnöten.

Gottwald war aber nicht nur jemand, der gewagte Visionen malte, sondern auch jemand, der in der Lage war, sie umzusetzen. Dank seines Unternehmens „Wesermöbel“ verfügte er über eine gut gefüllte Kriegskasse und zeigte sich spendabel, was die Verpflichtung talentierter bzw. erfahrener Fußballerbeine betraf. Wie ein Wirbelwind fegte Hessisch Oldendorf hernach durch die niedersächsische Provinz. 1970/71 berechtigten 135:17 Tore und 45-3 Punkte zum Aufstieg in die 1. Kreisklasse. 1971/72 kam eine Handvoll Kicker vom benachbarten Verbandsligisten SV Obernkirchen und brachte den TuS sogar in den „kicker“. „In der 1. Kreisklasse Grafschaft Schaumburg hat die Mannschaft von TuS Hessisch Oldendorf die Meisterschaft mit 52:0 Punkten und 95:13 Toren errungen“, meldete das Fachblatt.

Auch in der Bezirksklasse waren die Grün-Weißen nicht zu stoppen: 120:20 Tore, 55:5 Punkte, dritter Aufstieg in Folge. Zwischenzeitlich hatte Gottwald begonnen, den heimischen Sportplatz in ein verbandsligataugliches Stadion zu verwandeln. In der Bezirksliga geriet der Erfolgsexpress dann aber kurzzeitig ins Stocken. Drei Niederlagen in der Hinrunde sorgten für ungewohnte Gefühle und verhinderten den vierten Aufstieg.

Pünktlich zum 50. Jubeljahr von Klubchef und Mäzen Gottwald war es dann 1974/75 so weit. „Trainer Rödenbeck weiß kaum noch, wie er seine Elf motivieren soll“, konstatierte die Lokalpresse zur Winterpause: „Bis jetzt haben die Oldenburger erreicht was nur möglich ist. Es scheint auch nicht überheblich, wenn Rödenbeck jetzt die Parole ausgibt: Wir wollen diese Saison ungeschlagen beenden“. Am Saisonende wies der TuS 22 Punkte auf seinen „Verfolger“ auf und hatte sämtliche Auswärtsspiele gewonnen. Ach ja: und er war in die Verbandsliga aufgestiegen. Wie von Gottwald prognostiziert!

Inzwischen existierte ein Förderkreis, und längst dachte man im Waldstadion über höhere Ziele nach. Die Oberliga Nord sollte es sein. 1977 sicherte sich die TuS mit einem 3:1 über den TSV Verden den Niedersachsenpokal, und 1978 feierten 2.000 Fans ein 2:1 über den VfR Osterode, das die Verbandsligameisterschaft sicherte. In der Aufstiegsrunde vollenden die Grün-Weißen ihren Triumphzug und rückten in die Verbandsliga Niedersachsen auf.

Dort dauerte es ungewohnt lange drei Jahre, ehe 1982 unter Trainer Klaus Blume der erneute Klassensprung anstand. In der Liga hatte sich der TuS gegen den turmhohen Favoriten Olympia Wilhelmshaven durchgesetzt, und in der Aufstiegsrunde war mit einem 4:1 bei Urania Hamburg die Pforte zum norddeutschen Amateuroberhaus geöffnet worden. Einziger Wermutstropfen: der karge Zuschauerbesuch von kaum 500 pro Heimspiel. „Wir schätzen uns glücklich, mit Herrn Gottwald einen Vorsitzenden und Mäzen zu besitzen, der uns in finanziellen Engpässen bislang geholfen hat“, stöhnte Geschäftsführer Arno Karnau.

In der Oberliga Nord waren die Grenzen des Wachstums erreicht. Obwohl man es mit hochdotiertem und namhaften Personal wie Neale Marmon, Klaus Wunder oder dem Polen Jermakowicz versuchte, bereiteten weder das alljährliche Punktekonto noch der Zuschauerzuspruch Freude. Im ersten Jahr kamen durchschnittlich immerhin 839 Zahlende (Platz 13). Im zweiten waren es nur noch 624 (Platz 10) und im dritten gerade mal 515. Sportlich zerbrach der grün-weiße Traum im dritten Jahr, als die Elf um Dauerbrenner Manfred Rusteberg und Sturmoldie Reinhard Loges nach einem Fehlstart im September auf den letzten Platz abrutschte und jenen im Saisonverlauf nicht mehr verlassen konnte.

Der Absturz war böse. Mäzen Gottwald sah sein „Lebenswerk in Gefahr“ und musste auch den Abstieg aus der Verbandsliga Niedersachsen hinnehmen. 1994/95 wurde die TuS in die Bezirksliga durchgereicht, stürzte 2002 in die Kreisliga und erreichte 2007 mit dem Abstieg in die Kreisklasse seinen Tiefpunkt. 2010 gelang immerhin die Rückkehr in die Leistungsklasse, was die „Deister- Weserzeitung“ zur Schlagzeile „Die Legende lebt – Der TuS ist wieder da“ animierte.

2 Kommentare:

  1. Soeben übrigens zurück im Kreisoberhaus angekommen.
    Direkter Durchmarsch von der Leistungsklasse in die Kreisliga.
    Immerhin:D

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