Ein Fall, bei dem man nur zwischen die Stühle fallen kann. Ich als ferner Berichterstatter sowieso. Aber es ein wichtiges Thema, denn am kommenden Samstag wird erstmals seit dem 25. Mai 1990 ein Klub namens BSG Chemie im Alfred-Kunze-Sportpark auflaufen.
Also hinein in das Leutzer Hochspannungsfeld und zunächst ein Rückblick. Nach Ende der Saison 2010/11 wurde der FC Sachsen Leipzig, Nachfolger des Ex-DDR-Oberligisten BSG Chemie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abgewickelt und aufgelöst. Als Nachfolger entstand die SG Leipzig-Leutzsch, die anstelle der 2. Mannschaft des FC Sachsen in die Landesliga eingruppiert wurde. Nachdem es zunächst geheißen hatte, RBL würde das Oberligaspielrecht der 1. Mannschaft des FC Sachsen übernehmen, verzichteten die Brausekicker schließlich und der Oberligastatus verfiel.
Soweit der eine Strang. Für den anderen muss man zurückgehen ins Jahr 1997, als ein Klub mit dem Namen Ballsportgemeinschaft Chemie Leipzig gegründet wurde - Kurzversion "BSG Chemie". Das Logo des alten DDR-Ligisten tragend, wollte man die Tradition von "Chämie" pflegen und nahm den Spielbetrieb ganz unten auf. Im Zuge der unendlichen Auseinandersetzungen um den FC Sachsen sowie die Gründung von RBL spaltete sich unterdessen die Fanszene des FC Sachsen allmählich auf. 2007 wechselte erstmals eine größere Ultragruppe zur BSG Chemie und verbreitete in der Kreisliga - je nach Standpunkt - entweder Fußballatmosphäre oder Angst und Schrecken. Nach dem Aus des FC Sachsen übernahm Chemie nun zur Saison 2011/12 das Spielrecht des Landesligisten VfK Blau-Weiß Leipzig und kehrte örtlich in den Alfred-Kunze-Sportpark zurück. Dort kommt es nun am Samstag zum mit Spannung erwarteten Duell mit dem FC Eilenburg
Dazu heißt es in der "Leipziger Volkszeitung":
Auch wenn die heutige Ballsportgemeinschaft rein rechtlich nichts mit der Betriebssportgemeinschaft von einst zu tun hat, so ist die Partie am Samstag zumindest im Selbstverständnis der Fans doch eine lang ersehnte Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Das spürt auch Oliver Krause, designierter Vereinspräsident der Chemiker. „Ein gewisses Prickeln ist auf jeden Fall da, auch wenn ich derzeit viele Dinge im Kopf habe, die noch vorzubereiten sind“, erklärte Krause am Mittwoch gegenüber LVZ-Online. Er hofft auf mehr als 1000 Zuschauer bei der Saison-Premiere und auf ein insgesamt begeisterndes Fußballfest. Das sportliche Ergebnis, so Krause, sei dagegen eher zweitrangig. „Wir wollen natürlich an solch einem historischen Tag nicht verlieren“, sagte Krause. Aber derzeit stünden einfach noch andere Dinge im Fokus.Die Sache ist jedoch noch komplizierter, denn Chemie ist nur Gast im eigenen Stadion. Stadionpächter ist nämlich die SG Leipzig-Leutzsch, die ebenfalls das grün-weiße Erbe für sich reklamiert. Der nach dem Aus des FC Sachsen vor allem aus dessen Jugendmannschaften gebildete Verein erinnert mit seinem Namen an die Gründungsbezeichnung der Leutzscher Kicker aus den ersten DDR-Jahren, als mehere kleine Klubs in der SG Leutzsch gebündelt wurden. Auch die SGLL tritt wie erwähnt in der Landesliga an, und in Leutzsch tobte den gesamten Sommer über eine wüste Auseinandersetzung innerhalb der grün-weißen Fanszene, die völlig gespalten und zerstritten ist.
„Der Verein muss in dieser Saison erst einmal auf gesunde Füße gestellt werden“, versucht er die hohen Erwartungen der Fans zu bremsen. Der Aufbau funktionierender Strukturen bei der erst vor drei Jahren in der Kreisklasse reaktivierten BSG Chemie stehe im Zentrum der Bemühungen. „Wir wollen die vielen engagierten Leute integrieren, neue Zuschauer gewinnen“, sagte Oliver Krause. Er glaubt aber auch: „Wenn wir ordentlich arbeiten, dann stellt sich der Erfolg ganz bestimmt ein.“ Auf eine Prognose, welche Rolle Chemie in der sechsthöchsten Spielklasse einnehmen kann, will er sich nicht festlegen lassen. Mit den jungen Rasenballsportlern aus Leipzg und dem SSV Markranstädt seien starke Teams dabei, auch Heidenau und Kamenz hätten sich gut verstärkt. Laut des möglichen neuen BSG-Präsidenten heißt die Divise deshalb: „Wir wollen für Überraschungen sorgen!“
Wer am Samstag in der Startformation stehen wird, ist noch unklar. Sicher ist jedoch: Die Kicker werden von einem Meer von grün-weißen Fahnen und lautstarken Schlachtrufen empfangen werden. „So viel ich weiß, arbeiten unsere Ultras derzeit an einer Choreografie“, berichtet Krause. In den vergangenen drei Jahren in der Leipziger Kreisklasse sorgten die engagierten Fans des Vereins schon für Aufsehen, gerieten zum Aushängeschild der neuen BSG Chemie. Mitunter gehörten dabei auch die bei Polizei und Verbänden umstrittene Pyrotechnik zum Teil der Fankultur. „Ich persönlich bin für Emotionen im Stadion und für mich kann da auch Pyrotechnik dabei sein“, sagte Krause und fügte an: „Ich wäre sogar für eine teilweise Legalisierung – in geordneten Bahnen, so dass keiner verletzt wird.“ (Gesamter Beitrag: http://nachrichten.lvz-online.de/gestaltete-specials/knipser/bsg-chemie-leipzig/rueckkehr-nach-leutzsch-chemie-leipzig-bestreitet-erstes-heimspiel-im-kunze-sportpark/r-bsg-chemie-leipzig-a-99860.html).
Über diese Hintergründe wiederum informiert ausführlich und, wie ich finde ausgewogen, ein Beitrag auf "rotebrauseblogger".de:
http://rotebrauseblogger.de/2011/06/05/grun-weise-alternativen-sg-leipzig-leutzsch-vs-bsg-chemie/
Nur eine kleine Korrektur: Die BSG Chemie wurde fußballerisch nicht 2007, sondern 2008 wiederbelebt. Als Vorbilder könnten AFC Wimbledon und FC United of Manchester angebracht werden - es war eine Fanneugründung. Der Verein versteht sich als basisdemokratisch. In drei Jahren gab es drei Aufstiege.
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