Montag, 11. März 2013

Legenden: MTV Gifhorn

Im Rahmen meiner "Nordsport"-Wochenkolumne beschäftige ich mich regelmäßig mit abgetauchten Klubs aus dem Norden. Heute geht es um den MTV Gifhorn.

Gifhorn ist eine gemütliche und schön anzuschauende Kleinstadt am Rande der Lüneburger Heide. Fußballerisch liegt man im Bannstrahl von Wolfsburg, Hamburg, Hannover und Braunschweig. Hochkarätige Konkurrenz, die den lokalen Fußballklubs nicht nur die Talente sondern auch die Zuschauer streitig machen.

Und doch hat sich der MTV Gifhorn seit den 1970er Jahren unter den führenden Fußballklubs in Niedersachsen etabliert, erreichten die Schwarz-Gelben in den 1980er Jahren mit acht Spielzeiten in der damaligen Oberliga Nord ihren Zenit.

Der Aufstieg des MTV Gifhorn, dessen Wurzeln bis ins Revolutionsjahr 1848 zurückreichen, der aber erst 1911 eine Fußballsektion bekam, begann in den 1960er Jahren. 1965 wechselte mit Wolfgang Simon erstmals ein Gifhorner Männerturner in den Profifußball (Eintracht Braunschweig), und 1968 verdrängte der MTV mit einem 2:1 im direkten Duell die SVG Gifhorn vom städtischen Fußballthron. Fortan war Gifhorns Spitzenfußball der MTV. 1970 erreichten die Schwarz-Gelben nach drei Aufstiegen in Folge die damals viertklassige Verbandsliga und kamen 1977 bereits im niedersächsischen Fußballoberhaus an.

Der Erfolg der Männerturner war einer liebevollen Nachwuchsarbeit zu verdanken, die vom ehemaligen Wolfsburger Regionalligaspieler und Bundeswehrhauptmann Wolf-Rüdiger Krause veredelt worden war. Und der Aufschwung hielt an. Im ersten Landesligajahr gewann der MTV den Niedersachsenpokal, im zweiten Jahr gelang der Einzug in die Aufstiegsrunde zur Oberliga Nord. Dort setzte sich die Mannschaft um den frischgebackenen Olympiaauswahlspieler Heinz Gerono gegen den SV Meppen, Bergedorf 85 und Schleswig-Vertreter Strand 08 durch und verbuchte einen Besucherschnitt von 1.700 Zahlenden. Eilig rollten hernach die Bagger an, um die Spielstätte am Turnheim Bleiche-Knickwall drittligatauglich zu machen, während sich Trainer Krause und seine Equipe auf hochkarätige Gegner wie FC St. Pauli, VfL Wolfsburg, VfB Lübeck, VfB Oldenburg, Holstein Kiel und Göttingen 05 freute.

Und der Höhenflug hielt auch im norddeutschen Oberhaus an. Mit einer schon damals ungewöhnlicher Philosophie, keine Mark für Spielereinkäufe auszugeben und einer vielgerühmten Kameradschaft preschte der Aufsteiger bis hinauf auf Rang sieben und etablierte sich damit im Konzert der Großen. Das Team bestand fast ausnahmslos aus Akteuren der Region. Olympiaauswahlspieler Gerono war ebenso ein Eigengewächs wie Torjäger Klaus Gahr, Kapitän Werner „Schuko“ Schuster sowie die später in den Profifußball wechselnden Heiner Pahl (Eintracht Braunschweig), Heinz-Wilhelm Fesser (Göttingen 05), „Sigi“ Otto (VfL Wolfsburg), Mathias Ruländer (Werder Bremen), Frank Plagge und Bernd Buchheister (beide Eintracht Braunschweig).

Das half dem Verein, die infrastrukturellen Mängel in Gifhorn auszugleichen. Denn das Stadion am Bleiche-Knickfall verfügte weder über eine Tribüne noch über Sitzplätze und die Zahl zahlungskräftiger Sponsoren in Gifhorn war überschaubar. Manager Wegner musste daher sehr sorgfältig mit den bescheidenen Finanzmitteln umgehen. 1982/83 erreichte der MTV Gifhorn den Zenit seiner Historie – gleichbedeutend mit dem wohl ewigen Höhepunkt in Gifhorns Balltretergeschichte. Monatelang rang der kleine Klub um den Meistertitel, und in Gifhorn fragte man sich, wie wohl das Abenteuer 2. Bundesliga bewältigt werden könnte. Am 31. Oktober 1982 sorgten dann beim Gipfeltreffen mit Nachbar VfL Wolfsburg 3.700 Zuschauer für eine vermutlich ewige Rekordkulisse. Sie hatten, sofern Schwarzgelb tragend, allen Grund zum Jubel, denn dank eines Treffers von „Charly“ Priesnitz setzte sich der MTV im Prestigeduell mit 1:0 durch. Am Ende reichte es zwar „nur“ zum vierten Platz, doch den Verantwortlichen fielen dicke Felsbrocken von den Herzen, denn die Herausforderung 2. Liga wäre für Gifhorn viel zu groß gewesen.

Danach kam, was kommen musste: der Absturz. Während ein Fußballförderkreis Gelder für eine überdachte Tribüne sammelte, verabschiedete sich Erfolgscoach Krause nach Wolfsburg, und unter Nachfolger Reiner Hollmann verabschiedete sich der MTV 1985/86 überraschend aus dem norddeutschen Fußballoberhaus. Ein katastrophaler Fehlstart und eine fatale Auswärtsschwäche waren die sportlichen Gründe, die angespannte Finanzlage die wirtschaftlichen. In der Folge geriet der MTV in eine existenzbedrohende Krise und wurde bis in die Landesliga durchgereicht.

Dort fing sich der Klub wieder – erneut dank seiner Nachwuchsarbeit. Nachdem die MTV-Junioren 1998 mit einem 2:0-Finalsieg über Blau-Weiß Lohne Niedersachsenmeister geworden waren, kehrten die Schwarz-Gelben sogar noch einmal in die Oberliga zurück, verabschiedeten sich aber nach nur einem Jahr. Seitdem ist der MTV fester Bestandteil der Landesliga Braunschweig, verfügt inzwischen über ein schmuckes Fußballstadion und einen liebevoll engagierten Förderkreis. Und wer weiß: vielleicht erwacht der kleine Fußballriese eines Tages mal wieder zu alter Größe.

1 Kommentar:

  1. Also, lieber Herr Grüne. Ich weiß nicht, wo Sie ihre Informationen beziehen, aber ich kann Ihnen guten Gewissens sagen: Seriös sind die nicht. Eine Essenz an Beispielen: Mein Vater Wolf-Rüdiger Krause war mitnichten ein Bundeswehrhauptmann, sondern bei VW beschäftigt. Als Aktiver war er Bundesligaspieler bei Eintracht Braunschweig sowie in Wolfsburg in der 2. Liga. Das Stadion in Gifhorn war keineswegs der (Trainings)Platz an der Bleiche, sondern das Sportzentrum Süd. Und Niedersachsenmeister wurden 1998 nicht die Junioren, sondern die 1. Herren (übrigens erneut mit dem Trainer Wolf-Rüdiger Krause).
    Viele Grüße
    Stefan Krause

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