Heute abend zeigt der SWR eine Dokumentation über den Dorfverein SV Alsenborn, der in den 1960er Jahren drauf und dran war, in die Bundesliga aufzusteigen. Zur sehenswerten Doku (18.45-19.15 Uhr) gibt's bei mir vorab schon mal ein paar Hintergründe.
Die Farbe an der
schmucken Tribüne ist abgeblättert, und auch der Spielfeldzaun ist
sichtlich in die Jahre gekommen. Überall wuchert das Gras, erobert sich
die Natur ihren Raum zurück. Raum genug ist da. Das Stadion Kinderlehre
im Enkenbacher Ortseil Alsenborn fasste einst über 8.000 Menschen. Heute
kommen selten mehr als 200.
Alsenborn. In den 1960er Jahren der
Inbegriff des „Dorfklubs“. Dreimal klopfte der Klub aus der
2.000-Einwohnergemeinde nördlich von Kaiserslautern von 1968 bis 1970
ans Tor zur Bundesliga. Selbst beim großen Nachbarn 1. FC Kaiserslautern
zitterte man damals vor dem Winzling, der dem uneingeschränkten
Herrscher über die Pfälzer Fußballwelt gehörig auf die Pelle gerückt
war.
Der Mann, der hinter den Erfolgen des Dorfklubs stand, hieß
Fritz Walter. Der Kapitän der deutschen WM-Wunderelf von 1954 hatte
gemeinsam mit seiner Frau Italia und dem gemeinsamen Pudel Arion in dem
beschaulichen Artisten- und Zirkusdorf zwölf Kilometer nordöstlich von
Kaiserslautern gebaut. Und wie es damals noch so üblich war, ließ sich
selbst ein Weltstar wie Fritz Walter auch schon mal bei seinem örtlichen
Verein blicken. Walter entwickelte prompt eine Zuneigung zum damals in
der A-Klasse spielenden Klub, und als er 1962 gemeinsam mit seinem
ehemaligen Mitspieler und Bauunternehmer Hannes Ruth zum Endspiel um den
Europapokal der Landesmeister zwischen Benfica Lissabon und Real Madrid
nach Amsterdam reiste, nahm das Märchen Alsenborn seinen Anfang. „In so
einem Stadion müsste der SV Alsenborn mal spielen“, witzelte das
Pfälzer Duo – und beschloss auf der Heimreise, genau das anzustreben.
Bauunternehmer
Ruth übernahm die finanzielle Protektierung des Vorhabens, während
Walter seine Kontakte in die Fußballwelt spielen ließ. Der ehemalige
Lauterer Meisterkeeper Willi Hölz rückte zwischen die Pfosten des
A-Klassenklubs. Otto Render, 1953 mit dem FCK Deutscher Meister, wurde
Trainer, und der Tiefbau-Unternehmer Hannes Helmes schloss sich dem
wachsenden Sponsorenpool an. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich
warten. 1964 stieg der SV Alsenborn in die 1. Amateurliga auf, 1965 in
die Verbandsliga und 1966 in die Regionalliga Südwest. Drei Aufstiege in
Folge – Alsenborn war seinerzeit bundesweit in aller Munde und wurde
zum „Fußballdorf“.
Wenngleich Walter und Co. den Erfolg auch dank
üppiger finanzieller Ausstattung rasch hatten umsetzen können, war
Alsenborns Erfolg kein gekaufter. Dafür hätte eine Fußball-Ikone wie
Fritz Walter auch gar nicht zur Verfügung gestanden. Statt dessen waren
Scouts über den gesamten Südwesten der Bundesrepublik ausgeschwärmt und
hatten nach Talenten für die Blau-Weißen gesucht. In der Abwehr regierte
Stopper Klaus Schmidt, der mit millimetergenauen 40-Meter-Pässen
brandgefährliche Konter einleiten konnte. Im Sturm lauerte Lorenz „Lenz“
Horr, der später nur durch eine Verletzung an einer Länderspielkarriere
gehindert wurde. Neben ihm rochierte Jürgen Schieck, und im Mittelfeld
dirigierte der dribbelstarke Franz Schmitt.
Zwei Jahre brauchte
der SV Alsenborn, um, sich in der Regionalliga zu akklimatisieren. 1968
wurde die nächste Stufe auf dem Weg zu „einem Stadion wie Amsterdam“
beschritten. Mit neun Punkten Vorsprung wurde der SVA Südwestmeister und
qualifizierte sich für die Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Beim DFB
schlug man die Hände über den Köpfen zusammen beim Gedanken des
„Fußballdorfes“ in seiner schmucken Großstadtliga. Alsenborn erfüllte
keine der Kriterien für einen Bundesligavertreter. Eine bescheidene
8.000-Plätze Spielstätte, vier „Flutlicht“ genannte Funzeln, dörfliche
Infrastruktur. Wie sollte da um Bundesligapunkte gestritten werden? Ein
Jahr dürfte der SVA im Falle des Aufstiegs in einem Fremdstadion
spielen, dann müsse in Alsenborn eine bundesligataugliche Spielstätte
entstanden sein, verfügte der DFB.
Die „Fremdstätte“ war das
Ludwigshafener Südweststadion. Rund 50 Kilometer von Alsenborn gelegen,
sah es 1968 auch das erste Aufstiegsrundenheimspiel gegen Hertha BSC, wo
mit 36.000 Zuschauern die 18fache Einwohnerzahl Alsenborns einen
2:1-Sieg der Dorfelf feierte. Doch es reichte nicht. Nicht 1968, nicht
1969, als eine dumme 0:3-Niederlage in Zehlendorf den möglichen Aufstieg
verhinderte, und auch nicht 1970.
Dass Alsenborn nicht zu einem
frühen Hoffenheim werden würde, zeichnete sich ab April 1969 ab, als
Erfolgstrainer Render bei einem Autounfall ums Leben kam. Ein Schock,
den der trotz seiner Erfolge stets familiär gebliebene SVA nicht
verdauen konnte. Nachdem 1974 zudem der 1. FC Saarbrücken unter
umstrittenen Umstände bei der Gründung der 2. Bundesliga-Süd vorgezogen
war, trat der SV Alsenborn schon 1988 wieder dort an, wo sein Traum 1962
begonnen hatte: In der A-Klasse.
Alsenborn ist bis heute ein
Fußballdorf. Das liegt nicht nur am SVA, sondern auch am liebevollen
Fritz-Walter-Museum hoch oben über den Dächern des inzwischen zur
Kleinstadt angewachsenen ehemaligen Dorfes.
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