Montag, 18. März 2013

Wacker 04 Berlin - eine Legende verschwindet

Mit Wacker 04 Berlin verbinden mich sehr persönliche Erfahrungen. 1976 war der Wackerweg in Berlin-Reinickendorf Ziel meines allerersten Auswärtsspiels mit Göttingen 05. Damals spielten sowohl Wacker als auch 05 noch in der 2. Bundesliga-Nord und standen im öffentlichen Focus.

Während 05 2003 die Grätsche machte, inzwischen aber wieder in der Oberliga Niedersachsen angekommen ist, verschwand Wacker 04 seit 1994 klammheimlich aus der Wahrnehmung. Bereits am 2. Juni 1994 wurde der Klub nach Konkurs liquidiert. Während die früheren Vereinsmitglieder dem Kiezrivalen BFC Alemannia 90 beitraten, wurde die Ligamannschaft der Lila-Weißen in die des BFC Alemannia 90 integriert, die fortan als SG Wacker-Alemannia auftrat. 1998 wurde die Bezeichnung in BFC Alemannia 90-Wacker geändert, wobei das eigentlich ein Kunstbegriff war, denn tatsächlicher Trägerverein war der BFC Alemannia 90.

Nun verschwindet der Name "Wacker" endgültig aus dem Fokus, denn Klubpräsident Heinz Schultze gab gegenüber der "Fuwo" bekannt, dass der Namenszusatz zur Saison 2013/14 fallengelassen wird. In einem Interview mit der "Fuwo" erläutert Schultze die Hintergründe: http://www.myfussi.de/fussball-woche/artikel.page?id=10129

Hier ein Text aus meiner Feder über Wacker 04, der 2010 in "Nordsport" erschien:

Am 17. Juni 1978 erreichte Holstein Kiel mit einem 1:0 über Wacker 04 Berlin die 2. Bundesliga-Nord. Während die Störche inzwischen wieder von der 2. Liga träumen, ist ihr Gegner aus Berlin Geschichte geworden.

Nichts ist geblieben von dem Ruhm aus 90 Jahren akribischen Schaffens im Berliner Spitzenfußball. Wer heute an den Wackerweg im Nordberliner Bezirk Reinickendorf kommt, sieht dort nichts mehr vom SC Wacker 04, der einst in der 2. Bundesliga-Nord kickte und eine Zeitlang sogar Hoffnungen auf die 1. Bundesliga hegte.

Seit dem 2. Juni 1994 ist Wacker 04 Berlin Geschichte. Die ehemaligen Mitglieder des an jenem Tag aufgelösten Klubs traten dem benachbarten Erzrivalen BFC Alemannia 90 bei, dessen Ligamannschaft heute in der siebtklassigen Landesliga aufläuft und als Reminiszenz an den verblichenen Altrivalen den Kampfnamen BFC Alemannia 90-Wacker trägt. Doch schon die blau-gelbe Spielkluft macht deutlich, wie wenig von der Wacker-Tradition tatsächlich übriggeblieben ist: Blau-Gelb sind die Farben des BFC Alemannia, während das Lila-Weiß des SC Wacker 04 nirgendwo mehr auftaucht.

Alemannia 90 und Wacker 04 hatten sich seit den 1920er Jahren einen erbitterten Zweikampf um die fußballerische Dominanz in Berlin-Reinickendorf geliefert. Zunächst hatte Alemannia 90 die Nase vorn, doch schon in den 1930er Jahren übernahm Wacker 04 erstmals die Führung. Mit Fritz Bache hatte der Klub bereits einen Nationalspieler gestellt, als er 1935 in die höchste Spielklasse Gauliga Berlin aufstieg und dort fortan mit den Großklubs der damaligen Reichshauptstadt konkurrierte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte Wacker 04 zu den Gründungsmitgliedern der Oberliga Berlin und erreichte 1946/47 mit Platz drei die beste Position seiner Geschichte. Mit einem Zuschauerzuspruch von 3.000 bis 5.000 bewegten sich die Veilchen im gehobenen Durchschnitt des Spitzenfußballs in der geteilten Stadt.

Als 1963 die Bundesliga eingeführt wurde, beantragte Wacker 04 gar nicht erst die Lizenz sondern konzentrierte sich auf die nunmehrige Regionalliga Berlin. Dort belegten die Reinickendorf während der 1960er Jahre stets einen guten Mittelfeldplatz, ehe sie 1970/71 als Vizemeister erstmals die Aufstiegsrunde zur Bundesliga erreichten. Eine bittere Erfahrung. Nach fünf Niederlagen in sechs Spielen sahen nur noch 500 Unverdrossene beim unbedeutenden 0:2 gegen Borussia Neunkirchen zu. Unter seinem langjährigen Präsidenten und Sponsor Fritz Herz entwickelte der Klub trotz bescheidener Besucherzahlen (durchschnittlich kamen kaum noch 1.000 Neugierige an den Wackerweg) dennoch Ambitionen auf das Oberhaus und wollte Berlins zweiter Bundesligist nach der Hertha werden.

Im vierten Aufstiegsrundenanlauf lief es 1974 besser. Die von Ex-Hertha-Profi Klaus Basikow trainierten Lila-Weißen starteten mit einem 1:0 in Saarbrücken, fegten anschließend den 1. FC Nürnberg mit 5:0 vom Platz und begrüßten im Spitzenspiel gegen Eintracht Braunschweig prompt mehr als 25.000 Zuschauer im Olympiastadion. Doch die Niedersachsen holten Wacker beim 3:1-Sieg auf den Boden zurück und zerstörten die lila-weißen Bundesligaträume.

Danach begann die schleichende Talfahrt. Von 1974 bis 1977 verdingte sich Wacker 04 bei dramatisch sinkenden Zuschauerzahlen und ähnlich dramatisch zunehmenden wirtschaftlichen Sorgen noch in der 2. Bundesliga-Nord, kehrte 1978 gemeinsam mit der KSV Holstein ins Halbprofilager zurück und musste am Saisonende erneut absteigen. Zwei Jahre später verschwand der von seinen Fans verlassene Verein bereits in der Landesliga.

Ein letztes Aufbäumen sah die Veilchen von 1987 bis 1992 noch einmal für fünf Jahre in der höchsten Berliner Spielklasse mitmischen. Doch ihre Basis war längst weggebrochen. Als Wacker 04 1992 zum letzten Mal aus dem Berliner Amateuroberhaus abstieg, hatten den 17 Heimspielen des Klubs durchschnittlich 122 Zahlende beigewohnt.

Zwei Jahre später gingen am Wackerweg die Lichter aus. Finanziell war der Klub völlig am Ende, so dass der Spielbetrieb nur durch eine Spielgemeinschaft mit Nachbar BFC Alemannia 90 aufrechterhalten werden konnte. Noch immer dabei war die „gute Seele“ des Vereins Fritz Herz, der Wacker 04 durch alle Höhen und Tiefen gesteuert hatte.

Bis 1998 lief man als SG Alemannia 90-Wacker auf, seitdem trägt lediglich die Ligamannschaft des BFC Alemannia 90 den Namenszusatz „Wacker“.
 
 

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