Sonntag, 29. September 2013

Alle Tassen im Schrank: Eintracht Nordhorn

Blau-Weiß Hollage ein Begriff? Nein? Nun, den meisten wird es wohl so gehen, denn überregional hat Blau-Weiß Hollage bislang noch keinen allzu großen Eindruck hinterlassen. Heute spielt Blau-Weiß Hollage allerdings in der Landesliga Weser-Ems gegen einen Verein, der sehr wohl überregionalen Eindruck hinterlassen hat: Eintracht Nordhorn. Dass sich die Weinroten aus der Textilstadt an der niederländischen Grenze und die Blau-Weißen aus dem 9.000-Seelenörtchen Hollage in einem Punktspiel gegenüberstehen würden, wäre vor einigen Jahren allerdings schlicht undenkbar gewesen.

Eintracht Nordhorn, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und in den 1950er Jahren unter der Trainerschaft des legendären Querdenkers Ernst Fuhry bis in die Oberliga Nord hochmarschiert, zählte stets zu den führenden Teams in der Grafschaft Bentheim, die übrigens NICHT zum Emsland gehört, wie man vielerorts glaubt. In den 1960ern noch von der (damals zweitklassigen) Regionalliga Nord träumend, verschwanden die Weinroten aus der Bernhard-Nieuhues-Kampfbahn (heute Stadion am Heideweg genannt) Mitte der 1970er Jahre zwar auf niedersächsischer Amateurebene, blieben aber im Blickfeld.

Nordhorn war in der Oberliga Nord der Inbegriff einer Grauen Maus. Niemals sah ich einen in Farben gekleideten Gastfan bei den Nordhorner Auftritten in Göttingen, und oft genug waren wir 05er selbst in Nordhorn in lautstarker Überlegenheit. Nichtsdestotrotz war der SV Eintracht bis 2011 ein fester Bestandteil der norddeutschen Fußballelite. Dann aber erwischte es den Klub - und zwar ganz hart. Schon seit längerem finanziell angeschlagen, kam im Februar 2012 nach einem gescheiterten Fusionsversuch mit Stadtrivale Vorwärts das Aus: Insolvenz, Rückzug aus der Oberliga, Neustart in der Landesliga. Dort wurde 2012/13 nur äußerst knapp der erneute Abstieg vermieden - die Luft scheint derzeit raus zu sein aus Nordhorns einstigem Fußballstolz.

Persönlich verbinde ich mit Nordhorn vor allem eine weite und komplizierte Anfahrt, denn von Göttingen ist die Stadt schlecht zu erreichen. Das erste Mal sah ich 05 1979/80 in der Nieuhues-Kampfbahn, als meine Schwarz-Gelben mit einem hübschen 6:0-Sieg einen weiteren Schritt in Richtung Rückkehr in die 2. Bundesliga-Nord machten.

Den Handballern der HSG, 1981 durch den Zusammenschluss der Handballabteilungen der Eintracht und von Sparta Nordhorn gebildet, ging es übrigens nur unwesentlich besser. 2001/02 noch sensationell Deutscher Vizemeister kam 2009 das Insolvenz-Aus. Nachdem die Nachbarstadt Lingen rettend eingesprungen war, gab man sich den Namen HSG Nordhorn-Lingen und spielt gegenwärtig immerhin in der 2. Bundesliga.
 

Samstag, 28. September 2013

Alle Tassen im Schrank: APOEL Nikosia


Ein eher unerwarteter und umso sympathischerer Nebeneffekt meiner täglichen Tassenpräsentation ist die aktive Anteilnahme einiger User an der Erweiterung meiner Kollektion. Nach dem FC Wacker München erfreute mich nun Groundhopper und Buchautor Jörg Pochert mit einem Überraschungspaket, in dem sich gleich vier Becher aus vier verschiedenen Ländern befanden. Über sein spannendes Reisetagebuch "Ayia Napa! (http://www.nofb-shop.de/1395-ayia-napa-eingetroffen/) werde ich demnächst referieren, heute aber will ich zunächst den ersten der vier Porzellanüberraschungen präsentieren: APOEL Lefkosia (Nikosia).

Damit befindet sich nun endlich auch der erste Kaffeebecher mit nichtlateinischen Schriftzeichen in meiner Sammlung, und da Zypern schon seit einiger Zeit auf meine Wunschliste steht (nebenbei ein herrliches Rennradrevier!), ist dies vielleicht ein überfälliger Weckruf, den Wunsch demnächst endlich mal umzusetzen.

Wie ich im ersten Band der Weltfußball-Enzyklopädie schrieb, ist APOEL der erfolgreichste Klub Zyperns (21 Meisterschaften, 19 Pokalsiege) und wurde 1926 von in Nikosia lebenden Griechen gegründet. Im Zuge der zyprischen Spaltung spaltete sich 1948 auch APOEL, verselbständigte sich der linke Flügel als Omonia, während Nationalisten APOEL mit der um einen Anschluss Zyperns an Griechenland kämpfenden EOKA-Bewegung verbanden. Entsprechend hitzig geht es bei den Derbys zwischen APOEL und Omonia zu.

APOEL sorgte 2011 mit Siegen über den FC Porto und Zenit St. Petersburg und der vorzeitigen Qualifikation für das Achtelfinale in der Champions League für eine faustdicke Überraschung.

Alle Tassen im Schrank? Concordia Hamburg


Heute ist Freitag, und in einer idealen Welt würde am Abend im Stadion Marienthal im Hamburger Stadtteil Wandsbek ein Fußballspiel unter Flutlicht stattfinden. Der SC Concordia v. 1907 e.V. würde aufspielen - "Cordi" wie man in Hamburg so schön sagt. Freitagabend, Flutlicht, Cordi - das war in Hamburgs Amateurfußball jahrzehntelang ein stehender Begriff.

Doch es gibt keine ideale Welt - schon gar nicht im Fußball. Denn in Wandsbek gehen am Freitagabend keine Flutlichter mehr an, und auch der SC Concordia v. 1907 läuft nicht mehr auf. Das Stadion Marienthal, eine herrliche Bruchbude und zugleich ein wunderbares, begehbares Denkmal Hamburger Fußballgeschichte, wartet auf seinen Abriss, und wird eines nicht mehr fernen Tages Nobelvillen Platz machen. Und "Cordi" ist seit Sommer im Wandsbeker TSV Concordia 1881 aufgegangen, einem Großverein, in dem die ruhmreiche Fußballabteilung nur noch eine von vielen Sparten ist. Bereits seit 2009 spielte man im Sportpark Hinschenfelde, einem vergleichsweise seelenlosen Sportareal, das der großen Tradition von Cordi nie gerecht wurde.

Ich weiß, ich schwärme und lamentiere. Aber Concordia, das war für mich immer ein Stück Hamburger Fußball. Wie oft bin ich mit meinen 05ern nach Marienthal gefahren (und habe mich IMMER verfahren, weil es in Vor-Navi-Zeiten so kompliziert war, die lütte Oktaviostraße zu finden)? Wie oft habe ich auf der kleinen, gedrungenen Sitzplatztribüne einem Oberliga- oder Regionalligaspiel beigewohnt, wie oft vor diesen runzeligen Kassenhäuschen gestanden, die mir als junger Spund eine Idee von dem gaben, wie Fußball in den 1950er und 1960er Jahren funktioniert haben muss.

Heute lassen mich private Verbindungen regelmäßig an der allmählich verrottenden und aufgegebenen Tribüne vorbeifahren, und jedes Mal versetzt es mir einen Stich, dass das Leben des SC Concordia und des Stadion Marienthal so tragisch endete. Wer noch die Chance hat, sollte unbedingt mal vorbeischauen in der Oktaviostraße in Hamburg-Wandsbek!

Donnerstag, 26. September 2013

"Wenn Spieltag ist" nun als "Blick ins Buch"

Für alle, die neugierig auf mein neues Werk "Wenn Spieltag ist. Fußballfans in der Bundesliga" sind, gibt es bei Amazon nunmehr vorab schon mal den "Blick ins Buch".

Ab Anfang Oktober ist das gesamte Werk dann in gebundener Form beim Buchhändler des Vertrauens zu erwerben!

http://www.amazon.de/Wenn-Spieltag-ist-Fu%C3%9Fballfans-Bundesliga/dp/3730700391/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1380181837&sr=1-1&keywords=wenn+spieltag+ist

Mittwoch, 25. September 2013

Alle Tassen im Schrank? SC Freiburg


Dies hier ist ein historisches Stück! Denn es ist die zweite Tasse, die überhaupt in meine Sammlung einging, nachdem ich von einem Besuch in Bristol meinen ersten Rovers-Becher mitgebracht und beschlossen hatte, fortan Tassen zu sammeln. Dass es der SC Freiburg war, ist eher Zufall, denn die nächste Fußballreise führte mich seinerzeit schlicht ins Dreisamstadion, wo ich dem Heimspiel gegen die SpVgg Unterhaching beiwohnte.

Als Göttinger und 05er habe ich die Geschicke des Sportclubs stets mit einem besonderen Blick verfolgt, in dem auch eine gehörige Portion Neid steckte. Schließlich sind beide Städte ähnlich strukturiert, schließlich waren die Historien des SC Freiburg und von Göttingen 05 jahrzehntelang vergleichsweise unspektakulär. Nach der Etablierung in der 2. Bundesliga und dem Aufstieg in die Bundesliga war Freiburg in Göttingen immer ein bisschen Vorbild, doch was Göttingen eben nicht hatte, waren ein Volker Finke und ein Achim Stocker - Freiburgs Erfolgsgaranten, die für "Charakter" und Konstanz sorgten.

Heute schaue ich längst nicht mehr neidisch nach Freiburg, sehe aber in dem SC Freiburg weiterhin einen Klub, der erfolgreich gegen viele fragwürdige Tendenzen im eventgespeisten Profifußball schwimmt und damit auch noch Erfolg hat. Und das ist gut so!


Dienstag, 24. September 2013

Alle Tassen im Schrank: Stockport County

Was haben Ex-Bayern-Spieler Dietmar Hamann und der kürzlich verstorbene frühere Manchester-City-Torwart Bert Trautmann gemeinsam? Sie waren beide Trainer des Stockport County FC, einem Verein aus dem Raum Greater Manchester! Weder der eine noch der andere hinterließ allerdings eine erwähnenswerte Bilanz, und mit Hamanns Namen ist im Edgeley Park sogar eine recht unangenehme Erinnerung verbunden, denn 2011/12 konnten "The Hatters" nur drei von 19 Spielen unter seiner Führung gewinnen.

Ohnehin ist die jüngere Geschichte des Klubs eher trist. Dabei begann alles mit dem größten Erfolg der Klubgeschichte, als County 1996/97 nach Jahrzehnten in den beiden letzten Profiligen zum ersten Mal in die zweithöchste Spielklasse aufstieg und im League Cup zudem das Halbfinale erreichte. Nach fünf Jahren in der Zweitklassigkeit ging es 2001/02 zurück in die 3. Liga, woraufhin "The Hatters" einen in England nie erlebten Niedergang antraten. 2003 in die 4. Liga durchgereicht, musste man 2011 nach 110 Jahren in der Football League mit dem Abstieg aus der 4. Liga aus dem Profilager ausscheiden und landete 2013 sogar in der sechsten Liga.

Finanziell schwer angeschlagen, intern völlig zerrüttet, von den Fans verlassen steht der Klub vor einer unsicheren Zukunft. Zumal auch der Saisonstart 2013/14 wieder schief ging (nach neuen Spielen mit sechs Punkten Drittletzter) und ein weiterer Abstieg droht.

Ich habe "The Hatters" mehrfach bei Spielen in Bristol gesehen und war auch bei der Rovers-Niederlage (0:1) in Countys Aufstiegssaison 1996/97 im Edgerley Park live dabei - dabei ging dann auch diese Tasse in meinen Besitz über.
 

Samstag, 21. September 2013

Alle Tassen im Schrank? Stade Reims

Ach, könnte das mit dem "Scotty, beam me up" doch endlich mal funktionieren! Dann würde ich mich heute Abend mal schnell nach Reims beamen lassen, um meine Guingampais beim Kampf um drei Punkte für den Klassenerhalt zu unterstützen.

So aber werde ich die Partie nur vor dem Radio verfolgen und hoffen, dass es besser ausgeht als am 22. September 2006, als diese Tasse in meinen Besitz überging und ich dafür neben zehn Euro auch noch mit einer 0:1-Niederlage bezahlen musste. Auf der anderen Seite traf ich damals im Stade Auguste Delauny zwei Deutsche aus Köln, die ebenfalls Guingamp-Fans sind. Ein Jahr später gründeten wir die Kop Rouge Allemagne, die inzwischen ein fester Bestandteil der Fanszene der Bretonen ist.

Stade Reims ist einer der großen mythischen Namen im französischen Fußball, und es ist ununwunden zu begrüßen, dass der Klub 2012 nach 33 Jahren endlich in die erste Liga zurückkehrte. Die große Zeit der Rémois waren die Jahre 1949 bis 1962, als man sechsmal Meister und zweimal Pokalsieger wurde. Die offensive Spielweise des Teams von Trainer Albert Batteux machte seinerzeit Furore als "Champagnerfußball" - die Region Reims ist die Hochburg der Champagnerproduktion. Legendär natürlich vor allem die Europapokalspiele der von Raymond Kopa und Just Fontaine angeführten Mannschaft, die 1956 und 1959 jeweils das Endspiel erreichte und seinerzeit selbst Real Madrid Paroli bot. Reims war damals Liebling fast aller Franzosen und trug seine Europapokalspiele häufig im Parc des Princes in Paris aus.

Als Trainer Batteux 1963 ging und die Mannschaft auseinbrach, stieg man 1964 als amtierender Vizemeister überraschend aus dem Oberhaus ab und ging schweren Zeiten entgegen. Nach einem Konkurs 1992 kam es gar zum Neustart in der sechsten Liga, und der Weg zurück in höhere Klassen erwies sich als schwer und vor allem lang. 2002 endlich in die 2. Liga zurückgekehrt gelang 2012 auch die Rückkehr in die Ligue 1, wo passenderweise ein runderneuertes Stade Auguste Delauny zur Verfügung stand.

„Il y a des clubs mythiques et d'autres qui ne le sont pas", schrieb die France Football seinerzeit - frei übersetzt: "Es gibt mythische Klubs und andere, die es nur sein wollen".

Freitag, 20. September 2013

Insolvenzticker: Le Mans FC

Die endlose Geschichte um den im Sommer aus der 2. Liga Frankreichs abgestiegenen Le Mans FC geht weiter. Das Exekutivkomitee des französischen Fußballverbandes hat heute die Aufnahme des Klubs in die 3. Liga (National) erneut abgelehnt. Der hochverschuldete Klub soll nach Ansicht des Verbandes in der Fünft- oder gar Sechstklassigkeit weiterspielen. Das würde jedoch das Aus des Fußball-Unternehmens bedeuten, denn nur in der 3. Liga könnte der Klub weiterhin unter einem Profistatut arbeiten. Le Mans' Führung hat nun den Gang vor ein Zivilgericht angekündigt.

Alle Tassen im Schrank? VfB Oldenburg

Auf vielfachen Wunsch heute ein Ausflug ins schöne Oldenburg (in Oldenburg), wohin mich die Reise mit meinen 05ern in der Vergangenheit zigfach geführt hat.
 
Gegner war zumeist der VfB, der in der Saison 1997/98 diese künstlerisch angehauchte Tasse in seinem Fanshop vertrieb. Gespielt wurde damals im Stadion am Marschweg, und über das Endergebnis bitte ich aus persönlichen Gründen keine Auskunft geben zu müssen ;-)
 
Ähnlich wie 05, hat auch der VfB so ziemlich alles, was man an Höhen und Tiefen so mitnehmen kann, mitgenommen. Er verlor sein charaktervolles Stadion am Donnerschwee (die ehemalige "Hölle Nord" ist inzwischen tatsächlich überbaut, wobei immerhin noch eine Plakette an die fußballhistroische Stätte erinnert), eine grafische Darstellung seiner Ligazugehörigkeiten der letzten 50 Jahre gleicht dem Diagramm der DAX-Bewegungen seit 2008 und die lokale Fangemeinde pflegte immer so etwas wie eine distanzierte Liebe zu ihrem lokalen Aushängeschild.
 
Unvergessen die Saison 1991/92, als der VfB, ausgerechnet im ersten Jahr im deutlich ungemütlicheren Marschwergstadion, fast in die Bundesliga aufgestiegen wäre. Ein einziger Punkt fehlte, und was danach passierte, war für die VfB-Fans traumatisch. Insolvenz, 2004 erstmals nur fünftklassig, Ligaspiele gegen TuS Pewsum und Stadtrivale VfL Oldenburg.
 
2012 gelang zumindest die Rückkehr in die 4. Liga, der nun nach den Hoffnungen der immer noch vielköpfigen Fanschar baldmöglichst der Sprung in Liga 3 folgen soll.
 
 Die Gemeinsamkeiten zwischen 05 und VfB gehen übrigens weiter, denn die Fans beider Vereine sind seit vielen Jahren innig miteinander befreundet. Gemeinsames Motto: "Wahnsinn verbindet"...
 
(P.S.: "Alle Tassen im Schrank" erscheint jeden Morgen zuerst auf meiner Facebook-Seite www.facebook.com/hardygruene. Einfach dort "gefällt mir" drücken - und schon gibt's jeden Morgen eine Frühstückstasse)
 

Donnerstag, 19. September 2013

"Wenn Spieltag ist" geht in Druck!

Bevor ein Buch in die Produktion geht, gibt es von der Druckerei noch einmal hochaufgelöste Ausdrucke ("Formproofs"), um auch die letzten Fehler zu finden.
Gerade sind die Formproofs von "Wenn Spieltag ist. Fußballfans in der Bundesliga" auf meinem Schreibtisch gelandet. Nun noch mal durchschauen, und dann ab in den Druck!
Ab ca. 10. Oktober ist das Werk dann beim Buchhändler Deines/Ihres Vertrauens zu erstehen.

Alle Tassen im Schrank? FC Wacker München

Wer solche Freunde hat, dem muss nicht bange sein!
 
Der FC Wacker München ist offensichtlich emsiger Verfolger meiner Posts hier auf Facebook, denn er überraschte mich mit einem kleinen Päckchen, in dem diese wunderschöne Keramiktasse sowie einige Heftchen über die Vereinsaktivitäten steckten. Dafür zunächst einmal ein gerührtes "Danke schön" an die Isar - hat mich sehr gefreut!
 
Der Wacker München ist einer dieser Vereine, der mir ganz früh bei meinen "Forschungen" in Sachen Fußballgeschichte begegnete. Und zwar als Überraschung. Denn nicht die Bayern und auch nicht 1860, fand ich heraus, war lange Zeit Münchens Liebling, sondern die Blausterne vom Harras! In den 1920er Jahren sportliche Nummer eins in München und 1922 Süddeutscher Meister sowie 1922 und 1928 Halbfinalist in der Deutschen Meisterschaftsendrunde, neigte sich die große Zeit des FC Wacker allerdings schon vor dem Zweiten Weltkrieg ihrem Ende zu und der Klub rutschte zunehmend ab.
 
1975 noch einmal Bayernligameister geworden, verzichtete man seinerzeit auf den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Danach ging es hinab bis in Liga sechs, ehe 1994 fast das Aus gekommen wäre. Mit einem Neustart in der A-Klasse schaffte der Klub jedoch die Wende und verwandelte sich anschließend in einen Vorzeigeverein in Sachen Vielfalt und soziale Integration.
 
Im "Kessel" an der Demleitnerstraße in Sendling  steht seitdem nicht mehr der sportliche Erfolg im Mittelpunkt, sondern die Völkerverständigung und das soziale Engagement. "Viele Kulturen - eine Leidenschaft", ist beim FC Wacker alles andere als ein leerer Slogan, und auch der Titel "Münchens heimliche Liebe" darf noch immer mit berechtigtem Stolz geführt werden.
 
Auf der Webseite www.fc-wacker-muenchen.de findet sich übrigens ein sehenswertes Filmchen über das heutige Selbstverständnis der "Blausterne".
 

Alle Tassen im Schrank? 1. FC Union Berlin

Auf meinem Lektorats-Schreibtisch liegt gegenwärtig ein Buch über einen Verein, den ich zu den interessantesten im deutschen Profifußball zähle: 1. FC Union Berlin. Das Buch ist von dem Berliner Journalisten Matthias Koch, der ziemlich nah dran ist am Verein und die vielen Facetten von Union recht gut rüberbringt.
 
Aber ich will hier keine Werbung machen, sondern über Union schreiben - bzw. schwärmen. Denn Union ist in meinen Augen ein Verein, der es nicht nur geschafft hat, die Gratwanderung zwischen gesichtslosem Eventfußball und anspruchsvollem Profifußball zu bewältigen sondern zudem ein Klub, der immer wieder Rückgrat bewiesen hat. Man muss ihn sicher nicht mögen, doch spätestens mit dem Bekenntnis zum Standort Alte Försterei und dem gemeinschaftlichen Umbau des Stadions in ein echtes Wohnzimmer (und eben KEINE Arena!) dürfte er sich den Respekt aller erworben haben.
 
Als ich die Wuhlheide das erste Mal aufsuchte, waren dort noch die schiefen Stehtraversen und verrosteten Wellenbrecher, zog sich hinter den Toren dieser üble Maschendrahtzaun hoch, durch den man das Spielfeld nur erahnen konnte. Obwohl es Union damals (es muss 1990 oder 1991 gewesen sein) mal wieder schlecht ging, wuselten überall Aktivisten herum, atmeten die, sorry, "heruntergekommenen" Gebäude und Baracken pures Ostflair aus.
 
Heute ist Union ein moderner Klub mit beiden Beinen auf dem Boden, darf man gespannt sein auf den weiteren Weg und ob der erhoffte "Urlaub im Oberhaus" tatsächlich gelingt - bzw. wie er ihn überstehen würde. Aber diesbezüglich bin ich guter Dinge, denn Union und seine Fanszene sind stark genug, den Verlockungen des "großen Fußballs" zu widerstehen. EISERN UNION!
 

Dienstag, 17. September 2013

Alle Tassen im Schrank? FC Sochaux


So, wollen wir weiter machen? Zum Beispiel mit dem FC Sochaux-Montbéliard, an dessen Stadion ich bei meiner Rückkehr aus den französischen Alpen vorbeigekommen bin?

Das Stade Auguste Bonal ist zwar hochmodern, liegt aber inmitten der reichhaltigen Industriegeschichte von Montbéliard bzw. Sochaux, dem Stammsitz von Autobauer Peugeot.

In Frankreich genießen die Sochaliens einen guten Ruf, selbst wenn sie historisch so etwas wie ein "Retortenverein" sind. 1935, nur sieben Jahre nach der Klubgründung 1928, wurde der systematisch hochgepäppelte Klub erstmals Landesmeister. Als Quasi-Werksklub weisen die Blau-Gelben bis heute eine enge Verbindung zur Familie Peugeot auf, von der noch immer drei Mitglieder im Aufsichtsrat des Klubs sitzen.

Heute pflegt man einerseits seine Industrietradition und hat sich andererseits zu einer der erfolgreichsten Jugendakademien in Frankreich aufgeschwungen. Ich habe den FC Sochaux Anfang der 1990er Jahre erstmals bei einem Spiel im Pariser Parc des Princes gesehen und war 2001 mit den Guingampais zum bislang einzigen Mal zu Gast im Auguste Bonal.

Sonntag, 1. September 2013

Mit den Bauern in Paris. PSG vs EAG

So ein Aufstieg ist eine schöne Sache. Man spielt eine Klasse höher und rückt verstärkt in die allgemeine Wahrnehmung, bekommt neue Gegner zu sehen, kann in Stadien reisen, in denen man noch nie gewesen ist.Tolle Sache also, oder? Nicht nur! Denn wenn man von der 2. in die 1. Liga aufsteigt, dann landet man - zumindest in Frankreich - zudem mitten im "Modernen Fußball".

Genau das ist mir mit meinem französischen Liebling En Avant Guingamp passiert. Seit ich 1995 mein Fußballherz an den Klub aus der Nordbretagne verloren habe, bin ich mit den Guingampais dreimal abgestiegen (zweimal aus der 1. Liga, einmal aus der 2. Liga) und dreimal aufgestiegen (zweimal in die 1. Liga, einmal in die 2. Liga). Ich habe also schon einiges gesehen und auch mitgemacht.

Doch das war nix im Vergleich zu gestern, als ich nach neun Jahren in der zweiten bzw. dritten Liga  mal wieder zu einem Guingamp-Spiel in der Ligue 1 gereist bin.

Ziel war Paris, Gegner ein Verein, der sich neu erfunden hat: Paris-Saint Germain. Neuer Sponsor, neues Outfit. Neues Logo, neuer Slogan. Neue Spieler, neue Fans - PSG ist der neue Stern am französischen Fußballhimmel, wobei die Betonung auf "neu" liegt. In Paris ist in den letzten Jahren so ziemlich alles umgekrempelt worden. Ziel ist es, einen massenkompatiblen Hauptstadtverein zu schaffen, der das Zeug dazu hat, das "neue Fußballpublikum" in ganz Frankreich zu erreichen/begeistern.

Dabei ging man ebenso planungssicher wie rücksichtslos vor. So im Fall der beiden aufgelösten früheren Fangruppen Boulogne Boys und Auteuil. Zweifelsohne alles andere als pflegeleicht und zudem heftigst miteinander verfeindet. Das hatte nicht zuletzt soziale bzw. gesellschaftliche Hintergründe. Die Boulogne Boys, bestehend zumeist aus Bewohnern der Stadt und der wohlhabenderen westlichen Vorstädte, galten als rechtsoffen bis rechtsextrem, die Besucher der Tribüne Auteuil hingegen stammten überwiegend aus der eher schwierigen nördlichen und östlichen Banlieue und wiesen häufig einen Migrationshintergrund auf. Beide Gruppen fielen in der Vergangenheit wiederholt negativ auf, wobei vor allem die Boulogne Boys mit Aktionen wie dem "Pädophilen"-Transparent beim Ligapokalendspiel gegen Lens 2008 Schlagzeilen machten.

Nach der Übernahme des Klubs durch die katarische Investorengruppe Qatar Sport Investment (QSI) im Mai 2011 wurden vor der Saison 2011/12 sämtliche Fangruppen aufgelöst und die Karten im wahrsten Sinne des Wortes "neu gemischt". Jeder Dauerkarteninhaber aus den Kurven erhielt einen neuen Platz zugewiesen, womit die verbotenen Gruppen auch räumlich zerschlagen wurden. Es hagelte Stadionverbote, Frauen erhielten kostenlos Eintrittskarten, Jugendliche unter 16 zahlten nur den halben Preis. Kurzum: PSG schuf sich zwei neue Fankurven.

Für Guingamp und seine reiselustige Fanschar war das Duell in der Hauptstadt dennoch ein Leckerbissen. Vor kaum drei Jahren spielte man schließlich noch in Orten wie Luzenac, Plabennec und Alfortville - nun stand da auf dem Spielfeld des Parc des Princes plötzlich jemand wie Zlatan Ibrahimovic. Es war ein klassisches Duell David gegen Goliath. PSG mit einem (offiziell) 400 Mio-Euro-Etat - Guingamp mit vergleichsweise schmalbrüstigen 20 Mio. Euro. PSG mit der Attitüde eines leicht versnobten und arroganten Hauptstadtvereins - Guingamp wie das Meppen Frankreichs als Gummistiefelfraktion und mit dem Fangesang "Les paysans sont de retour" - "Die Bauern sind wieder da"

Im Internet kursierten sogar Bilder von einer Traktorenkolonne auf der Autobahn, die betitelt waren mit: "Paris am Samstag: Zone Rouge" (das steht in Frankreich für "Staugefahr"). Trecker wurden dann am Parc des Princes zwar keine gesichtet, dafür rollten drei Busse sowie zahlreiche Privat-PKW aus dem rund 500 Kilometer entfernten Guingamp an. Hinzu kamen Bretonen aus dem gesamten Pariser Umland sowie Exoten wie mich oder auch ein in Berlin lebender Bretone, der rasch mal für das Spiel nach Paris gejettet war. Am Ende war der Gästeblock mit 650 Leuten jedenfalls ziemlich gut gefüllt - vor allem, wenn man die Zahl in Relation zu den knapp 8.000 Einwohnern, die Guingamp hat, setzt.

So groß der Stolz der Guingampais war, wieder erstklassig zu sein, so groß war aber auch der Schock, was aus der Erstklassigkeit zumindest in Paris geworden war. Das Stadion - großräumig von Polizei abgesperrt. Nur mit gültiger Eintrittskarte kam man auch nur in die Nähe der Eingänge. Ich durfte einmal das gesamte Areal umrunden, ehe ich endlich den Zugang zum Gästeblock erreicht hatte, wo mich ein eindrucksvolles Ordnungshüteraufgebot empfing. Die Busreisenden berichteten unterdessen, dass sie ab Guingamp von einer Motorradeskorte der Polizei begleitet worden waren. Guingamp gewinnt übrigens regelmäßig den Preis des "fairsten Publikums in Frankreich", und ich mag mir nicht ausmalen wollen, wie Paris aussieht, wenn Erzrivale OM anollt.

Die nächste Überraschung beim Kartenkauf. Zum einen gab es Karten nur gegen Vorlage eines Ausweises, der grundsätzlich in einem bretonischen Departement ausgestellt sein musste (mit meinem deutschen Pass sorgte ich entsprechend für Verwirrung und kam nur rein, weil ich ein T-Shirt mit der Aufschrift Kop Rouge Allemagne trug...), zum anderen waren pro Nase 35 Euro fällig. Einheitspreis! In der 2. Liga hatte es die Billets für den Gästeblock in der Regel für fünf bis acht Euro gegeben. Nachdem wir alle zähneknirschend ein wenig zur Deckung des 140 Mio-Salär von Zlatan I. beigetragen und auch die intensiven Leibesvisitationen hinter uns gebracht hatten, die nächste Überraschung: Für 0,3 l Wasser im Plastikbecher waren stolze drei Euro hinzulegen (an Bier war natürlich gar nicht zu denken - auch nicht an Leichtbier). So langsam verfestigte sich der Eindruck, dass das alles wohl kein billiger Spass werden würde. Irgendwo muss so ein 400 Mio-Etat ja auch herkommen.


Der Gästeblock präsentierte als sich der in Frankreich übliche Hochsicherheitstrakt. Wer einmal drin ist, kommt so schnell nicht wieder raus. Immerhin war die Sicht recht gut, wenngleich die engen Sitzreihen bei allen nicht der Größennorm entsprehenden Besuchern für Probleme sorgten. Na, für 35 Euro kann man ja nicht auch noch Bequemlichkeit erwarten, oder? Stimmungsmäßig das übliche Aufwärmprogramm - knalllaute Musik aus der Dose, eine peinliche Animation durch das Klubmaskottchen und insgesamt ein Hype, der aus einem profanen Fußballspiel ein supertolles-und-niemals-zu-vergessendes "Event" macht. Dass wir in direkter Nachbarschaft zur Heimfan-Tribüne Boulogne standen, war übrigens kein Problem - außer den üblichen Pfiffen und Buhrufen sowie "Bauern"-Rufen war da nix zu hören.

Mit dem Anpfiff packten dann alle ihre offenbar am Stadioneingang verteilten neuen PSG-Fähnchen aus und wedelten tüchtig damit rum. Der Oberring hatte rote Fahnen bekommen, der Unterring blaue. So kann man eine Choreografie natürlich auch machen! Choreografie? Fahnen? Banner? Abgesehen von der verteilten Werbefähnchen war diesbezüglich Fehlanzeige. Im ganzen Rund nichts zu sehen. Klinisch rein wirkte der Parc des Princes. Gesäubert von all den „dreckigen“ Elementen, die der Fußball AUCH so anzieht und die die Kurve so einzigartig macht.

In Paris nicht mehr. Da tummelt sich sowohl auf Haupt- und Gegengerade als auch in den beiden Kurven etwas, das hierzulande wohl Theaterpublikum genannt werden würde. Anfeuern? Kaum zu hören. Ab und an mal ein „Pari“, bei Freistößen auch mal etwas rhythmisches Geklatsche, ansonsten aber hörte man nur die spitzen Schreie, wenn „ER“ an den Ball kam. Ihr wisst schon, der mit dem Zöpfchen, dessen Gehalt wir mit den jeweils 35 Euro pro Nase mitfinanziert hatten. Von Fußballstimmung war nichts zu hören – außer natürlich im Gästeblock, wo man freudig zur Kenntnis nahm, den Parc des Princes in Stimmung bringen zu können. Nur ein „Ici, c’est Guingamp“ sorgte dann mal für Aufregung, Pfiffe und die leicht wütende und von uns freudig beklatschte Antwort „Ici, c’est Paris“.

Irgendwie surreal. Ein Stadion ohne echte Fanblöcke, ohne destillierte Stimmung, ohne diesen Kern, von dem aus die Atmosphäre verbreitet wird. Das „neue“ Publikum wirkte unwissend, unentschlossen. Hier und da saßen sicher ein paar Altfans, die wussten, wie es geht, doch um sie herum war das neue Publikum, und das war ratlos. PSG hat seine Fans gekillt.

Der aus meinen Augen leider sehr unschöne Spielverlauf – das 1:0 für PSG fiel in der zweiten Minute der Nachspielzeit, das 2:0 in der dritten – weckte die lethargische Masse dann kurz auf. Plötzlich flatterten die Fahnen wieder, dirigierte der Stadionsprecher den Chor der Fröhlichen. Altfans waren daran zu erkennen, dass sie hämisch mit erhobenem Mittelfinger in die Gästekurve winkten. Was ehrlich gesagt nach dem Spielverlauf und vor allem dem Stimmungsverlauf schwer zu ertragen war.

Der Rest war Schweigen. Während der Sieger grußlos in der Kabine verschwand (auf den Rängen war aber auch niemand, der Zlatan und Co. zum Abklatschen aufforderte), durften sich die Gästefans in die Obhut der Gendamerie begeben, die uns eine geschlagene Stunde „gefangen“ hielt, ehe wir tröpfenweise das Gelände verlassen durften – natürlich begleitet von bürgerkriegsmäßig bewaffneten „Streitkräften“, denen weiß Gott mehr als nur Pfefferspray und Schlagstock zur Verfügung stand. Endlich draußen, begegnete mir auf dem Weg zur Metro noch einmal der „neue“ PSG-Fan: urban, hip und vermögend. Und dass ist das in meinen Augen wirklich schlimme an der Verwandlung von PSG in P€G: es gibt genügend Leute, die das "Produkt" annehmen und dem ganzen Prozess damit zum Erfolg verhelfen.

Das letzte Bild sei aus der Metrostation gesendet, als vor mir in der Schlange am Ticketschalter eine US-amerikanische Familie, bestehend aus Vater, Mutter und ca. siebenjährigem Sohn, allesamt in voller PSG-Montur, verzweifelt versuchte, dem Ticketschalter ein Billet zu entlocken. Leider waren bei diesen glühenden Pariser Fans keinerlei französische Sprachkenntnisse vorhanden. Nein – ich habe meine Hilfe nicht angeboten, sondern habe sie zappeln lassen. Und nochmals nein: ich schäme mich nicht dafür!

Mir ist nach diesem „Erlebnis“ nicht mehr wohl mit dem Fußball. Die Entwicklung bei Bayern München in den letzten Wochen, die Ereignisse von Dortmund und Schalke, dann hier in Paris zu sehen, dass es tatsächlich möglich ist, sein Publikum auszutauschen – allzu optimistisch, dass „holt Euch das Spiel zurück“ noch einmal eine Renaissance erfahren wird, sollte man wohl nicht sein. Allenfalls die „Kleinen“ geben Grund zu Zuversicht – Klubs wie der SC Freiburg hierzulande oder En Avant Guingamp in Frankreich. Man darf gespannt sein, wie sich sich im „Modernen Fußball“ werden behaupten können.