Donnerstag, 30. Juni 2011

Insolvenzticker: Racing Strasbourg/Grenoble Foot 38

Gute und schlechte Nachrichten aus Frankreich.

Fangen wir mit der guten an. Für den krisengeschüttelten ehemaligen Landesmeister Racing Strasbourg zeichnet sich endlich ein Hoffnungsschimmer am düsteren Horizont ab. Der umstrittene Klubchef Jafar Hilali hat mit Sébastian Graeff offenbar einen potenziellen Käufer gefunden, der bereit ist, 1,6 Mio. Euro für den in die 4. Liga strafversetzten Traditionsklub zu zahlen. Eine Summe, die Hilali vor einigen Jahren selbst zahlte, als er den Klub erwarb. Das Gesamtpaket sieht vor, dass Hilali jeweils 1,5 Mio. Euro "Prämie" erhalten wird, sollte Strasbourg in die 2. Liga bzw. in die 1. Liga zurückkehren. Dabei ist keine zeitliche Beschränkung festgelegt worden. Ein Überleben des Vereins scheint somit gesichert zu sein.

Das Gegenteil gilt für Grenoble Foot 38. Der Klub, der in den Nullerjahren wie ein Komet zunächst in die 1. Liga aufstieg und anschließend bis in die 3. Liga absieg, steht endgültig vor dem Aus. Die Regionalzeitung "Dauphiné Libéré" spekuliert, dass der Verein aufgrund seiner desolaten Finanzlage in die vierte Liga zwangsversetzt werden wird. "Nur ein Wunder kann den Klub dann noch retten", heißt es weiter.

Heute vor 15 Jahren: EM-Sieg in London

Heute vor 15 Jahren wurde Deutschland in London zum dritten Mal Europameister. Goldjunge Oliver Bierhoff sorgte damals mit dem "Golden Goal" für die Entscheidung zugunsten der Elf von Trainer Berti Vogts.

Hier der Endspielbericht aus meiner EM-Enzyklopädie 1960 bis 2012


Jens Todt saß gemütlich in einer Bremer Pizzeria, als sein Handy klingelte. „Guten Abend, hier ist Berti Vogts. Ich brauche dich. Nimm den ersten Flieger nach London“, hieß es am anderen Ende. Wenige Stunden später landete der angehende Werderaner in der britischen Metropole und traf im „Landmark Hotel“ auf seine Nationalelfkameraden, mit denen er am nächsten Tag Europameister werden wollte.
Vor dem Anruf war Bundestrainer Vogts zutiefst verzweifelt gewesen: Kohler verletzt. Basler verletzt. Freund verletzt. Möller und Reuter gesperrt. Klinsmann mehr als fraglich. Helmer, Ziege, Kuntz, Bode - alle angeschlagen. Gnadengesuche für die Gelbsünder Möller und Reuter (sowie den ebenfalls betroffenen Tschechen Látal) hatte die UEFA zwischenzeitlich abgelehnt, und zwei Tage vor dem Finale standen dem Bundestrainer gerade einmal elf gesunde Akteure zur Verfügung - acht Feldspieler sowie drei Torhüter. „Beim Training war Kahn im Mittelfeld kreativer als Reck, der ein exzellenter Verteidiger war. Ich habe Trikots mit den Nummern 12 und 22 anfertigen lassen, damit sie spielen können“, erklärte Vogts mit verkniffenem Gesicht, als Werder Bremens Präsident Dr. Böhmert plötzlich den Rettungsanker hervorzauberte. Paragraph 29 im EM-Reglement erlaubte die Nachnominierung von bis zu zwei Spielern, wenn weniger als dreizehn Feldspieler zur Verfügung standen. Nach kurzer Beratung entschloss sich der DFB, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und beorderte den Ex-Freiburger Todt nach London. Eine Entscheidung, die nicht überall respektiert wurde. „Schön für den DFB, schlecht für den sportlichen Gedanken einer Gleichbehandlung“, kommentierte »kicker«-Boss Rainer Holzschuh süffisant, konnte schlussendlich aber beruhigt sein, denn am Finalabend standen Vogts doch genügend gesunde Aktive zur Verfügung, und Todt durfte das Spiel von der Tribüne aus sehen. „Unser Sympathie-Wert in der Welt hätte gelitten, wenn der DFB das UEFA-Angebot mit Todts Einsatz letztlich umgesetzt hätte“, resümierte Holzschuh.
In England war die Sache mit Todt kein Thema. Noch immer klopfte der Fußballnation das Herz ob des aufregenden Halbfinals, trauerte man mit Gazza und Co. über deren so überaus tragisches Ausscheiden. Nicht einmal Gareth Southgate, der mit seinem Elfmeter an Andy Köpke gescheitert war, musste sich Vorhaltungen anhören. England war vereint in seinem Schmerz und seinem Stolz auf eine der dramatischsten Darbietungen der britischen Fußballhistorie. Wesentlich weniger Gesprächsstoff hatte das andere Halbfinale geliefert. Lediglich die Tatsache, dass mit der Tschechischen Republik wie schon 1992 ein Underdog das Endspiel erreicht hatte, wurde registriert. Dass die Überraschungself dort ausgerechnet auf jenen Gegner traf, gegen den sie im ersten Gruppenspiel 0:2 verloren hatte, gab dem tschechischen Finaleinzug noch eine besondere Note. Die Möglichkeit zur Wiedergutmachung wollten die Schützlinge von Dušan Uhrin natürlich unbedingt nutzen. Aber auch Deutschland lauerte auf Revanche - 1976 hatte man das EM-Finale gegen die damalige Tschechoslowakei erst im Elfmeterschießen verloren.
Trotz der Personalsorgen ging das deutsche Team als Favorit ins Rennen. Klinsmann war wie durch eine Wunderheilung wieder fit geworden, und auch Helmer, Ziege und Bode standen zur Verfügung. Die Feldspielertrikots für die beiden Ersatzkeeper konnten also im Schrank der Fußball-Raritäten bleiben - Deutschland bestritt das Finale mit zehn Feldspielern sowie Andy Köpke. Gegner Tschechien musste auf den noch immer rotgesperrten Látal verzichten und setzte wie im gesamten Turnierverlauf auf „safety first“. Klare Aufgabenverteilung, kontrolliertes Risiko und eine spannende Mischung aus Raum- und Manndeckung hatten die Uhrin-Schützlinge zu einem schwer zu schlagenden Gegner gemacht. Deutschland brachte Häßler für den gesperrten Möller und setzte vor allem auf die treibende Kraft eines Matthias Sammer, der sich im Turnierverlauf zum wertvollsten Spieler gemausert hatte. Strunz, Eilts, Helmer und Ziege bildeten die Abwehr, hinter der Babbel „Staubsauger“ spielte. Sorgen bereitete vor allem der Angriff. Kuntz bekam erneut den Vorzug vor Bierhoff, obwohl der Türkei-Legionär noch immer nicht seine erhoffte Form erreicht hatte, und Klinsmann war von zehn Tagen Verletzungspause gezeichnet.
Das Spiel begann vorsichtig. Keine Seite wagte etwas, und beim deutschen Team war Respekt vor einem Gegner zu erkennen, den man in der Vorrunde noch locker-lässig mit 2:0 geschlagen hatte. Es dauerte dreizehn Minuten, bis die erste Torchance registriert wurde: Kuka setzte sich gegen Babbel durch und zog eine scharfe Flanke in den Strafraum, wo Poborský per Direktabnahme das Ziel nur knapp verfehlte. Neutrale Beobachter hatten zu diesem Zeitpunkt den Eindruck, als zeige die tschechische Überraschungself einen Hauch mehr Entschlossenheit als die DFB-Auswahl. Markus Babbel hatte unübersehbare Probleme mit dem beweglichen Kuka, Helmer war offensichtlich durch seine Verletzung gehemmt und Klinsmann fehlte deutlich die Fitness. „Icke“ Häßler konnte abermals nicht an seine Euro-92-Form anknüpfen und ließ Sehnsüchte nach dem gesperrten Andy Möller aufkommen. Stark indes Mehmet Scholl, der an fast allen gefährlichen Aktionen beteiligt war und sich zudem ausgezeichnet in den Zweikämpfen durchzusetzen vermochte.
Tschechien dominierte die erste Halbzeit. In der 25. Minute verstolperte beispielsweise Pavel Nedvd, gemeinsam mit Karel Poborský die tschechische EM-Entdeckung, in aussichtsreicher Position das Leder. Elf Minuten später brannte es allerdings plötzlich auf der anderen Seite lichterloh. Sammer und Helmer hatten den Ball in die gegnerische Hälfte befördert, wo er nach einigen Turbulenzen zu Kuntz gekommen war. Der spitzelte das Spielgerät an Kouba vorbei in Richtung Tor, doch Rada konnte es noch von der Linie kratzen - Erleichterung nicht nur bei Poborský und Co., sondern auch bei Schiedsrichter Pairetto, denn die Tschechen hatten bereits Handspiel von Kuntz reklamiert.
Auch kurz vor dem Seitenwechsel wurde es noch einmal hektisch. Beide Teams drängten plötzlich auf ein Tor, und das Spiel gewann an Tempo. Kouba parierte prächtig gegen Stefan Kuntz, im Gegenzug unterlief ausgerechnet dem ansonsten wie gewohnt zuverlässigen Dieter Eilts ein Abspielfehler, doch Köpke knöpfte Kuka das Leder in letzter Sekunde ab. Sekunden später gab es erneut Aufregung um Eilts, der sich bei einem Pressschlag mit Jií Nmec verletzte. Zur Halbzeit war man sich einig, eine insgesamt nicht sonderlich packende Partie gesehen zu haben, die in keinster Weise entschieden war. Nach den Eindrücken der ersten fünfundvierzig Minuten wurden allerdings Tschechien die besseren Chancen eingeräumt.
Während des Pausentees vergrößterten sich die Sorgenfalten auf dem Gesicht von Berti Vogts. Bei Dieter Eilts war ein Innenbandabriss im linken Knie diagnostiziert worden - der Bremer musste in der Kabine bleiben. Für ihn schickte Vogts Marco Bode ins Rennen und beorderte Christian Ziege dafür ins zentrale Mittelfeld. Der personelle Rückschlag erwies sich als weichenstellend. Plötzlich kam das deutsche Team deutlich besser ins Spiel, zumal Mehmet Scholl noch immer vor Selbstvertrauen strotzte. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff bot sich Thomas Strunz die Gelegenheit zum Führungstreffer, doch der mit zunehmender Spieldauer immer stärker abbauende Münchner zog am Gehäuse von Petr Kouba vorbei. Mit der offensiveren Gangart der deutschen Elf ging auch ein Ruck durch die Tschechen, die nun ebenfalls angriffslustiger wurden und damit zu einem deutlich unterhaltsameren Spiel beitrugen. Auch der Außenseiter hatte Chancen: Poborský scheiterte mit einem Freistoß an der deutschen Mauer, Köpke tauchte bei einem abgefälschten Berger-Schuss sekundengenau ab. In der 59. Minute war der deutsche Keeper aber machtlos. Bei einem Laufduell mit Sammer war Poborský zu Boden gegangen - „klares Foul, Elfmeter“, forderten die Tschechen, „kein Foul, Poborský ist in den Strafraum hineingeflogen“, beteuerten die Deutschen. Schiedsrichter Pairetto entschied sich für die tschechische Sichtweise und Patrik Berger ließ sich die Chance nicht nehmen. 1:0, der Underdog führte, und wie 1992 bahnte sich eine Sensation an. Mit dem 1:0 im Rücken hatten die abwehrstarken Tschechen sämtliche Vorteile auf ihrer Seite und konnten geduldig abwarten, was Deutschland so einfiel. Doch im Gegensatz zu 1992, als der DFB-Elf die geistige Frische zur Gegenwehr gefehlt hatte, waren die Vogts-Schützlinge diesmal „fit“. Mit hochrotem Kopf trieb Sammer seine Vorderleute immer wieder an, vermisste jedoch eine Anspielstation im gegnerischen Strafraum. In der 69. Minute reagierte Berti Vogts und schickte Oliver Bierhoff aufs Feld. Die Aufregung, dass dafür mit Mehmet Scholl ausgerechnet der bis dahin kreativste Akteur vom Platz ging, hatte sich noch nicht gelegt, da lagen sich die deutschen Fans schon jubelnd in den Armen. Ziege hatte einen Freistoß aus halbrechter Position herrlich vor das Tor geschlagen, und aus fünf Metern war Bierhoff mit einem wuchtigen Kopfstoß der Ausgleich gelungen.
Nun war das Spiel wieder offen. Beide Seiten drängten auf das 2:1, suchten die Entscheidung. Köpke und Kouba zeichneten sich mehrfach durch Glanzparaden aus und stürzten die Fans in ein Wellental der Emotionen. Zwei Minuten vor Schluss schickte Uhrin den Prager Vladimír Šmicer ins Rennen und hätte damit fast einen ebensolchen Treffer gelandet wie zuvor Vogts mit Bierhoff. Doch Köpke drehte einen Šmicer-Schuss in höchster Not um den Pfosten und rettete Deutschland damit die Verlängerung.
In jener waren fünf Minuten gespielt, als die Entscheidung fiel. Mit dem Rücken zum Tor kam Bierhoff an den Ball, drehte sich blitzschnell und zog ab. Der von Horák noch abgefälschte Ball fand seinen Weg ins Netz, wobei Pavel Kouba eine mehr als schlechte Figur abgab. Der Torhüter klagte später, Linienrichter Donato Nicoletti habe die Fahne gehoben, weil Kuntz im Abseits gewesen sei, und ihn damit irritiert. Schiedsrichter Pairetto erkannte jedoch auf „passives Abseits“ und beendete die Partie, womit Bierhoffs „Golden Goal“ Deutschland zum dritten Mal nach 1972 und 1980 zum Europameister gemacht hatte. Sekunden der Anspannung verstrichen, ehe beide Seiten realisierten, dass das Spiel tatsächlich beendet war. Während die deutsche Bank jubelnd auf den Platz stürmte, waren die Tschechen untröstlich. So ein Ende hatten sie nicht verdient, und die Sache mit dem „Golden Goal“ hatte in Prag zweifelsohne keine neuen Anhänger gefunden.
Glücklichster Mann auf Erden war zweifellos Berti Vogts. Seit seinem Amtsantritt umstritten, hatte er es allen gezeigt. Eine hart arbeitende, mit dem Glück des Tüchtigen ausgestattete und von ihm zusammengestellte Elf ohne Störfaktoren à la Effenberg oder Matthäus beförderte den „Bundesberti“ endlich auf eine Stufe mit Vorgängern wie Helmut Schön und Franz Beckenbauer. Vogts nutzte die Gunst der Stunde und bedankte sich mit einer Ein-Mann-„La-Ola“ bei den mitgereisten Fans - zweifelsohne das Bild des Finales. Bundestorwarttrainer Sepp Maier blickte derweil auf die WM 1994 zurück: „Dort hatten wir mehr Spielerpersönlichkeiten, die aber nicht miteinander gespielt haben. In England hatten wir eine eingeschworene Truppe, die durch die Qualifikation, die wir vor zwei Jahren nicht hatten, zusammengewachsen ist.“

Mittwoch, 29. Juni 2011

Germania Brötzingen wird Kickers Pforzheim

In Pforzheim kommt es nach dem Zusammenschluss zwischen 1. FC und VfR zu CfR Pforzheim zu einem weiteren Zusammenschluss lokaler Fußballgrößen. Ab der kommenden Saison gehen Traditionsverein Germania Brötzingen und der FC Eutingen unter dem gemeinsamen Label "SV Kickers Pforzheim" in der Landesliga an den Start. Brötzingen hatte in der abgelaufenen Saison den Aufstieg in die höchste Landesklasse geschafft.

Damit entsteht ein neuer Großverein im Westen bzw. Osten der Goldstadt. Dass der Traditionsname "Germania" bei dem Zusammenschluss verloren ging, stieß bei einigen Brötzinger Traditionalisten auf Verärgerung. "Weil dies aber Schnee von gestern sei und sich allein mit Tradition keine Rechnungen begleichen ließen, hat mit Roland Eberle ein Ur-Brötzinger durchgesetzt, dass die Abstimmung eine deutliche Mehrheit für den Zusammenschluss unter dem Namen SV Kickers Pforzheim geben hat", berichtete der "Schwarzwälder Bote" über den Namensfindungsprozess.

Gespielt werden wird zukünftig auf dem ehemaligen Germania-Platz auf der Wilferdinger Höhe.

Hier das Porträt über Germania Brötzingen aus dem "großen Buch der deutschen Fußballvereine".

Angeführt von Nationalspieler Theodor Burkhardt, drangen
die Pforzheimer Vorstädter in den späten 1920er
Jahren in die Spitze des badischen Fußballs vor. 1933
zählte der Klub sogar zu den Gründungsmitgliedern der
Gauliga Baden, in der man insgesamt vier Spielzeiten
mitmischte. Nach dem Krieg verbrachten die Rot-Schwarzen drei Jahre in der höchsten Amateurklasse Nordbadens, ehe sie im unterklassigen Amateurfußball abtauchten.

DATEN Fußball-Club Germania e.V. Pforzheim-Brötzingen Anschrift Heidenheimer Straße 4, 75179 Pforzheim Telefon 07231-356476 Internet www.germania-broetzingen.
Verband Süd/Baden Farben Blau-Gelb Kleidung gelb, blau, blau (früher weiß-rot, schwarz)
GESCHICHTE Dezember 1906 gegründet als FC Germania
Brötzingen. 1913 Fusion mit Ballspielclub 05 Brötzingen = BC Germania Pforzheim. 1913 Lösung der Fusion 1920 Fusion mit TV Brötzingen, KSV Achilles Brötzingen und Radfahrclub Sturm Brötzingen = FC Germania Pforzheim-Brötzingen
STADION 1906-07 Mühlwehr, 1908-11 Enztal, 1911-16 Stalperplatz, 1916-19 FT-Platz Tannhofer
Weg, 1919-94 Brötzinger Tal, Adolf-Richter-Straße (15.000), ab 1994 Wilferdinger Höhe Heidenheimer Straße (30.4.1994)

Dienstag, 28. Juni 2011

Insolvenzticker: Grenoble Foot 38

Einer meiner regelmäßigen Gäste im "Insolvenzticker" ist der französische Klub Grenoble Foot 38. Mit Hilfe von Investoren aus Asien stürmten die jahrezehntelang in der zweiten bzw. dritten Liga kickenden Blau-Weißen 2008 bis in die 1. Liga durch, ehe das wackelige Finanzkonstrukt zusammenbrach und man 2010/11 in die Drittklassigkeit durchgereicht wurde. Was blieb, war ein nagelneues Stadion, das nun im Duell gegen Teams wie Luzenac und Colmar vermutlich viel zu groß sein wird.
Freilich ist noch offen, ob der Verein in der Saison 2011/12 überhaupt in der "National" an den Start gehen wird. Gestern jedenfalls blieben die Spieler der Grenoblois dem Auftakttraining fern, um auf die ungeklärten finanziellen Voraussetzungen aufmerksam zu machen. Klub-Eigentümer "Index", ein Konsortium japanischer Geschäftsleute, will den Klub verkaufen, findet aber keinen Käufer. Nach Einschätzung von Insidern steht Grenoble inzwischen kurz vor der Insolvenz.

Ein anderes Team aus der dritthöchsten Spielklasse "National" hat bereits die Konsequenzen aus der schwierigen finanziellen Lage für viele Klubs in der landesweiten Spielklasse gezogen: Pacy-sur-Eure wird 2011/12 trotz sportlichem Klassenerhalt auf seinen Startplatz verzichten. Mit dem FC Martigues profitiert davon ein ehemaliger Erstligist (1993-96), der in den vergangenen Jahren sowohl sportlich als auch finanziell gleichfalls schwere Zeiten durchmachte. Die Rot-Gelben aus der Nähe von Marseille dürfen nun in die National nachrücken.

Montag, 27. Juni 2011

Fußball unterm Hakenkreuz - Tagung in Wien

Für alle Interessierten hier einige Links zur Berichterstattung über die höchst gelungene Tagung letzte Woche in Wien über das 1941er Endspiel zwischen Rapid und Schalke. Einen sehr guten Überblick über die gesamte Tagung gibt der letztgenannte Beitrag in einem Fußballblog.

Vorbericht im Kurier
http://kurier.at/sport/fussball/3916221.php

Tagungsbericht im Radiosender Ö1:
http://oe1.orf.at/programm/277764

Tagungsbericht im online-Standard:
http://derstandard.at/1308679537247/Fussball-in-der-Diktatur-Mythen-Fragezeichen-und-Aufarbeitung?seite=1#forumstart

Reportage über das Endspiel 41 und ein Vorbericht zur Tagung von Petr Nosalek, Sportjournalist beim tschechischen Radio.
http://www.rozhlas.cz/iradio/archiv/?p_po=100462

Und ein ausführlicher Tagungsbericht in einem Blog:
http://brucki.blogspot.com/2011/06/tagung-fuball-unterm-hakenkreuz.html

Aus für River Plate, anschließend Randale

Nach 80 Jahren in der höchsten Spielklasse hat es den 33-fachen argentinischen Meister River Plate Buenos Aires gestern erwischt. Das 1:1 im Relegationsrückspiel auf eigenem Platz gegen Zweitligist Belgrano Cordoba war zuwenig, um den Erstligastatus zu verteidigen.

Eine Stunde lang war River auf einem guten Weg. Vor 60.000 Zuschauer brachte Mariano Pavone den Traditionsklub bereits nach fünf Minuten mit 1:0 in Führung. Doch Belgrano gelang in der 61. Minute der Ausgleich, und als Pavone sechs Minuten später einen Elfmeter nicht verwandeln konnte, war Rivers Schicksal besiegelt.

Nach dem Schusspfiff kam es wie befürchtet zu Ausschreitungen einiger River-Fans, bei denen 55 Personen verletzt wurden - darunter 35 Polizisten. "Zum Glück schwebt niemand in Lebensgefahr", erklärte Sicherheitsministerin Nilda Garre gegenüber der argentinischen Nachrichtenagentur DyN.


2.200 Beamte waren bei dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte des argentinischen Fußballs im Einsatz. Schon vor dem Anpfiff wurden die Spieler von River Plate mit Gegenständen beworfen. Nach dem Spiel flogen vor dem Stadion Steine auf Polizisten, wurden Müllcontainer in Brand gesteckt und Fahrbahnbegrenzungen niedergerissen. Die Polizei reagierte mit Gummigeschosse, Wasserwerfer und Tränengas.

Samstag, 25. Juni 2011

River Plate vor dem Abstieg in die "B"?

River Plate aus Buenos Aires kämpft gegenwärtig ums Überleben. Sportlich wie wirtschaftlich. Der gemeinsam mit Erzrivale Boca Juniors berühmteste Verein Argentiniens steht in der Relegation um den Klassenerhalt der höchsten Spielklasse nach einer 0:2-Hinspielniederlage gdegen Zweitligist Belgrano Cordoba mit dem Rücken zur Wand. Ein Abstieg der Rot-Weißen scheint schier unvorstellbar - ist aber in bedrohlich greifbarer Nähe.

Hier das Klubporträt aus dem Band "Afrika, Amerika und Ozeanien" meiner Weltfußballenzyklopädie:

River Plate Buenos Aires

An diesem Klub ist alles gigantisch: Das Stadion heißt »Monumental«, an der Eingangspforte wird man mit den Worten »Der Stolz, der Größte zu sein« begrüßt und der Spitzname lautet »Los Millonarios«.

Der Club Atlético River Plate ist – gemeinsam mit seinem Erzrivalen Boca Juniors – die Personifizierung des argentinischen Klubfußballs, und das Duell zwischen River und Boca (»superclásico«) wurde 2008 vom Fachblatt »World Soccer« zum wichtigsten Derby nach dem zwischen Barcelona und Real Madrid erklärt.

Wie Boca Juniors entstand auch River Plate im rauen Hafenviertel La Boca, wo zur Jahrhundertwende Zehntausende europäische Immigranten lebten. Ungleich Bocas ist River heute jedoch im bürgerlichen Stadtviertel Núñez zu Hause, und im Gegensatz zum »Arbeiterklub« Boca ist River ein Verein des Bürgertums, was ihrem Duell auch eine soziale Komponente verleiht. In der Publikumsgunst liegt River hauchdünn hinter Arbeiterverein Boca. Klubgründer waren Straßenfußballer um den italienischstämmigen Francesco Gentile. Seinen Namen erhielt der 1901 gebildete Verein auf Anregung von Pedro Martínez, der zuvor im Hafen von Buenos Aires beobachtet hatte, wie Kisten mit der Aufschrift »The River Plate« gelöscht worden waren. 1908 gelang der Aufstieg in die höchste Spielklasse, der man seitdem ohne Unterbrechung angehört.

Nach relativ bescheidenen ersten Jahren wurde der Klub mit Beginn des Profizeitalters 1931 zu »Los Millonarios«, als er die Nationalspieler Bernabé Ferreyra und Carlos Desiderio Peucelle verpflichtete und prompt Meister wurde. Vorausgegangen war 1923 der Umzug ins wohlhabende Núñez, wo sich River ein zahlungskräftiges Zuschauer- und Unterstützerklientel hatte erschließen können. 1930 wies der Klub bereits über 15.000 Mitglieder (»socios«) auf. Acht Jahre später konnte man das mit kommunaler Hilfe errichtete Estadio »Monumental« eröffnen, bei dessen Einweihung 70.000 Zuschauer ein 3:1 gegen Peñarol Montevideo sahen. Die 1940er Jahre waren geprägt von der sagenumwobenen »La Máchina«-Mannschaft (»die Maschine«), deren Herzstück die Angriffsreihe um Juan Carlos Muñoz, José Manuel Moreno, Adolfo Pedernera, Ángel Labruna und Félix Loustau war. Unter Trainer Carlos Peucelle spielte River seinerzeit einen rasanten Angriffs- und Kombinationsfußball, der einen Meilenstein in der Fußball-Weltgeschichte darstellte. Nach vier Meisterschaften endete die Epoche 1948 mit dem Wechsel von Leistungsträgern wie Nestor Rossi und Alfredo Di Stéfano ins kolumbianische »El Dorado«.

Angeführt vom Uruguayer Walter Gómez, Dribbelkünstler Enrique Omar Sívori sowie Rekordspieler Amadeo Carrizo (521 Einsätze) konnte River seinen Annalen in den 1950er Jahren noch fünf weitere Meisterschaften hinzufügen, ehe »la década maldita« (»die verfluchte Dekade«) begann, die neben acht Vizemeisterschaften lediglich den erstmaligen Einzug in das Finale um die Copa Libertadores brachte (1966, gegen Peñarol Montevideo verloren). Der erste Titelgewinn nach 18 Jahren läutete 1975 eine neue Erfolgsepoche ein. Wenngleich 1976 unter Trainer Ángel Labruna auch der zweite Anlauf in der Copa Liber­tadores scheiterte, als River im Finale an Cruzeiro Belo Horizonte scheiterte, stellte man 1978 mit Ubaldo Fillol, Daniel Passarella, Norberto Alonso, Leopoldo Luque und Oscar Ortiz immerhin fünf Akteure der argentinischen Weltmeisterelf.

Acht Jahre später war River in Mexiko mit vier Spielern Anteil am zweiten argentinischen Triumph beteiligt (Nery Pumpido, Oscar Ruggeri, Héctor Enrique und Julio Jorge Olarticoechea). Im selben Jahr gelang der langersehnte Durchbruch auf kontinentaler Ebene, als sich ein von Héctor Rodolfo Veira trainiertes Team im Finale um die Copa Libertadores gegen América Calí durchsetzte und anschließend gegen Steaua Bukarest auch den Weltpokal gewann. Als River exakt zehn Jahre später zum zweiten Mal Süd­amerikameister wurde, ragten mit Hernán Crespo, Ariel Ortega, Matías Almeyda und Julio Cruz vier Spieler heraus, die wenig später aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa verkauft werden mussten.

Der 1999 vom Fachblatt »El Gráfico« zum »Campeón Del Siglo« (»Jahrhundertmeister«) gekührte Klub kämpft seit langem mit einer enorm hohen Schuldenlast, die trotz regelmäßiger Verkäufe von Leistungsträgern nicht geringer wird.

Freitag, 24. Juni 2011

Insolvenzticker: Racing Strasbourg

Nun ist es gekommen wie befürchtet: Racing Strasbourg wird in der kommenden Saison 2011/12 nicht in der National (3. Liga) sondern lediglich in der 4. Liga Frankreichs auflaufen (CFA).

Der Traditionsklub und Landesmeister von 1979 befindet sich seit vielen Jahren in schweren finanziellen und internen Turbulenzen, die 2008 zum Abstieg aus der 1. Liga und 2010 zum Abstieg aus der 2. Liga geführt haben. Bereits vor der Saison 2010/11 war Racing die Drittligalizenz verweigert worden. Damals hatte man sie im Widerspruchverfahren aber doch noch bekommen.

Nach dem knapp verpassten direkten Wiederaufstieg hat der umstrittene Hauptaktionär Jafar Hilali das Profistatut aufgegeben und den Niedergang von Racing damit noch einmal verschärft. Gestern nun zog die "Direction nationale du contrôle de gestion" (DNCG, ist in Frankreich für die Lizenzvergabe der drei höchsten Ligen zuständig) die Notbremse und verbannte den hoch verschuldeten in am Grünen Tisch die Viertklassigkeit.

Hilali hat zwar angekündigt, den Klub verkaufen zu wollen, verlangt aber regelrechte Phantasiesummen. Wie es weitergeht im Stade de la Meinau ist derzeit völlig offen. Selbst eine Auflösung des Vereins ist nicht auszuschließen.

Dienstag, 21. Juni 2011

Vor 70 Jahren: Endspiel 1941 Schalke gegen Rapid Wien

Am 22. Juni jährt sich zum 70. Mal der Tag des Endspiels um die Deutsche Fußballmeisterschaft 1941. Damals schlug Rapid Wien Schalke 04 nach 0:3-Rückstand noch mit 4:3. Um das Spiel kursieren bis heute eine Menge Gerüchte und Legenden. In Wien findet am Mittwoch, den 22. Juni 2011 eine ganztätige Tagung zum Thema Fußball im Nationalsozialistmus statt, bei dem es auch um das 1941er Endspiel geht. Ich werde dabei über die Position des FC Schalke 04 referieren. Details über die Tagung finden sich hier: http://www.ballesterer.at/?art_id=1642


Nachstehend der Bericht über das Endspiel 1941 aus meinem Buch "Glaube, Liebe, Schalke":

„Meisterschaft wie im Frieden“, jubelt das vor dem Berliner Olympiastadion verteilte Informationsblättchen vor dem Finale um die Deutsche Fußballmeisterschaft 1941. Doch das war Augenwischerei und ein durchsichtiger Versuch, das längst kriegsmüde Volk zu beruhigen. Von einem „friedlichen Alltag“ konnte keine Rede sein. Auch im Fußball nicht. Statt dessen häuften sich die Meldungen von „gefallenen“ Fußballern, stellten sich erste Versorgungsengpässe ein, liefen viele Schalker Soldaten statt in Gelsenkirchen anderswo auf.


Als wenige Stunden vor dem Anpfiff des mit Spannung erwarteten Endspiels zwischen Schalke und Rapid Wien über den inzwischen in fast jedem Haushalt stehende Volksempfänger auch noch jubelnd verkündet wird, dass die Wehrmacht die Grenze zur Sowjetunion überschritten habe, erreicht der Krieg eine neue Dimension. Kurzzeitig gerät sogar die Finalpartie in Gefahr, denn aus Furcht vor einem sowjetischen Vergeltungsschlag wird über eine Verlegung der Begegnung nachgedacht. Doch die von dem Militärschlag überraschten Sowjets regen sich nicht, und so strömen wenige Stunden später 95.000 Zuschauer bei tropischer Hitze von rund 40 Grad Celsius ins Olympiastadion und vergessen für einen Moment den Krieg.

Wie immer ist Schalke Favorit, wenngleich Rapid eine respektable Mannschaft aufbietet, aus der mit Franz Binder ein gefeierter Nationalstürmer herausragt. „Wir werden Wiens Fußballehre wieder herstellen“, kündigt Binder mit Verweis auf Admiras 0:9-Debakel zwei Jahre zuvor an.

Doch davon ist zunächst nichts zu sehen. Nach sechs Minuten bringt Heinz Hinz den Favoriten in Führung, und als Hermann Eppenhoff nur 120 Sekunden später auf 2:0 erhöht, scheint bereits eine Vorentscheidung gefallen zu sein. Nachdem Binder vier Minuten vor dem Seitenwechsel auch noch einen umstrittenen Strafstoß neben das Tor gesetzt hat, geht es mit 2:0 in die Pause. Auf den Rängen schwanken die Voraussagen zwischen 4:0 und 7:1, gibt niemand mehr auch nur einen Pfifferling auf die bislang schwache Rapid-Elf.

Exakt eine Stunde ist gespielt, als Linksaußen Hinz auf 3:0 erhöht. Doch die scheinbare Entscheidung weckt plötzlich neue Kräfte in den Wiener „Kaffeehausfußballern“, die nun sämtliche taktischen Raffinessen beiseite legen und mit hochgekrempelten Ärmeln die berühmte und gefürchtete „Rapid-Viertelstunde“ einläuten. Als Schors 120 Sekunden später einen Fehler von Rudi Gellesch zum 3:1-Anschlusstreffer nutzt, beginnen die spektakulärsten sechs Minuten in der Geschichte der deutschen Fußballendspiele.

Burdenski hat gerade das 4:1 verpasst, als Franz Binder im Gegenzug nach einem Tibulski-Foul an ihm selbst aus 18 Metern per Freistoß zum 3:2 trifft. Plötzlich ist Schalke nervös, während die Wiener endgültig Morgenluft wittern. 60 Sekunden später brennt es erneut im Schalker Strafraum. Gellesch bringt Georg Schors zu Fall, und diesmal entscheidet Schiedsrichter Reinhardt zu Recht auf Strafstoß. Binder hämmert den Ball zum Ausgleich ins Schalker Netz – binnen drei Minuten hat der Titelverteidiger seinen 3:0-Vorsprung verspielt!

Doch es kommt noch schlimmer für die Königsblauen, die kein Mittel mehr gegen den Wiener Angriffswirbel finden. Eppenhoff ist mit einem Entlastungsangriff gerade an Rapid-Keeper Raftl gescheitert, als der Ball über Gernhardt, Skoumal und Schors zu Willy Fitz kommt, der 25 Meter vor dem Tor von „Ötte“ Tibulski zu Fall gebracht wird. Freistoß. Als Franz Binder anläuft, wird es sekundenlang mucksmäuschenstill im Olympiastadion, ehe das Leder zum Entsetzen der Schalke-Fans im linken oberen Winkel landet. Rapid, das sechs Minuten zuvor noch mit 0:3 in Rückstand gelegen hat, geht mit 4:3 in Führung!

Der anschließende offene Schlagabtausch bringt einen Lattentreffer für Wien, einen Pfostentreffer für Schalke und eine aufregende Szene, als Kuzorra im Strafraum zu Fall gebracht wird, ohne dass Schiedsrichter Reinhardt eingreift. Dann ist Rapid Wien erster Deutscher Meister, der nicht aus dem „Altreich“ stammt, und in Gelsenkirchen fragt man sich, was in diesen verrückten sechs Minuten bloß schiefgelaufen ist.

Montag, 20. Juni 2011

Insolvenzticker: Viktoria Köln

Ein Aufstieg aus dem Nichts - so könnte man den Einzug der Kölner Viktoria in die NRW-Liga bezeichnen. 2010/11 hatte der ehemalige Zweitligist gar keine Mannschaft im Ligaspielbetrieb, nachdem es kurz vor dem Saisonstart zur Insolvenz gekommen und der SCB Viktoria Köln aufgelöst worden war.

Am 22. Juni 2010 war dann mit dem FC Viktoria Köln ein Nachfolger gegründet worden, der 2010/11 lediglich im Jugendbereich aktiv gewesen war. Dass der neue Klub mit dem alten Namen nun direkt in der 5. Liga seinen Spielbetrieb aufnehmen kann, ist dem FC Junkersdorf zu verdanken. Der nämlich schaffte den sportlichen Aufstieg, scheute aber den Klassensprung. Daraufhin wurde die erste Mannschaft der Junkersdorfer ausgegliedert und dem FC Viktoria angeschlossen, der daraufhin den Startplatz in der NRW-Liga übernahm. Sponsor des Klubs ist der langjährige Germania-Windeck-Förderer Franz-Josef Wernze, Gründer der Steuerberatungsfirma ETL

Viktoria spielt nicht nur im Soportpark Höhenberg, sondern sieht sich auch in der Tradition des Spitzenfußballs auf der rechten Rheinseite. Auf der Website des Klubs heißt es:
"Der FC Viktoria Köln 1904 e.V. ist vor diesem Hintergrund weiterhin ´der´ größte rechtsrheinische Kölner Traditionsverein. Die Vereinsfarben sind schwarz, weiss und rot und die offizielle Abkürzung lautet "Viktoria". Im Vereinswappen symbolisiert das dominante rote „V“ nicht nur den Anfangsbuchstaben des Wortes "Viktoria", sondern es steht auch für Begriffe wie „Victory“, „Vertrauen“ und „Verantwortung“. Der zentrale Schlachtruf der Viktoria-Fans, die auch liebevoll „Viktorianer“ genannt werden, lautet: „Vik, Vik, Viktoria!“
Klubchef Dr. Tobias Kollmann, Professor an der Uni Duisburg Essen und Leiter des Lehrstuhls für E-Business und E-Entreppreneurship der Fakultät Wirtschaftswissenschaften gab kürzlich der Zeitung "Reviersport" ein Interview über die geplante Ausrichtung des Klubs. Darin heißt es u.a.:

Welches Imagekonzept hat Viktoria Köln?

Viktoria Köln kommt von der rechten Rheinseite, der „Schäl Sick“, einer Arbeiter- und Industriegegend mit kämpferischem Attribut und hohem Migrationshintergrund. Wir haben daher ausgehend vom Anfangsbuchstaben V der Viktoria, der für vorwärts, vielversprechend und verantwortungsbewusst steht, ein komplett neues Markenbild basierend auf einem bodenständigen Retro-Look entwickelt. (...) Unsere Farben schwarz und weiß sollen das ruppige, kämpferische und bodenständige Image der rechten Rheinseite repräsentieren. Wir betonen unsere Herkunft, den ehrlichen Fußball mit der Stadionwurst und wollen eher ins Bergische hinein zum Einfalltor für den Fußball in dieser Region werden.

Welche Ziele gibt es für Viktoria Köln insgesamt?

Wir wollen die Nummer zwei in Köln werden, aber dafür gibt es keine Zeitvorgabe. Ich habe es als Präsident des Vereins strikt abgelehnt, Vier- oder Fünfjahrespläne zu verkünden. Wir brauchen Zeit, um den Klub gesund zu entwickeln. Alles von null auf hundert Prozent hochzudrehen ist oft nicht das beste Motto.

Mit welchen Erwartungen starten Sie in die neue Saison?
Das nächste Jahr soll eine Zwischensaison sein, in der es um die Qualifikation für die neue Regionalliga West geht. Es wird einen ganz heißen Tanz um die sechs Aufstiegsplätze geben – wir wollen natürlich dazu gehören.

Sonntag, 19. Juni 2011

Insolvenzticker: Kickers Emden

Kickers Emden hat im Revisionsverfahren doch noch die Lizenz für die Oberliga Niedersachsen bekommen. Dem Verein gelang es offenbar, die vom NFV aufgezeigte Liquiditätslücke von 295.000 Euro spürbar zu verringern.

Kickers-Präsident Schmaler sprach dabei von "harter Knochenarbeit": "Wir sind jeden auch kleineren Posten durchgegangen. Wir haben immer gesagt, dass unser Schulden-Stand bei 165.000 Euro liegt. Um neue Sponsoren haben wir uns nicht bemüht. Das hätte wenig Zweck gehabt." Wie es den Blau-Weißen im Einzelnen gelang, dem NFV modifizierte Zahlen vorzulegen, ist bislang nicht bekannt. Dem BSV Kickers liegt allerdings eine Zusage von Bundesligist Hannover 96 für ein Freundschaftsspiel im Juni 2012 (!) vor.  "Das hilft uns weiter", urtelte Schmaler, obwohl die Partie erst in einem Jahr stattfinden wird.

Für 96-Stadtrivale SV Arminia bedeutet die Entscheidung nun den Abstieg in die Landesliga. "Die Enttäuschung beim SV Arminia ist natürlich riesengroß, zumal mit dem SVA nun ein gesunder Verein die Oberliga Niedersachsen verlassen muss, der noch in der Winterpause auf teure Spielerkäufe verzichtet hatte, um die Wirtschaftlichkeit nicht zu gefährden. Ziel muss es nun sein, möglichst direkt in die Oberliga zurückzukehren", heißt es auf der Homepage der "Blauen".

Samstag, 18. Juni 2011

Tschüß Benzstraße

Mir steht heute ein überaus beschwingter und zugleich sehr schwerer Fußballgang bevor.

Um 17 Uhr wird auf dem Sportplatz an der Benzstraße in Göttingen-Geismar das letzte RSV-05-Spiel der Saison gegen den VfL Oker angepfiffen. Alle Entscheidungen sind bereits gefallen: Oker ist abgestiegen, 05 Meister und aufgestiegen. Ab 19.30 Uhr fließt das Freibier, und morgen um 3 wird die 05-Mannschaft am Gänseliesel von ganz Göttingen gefeiert werden (na, R. Emme-Weiß kommt vermutlich nicht).

Soweit zum "beschwingten" Teil des Tages.


Der "schwere" Teil ist ein Abschied. Abschied von der Benzstraße, wo 05 in der nächsten Saison nicht mehr spielen darf. Anwohnerproteste haben dazu geführt, dass die Schwarz-Gelb-Grünen umziehen müssen und aller Voraussicht nach 2011/12 in der Oberliga Niedersachsen im Jahnstadion auflaufen werden. Ich werde Tränen in den Augen haben, wenn wir "Tschüß" sagen zur "Benze". Nicht etwa, weil es so ein toller Sportplatz war - ganz im Gegenteil: der Rasen ist selbst für Landesligaverhältnisse besch..., es gibt keinen einzigen Sitzplatz geschweige denn eine Tribüne, und im Grunde genommen gibt es auch nur eine Gerade, die wir 05-Fans dennoch "Gegengerade" nennen. Der alte Platz des RSV Geismar ist eben ein schlichter "Dorfplatz" mitten in der Stadt.

Aber er hat Seele! Seele, die ihm von den Mitgliedern der Fusionsvereine RSV Geismar und Göttingen 05 eingehaucht worden ist. Als der 1. SC 05 das Zeitliche segnete, kam es zum Zusammenschluss mit dem RSV Geismar, mit dem seit längerem eine Kooperation im Jugendbereich bestanden hat. Eine Saison lang kickten "wir" als RSV Geismar, seit 2005 trägt der Verein nun den Namen RSV Göttingen-Geismar 05, Kurzname (laut Satzung!) RSV Göttingen 05. Dass es eine gelungene Fusion wurde, hat viel mit der Benze zu tun. Mir gefiel von Anfang an das Familiäre auf dem alten RSV-Platz. Viele Eltern kamen mit ihren Kindern, und plötzlich hatten wir eine ganz andere Atmosphäre als früher bei den 1. SC 05-Spielen im Jahnstadion. Wir "alten" 05-Fans haben derweil von Beginn an großen Wert darauf gelegt, das "RSV" zu pflegen und nicht mehr von "schwarz-gelben" Farben zu singen, sondern von "schwarz-gelb-grünen".

In den letzten sechs Jahren habe ich es sehr genossen, an der engen und, bei gutem Besuch, überaus kompakten "Benze" Fußball zu gucken. Da es nur eine Gerade gibt, trifft man eigentlich jeden irgendwann mal, und es entsteht ein wirklich enges Verhältnis zwischen Besuchern aller Katergorien. Das wird sich nun im Jahnstadion wieder ändern, wenn die "gesetzteren" Herren (und Damen) auf die Tribüne marschieren und der Rest auf der Gegengerade Krach macht.

So oder so - die Benzstraße wird für mich immer synonym mit der Neugeburt von Göttingen 05 als RSV 05 verbunden bleiben. Hier wird auch weiterhin das Herz des Vereins schlagen. Fußball gucken wir fortan im Jahner, unser Bier aber trinken wir weiterhin bei Willy und Marianne.

Tschüß Benze!

Freitag, 17. Juni 2011

Große Namen von einst: Rot-Weiß Lüdenscheid

Auf vielfachen Wunsch heute mal ein Klubporträt aus dem "Großen Buch der Deutschen Fußball-Vereine": Rot-Weiß Lüdenscheid.

Voller Hoffnung vereinten 1971 die Lüdenscheider Vereine RSV Höh (von 1966-71 für vier Spielzeiten in der höchsten Amateurliga Westfalens) und Sportfreunde 08 Lüdenscheid die Kräfte zu Rot-Weiß Lüdenscheid, einem Klub, der die Sauerlandstadt im Fußball nach oben bringen sollte. Zeitgleich wurde das herrlich gelegene Nattenbergstadion errichtet, das 20.000 Plätze bot. Hinter dem Vorhaben standen mit Lüdenscheids Bürgermeister Jürgen Dietrich sowie Karl Schmalenbach und Heinz Claus drei einflussreiche lokale Größen. Für die Rot-Weißen ging es zunächst ausschließlich nach oben. Binnen weniger Monate avancierte der Klub zur neuen Nummer eins im sauerländischen Spitzenfußball und verbuchte Zuschauerzahlen von bis zu 10.000. 1973 erreichte die mit den Ex-BVB-Profis Jürgen „Charlie" Schütz und Reinold Wosab verstärkte Mannschaft unter Trainer Nagerski bereits die Regionalliga, in der sie mit Größen wie Borussia Dortmund um Punkte rang. Die angestrebte Qualifikation zur 2. Bundesliga-Nord wurde indes knapp verfehlt. 1976 verhinderte ein umstrittenes Verbandsurteil erneut den Sprung in den Bundesligaunterbau, der schließlich 1977 unter Trainer Klaus Hilpert gelang, woraufhin laut „Kicker" in Lüdenscheid die „Bürgersteige rot-weiß angemalt" wurden. Nach einem vorzüglichen Premierenrang (13.) brach die Euphorie in der Sauerlandstadt 1978/79 jedoch abrupt in sich zusammen, und RWL verblieb als 19. nur aufgrund des späten Rückzug von Westfalia Herne in der 2. Liga. 1980/81 wurde die „Eingleisige" um Längen verfehlt, und der Lüdenscheider Fußballaufschwung brach vollends in sich zusammen. 1983 verpassten die Lüdenscheider nach nur vier Saisonniederlagen wegen zu vieler Remis den Wiederaufstieg. Anschließend waren sie auch in der Oberliga fast nur noch unteres Mittelmaß. Seit 1997 ist der Stammverein des späteren Aacheners, Schalkers und Berliners Hubert Clute-Simon auch im hochklassigen Amateurfußball nicht mehr vertreten. 2009 stieg der ehemalige Zweitligist in die Bezirksliga ab.

Auszug aus dem Buch: Das große Buch der Deutschen Fußballvereine. Agon Sportverlag, 2009. ISBN: 978-3-89784-362-2

Donnerstag, 16. Juni 2011

Neue alte Geschichter, Part 2

Drei weitere einstmals renommierte Klubs haben in der abgelaufenen Saison den Aufstieg in höhere Klassen geschafft: Viktoria 89 Berlin und Röchling Völklingen erklommen die Oberligen Nordost bzw. Südwest, während der OSV Hannover in die Landesliga aufstieg.

Mit Viktoria 89 Berlin kehrt damit sogar ein zweifacher Deutscher Meister aus einer jahrzehntelangen Versenkung zurück. Nun liegen die Meisterschaften der Himmelblauen aus Tempelhof zwar sehr lange zurück (1908 und 1911), die Renaissance des Klubs ist aber nichtsdestotrotz sehr erfreulich. Viktoria hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Klubchef Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger hat den Verein nach und nach modernisiert und sieht ihn noch längst nicht am Ende seiner Reise: "Wir wollen über Tempelhof-Schöneberg hinaus Anlaufpunkt für Berlins Fußballanhänger sein. Es engagieren sich immer mehr Ehrenamtliche in unserem Verein - da wächst etwas zusammen". Das Team aus dem Friedrich-Ebert-Stadion an der Bosestraße hat mit seiner reichhaltigen Tradition zweifelsohne das Zeug, sich zu einer attraktiven Adresse im hochklassigen Berliner Amateurfußball zu entwickeln - zumal mit Tennis Borussia ein Kultklub aus der Oberliga abstieg (dazu demnächst ein Hintergrundbeitrag).

Röchling Völklingen spielte zuletzt 2002/03 in der Oberliga Südwest und litt viele Jahre unter schweren wirtschaftlichen Problemen. Der ehemalige Zweitligist aus der Hüttenstadt im Saarland hat sich souverän die Meistershaft in der Saarlandliga gesichert und den Titel am letzten Spieltag mit einem standesgemäßen 6:1-Sieg in Hemmersdorf begossen. In einem Interview lobte Erfolgstrainer Patrick Klyk seine Mannschaft: "Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber wir waren einfach die beste Mannschaft in der Liga, sowohl im spieltechnischen als auch im taktischen Bereich. Von der Nummer Eins im Tor, bis hin zu den Jungs, die nicht in der Startelf gestanden sind und zunächst nur auf der Bank saßen, habenalle vorbildlich mitgezogen. Das bezieht sich nicht nur auf das sportliche Geschehen auf dem Platz, sondern auch außerhalb. Die Kameradschaft bei uns war hervorragend, das ganze Mannschaftsgefüge stimmte, da passte alles."

Ebenso wie Röchling Völklingen wandelte auch der OSV Hannover viele Jahre am Rande des Abgrunds und war von der Auflösung bedroht. Beim OSV war es - fast schon traditionsgemäß - die gute Jugendarbeit, die dem Verein das Überleben sicherte und nun auch die Rückkehr auf Bezirksebene im Fußballbezirk Hannover. Der Klub betreibt derzeit 22 Jugendmannschaften und wurde bereits mehrfach mti dem Herberger-Preis ausgezeichnet. Unter dem seit 2004 in Bothfeld agierenden Manager Wolfgang Kirchner wurde der Verein erfolgreich modernisiert und schaffte 2006 den Aufstieg in die Bezirksliga, dem nun der Sprung in die Landesliga folgte. Furore machte der OSV, als er die im März 2010 bei einem Brand schwer beschädigte Holztribüne im OSV-Stadion an der Langenforther Straße wieder aufbaute und dabei im ehemaligen Pressebereich eine Lounge einrichtete.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Afrikameisterschaft 2013 in Libyen gefährdet

Die für 2013 in Libyen geplante Afrikameisterschaft ist durch den anhaltenden Krieg stark gefährdet. Der afrikanische Kontinentalverband CAF denkt bereits über eine Verlegung nach. Kandidaten wären Ägypten sowie Südafrika.

Gegenwärtig wird in Libyen kein Fußball gespielt. Und auch die Vorbereitungen auf das Kontinentalturnier im Januar/Februar 2013 sind völlig zum Stillstand gekommen. Zudem sorgt sich die CAF um die Sicherheit, da ein Ende des Krieges derzeit ebenso wenig abzusehen ist wie die sich nach einem möglichen Frieden entwickelte Situation im Land.
Im Frühjahr 2011 ist bereits die U20-Kontinentalmeisterschaft von Libyen nach Südafrika verlegt worden. Neben Südafrika, das dank der WM über eine afrikaweit unschlagbare Infrastruktur verfügt, hat sich auch Ägypten als Ausrichter für das 2013-Turnier beworben. Südafrika steht turnusmäßig bereits für 2017 als Ausrichter fest.
Nach Angaben von CAF-Sprecher Hicham El Amrani ist bislang aber noch keine Entscheidung gefallen. Sowohl die CAN als auch die CHAN (Afrikameisterschaft für Spieler, die noch auf dem Kontinent aktiv sind) sowie die Futsal-Meisterschaft sollen wie geplant in Libyen stattfinden. "Wir suchen allerdings nach einem Plan B und einem Plan C", erklärte Al Amrani in einem Interview mit der BBC. Eine Entscheidung soll laut CAF im September fallen.

Nachstehend ein Auszuig aus dem Kapitel Libyen aus meiner Weltfußballenzyklopädie (Band 2: Afrika, Amerika und Ozeanien)

Fußball als Spielball der Politik
Der Besuch eines Fußballspiels in Libyen ist eine ganz besondere Erfahrung. Da trifft italienische Ultrakultur auf nordafrikanischen Habitus, erschüttern auch schon mal Feuerwerkskörper die Luft, gibt sich das Publikum mit an Fanatismus grenzender Leidenschaft dem Spiel hin. »So muss es im Zirkus von Rom gewesen sein«, fasste »African Soccer«-Korrespondent Benedict Smith 2000 seine Eindrücke vom WM-Qualifikationsspiel zwischen Libyen und Kamerun in Tripolis zusammen. »Die 60.000-Köpfe starke Kulisse, allesamt Libyer, bildete ein Meer in Grün. Sie pfiff, klatschte, sang mit harten arabischen Stimmen und schuf eine Atmosphäre, wie ich sie noch nie erlebt hatte, nicht einmal bei wichtigen Entscheidungsspielen in England.«
 auch in anderen bereichen wird Libyen »Fanatismus« nachgesagt. Ex-US-Präsident George W. Bush reihte das nordafrikanische Land in seine berüchtigte »Achse des Bösen« ein, und Staatschef Muammar al-Gaddhafi wird gerne mit Iraks Ex-Präsident Saddam Hussein verglichen. In der Tat ist die Liste der libyschen Verwicklungen in internationale Terrorakte lang – so gingen beispielsweise der Flugzeugabsturz von Lockerbie und der Anschlag auf die Berliner Diskothek »La Belle« auf das Konto Libyens.
Drahtzieher war Staatschef al-Gaddhafi, ein Armeeoffizier, der in seinem berühmten »Grünen Buch« einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus aufzeigt. Gaddhafis panarabische Ambitionen führten bereits mehrfach zu fehlgeschlagenen Versuchen, Staatenföderationen mit Ländern wie Ägypten, Syrien, Marokko, Tunesien oder Tschad zu formen.
Gaddhafi gilt als leidenschaftlicher Fußballanhänger, der sich Insidern zufolge regelmäßig über die Ergebnisse der englischen Premier League informiert. Sein Sohn Saad war bisweilen Präsident des libyschen Fußballverbands und blickt auf eine mit mäßigem Erfolg ausgestattete Karriere als Fußballprofi in Italien zurück, die eher als PR-Maßnahme einzuschätzen war. 2002 schockte er die Fußballwelt, als er einen fünfprozentigen Anteil an Juventus Turin erwarb und Italien damit in Angst und Schrecken wegen einer drohenden »libyschen Übernahme« des Traditionsvereins versetzte. Juves Hauptsponsor war die staatliche libysche Ölgesellschaft »Tamoil«.
Vater Muammar al-Gaddhafi hatte unterdessen 1989 für einen Skandal gesorgt, als er wenige Minuten vor dem Anpfiff der WM-Qualifikationspartie zwischen Libyen und Algerien eine Spielabsage anordnete, um sich für die algerische Unterstützung nach den Bombenangriffen auf Tripolis und Benghazi durch die USA zu bedanken. »Die Mannschaften von Libyen und Algerien sind ein Team, zwischen denen es keinen Wettbewerb geben kann«, ließ der Revolutionsführer verlautbaren. Die FIFA war »not amused« und schloss Libyen von den weiteren Qualifikationsspielen aus.
 fußball hat eine lange Tradition in dem Wüstenstaat zwischen Algerien und Ägypten, der eine der wichtigsten Verbindungsbrücken zwischen Sahel und Europa ist. Nach rund 500 Jahren unter osmanischer Herrschaft war die aus den drei Provinzen Cyrenaika, Tripolitanien und Fezzan bestehende Region 1912 nach der türkischen Niederlage im Krieg gegen Italien an den Siegerstaat gefallen. Gegen den hartnäckigen Widerstand der islamischen Sanussi leiteten Mussolinis Faschisten später eine systematische Kolonialisierung und Verwestlichung ein und fassten die drei Provinzen 1934 als »Libia« zusammen. Nach Italiens Niederlage im Zweiten Weltkrieg kam Libyen unter UN-Verwaltung und wurde im Dezember als unabhängiges Königreich unter Führung des prowestlichen Sanussi Sidi Mohammad Idris al-Mahdi (König Idris I.) erster unabhängiger Staat der Sahel-Zone.
Trotz gewaltiger Erdölvorräte litt Libyens Bevölkerung unter einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung, woraufhin Idris I. im September 1969 von einer Gruppe junger Offiziere um Muammar al-Gaddhafi gestürzt wurde. Gaddhafi verwandelte Libyen anschließend in einen nationalistisch-islamischen Staat mit sozialistischer Ausrichtung und strikt antiisraelischer Position. Italiener und Juden wurden des Landes verwiesen, die Wirtschaft verstaatlicht und 1977 eine Sozialistische Volksrepublik (»Dschamahiriyya«) ausgerufen, in der jegliche Opposition im Keim erstickt wurde.
Föderationsbestrebungen mit Ägypten, Syrien, dem Sudan und Tunesien waren bereits gescheitert, als Gaddhafi in den 1980er Jahren in einen Konflikt mit den USA geriet, die ihm eine führende Rolle im internationalen Terrorismus vorwarfen. Die nachgewiesene Beteiligung an mehreren Terroranschlägen führte schließlich 1986 zum erwähnten Luftangriff auf Tripolis und Benghazi und einem internationalen Wirtschaftsembargo. Erst nach der Millenniumswende kehrte das Land an den Verhandlungstisch zurück und versucht seitdem, sein Image als böser Bube abzustreifen.
 analog zu den entlang der küste konzentrierten Städten sind Libyens Fußballhochburgen ausnahmslos an der Mittelmeerküste zu finden. In der Stein- und Sandwüste im Landesinneren wird das Spiel lediglich in vereinzelten Oasen betrieben. Das Herz des libyschen Fußballs schlägt in der Hauptstadt Tripolis, in deren Großraum auch das Gros der 5,7 Mio. Libyer lebt. Tripolis ist eine aufregende Mischung aus arabischen und westlichen Einflüssen. Über Jahrhunderte war die Stadt als das »Tor der Sahara« Ausgangs- und Endpunkt des Saharahandels und diente Händlern aus allen Teilen Nordafrikas und Europas als Stützpunkt.
Italiener waren es, die den Fußball nach der Jahrhundertwende einführten. Sie blieben dabei zunächst unter sich. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich ein Vereinsnetz, und 1918 wurde eine Art Landesmeisterschaft ins Leben gerufen. Nachdem zunächst Militärmannschaften dominiert hatten, spielten sich im Verlauf der 1920er Jahre zivile Vereine wie Libia FC, Union Tripolis und Fulgor SC in den Vordergrund.
Mit der sich abzeichnenden militärischen Niederlage Italiens im Zweiten Weltkrieg ging der Fußball in libysche Hände über. 1944 entstand der heutige Rekordmeister Al-Ittihad (»Eintracht«), und auch in Benghazi und Az-Zawiyah kam das Spiel ins Rollen.
Nach der Ausrufung des Königreichs Libyen öffneten sich 1951 die internationalen Pforten. Im Juli 1953 debütierte Libyens Nationalmannschaft mit einem 7:4 gegen Ägypten bei den panarabischen Spielen in Kairo. 1962 wurde die Libyan Football Federation ins Leben gerufen, die 1963 der FIFA und 1965 der CAF beitrat. Zwei Jahre später nahm eine auf den Küstenraum konzentrierte Nationalliga ihren Spielbetrieb auf, deren erster Meister Al-Ahly Tripolis wurde. Der 1950 gegründete Klub dominiert seitdem gemeinsam mit seinem Lokalrivalen Al-Ittihad den nationalen Spielbetrieb. Gemeinsam errangen die beiden Vereine seit 1964 24 Landesmeisterschaften. Abgesehen von Tripolis wurde der Meistertitel bislang nur noch in Libyens zweiter Fußballhochburg Benghazi bzw. 2004 zum bislang einzigen Mal in Az-Zawiyah gefeiert.
Im prowestlichen Königreich Libyen von Idris I. florierte der Fußball. Mit Ben Soued und Ahmed Al-Ahwal verfügte Libyen über zwei renommierte Angreifer, die 1968 mit der Landesauswahl in der Olympiaqualifikation sowie der Afrikameisterschaft debütierten. Die für 1966 vorgesehene Teilnahme an der WM-Qualifikation indes fiel dem afrikanischen Boykott gegen die europalastige FIFA-Politik zum Opfer. Für den größten Erfolg sorgte Serienmeister Al-Ittihad Tripolis, der 1967 in der afrikanischen Landesmeisterschaft bis ins Viertelfinale vordrang.
 mit Gaddhafis revolution von 1969 brach auch für Libyens Fußball eine neue Ära an. Mit der nunmehrigen sozialistischen Ausrichtung des Landes wurde Sport zur Staatsangelegenheit. Im Verbund mit dem vielfältigen Engagement des Landes im Nahostkonflikt sowie den Bemühungen Gaddhafis um ein panarabisches Bündnis führte dies zu einem dramatischen Leistungsrückgang. Einsamer Erfolg der 1970er Jahre war das Vordringen von Al-Ahly Tripolis in das Viertelfinale der Kontinentalmeisterschaft. Libyens Nationalelf scheiterte unterdessen bei ihren ohnehin nur noch sporadischen Teilnahmen an internationalen Wettbewerben stets frühzeitig.
Nachdem Libyen 1977 in eine Volksrepublik umgewandelt worden war, rückte der Fußball wieder auf die Agenda. 1982 wurde der Wüstenstaat ungeachtet wütender Proteste von Gaddhafi-Gegnern wie dem damaligen CAF-Präsidenten Tessema sogar die Ausrichtung der Afrikameisterschaft übertragen. Libyens Fußball-Nationalverband heuerte daraufhin einen ungarischen Fachlehrer an, um seine seit Jahren erfolglose Landesauswahl auf das prestigeträchtige Turnier vorzubereiten. Mit Erfolg. Nachdem Libyen die Vorrunde ungeschlagen überstanden hatte, warf die Elf um Torhüter Kouafi im Halbfinale den Favoriten Sambia aus dem Rennen und traf im Finale auf die ghanaischen »Black Stars«, in deren Reihen das 19-jährige Ausnahmetalent Abédi Pelé stand. Vor 80.000 leidenschaftlich mitgehenden Zuschauern zwang der Außenseiter die Ghanaer in ein Elfmeterschießen, in dem sich die »Black Stars« durchsetzten. Anschließend drangen Libyens »Jamahiriya« (»Grüne«) in der WM-Qualifikation 1986 mit einer nahezu undurchdringbaren Betonabwehr bis in die letzte Qualifikationsrunde vor, wo sie an Marokko scheiterten.
 zur selben zeit geriet libyen immer tiefer in seine politischen Konflikte. Nachdem sich Revolutionsführer Gaddhafi in den Tschad-Konflikt eingemischt hatte und seine Verwicklung in den Anschlag auf die West-Berliner Diskothek »La Belle« und den Flugzeugabsturz über dem schottischen Lockerbie bestätigt worden war, verhängten die USA 1986 ein Wirtschaftsembargo und verübten die Luftangriffe auf Tripolis und Benghasi.
Der Fußball war seinerzeit längst zum Werkzeug Gaddhafis geworden. Als Al-Ahly Tripolis 1984 im kontinentalen Pokalsiegerwettbewerb das Finale erreichte und dort auf den ägyptischen Namensgeber Al-Ahly Kairo treffen sollte, ordnete der wegen des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens verärgerte Revolutionsführer den Rückzug an. Ein Jahr später traf Al-Nasr Benghazi dasselbe Schicksal, als man im Halbfinale ebenfalls auf Al-Ahly Kairo traf.
In den 1990er Jahren verschärfte sich die Situation. Nachdem Gaddhafi 1989 für die bereits erwähnte Absage des WM-Qualifikationsspiels gegen Algerien gesorgt hatte, wurde Libyen von den weiteren Spielen in der Qualifikation zur WM 1990 ausgeschlossen. 1994 suspendierte die FIFA das Land, weil es seine Heimspiele nicht wie gefordert im Ausland durchführen wollte. Hintergrund war das 1992 auf Druck der USA verhängte UN-Wirtschafts-
embargo. 1998 wiederum verzichtete die LFF auf ihre Meldung zur WM-Qualifikation, und auch an der Afrikameisterschaft nahm Libyen zwischen 1988-98 nicht teil.
Erst als sich die politische Lage nach der Millenniumswende entspannte und Gaddhafi versuchte, sein Image zu verbessern, konnte Libyen auf die internationale Fußballbühne zurückkehren. Der von Präsidentensohn Saad Gaddhafi angeführte Rekordmeister Al-Ittihad Tripolis erreichte daraufhin 2000 das Halbfinale des kontinentalen Pokalsiegerwettbewerbs, während die Landesauswahl in der WM-Qualifikation 2002 immerhin in die zweite Runde vordrang.
Wenig später versuchte sich Kapitän und Revolutionsführersohn Saad Gaddhafi in einem bizarren Gebilde aus wirtschaftlichem Interesse, politischem Kalkül und sportlichem Ehrgeiz in der italienischen Serie A zu etablieren. Nachdem er durch die staatliche »Libyan Arab Foreign Investment Company« (»Lafico«) bereits 7,5 Prozent der Anteile von Juventus Turin erworben hatte und damit in die Vereinsführung aufgerückt war, unterschrieb er 2003 beim AC Perugia einen Profivertrag und bestritt ein Erstligaspiel für den Klub. 2005 lief Gaddhafi in Diensten von Udinese Calcio noch ein zweites Mal in der Serie A auf. Zudem wurde 2002 das Finale um den italienischen Supercup in der libyschen Hauptstadt durchgeführt.
Von diesen fußballerischen PR-Feldzügen abgesehen, hat sich Libyens Fußball nach der Millenniumswende durchaus positiv entwickeln können. 2006 führte der serbische Trainer Ilija Lončarević die »Jamahiriya« sogar zum zweiten Mal nach 1982 zum Endturnier um die Afrikameisterschaft. In Ägypten blieb das Team um Regisseur Tarek El-Taib gegen den Gastgeber Ägypten, die Elfenbeinküste und Marokko allerdings ohne Punktgewinn.
Libyens Nationalliga hat sich derweil dank der unablässig sprudelnden Petrodollar in eine moderne Profiliga verwandelt, die nicht nur zahlreiche Legionäre anlockt, sondern zudem Libyens Nationalspieler den Verbleib in der Heimat möglich macht. Abgesehen von Nationalmannschaftskapitän El-Taib, der seinerzeit im türkischen Gaziantep spielte, standen 2006 ausnahmslos in der Heimat aktive Auswahlspieler im Kader bei der Afrikameisterschaft. Immerhin führte dies zu einem gewissen Aufschwung auf kontinentaler Ebene. 2007 erreichte Al-Ittihad Tripolis sogar das Halbfinale der Champions League, wo die Rot-Weißen an Al-Ahly Kairo scheiterten.
2013 wird Libyen zum zweiten Mal nach 1982 Gastgeber der Afrikameisterschaft sein.

Dienstag, 14. Juni 2011

Neue alte Gesichter

Die Renaissance der Traditionsvereine im höherklassigen Amateurfußball setzt sich fort. Am Wochenende schafften mit Waldhof Mannheim und Göttingen 05 zwei weitere ehemalige Profiklubs die Rückkehr in die Regional- respektive Oberliga.

Waldhof Mannheim stellte dabei in seinem abschließenden und entscheidenden Heimspiel gegen den FV Illertissen mit 18.313 Zuschauern einen neuen Fünftligarekord auf. Die Riesenkulisse feierte einen 6:0-Sieg der Blau-Schwarzen, der auch ohne die 0:3-Heimniederlage des FC Nöttingen gegen den FC Villingen 08 zur Rückkehr in die Regionalliga gereicht hätte.
Lange Zeit hatte es nicht nach einem Happy End für den sportlich wie wirtschaftlich abgestürzten Ex-Bundesligisten ausgesehen. Nach dem Abstieg aus der 4. Liga 2009/10 hatten der Sportliche Leiter Günter Sebert sowie Trainer Reiner Hollich vor einem völligen Neuaufbau gestanden. Der schien zunächst nicht zum Erfolg zu führen, denn im März 2011 lagen die Waldhöfer noch 13 Punkte hinter dem FC Nöttingen, den die Kurpfälzer anschließend in einem mitreissenden Kraftakt jedoch noch einholten. Am vorletzten Spieltag gelang schließlich erstmals der Sprung auf Platz 1. Mit Waldhof kehrt ein ausgewiesener Traditionsklub in die Regionalliga zurück, der mit seiner großen Fanschar überall für volle Kassen sorgen wird.

Volle Kassen für die Gegner und das Aufholen eines gewaltigen Punkterückstandes zeichnete auch den in die Oberliga Niedersachsen aufgestiegenen Ex-Zweitligisten Göttingen 05 aus. Dabei handelt es sich allerdings um den RSV Göttingen 05, der aus einer Fusion zwischen dem RSV Geismar und dem aus den Trümmern des 2003 aufgelösten 1. SC Göttingen 05 gebildeten FC Göttingen 05 entstand. Die Schwarz-Gelb-Grünen begannen 2003 in der Bezirksklasse. Begleitet von einem stetig zunehmenden Faninteresse entwickelte sich der an der Benzstraße in Göttingen-Geismar spielende Klub zwar nur langsam, dafür aber stetig. Heute zählt die breit aufgestellte Nachwuchsarbeit zu den Säulen des Vereins, der sich als neuer Klub begreift, zugleich aber die Tradition des 1. SC Göttingen 05 fortsetzen will. Unter den Fans sind viele "Alt-05er", aber auch zahlreiche erst über den RSV 05 zum Verein gestoßene Anhänger.
Zur Halbserie lagen die 05er noch mit 13 Punkten Rückstand auf den damaligen Tabellenführer FT Braunschweig abgeschlagen im Mittelfeld. Auch Lokalrivale SVG Göttingen rangierte vor den Schwarz-Gelb-Grünen. In einer phantastischen Rückserie holte die Elf von Trainer Jozo Brinkwerth Punkt um Punkt auf und lockte dabei immer größere Kulissen an. Zum Lokalderby gegen die SVG kamen rund 2.700 Zuschauer, was für Göttinger Verhältnisse eine enorme Kulisse ist.
Am gestrigen Pfingstmontag wurde der Titelgewinn schließlich unter Dach und Fach gebracht, da der letzte verbliebene Rivale FT Braunschweig überraschend mit 2:3 in Einbeck unterlag, während 05 spielfrei war. Das abschließende Heimspiel gegen den VfL Oker am kommenden Samstag hat damit nur noch statistischen Wert. Es ist allerdings zugleich das letzte auf dem Sportplatz an der Benzstraße, wo die 05er aufgrund von Anwohnerbeschwerden nicht weiterspielen dürfen. Die Spiele der Oberliga Niedersachsen werden voraussichtlich im Jahnstadion ausgetragen.

Samstag, 11. Juni 2011

Insolvenzticker: Kickers Emden

Als einziger von 34 Antragstellern wurde Ex-Drittligist Kickers Emden am gestrigen Freitag die Zulassung für die Oberliga Niedersachsen 2011/12 verweigert.

"Mit Blick auf die Vorjahre haben wir weniger Problemfälle gehabt", stellte Kommissionsvorsitzender Günter Diestelrath erfreut fest. Neben dem Nachweis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Vierteligisten auch Sicherheitsauflagen baulicher, technischer, organisatorischer und betrieblicher Art zu erfüllen.

Kickers Emden wurde die Zulassung verweigert, weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vereins nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte. Dem Klub war bereits eine weitere Frist zur Beschaffung entsprechender Unterlagen eingeräumt worden. Der Verein kann innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Beschlusses Beschwerde beim Präsidium des Verbandes gegen die Entscheidung einlegen. Sollte dies erfolglos bleiben, würde Emden auf den letzten Tabellenplatz zurückgestuft und in die Landesliga Weser-Ems absteigen, während Arminia Hannover in der Oberliga verbliebe. Legt Emden Protest ein, fällt die Entscheidung auf einer turnusmäßigen Sitzung des NFV-Präsidiums am kommenden Freitag.

Kickers Emden spielte 2008/09 noch in der 3. Liga und verzichtete seinerzeit überraschend auf die Lizenz, um in der Oberliga weiterzuspielen. Der Klub kämpft noch immer mit den Altlasten aus jenen Tagen.

Freitag, 10. Juni 2011

Insolvenzticker: Racing Strasbourg

Die Lage beim französischen Drittligisten Racing Strasbourg hat sich dramatisch zugespitzt. Gestern reiste die Vereinsführung um den umstrittenen Geschäftsmann Jafar Hilali zur DNCG, die für die Vergabe der Lizenzen im französischen Pofifußball zuständig ist. Im Anschluss an das Meeting erklärte Hilali wie bereits befürchtet, der langjährige Erstligist und frühere französische Meister würde nunmehr seine Profilizenz zurückgeben. Das bedeutet vermutlich den Abstieg in die CFA (4. Liga) oder gar CFA 2 (5. Liga), den Auszug aus dem Stadion Meinau sowie das Aus für die Racing-Jugendakademie.

Racing Strasbourg war 2009 aus der 2. Liga abgestiegen und hatte in der abgelaufenen Saison knapp den sofortigen Wiederaufstieg verpasst. Hilali hatte bereits im Saisonverlauf angekündigt, im Falle des Nichtaufstieges die Lizenz zurückgeben zu wollen.

Die dramatische Entwicklung ist eng mit einem Dauerzwist zwischen Jafar Hilali (Klubpräsident und Leiter der Profiabteilung) und Patrick Spielmann (Leiter der Amateure) verbunden. Hilali verlangte von der Amateurabteilung die Rückzahlung von 3,2 Mio. Euro, was von der Amateurabteilung verweigert wurde, da das Mißtrauen gegenüber dem in London residierenden französischen Geschäftsmann zu groß war. Man befürchtete, Hilal würde das Geld nicht zur Rettung des verschuldeten Vereins einsetzen. Bei den Ligaspielen der Strasbourgerois im Frühjahr 2011 hatten Racing-Fans eine riesige Fahne mit der Aufschrift "Hilali dégage" ("Hilali hau ab") präsentiert. Ein von der Stadt Strasbourg eingesetzter Schlichter hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Mehrheitsbesitzer Hilali zeigte sich zwischenzeitlich zwar bereit, den Klub zu verkaufen, verlangte jedoch absurde 10 Mio. Euro für den Drittligisten, den er selbst für 1,6 Mio. Euro erworben hatte. Racing steht seit Jahren unter der ungünstigen Führung von Finanzspekulanten, durch deren Wirken der Niedergang des Traditionsklubs verstärkt wurde.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Insolvenzticker: Hassia Bingen

Mit der Binger FVgg Hassia steht ein weiterer traditionsreicher Fußballklub finanziell mit dem Rücken zur Wand. Immerhin gelang es den Rot-Schwarzen, einen im April 2011 drohenden Insolvenzantrag zu vermeiden.
Wenig später präsentierte Notvorstandsvorsitzender Bernd Haber dann mit Stefan Seidel einen Unternehmensberater, der in Personalunion als Manager, sportlicher Leiter und Marketingchef für die Sanierung der Hassia sorgen soll.
Seidel ist kein Unbekannter in der Region. 2005-2007 war er als Manager und Trainer bei der SpVgg Ingelheim tätig, und von November 2008 bis September 2009 dann in ähnlicher Funktion bei der inzwischen insolventen Bad Kreuznacher Eintracht. "Die Meinungen über den Erfolg und die Qualität seiner Arbeit fielen sehr kontrovers aus", konstatierte die Lokalzeitung "AZ".

Nach Angaben von Bernd Haber ist der Klub mit 340.000 Euro verschuldet. Erstes Ziel sei es, die vereinseigene Gaststätte "Hessenhaus" zu verkaufen. Dafür werden zwischen 180.000 und 200.000 Euro erwartet. Manager Seidel will den Verein derweil mit einem rigiden Sparkurs sowie der Generierung neuer Sponsoren "in drei Jahren schuldenfrei machen".„Ich habe mir den Verein genau angeschaut und mit vielen Beteiligten gesprochen. Im Gegensatz zu anderen Vereinen sehe ich hier genug Substanz für eine Rettung“, erklärte Seidel gegenüber der "AZ".

Mittwoch, 8. Juni 2011

Insolvenzticker: TuS Koblenz, Germania Windeck

Die Saison 2010/11 ist längst gelaufen, und doch fallen überall noch weichenstellende Entscheidungen. Sportlich wird der Spielbetrieb vor allem zwischen der dritten und der sechsten Liga immer mehr zur Farce, weil die wirtschaftliche Komponente des einstigen Volkssports Fußball zunehmend an Gewicht gewonnen hat.

Gestern erreichten uns diesbezüglich gleich zwei Meldungen: Die TuS Koblenz hat ihren Kampf um die Drittligalizenz aufgegeben und plant nunmehr für die Regionalliga, während der frisch gebackene Regionalliga-Aufsteiger Germania Windeck auf seine Regionallizenz verzichtete und vor dem völligen Absturz steht. Werder Bremen II sowie Fortuna Köln profitieren davon und bleiben nunmehr Drittligist bzw. erreichen die vierhöchste Spielkasse.

In Koblenz fehlt etwa eine Mio. Euro, um die Lizenzvorgaben des DFB zu erfüllen. "Wir haben am Montagabend beschlossen, dass Zulassungsbeschwerdeverfahren für die 3. Liga nicht weiter zu verfolgen. Gleichzeitig haben wir beschlossen die Lizenz für die Regionalliga zu beantragen", wird TuS-Präsident Werner Hecker auf der Vereins-Webseite zitiert.

Für die TuS-Fans ist das Zittern aber noch nicht beendet, denn sollte ihr Klub keine neuen Sponsoren generieren, ist selbst die Regionalligalizenz gefährdet. Aufgabe sei es daher, bis Ende der Woche "belastbare Zusagen unserer Sponsoren zu erhalten", mahnte Hecker.

Die seit längerem bestehenden Finanzprobleme der Koblenzer verschärften sich, als der "Mittelrhein-Verlag" seine für für 1,6 Millionen Euro erworbenen Anteile von 49 Prozent Anfang Mai 2011 für einen Euro an die TuS zurückgab. Zugleich ist der Verlag unverändert Hauptsponsor für die kommende Saison 2011/12 und hat dafür bereits im Januar 2011 den vollen Betrag in Höhe von 800 000 an die TuS Koblenz überwiesen.

In der Regionalliga könnten die Koblenzer auf Traditionsklub Fortuna Köln treffen, der vom Chaos bei NRW-Liga-Vizemeister Germania Windeck profitiert. Die Windecker hatten mit ihren jahrelangen Bemühungen um einen Aufstieg in die 4. Liga endlich Erfolg gehabt, doch die treibende Kraft dahinter war ihnen zwischenzeitlich abhanden gekommen. Hauptsponsor Franz-Josef Wernze, unter dem der FC Germania Dattenfeld von der Kreisliga C bis in die Oberliga Nordrhein aufgestiegen war, ehe der Dorfklub mit dem 1. FC Windeck zu Germania Windeck fusioniert hatte (2009) entdeckte im Saisonverlauf 2010/11 mit der Kölner Viktoria ein neues Spielzeug. Wernze beteuerte zwar, auch Windeck weiter unterstützen zu wollen, sieht aber offensichtlich in den Rechtsrheinischen aus Köln-Höhenberg das deutlich größere Potenzial. Neben Germania-Trainer Heiko Scholz wechselten zudem diverse Germania-Spieler nach Köln.

Windeck wird 2011/12 nicht einmal in der NRW-Liga antreten, sondern zieht sich vermutlich in die Landesaliga zurück. Für die Windecker rückt mit Fortuna Köln der Drittplatzierte der NRW-Liga nach, der ja bekanntlich ebenfalls bereits Erfahrungen mit Insolvenzen hat.

Im Sinne der alten Herberger-Weisheit muss man inzwischen wohl formulieren: "Eine Saison dauert länger als bis zum letzten Spieltag".

Dienstag, 7. Juni 2011

Dramatische Tage: Das Saisonfinale 1970/71 in der Regionalliga Nord

Spannende Saisonfinals sind immer eine schöne Sache - wenn man als Fan nicht direkt daran beteiligt ist. Ein Rückblick auf das Spieljahr 1970/71 in der Regionalliga Nord, der kürzlich in meiner Serie "Jahrestage" in der Zeitschrift "Nordsport" erschienen ist.

16.5.1971
Itzehoe und Heide feiern Klassenerhalt in Regionalliga Nord
Zittern zum Saisonende – das gehörte sowohl für den Itzehoer SV als auch für den Heider SV in den späten 1960er und frühen 1970er Jahre zum Alltag. Wenn die Saison auf die Zielgerade bog, begann im hohen Norden mit schöner Regelmäßigkeit das große Rechnen.
So eng wie im Mai 1971 war es jedoch selten gewesen. Selbst in Itzehoe, wo man am vorletzten Spieltag auf einem scheinbar sorgenfreien zwölften Tabellenplatz rangierte und durchaus üppige 28 Punkte aufwies, musste tüchtig gezittert werden. Das wiederum war nachgerade dem Heider SV geschuldet, der sich mit einem 3:0-Derbysieg die letzte Chance auf den Klassenerhalt bewahrt hatte.
Die Situation vor dem letzten Spieltag war einigermaßen komplex. Nur Schlusslicht Meppen war mit 16 Punkten bereits abgestiegen. Der Heider SV, der VfB Oldenburg und Arminia Hannover wiesen jeweils 26 Zähler auf. Sperber Hamburg belegte mit 27 Punkten Platz 14, und neben dem ISV hatten auch Phönix Lübeck sowie Leu Braunschweig jeweils 28 Punkte angehäuft. Aus diesem Kreise musste sich der zweite Absteiger finden.
Die Brisanz wurde erhöht durch eine besondere Konstellation. Sperber Hamburg stand bei Schlusslicht Meppen vor einem Selbstgänger. Arminia Hannover musste zum jenseits von Gut und Böse rangierenden VfL Wolfsburg, Leu Braunschweig trat gegen den bereits als Aufstiegsrundenteilnehmer feststehenden VfL Osnabrück an. Und dann waren da noch zwei direkte Duelle mit schleswig-holsteinischer Beteiligung: Phönix Lübeck gegen Heider SV sowie Itzehoer SV gegen VfB Oldenburg.
Der 16. Mai 1971 wurde zu einem der dramatischsten Tage in der Geschichte des Fußballs in Schleswig-Holstein.
Über 700 Fans begleiteten den Heider SV zu seinem Schicksalsspiel an den Lübecker Flugplatz, wo die Heider Fraktion fast die Hälfte des Publikums stellte. In Itzehoe waren derweil nahezu 1.000 Oldenburger unter den 3.200 Zahlenden an der Lehmwohldstraße. Den Fanlagern stand ein Wechselbad der Gefühle bevor.
Sieben Minuten waren gespielt, da wurde der erste Treffer im Abstiegskampf gemeldet. Klaus Wunder war es, der Arminia Hannover in Wolfsburg in Führung brachte. Keine 60 Sekunden später legte auch Sperber Hamburg in Meppen vor, und als Leu Braunschweig in der 14. Minute im Duell mit dem designierten Meister Osnabrück ebenfalls in Führung ging, während weder in Lübeck noch in Itzehoe Tore gefallen waren, drohte aus dem Abstiegssiebenkampf einem Vierkampf zu werden.
Kurz darauf war wieder alles offen. Wolfsburg hatte gegen Arminia ebenso egalisiert wie Meppen gegen Sperber. Dramatik pur auf allen Plätzen. Leu Braunschweig machte als Erster den berühmten „Sack“ zu. Bis zum Halbzeitpfiff arbeiteten die Niedersachsen eine beruhigende 3:0-Führung heraus. Und auch Arminia Hannover beruhigte die Nerven seiner Fans mit der erneuten Führung, während sich in Meppen frühzeitig ein 1:1 und damit die Rettung für Sperber abzeichnete. In Itzehoe gelang Klinge derweil in der 31. Minute der Führungstreffer für die Heimelf und damit die psychologisch wichtige Halbzeitführung.
Beim Duell zwischen Phönix Lübeck und Heide waren zwar keine Tore gefallen, doch die 2.000 Fans gingen dennoch schweißgebadet in die Pause. Erbittert hatten beide Teams miteinander gerungen, wobei Heide optisch dominierte, Phönix jedoch die klareren Chancen verbuchte.
45 Minuten vor dem Saisonende waren jedenfalls alle drei Schleswig-Holstein-Vertreter gerettet, musste der VfB Oldenburg als Vorletzter den Gang in de Drittklassigkeit antreten.
Nach dem Wechsel konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Begegnungen in Lübeck und Itzehoe. Leu Braunschweig (4:2 gegen Osnabrück), Arminia Hannover (3:2 in Wolfsburg) und Sperber Hamburg (1:1 in Meppen) konnten frühzeitig Entwarnung geben. Nicht so der Heider SV und der Itzehoer SV. Als Oldenburg in der 67. Minute der Ausgleich gelang und Heide keine 60 Sekunden später in Rückstand geriet, standen plötzlich die Dithmarscher auf Abstiegsrang 17. Verzweifelt peitschten die 700 HSV-Fans ihre Elf nach vorne und schickten zugleich Stoßgebete zum ungeliebten Rivalen Itzehoe, dessen Sieg plötzlich notwendig für die Rettung ihres HSV war. Itzehoe spielte mit und sicherte sich in der 72. Minute durch einen Tiede-Treffer endgültig den Klassenerhalt. Damit waren der HSV und Oldenburg nun zwar punktgleich, drohte dem HSV aufgrund seines schlechteren Torverhältnisses jedoch noch immer der Abstieg. Ein Punkt in Lübeck musste her, sonst drohte der Gang in die Landesliga.
Voller Leidenschaft drängte die Banasch-Elf den Phönix in der Schlussviertelstunde in die eigene Hälfte. Angriff auf Angriff rollte auf das Lübecker Gehäuse zu, doch die Phönix-Abwehr um Keeper Stars und Vorstopper Iden hielt. Schiedsrichter Könnecke hatte bereits auf die Uhr geschaut, als Heide einen letzten Verzweiflungsangriff vortrug und Raddatz tatsächlich noch zum Heider Ausgleich ins Schwarze traf! Sekunden später ertönte der Schlusspfiff, und nachdem Oldenburgs Niederlage in Itzehoe bestätigt worden war, bildeten Heide und Itzehoe eine ungewohnte Allianz der gemeinsamen Freude.
Ein dramatischer Tag für den Fußball in Schleswig-Holstein hatte sein glückliches Ende gefunden.

Montag, 6. Juni 2011

Insolvenzticker: Rot Weiss Ahlen

Dass die dreigleisige Regionalliga nicht der Weisheits letzter Schluss war, hat man inzwischen ja auch beim DFB begriffen. Ob die fünfgleisige ab 2012/13 Besserung bringen wird, muss sich erst noch erweisen. Ich persönlich habe da meine Bedenken und kann mir vielmehr vorstellen, dass sie zur unattraktiven Sammelstelle für zweite Mannschaften wird. Denen geht es ja in der 3. Liga inzwischen etwas zu engagiert zu, weshalb die viel propagierte "Nachwuchsförderung" eine Ebene niedriger stattfinden muss.

Bei Rot Weiss Ahlen, 2009/10 noch in der 2. Bundesliga am Ball und in der abgelaufenen Saison sportlich zwar geretttet, finanziell aber durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren erneut zum Abstieg verdammt, sieht man das offenbar ähnlich. Der 2. Vorsitzende des Klubs, Wolfgang Holtz, erklärte gegenüber der Presse, dass man "die Frist zur Einreichung der Lizenzunterlagen verstreichen lassen" habe, weil "die Regionalliga nicht zu stemmen" ist.


Geplant ist ein Neubeginn in der NRW-Liga (5. Liga), wobei der Klub vor allem auf seine erfolgreiche Nachwuchsarbeit zurückgreifen will. Ahlens Platz in der Regionalliga wird die zweite Mannschaft von Fortuna Düsseldorf einnehmen. Zuvor muss der Klub allerdings binnen kurzem das Lizenzierungsverfahren hinter sich bringen. NRW-Ligasprecher Schneider bestätigte gegenüber "Reviersport": „RWA muss Nachweise erbringen, dass sie die Saison auch überstehen können“.


Mit Verweis auf Rot-Weiss Essen, deren Fall im Sommer 2010 ähnlich verlaufen war, erläutert Schneider: „Der Insolvenzverwalter muss unter anderem den Insolvenzplan aufstellen. Wenn das alles erfolgt ist, wird die Zulassungskommission den Antrag prüfen und danach eine Empfehlung an den Verbandsfußball-Ausschuss geben, der dann entscheidet. Die Essener haben damals alles richtig gemacht und sind nun auf einem guten Weg.“
 
Im Falle des positiven Ausgangs würde RWA als 19. Verein in die NRW-Liga aufgenommen.