Mark Hodkinsons „Believe in the Sign. Eine Fußballjugend in
Nordengland“ ist so eine rare Perle. Ein Buch, das zu Herzen geht, das in einem
Rutsch verschlungen werden will, das einen unterhält, informiert und zu guter Letzt
sogar herzerwärmt. Das liegt zum einen an der Schreibeleganz seines Autors, der
als Musik- und Sportjournalist ein erfahrener Hase ist, zum anderen aber auch
an der Tristesse, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. Denn das Objekt
seines Buches, das Objekt seiner Fußball-Liebe, ist mit dem Rochdale AFC einer
der wohl am meisten unterschätzten Fußballvereine Englands. Selbst ich als Anhänger
der zwar ruhmreichen aber nicht wirklich erfolgreichen Bristol Rovers kann
gegenüber einem Rochdale-Fan noch so etwas wie „Überlegenheit“ spüren. 35
Jahre lang dümpelte der Rochdale AFC in der vierten Liga – also der untersten
Klasse im englischen Profifußball – musste zigfach um seine Profistatus bangen
und erwarb sich eigentlich nur einen Ruf: den der hoffnungslosen Bedeutungslosigkeit.
Hodkinson, in Rochdale (das übrigens in der Nähe von
Manchester liegt) geboren und aufgewachsen, handelte als Jugendlicher nach dem
lobenswerten Motto „Support your local football team“ und marschierte ins Stadion
The Dale, statt sein Herz an die attraktivere Nachbarn aus Manchester oder
Liverpool zu verschenken. Das allein macht ihn und die Geschichte schon
sympathisch, denn für Hodkinson bedeutete der Entschluss vor allem schier
unendliches Leiden. Anhand der Liebe zu seinem Fußballklub und der regelmäßigen
Besuche der Heim- und Auswärtsspiele Rochdales erzählt Hodkinson seine Jugendgeschichte
und damit zugleich die Geschichte einer Jugend im trist-schönen Nordengland der
1970er Jahre. Und ungleich Nick Hornby, der mit Arsenal einen vergleichsweise
schillernden Klub zu seinem Liebling erkor, lebt Hodkinson seine Leidenschaft
im kleinen Kreise, denn Rochdale ist schon glücklich, wenn die Zuschauerzahl
bei den Heimspielen mal vierstellig ist.
Es ist ein Buch aus der Sicht eines ambitionierten
Jugendlichen in einem verlorenen Umfeld. Hodkinson will mehr. Für sich, für den
Rochdale AFC. Er lässt sich allerlei Tricks einfallen, kostenlos an
Eintrittskarten zu kommen. Er stellt brieflich Kontakt zu Spielern her, traut sich
dann aber nicht, sich zu outen, als einer dieser Spieler ihn auch tatsächlich
kennenlernen will. Er entwickelt zarten
journalistischen Ehrgeiz, indem er zunächst seine eigenen Spielberichte
verfasst und schließlich von einem Veteranen der Lokalpresse unter die Fittiche
genommen wird.
Dies alles schreibt Hodkinson mit herrlichem britischen Humor
und dem auf der Insel so erfrischend verbreiteten Talent, sich selbst nicht
immer ernst zu nehmen. Und trotzdem kleine Weisheiten zu liefern. „Die meisten
Fans überflogen ein Fußballspiel nur; er las jede Zeile“, schreibt er über seinen
Vater. An anderer Stelle fragt er sich: „Warum taten wir uns das an? Warum
ketteten wir unser Schicksal an ein Team, das uns immer und immer wieder deprimierte
und fertig machte?“ und antwortete sich selbst: „Wir waren unterprivilegierte
Versager, die sich leichenblass und verwahrlost auf Parkplätzen in seltsamen
Teilen Englands trafen, ihrer Worte verlustig, ihrer Hoffnung beraubt. Welch
seltsame Persönlichkeit mussten wir haben, um diesem bösartigen Fußballclub
treu zu sein?“. Sätze, die auch mir, als Anhänger von Göttingen 05 seit meinem 13 Lebensjahr, zu denken geben.
Es ist aber nicht nur die Geschichte an sich, es ist auch die literarische Kompetenz des Autors, die dieses Buch so ungemein lesenswert macht. Geschickt verwebt der Autor Alltagsgeschichte einer
nordenglischen Kleinstadt, die Herausforderungen der Pubertät, das Schicksal
eines tristen Viertligavereins und die gesellschaftlichen Veränderungen im England
des Vor-Thatcher-Zeitalter, um seine Geschichte aufzuschreiben, die
exemplarisch für viele Jugendliche der Zeit ist. So schafft er ein Buch, in dem
sich jeder Fußballfan sofort wiederkennt, in dem sich jeder Ex-Jugendliche wiederfindet und in dem sich jeder Sozialromantiker
verliert.Bislang habe ich „Fever pitch“ verschenkt, wenn ich jemanden mit der wunderbaren Welt des Fußballfans vertraut machen wollte. Fortan werde ich „Believe in the Sign“ verschenken.
Abschließend gebührt dem Arete-Verlag Dank und Respekt, ein auf den ersten Blick für den deutschen Markt schwieriges Buch zu übersetzen und zu publizieren. Möge der Mut belohnt werden!
Mark Hodkinson
Believe in the Sign. Eine Fußballjugend in NordenglandArete Verlag
ISBN: 978-3-942468-10-7
192 Seiten, 12,95 Euro
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