Samstag, 9. Februar 2013

Buchbesprechung: "Believe in the Sign"

Manchmal findet man echte Perlen, und wenn diese Perle dann auch noch aus einem jungen und ambitionierten Verlag kommt (Arete Verlag) und sich um eine Geschichte von oberflächlich betrachtet ziemlich geringem Nachrichtenwert handelt (Rochdale AFC), dann ist das umso schöner.

Mark Hodkinsons „Believe in the Sign. Eine Fußballjugend in Nordengland“ ist so eine rare Perle. Ein Buch, das zu Herzen geht, das in einem Rutsch verschlungen werden will, das einen unterhält, informiert und zu guter Letzt sogar herzerwärmt. Das liegt zum einen an der Schreibeleganz seines Autors, der als Musik- und Sportjournalist ein erfahrener Hase ist, zum anderen aber auch an der Tristesse, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. Denn das Objekt seines Buches, das Objekt seiner Fußball-Liebe, ist mit dem Rochdale AFC einer der wohl am meisten unterschätzten Fußballvereine Englands. Selbst ich als Anhänger der zwar ruhmreichen aber nicht wirklich erfolgreichen Bristol Rovers kann gegenüber einem Rochdale-Fan noch so etwas wie „Überlegenheit“ spüren. 35 Jahre lang dümpelte der Rochdale AFC in der vierten Liga – also der untersten Klasse im englischen Profifußball – musste zigfach um seine Profistatus bangen und erwarb sich eigentlich nur einen Ruf: den der hoffnungslosen Bedeutungslosigkeit.

Hodkinson, in Rochdale (das übrigens in der Nähe von Manchester liegt) geboren und aufgewachsen, handelte als Jugendlicher nach dem lobenswerten Motto „Support your local football team“ und marschierte ins Stadion The Dale, statt sein Herz an die attraktivere Nachbarn aus Manchester oder Liverpool zu verschenken. Das allein macht ihn und die Geschichte schon sympathisch, denn für Hodkinson bedeutete der Entschluss vor allem schier unendliches Leiden. Anhand der Liebe zu seinem Fußballklub und der regelmäßigen Besuche der Heim- und Auswärtsspiele Rochdales erzählt Hodkinson seine Jugendgeschichte und damit zugleich die Geschichte einer Jugend im trist-schönen Nordengland der 1970er Jahre. Und ungleich Nick Hornby, der mit Arsenal einen vergleichsweise schillernden Klub zu seinem Liebling erkor, lebt Hodkinson seine Leidenschaft im kleinen Kreise, denn Rochdale ist schon glücklich, wenn die Zuschauerzahl bei den Heimspielen mal vierstellig ist.
Es ist ein Buch aus der Sicht eines ambitionierten Jugendlichen in einem verlorenen Umfeld. Hodkinson will mehr. Für sich, für den Rochdale AFC. Er lässt sich allerlei Tricks einfallen, kostenlos an Eintrittskarten zu kommen. Er stellt brieflich Kontakt zu Spielern her, traut sich dann aber nicht, sich zu outen, als einer dieser Spieler ihn auch tatsächlich kennenlernen will.  Er entwickelt zarten journalistischen Ehrgeiz, indem er zunächst seine eigenen Spielberichte verfasst und schließlich von einem Veteranen der Lokalpresse unter die Fittiche genommen wird.
Dies alles schreibt Hodkinson mit herrlichem britischen Humor und dem auf der Insel so erfrischend verbreiteten Talent, sich selbst nicht immer ernst zu nehmen. Und trotzdem kleine Weisheiten zu liefern. „Die meisten Fans überflogen ein Fußballspiel nur; er las jede Zeile“, schreibt er über seinen Vater. An anderer Stelle fragt er sich: „Warum taten wir uns das an? Warum ketteten wir unser Schicksal an ein Team, das uns immer und immer wieder deprimierte und fertig machte?“ und antwortete sich selbst: „Wir waren unterprivilegierte Versager, die sich leichenblass und verwahrlost auf Parkplätzen in seltsamen Teilen Englands trafen, ihrer Worte verlustig, ihrer Hoffnung beraubt. Welch seltsame Persönlichkeit mussten wir haben, um diesem bösartigen Fußballclub treu zu sein?“. Sätze, die auch mir, als Anhänger von Göttingen 05 seit meinem 13 Lebensjahr, zu denken geben.
Es ist aber nicht nur die Geschichte an sich, es ist auch die literarische Kompetenz des Autors, die dieses Buch so ungemein lesenswert macht. Geschickt verwebt der Autor Alltagsgeschichte einer nordenglischen Kleinstadt, die Herausforderungen der Pubertät, das Schicksal eines tristen Viertligavereins und die gesellschaftlichen Veränderungen im England des Vor-Thatcher-Zeitalter, um seine Geschichte aufzuschreiben, die exemplarisch für viele Jugendliche der Zeit ist. So schafft er ein Buch, in dem sich jeder Fußballfan sofort wiederkennt, in dem sich jeder Ex-Jugendliche wiederfindet und in dem sich jeder Sozialromantiker verliert.
Bislang habe ich „Fever pitch“ verschenkt, wenn ich jemanden mit der wunderbaren Welt des Fußballfans vertraut machen wollte. Fortan werde ich „Believe in the Sign“ verschenken.
Abschließend gebührt dem Arete-Verlag Dank und Respekt, ein auf den ersten Blick für den deutschen Markt schwieriges Buch zu übersetzen und zu publizieren. Möge der Mut belohnt werden!

Mark Hodkinson
Believe in the Sign. Eine Fußballjugend in Nordengland
Arete Verlag
ISBN: 978-3-942468-10-7
192 Seiten, 12,95 Euro

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