Samstag, 22. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? AJ Auxerre


Auxerre – das stand für viele Jahre symbolisch für die Möglichkeiten, die ein kleiner Klub aus einer kleinen Stadt hat, wenn die Mischung stimmt und an den entscheidenden Positionen visionäre Leute sitzen. Im Falle der Association de la Jeunesse (AJ) Auxerre war das natürlich in erster Linie der unvergleichliche Guy Roux, der unglaubliche 44 Jahre als Trainer im Stade de l’Abbé-Deschamps arbeitete. Als Roux 1961 im Alter von nur 23 Jahren nach Auxerre kam, kickte der Verein in der Division d‘Honneur. Als er 2005 das Traineramt niederlegte, war er einmal Landesmeister und viermal Pokalsieger geworden und hatte sich in ganz Europa einen Namen gemacht. Eine erstaunliche Leistung für den Klub aus der kleinen Provinzstadt im Burgund, die auf 35.000 Einwohner kommt und ein äußerst sehenswertes Zentrum aufweist.

Die AJ Auxerre entstand am 29. Dezember 1905, als Pfarrer Deschamps (nach dem später das Stadion benannt wurde) eine Fußballmannschaft aufbaute. Es ging um Jugendarbeit und um Glauben bzw. Kirche, weshalb AJA zunächst dem katholischen Fußballverband FGSPF beitrat und 1908 dessen Landesfinale erreichte. Über Jahrzehnte kickte Auxerre fröhlich im unterklassigen Fußball und zeigte wenig Ambitionen in Richtung Profifußball. Das änderte sich erst, als Guy Roux 1961 das Traineramt übernahm. 1970 glückte der Sprung in die 3. Liga, dem schon 1974 erstmals der in die zweite Liga folgte. Als Auxerre 1980 gar in die höchste Spielklasse aufstieg, dachten alle, es wäre ein kurzes Vergnügen und die Provinzelf würde rasch wieder absteigen. Tatsächlich aber währte die Erstligaperiode der Blau-Weißen eindrucksvolle 32 Jahre.

1979 hatte Auxerre mit dem Einzug ins Pokalfinale (1:4 nach Verlängerung gegen Nantes) erstmals landesweit Schlagzeilen geschrieben. Die goldene Epoche der Burgunder aber waren die 1990er: 1993 die wohl auch hierzulande unvergessenen dramatischen Halbfinalspiele im UEFA-Pokal gegen Borussia Dortmund. 1994 wurde AJA dann erstmals Pokalsieger, holte 1996 das Double aus Meisterschaft und Pokal und erreichte 1997 das Viertelfinale in der Champions League. Das kleine Auxerre war der Hecht im Karpfenteich der großen Teams in Europa. Doch auch für Auxerre schnürten große Namen die Fußballstiefel! Allen voran Eric Cantona, der von 1981 bis 1988 in Auxerre spielte und aus der AJA-Jugendakademie stammt. Andere Namen sind Andrzej Szarmach Joel Bats, Frank Verlaat, Laurent Blanc, der frühere Guingampais Stéphane Guivarc’h, Taribo West oder Djibril Cissé – Guy Roux gelang es immer wieder, Juwele zu entdecken und sie in Topspieler zu verwandeln. Nicht umsonst galt Auxerres Nachwuchsschule über Jahrzehnte als eine der besten Frankreichs, was auch die regelmäßigen Verluste von Leistungsträgern an besser zahlende Konkurrenten ausglich.

Nach den beiden Pokalsiegen 2003 und 2005 neigte sich die Ära allmählich ihrem Ende zu. 2005 legte der gesundheitlich angeschlagene Guy Roux das Traineramt nieder, und ohne seinen Übervater geriet AJA rasch vom Kurs ab. Nachdem die Blau-Weißen schon ein paarmal mit dem Abstieg geflirtet hatten, war es 2012 soweit. Seitdem versucht man, sich in der 2. Liga allmählich zu stabilisieren.

Ich habe den Weg des Vereins stets mit einem gewissen Wohlwollen verfolgt, denn freche Underdogs wie Auxerre sind mir sympathisch. Zudem empfand ich die Atmosphäre im Stade l’Abbé-Deschamps stets als sehr angenehm. Erstmals besuchte ich die Spielstätte Ende der 1980er, als der Fußball noch ein gewisse Unschuld aufwies und vor allem in einem Provinzstädtchen wie Auxerre die Welt noch „heile“ war. Zweimal war ich später mit Guingamp vor Ort, und zwischen den beiden ja gar nicht so unähnlichen Vereinen hat sich über die Jahre auch eine Fanfreundschaft entwickelt, die von beiden Seiten mit Leidenschaft gehegt und gepflegt wird.

Dass AJA nach dem Abstieg 2012 nicht wie befürchtet in die Drittklassigkeit durchgereicht wurde, freute mich zwar, eine Rückkehr in die höchste Spielklasse kann ich derzeit aber auch nicht erkennen. Die Ära der AJ Auxerre scheint beendet zu sein. Frage ist nur, ob vorerst oder für immer.

Freitag, 21. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Aalborg BK



Vor vielen Jahren verschlug es mich zum Jahresende in den Norden von Jütland, wo damals eine Menge Schnee heruntergekommen und die Ostsee zugefroren war. So konnte ich herrliche Tage in einem echten "Kühlschrank" und unter strahlend blauem Himmel, der mir fast den Atem gefror, verbringen.

An Fußball war unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken, zumal die dänische Liga ohnehin Pause hatte. Dennoch stand selbstverständlich ein Besuch im nahegelegenen Aalborg auf dem Plan, wo ich eine rustikale und atmosphärisch ansprechende Fußballarena besichtigte, die ich leider bis heute nie in „action“ gesehen habe. Der benachbarte AaB-Klubshop immerhin war erfreulicherweise geöffnet und verschaffte meiner damals noch überschaubaren Kollektion dieses schöne Gefäß mit dem Wappen eines der ältesten Sportvereine von Dänemark.

Der Aalborg BK erblickte am 13. Mai 1885 als Aalborg Cricketklub das Licht der Vereinswelt, weil einige englische Ingenieure, die seinerzeit am Eisenbahnnetz auf Jütland werkelten, ihr Hobby auch in der Fremde ausüben wollten. Neben Cricket wurde auch Fußball gespielt, und der wiederum gefiel den mitspielenden Dänen so sehr, dass aus dem Cricketklub schon 1906 der heutige Aalborg Boldspilklub wurde. 1920 eröffneten die Rot-Weißen den Aalborg Parken, der mit seiner engen Bauweise und zentrumsnahen Lage zu einem der Hotspots im dänischen Fußball wurde.

Sportliche Erfolg blieben lange Zeit Mangelware. Zwischen 1945 und 1965 pendelte AaB zwischen der der höchsten Spielklasse und Liga 2, ehe man in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre mit Henning Munk Jensen einen echten Ausnahmefußballer stellte und kurzzeitig mal um den Titel mitspielte. 1966 und 1970 durfte man derweil zweimal den Pokalsieg bejubeln, wobei sich Aalborg im weiteren Verlauf im Pokalwettbewerb mit inzwischen neun Finalteilnahmen und nur zwei Erfolgen ein wenig den Ruf des „ewigen Finalverlierers“ erwarb.

Es folgten weitere Auf- bzw. Abstiege, ehe 1991 in der Relegation gegen Boldklubben 1909 (Odense) hauchdünn die Qualifikation zur neuen Superliga gelang. Dort wurde AaB 1995 schließlich zum ersten Mal Landesmeister und erreichte anschließen via Grüner Tisch auch die Champions League-Gruppenspiele, weil Qualifikationsgegner Dinamo Kiew den Schiedsrichter mit einem schmucken Pelzmantel hatte bestechen wollen. Als die Landesmeisterschaft 1999 zum zweiten Mal in den Aalborg Parken ging, rückte AaB endgültig zu den Spitzenteams in Dänemark auf und konnte seiner vor allem in Jütland großen Beliebtheit endlich auch die entsprechenden Erfolge an die Seite stellen. 2008 durfte man Titelgewinn Nummer drei feiern, und so ist der Ruf als "ewiger Zweiter" inzwischen ein wenig verblasst.

Alle Tassen im Schrank? MSV Duisburg


Anhänger des MSV Duisburg durchleben ja 2013/14 eine Saison mit diversen Höhen und vor allem Tiefen sowohl auf als auch neben dem Platz. Gegenwärtig laufen die Gespräche über den notwendigen Schuldenschnitt, und da drücke ich tüchtig die Daumen, das pünktlich bis zum 1. März alles in trockenen Tüchern ist und man sich an der Wedau anschießend mit voller Kraft der Aufgabe „Rückkehr in die 2. Bundesliga“ widmen kann.

Der MSV Duisburg ist ein besonderer Verein für mich, denn es ist der Klub meines ältesten Fußballfreundes. Klaus und ich lernten uns anno 1978 auf einem Anstecknadelsammlertreffen in der Nähe von Braunschweig kennen, und nicht nur, weil wir damals die mit Abstand jüngsten in einem Kreis gesetzter Herren waren, knüpften wir bald eine weit über den Fußball hinausgehende Freundschaft. Mit seinem Zwillingsbruder (und spätestens jetzt dürften einige von Euch wissen, welcher Klaus gemeint ist ) habe ich viele Stunden sowohl unter Anstecknadelsammlern aber auch in diversen Stadien dieser Republik verbracht. Zudem teile ich mit Klaus meine heimliche Liebe für den Handball, die uns weiteren Gesprächsstoff schenkt.

Durch die Freundschaft verfolgte ich den Weg des MSV Duisburg immer mit einem besonderen Blick und hielt beispielsweise (vergeblich) Daumen bei den Pokalfinals 1998 und 2011. Vor allem aber freute ich mich, als die Zebras nach vielen Jahren in der Versenkung in den 1990er endlich wieder ins Oberhaus zurückfanden. Ich erinnere mich gut an die Ssison 1993/94, als der MSV am 23. Spieltag als Tabellenführer (mit negativer Tordifferenz!) zum FC Bayern München reiste, und ich das Spiel in einer dichtgedrängelten Fußballkneipe in Göttingen verfolgte. Umringt von Bayern-Fans, war ich wohl der einzige, der dem MSV (vergeblich) die Daumen kniff.

Die davorliegende Zeit des Duisburger Absturzes bis in die Drittklassigkeit brachte auch zwei Begegnungen zwischen dem MSV und Göttingen 05. Es war die Saison 1988/89, als 05 mit Spielern wie Bernd Bodnariuk, Clemens Hoping und Jan Schindelmeiser ein von "Charly" Mrosko trainiertes Topteam beisammen hatte, das mit dem MSV um Thomas Strunz aber dennoch nicht konkurrieren konnte. Einem 1:1 in Göttingen folgte eine Niederlage an der Wedau. Unvergessen die für Göttinger Verhältnisse ungewohnten Massen von Zebra-Fans, die seinerzeit beim Hinspiel einfielen, aber auch das eher unangenehme Gefühl beim Rückspiel im Wedaustadion, als wir Handvoll Göttinger uns in einem von rauflustigen Duisburger regelrecht umzingelten Gästekäfig ziemlich unwohl fühlten.

In Duisburg wurden – wie auch anderswo – in den letzten Jahren viele Fehler gemacht, die im Sommer zur Insolvenz und dem Zwangsabstieg in die 3. Liga führten. Der MSV wurde damit zum abschreckenden Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Zugleich ist der MSV aber auch einer dieser Klubs, die irgendwie zwischen die Stühle gerutscht sind im"großen" Kommerzfußball, in dem für Vereine wie den MSV Duisburg kein Platz mehr zu sein scheint.

Was würde ich mich freuen, könnten die Zebras diese Aussage alsbald widerlegen!

Mittwoch, 19. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Reading FC

 
Vor einigen Tagen habe ich mich an dieser Stelle im Zusammenhang mit Gloucester City schon einmal über die Spitzfindigkeiten der englischen Sprache ausgelassen – und im Falle des Reading FC ist das erneut nötig. Analog des Verbs „to read“ könnte man wohl von einer entsprechenden Aussprache irgendwie in Richtung „Rieding“ ausgehen. Statt dessen aber heißt es „Redding“ – und warum das so ist, habe ich trotz einiger Mühe bei der Googlerecherche leider nicht herausfinden können. Gibt es hier (www.facebook.com/hardygruene) möglicherweise kundige Englischsprachler, die für Aufklärung sorgen können?

Ansonsten ist der Reading FC so ein bisschen wie der SC Paderborn, mit dem wir uns gestern an dieser Stelle beschäftigt haben. Ein Klub, der über lange Zeit zwar existierte, aber nicht im Rampenlicht stand, dann von einem Gönner nach oben gebracht wurde, eine mehr oder weniger treue Fanschar aufbaute und in ein hochmodernes Stadion umzog.

Als der 1871 gegründete Reading FC noch ein stinknormaler Klub im unteren Sektor der Football League war, kam die abgebildete Tasse in meine Sammlung. Sie ist eine Sonderedition zu 100 Jahren at Elm Park, einer Spielstätte, die seit 1998 nicht mehr genutzt wird. Sie lag – typisch für das „alte“ England inmitten eines Wohngebietes – also inmitten „des Lebens“. Der junge Nick Horny, der im nahegelegenen Leatherhead aufwuchs, erlebte dort eine seiner frühen Fußballerfahrungen, wie er in „Fever Pitch“ schön anschaulich schreibt. Ich wiederum erinnere mich noch gut an den in einem Nebenraum untergebrachten Souvenirshop, in dem ich die Tasse seinerzeit erstand, und der von heutigen Kommerzzeiten Lichtjahre entfernt zu sein scheint.

Als der Reading FC sich auf den Weg nach oben machte, war der Elm Park nicht mehr tauglich genug und wurde ersetzt vom nagelneuen Madejski Stadium, das 1998 an völlig anderer Stelle eröffnete. Mit der Arena ist eine meiner grandiosesten Fußballerinnerungen verbunden, als die Bristol Rovers dort nämlich am 16. Januar 1999 vor unter anderem meinen Augen als einer der ersten Gästemannschaften gleich mit 6:0 gewannen. Später trennten sich die Wege der Pirates und der „Royals“ (= Reading FC), die von einem erfolgreichen Geschäftsmann mit reichlich Geld und Ehrgeiz ausgestattet wurden und 2006 den Sprung in die Premiere League schafften, in der sie bis 2008 am Ball waren. 2012/13 durfte man in der 150.000-Einwohnerstadt, die für viele London-Pendler eine Heimat ist, erneut Erstligafußball genießen.

Der Reading FC war lange Zeit mit dem Keksfabrikanten Huntley & Palmers verbunden, weshalb man den Klub auch „The Biscuitmen“ nannte. Als die Keksfabrik verschwand, wurde er in den 1970er Jahren zu „The Royals“ – Reading liegt in der Grafschaft Royal Berkshire. 1920 in die Football League aufgenommen, tingelten die „Keksmänner“ über Jahrzehnte beschaulich zwischen zweiter und vierter Liga. 1995 verpassten die nunmehrigen Royals als Vizemeister der First Division erstmals den Sprung in die Premiere League, als sie in der Relegation den Bolton Wanderers unterlagen. 2006 gelang der Klassensprung schließlich mit eindrucksvollen zwei Saisonniederlagen, und im ersten Erstligajahr seiner Geschichte verpasste Reading 2006/07 sogar nur knapp einen UEFA-Cup-Platz, ehe es im Folgejahr zurück in die Championship ging.

Zu verdanken war der sportliche Aufschwung vor allem John Robert Madejski, einem Geschäftsmann mit polnischen Wurzeln, der das erfolgreiche Autoanzeigenmagazin „Auto Trader“ ins Leben gerufen hatte und dessen Vermögen 2009 auf 250 Mio. Pfund geschätzt wurde. Madejski hatte 1990 den seinerzeit vor dem Konkurs stehenden Reading FC übernommen, ihn gerettet und anschließend mit dem Bau des nach ihm benannten Stadiums unmittelbar an der Autobahn A4 den Aufschwung eingeleitet. 2012 gab er die Hauptanteile des Klubs an ein russischen Konsortium weiter, unter dem nun die erneute Rückkehr in die Premier League glücken soll.

Dienstag, 18. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? SC Paderborn


Stand gestern (vor dem Abendspiel des FCK in Aue) würde im Mai ein Klub in der Relegation um den Bundesligaaufstieg stehen, der es bislang noch nie in die Bundesliga geschafft hat und der für beinharte Traditionalisten selbst in der 2. Bundesliga ein irritierender Name ist, obwohl er ihr seit 2005 abgesehen von einer kurzen Unterbrechung angehört.

Der SC Paderborn 07 ist ein Verein, den man nicht so einfach in Worte fassen kann. Seine Tradition beispielsweise ist schwer zu definieren - obwohl die Wurzeln des Vereins bis ins Jahr 1907 zurückreichen. Schillernde Errfolge sind ebenfalls rar, die Fanszene steckt mitten in der Entwicklung, und dass die größten Rivalen Arminia Bielefeld und VfL Osnabrück heißen, ist jetzt auch nicht gerade ein "Kracher". Hinzu kommt, dass der Aufschwung des SCP zuallererst mit der Person bzw. dem Engagement von Wilfried Finke sowie dessen Möbelhauskette verbunden ist, und ohne Finkes finanzielle Aufbauhilfe heute in Paderborn wohl niemand von der Bundesliga träumen würde.

Doch man tut dem SC Paderborn Unrecht, reduziert man ihn auf "Fußball in der Provinz" und "Mäzenatentum". Denn die katholische Hochburg weist durchaus Fußballhistorie auf - die freilich ist von zahlreichen Fusionen auseinandergerissen. Vor allem der 1. FC Paderborn sowie der TuS Schloß Neuhaus (die 1985 zum TuS Paderborn-Neuhaus verschmolzen, aus dem 1997 der SC Paderborn 07 wurde) stehen für Paderborns Fußballvergangenheit. Beide Klubs waren allerdings ebenfalls Produkte von Fusionen, wobei daran solch illustre Namen wie TuS Sennelager, SV 07 Neuhaus oder Verein für Jugendsport Paderborn beteiligt waren. Schloß Neuhaus schaffte es 1982/83 sogar für eine Spielzeit in die 2. Bundesliga, während der 1. FC Paderborn 1977/78 als Westvierter in der Qualifikation zur Zweitligaaufstiegsrunde an Holstein Kiel scheiterte.

Zum anderen verdient die Entwicklung in Paderborn aber auch Respekt, denn sie wurde zwar "gesponsert", doch sie steht zugleich auf stabilen Füßen und hat zudem eine kleine Fußballdiaspora zum Leben erweckt. 2014 ist Paderborn zweifelsohne längst ein fester (und bisweilen auch belebender!) Bestandteil des Profifußballs - insofern wäre es ein spannendes Experiment, eines Tages tatsächlich mal den FC Bayern zu einem Ligaspiel in der 2008 eröffneten lokalen Fußballarena auflaufen zu sehen.

Mich persönlich verbinden mit Paderborn einmal mehr die "guten alten Zeiten". 1982 reiste ich mit meinen 05ern anlässlich des Ablösespiels für den nach Paderborn gewechselten 05er Michael Dösselmann zum 1. FC Paderborn, der damals ewiges Mitglied der Oberliga Westfalen war und in seiner (in meiner Erinnerung) recht kuscheligen Heimstatt sehr übersichtliche Zuschauerscharen begrüßte. Es gab sogar eine kleine Fangruppe, mit der wir einen recht lustigen Nachmittag verbrachten. Schloß Neuhaus und das Hermann-Löns-Stadion lernte ich ebenfalls Anfang der 1980er kennen, wobei es kein Fußballspiel war, das mich dort hinlockte, sondern ein Open Air, bei dem neben Marius Müller-Westernhagen auch mein damals wie heute deutscher Lieblingsbarde Wolf Maahn seine Kunst zum Besten gab.

Sonntag, 16. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Fulham FC


Fulham ist dieser Tage dank Felix Magath ja schlagartig ins Blickfeld gerückt, was mir die Gelegenheit gibt, Euch diese Tasse mit Sonderprägung zu "100 Jahren im Stadion Craven Cottage" zu präsentieren.

Eine Arena, die zu meinen absoluten Lieblingen in London zählt, was nicht nur an dem uralten Craven Cottage selbst liegt, das noch immer Teil des Stadions ist, sondern auch an der einzigartigen Lage der Arena. Auf der einen Seite begrenzt von der Themse ist sie auf der anderen Seite umringt von diesen herrlich uniformen Häuserzeilen, die man früher überall in Großbritannien fand und die dort inzwischen spürbar seltener werden.

Das passt zur historischen Bedeutung des Fulham Football Club, der zwar nie zu den „ganz Großen“ in London zählte und auch keine bemerkenswerten Trophäen gewann, der aber zugleich zu den echten Kultklubs an der Themse gehört und „heimlicher Liebling“ nicht weniger Londoner bzw. Briten ist. Zudem ist der 1879 gegründete Klub ältester heute noch aktiver Profiverein Londons!

Historisch muss die Geschichte der Schwarz-Weißen aus dem westlichen Innenstadtquartier Fulham (Errivale ist übrigens Nachbar Chelsea) in zwei Abschnitte unterteilt werden: Die erste Erfolgsphase, als man zwischen 1949 und 1968 zwischen der ersten und der zweiten Liga pendelte bzw. von 1959 bis 1968 sogar dauerhaft dem Oberhaus angehörte, sowie die seit 2001 währende gegenwärtige Erfolgsepoche, die den Fulham FC zum ständigen Mitglied der Premier League machte (und damit das so bleibt, schwingt ja nunmehr „Quälix“ Magath das Zepter in Craven Cottage).

Fulhams größte Erfolge waren der Einzug ins FA-Cup-Finale 1975 (0:2 gegen West Ham) sowie das Endspiel um die Europa League 2010, das man ausgerechnet in Magaths Lieblingsstadt Hamburg (der HSV hatte im Halbfinale bekanntlich zu Fulhams Opfern gezählt) mit 1:2 gegen Atlético Madrid verlor.

Fulham steht aber auch für spektakuläre Transfers etwas in die Jahre gekommener Fußballstars. In den 1970ern trug 1966-Weltmeister Bobby Moore das Jersey der „Whites“, und in den frühen 1980ern lief George Best in Craven Cottage auf. Seinerzeit steckte der Fulham FC allerdings in einer sportlich wie wirtschaftlich existenzbedrohenden Krise. 1980 erstmals in die Drittklassigkeit abgestiegen, drohte 1985 der wirtschaftliche Ruin, schien nur noch der Verkauf des Stadions Craven Cottage eine Rettung zu ermöglichen.

Der Zusammenschluss mit den Queens Park Rangers zu den „Fulham Park Rangers“ und der damit einhergehende Umzug an die Loftus Road von QPR schien bereits besiegelt, als eine Gruppe ehemaliger Spieler um Fernsehmoderator Jimmy Hill den Klub übernahm und ihn wieder stabilisierte. 1994 wurde dennoch ein weiterer Tiefpunkt erreicht, als Fulham erstmals in die Viertklassigkeit musste und dort 1996 nur deshalb dem Sturz aus der Football League entging, weil Torquay United frühzeitig den einzigen Abstiegsplatz belegte.

1997 begann die zweite Erfolgsphase, als der ägyptische Milliardär Mohamed Al-Fayed den Klub erwarb und ihn komplett umkrempelte. Geld war fortan kein Problem mehr, und schon 2001 feierte man in Craven Cottage die Rückkehr in die höchste Spielklasse. Englands Fangemeinde stand der Entwicklung mit gespaltenem Herzen gegenüber. Einerseits war da der nicht unumstrittene Al-Fayed und sein schier grenzenloses Vermögen, andererseits war es eben der Fulham FC, und für den pflegten landesweit viele Fans mindestens Sympathie; wenn nicht mehr.

Für mich war Craven Cottage mehrfach ein "interessantes" Ziel. Erstmals besuchte ich den Klub Mitte der 1980er Jahre, als er in der geschilderten Depression steckte und der Ground ziemlich heruntergekommen war. Ende der 1980er geriet ich dann bei einem Gastspiel der von zigtausenden Fans begleiteten Wolverhampton Wanderers in eine recht unübersichtlich und vor allem unangenehme Situation, die mir einen gewissen Respekt vor der Anhängerschaft der Wolves verschaffte, die sicherlich von der damals auf eine Handvoll geschrumpfte Fulham-Fanschar geteilt wurde. Und dann war da noch dieser grandiose Pokalerfolg meiner Bristol Rovers im Januar 2008, die seinerzeit als Drittligist beim Premier-League-Klub Fulham gewannen und von den mitgereisten 3.000 Gasheads enthusiastisch gefeiert wurden (hier das entscheidende Tor: http://www.youtube.com/watch?v=6RDSDP6sVT0). Ich verfolgte das Spiel übrigens im fernen Ghana, wo ich gerade vom Afrikacup berichtete. Fulham ist eben die Welt - das hat ja Felix Magath auch inzwischen erkannt!

Samstag, 15. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank: Boavista FC Porto


Wie kann ein Klub derart abstürzen? 2001 war Boavista Porto noch gefeierter Landesmeister von Portugal. 2003 drangen die Schwarz-Weißen im UEFA-Pokal bis ins Halbfinale vor, ehe 2004 im runderneuerten Estadio do Bessa des Klubs die Europameisterschaft aufspielte. Dann kam der Absturz, und seit 2009 dümpelt einer der stolzesten und ruhmreichsten Vereine Portugals nur noch in der 3. Liga.

1903 von Mitarbeitern der Graham’s Textilfabrik gegründet, steht der Klubname Boavista für „Schöne Aussicht“, den man in dem im Westen von Porto gelegenen Stadtteil Bessa tatsächlich genießen kann. Sportlich stand Boavista von Beginn an lokal im Schatten des zehn Jahre älteren Stadtrivalen FC Porto und national in dem von Portugals „trés golias“ („drei Giganten“) – das sind neben dem FC Porto die beiden Lissaboner Klubs Benfica und Sporting.

Ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war Boavista regelmäßig unter den führenden Mannschaften des Landes zu finden und setzte sich lokal zunehmend vom anderen Stadtrivalen, dem traditionsreichen Arbeiterverein SC Salgueiros, ab. Das 1972 eröffnete Estadio do Bessa stärkte die Position des Klubs, und 1975 sicherten sich die „Axadrezada“ („Gescheckten“, aufgrund der schwarz-weiß gefelderten Trikots) mit einem 2:1-Finalsieg über Benfica Lissaborn erstmals den Landespokal.

In den frühen 1990er Jahren begeisterte Boavista mit einem Team, für das vor allem Eigengewächs João Pinto stand, der später zu Benfica wechselte. Wie alle anderen Klubs in Portugal musste auch Boavista seine Leistungsträger regelmäßig an einen der „tres goliats“ abgeben, die Portugals Spitzenfußball sportlich und wirtschaftlich dominierten. So auch 1997, als man mit einem 3:2 über Benfica zum fünften Mal den nationalen Pokal errang und anschließend mit Nuno Gomes, Erwin Sánchez (beide Benfica) sowie Jimmy Floyd Hasselbaink (Leeds United) gleich drei Leistungsträger verlor.

2000/01 kam der Durchbruch. Unter Trainer Jaime Pacheco war ein Team entstanden, das vor allem auf einer stabilen Abwehr um Nationaltorhüter Ricardo und Zentralverteidiger Litos basierte. Ganz Portugal feierte, als die Meisterschaft erstmals seit 1946 wieder an einen anderen Klub als Benfica, Sporting oder Porto ging! Und ganz Portugal hoffte, dass die ermüdende Dominanz der „trés goliat“ nun endlich zu Ende gehen würde. Als Vater des Erfolges galt neben Trainer Pachecho ürigens Präsident Dr. João Loureiro, der seinen Vater Valentim auf dem Präsidentensessel des Klubs abgelöst hatte und eine recht ungewöhnliche Persönlichkeit darstellte - zuvor war er u.a. als Rocksänger der Band „BAN“ gefeiert worden.

Doch Portugals und Boavistas Hoffnungen auf eine Wachablsöung der Goliaths wurden enttäusht, und als 2003 Erfolgstrainer Jaime Pacheco ging, begann der steile Absturz des Boavista FC. Der Umbau des Estadio do Bessa zur EM hatte die Klubkasse überstrapaziert, und als sich 2008 zudem herausstellte, dass der Klub in der Vergangenheit gleich mehrfach Schiedsrichter bestochen hatte, musste man zwangsweise in die 2. Liga, von wo aus es 2009 gar in Liga 3 ging.

2012 kam mit Nationalspieler Petit zwar ein Mitglied der Meistermannschaft von 2001 als Trainer zurück, doch auch unter ihm gibt es in der laufenden Saison 2013/14 im Estadio do Bessa wieder nur Drittligafußball zu begutachten.

Freitag, 14. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Yeovil Town FC


Mit dieser Tasse geht eine respektvolle Verbeugung einher. Als sie anno 1997 in meinen Besitz kam, war der Yeovil Town Football Club noch ein biederer Fünftligist und stand deutlich im Schatten der umliegenden Profiklubs aus Bristol und Exeter. Heute ist Yeovil Town der klassenhöchste Verein aus dem Südwesten Englands und hat eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben, auf die man in Bristol, Exeter, Plymouth etc. zumindest hinter vorgehaltener Hand ziemlich neidisch ist.

Yeovil ist ein kleines Nest zwischen Bristol und Exeter in der Grafschaft Somerset, das auf knapp 50.000 Einwohner kommt und nach dem Fluß Yeo benannt ist. Ausgesprochen wird der Ort übrigen „Johwil“ Der örtliche Fußballklub reicht zurück bis ins Jahr 1895 und erreichte in England großen Ruhm durch diverse Pokalsensationen. 1949 schalteten „The Glovers“ („Handschuhe“, Yeovil war einst Zentrum der Handschuhproduktion) in der vierten Runde des FA-Cups beispielsweise den Sunderland AFC aus und sorgten damit für eine der bis heute größten Pokalsensationen in der englischen Fußballgeschichte. In Runde fünf setzte es vor 81.000 Zuschauern ein 0:8 bei Manchester United.

Erst 1979 gelang der Sprung in die fünfte Liga, in der die von großen Fanscharen begleiteten Grün-Weißen immer wieder am ersehnten Ziel „Football League“ scheiterten. Mit dem 1990 eröffneten „neuen“ Huish Park (der „alte“ Huish Park hatte eine gefürchtete Neigung von Seitenlinie zu Seitenlinie) wurden die Anstrengungen in Richtung Profifußball erhöht. Dennoch gelang erst 2003 nach 108 Jahren der Sprung in die Football League. Im Team von Trainer Gary Johnstone standen seinerzeit Spieler wie Gavin Williams (später West Ham), Lee Johnson, Chris Weale, Darren Way und Adam Lockwood, mit denen The Glovers bereits 2005 auch die dritthöchste Profiliga Englands erklommen und damit zu Nachbarn wie Swindon Town und Bristol *ity aufschlossen.

2007 stand der Provinzklub erstmals vor dem Sprung in die 2. Liga. Nachdem die Grün-Weißen in den Play-off-Spielen überraschend Nottingham Forest ausgeschaltet hatten, unterlagen sie im Finale von Wembley jedoch gegen den Blackpool FC. 2013 nun glückte mit einem 2:1 im Play-Off-Finale gegen Brentford auch der Sprung in die Championship, wird im kleinen Yeovil erstmals Zweitligafußball dargeboten, während der große Nachbar Bristol nur noch auf dritt- bzw. viertklassiger Ebene vertreten ist. Das Erfolgsrezept der Mannschaft von Trainer Gary Johnstone, der 2012 nach einem zwischenzeitlichen Wechsel zu Bristol *ity in den Huish Park zurückkehrte, ist ein glückliches Händchen bei den in England üblichen „loans“ – ein beträchtlicher Teil des Kader der letzten Jahre bestand aus ausgeliehenen Akteuren.

Von Bristol aus wurde Yeovil stets mit einem gewissen Respekt (und was die Rovers betrifft auch Sympathie) beobachtet. Seitdem The Glovers in der Football League mitspielen und allen Klubs der Region den Rang abgelaufen haben, ist daraus aber Rivalität geworden. Die Kleinstadt Yeovil platzt derweil förmlich vor Stolz über ihre Fußballelf, die in der laufenden Saison bei ihren Gastspielen in Städten wie Leeds, Bolton und Middlesbrough von einer vielköpfigen und fröhlichen Fanschar begleitet wird. Auf Gästefans wartet derweil ein „Ritt durch die Provinz“, denn Yeovil ist verkehrstechnisch nicht so einfach zu erreichen. Dafür entschädigt eine herrliche Landschaft im Süden von Somerset sowie eine Stadt, in der es normalerweise ziemlich entspannt zugeht. Normalerweise – also nicht an Tagen, an denen Yeovil Town spielt...

Insolvenzticker: Alania Wladikawkas

Alania Wladikawkas, 1995 russischer Landesmeister, wurde nach der Beantragung eines Insolvenzverfahren am 11. Februar aus dem Spielbetrieb der 2. Liga Russlands ausgeschlossen und aufgelöst.

Wladikawkas liegt im südwestlichen Zipfel Rußlands und ist die Hauptstadt von Nord-Ossetien. Zu sowjetischen Zeiten hieß die Stadt Ordzonikidze. Die Meisterschaft von 1995 - bis 2007, als St. Peterburg russischer Meister wurde, der einzige Titelgewinn einer nichtmoskauer Mannschaft in Russland - war Askharbek Galazov zu verdanken, dem damaligen Präsidenten der Republik Nord-Ossetien, der sich mit immensen Summen engagierte und u.a. den früheren Bundesligaspieler Sergej Gorlukowitsch in die Krisenregion zwischen Tschtschenien und Südossetien holte.

Der Klub hatte schon seit längerem mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und war 2006 bereits einmal aus finanziellen Gründen in die Drittklassigkeit verbannt worden. 2010 als Nachrücker für den aufgelösten FC Moskau ins russische Oberhaus zurückgekehrt, hatten sich mit dem Rückzug der Regionalverwaltung von Nord-Ossetien erneute Probleme erheben. Zunächst war mit RusHydro ein neuer Hauptsponsor gefunden worden, der sich jedoch nach dem Abstieg aus der 1. Liga im letztem Jahr ebenfalls zurückzog. Nachdem das Team Ende 2013 aus Geldmangel nicht zu einem Auswärtsspielen hatte fliegen können, war bekannt geworden, dass der Schuldenberg auf eine Billion Rubel (etwa 25 Mio. €) angewachsen war.

Weitere Infos: http://en.rsport.ru/football/20140211/723346960.html

Donnerstag, 13. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Tennis Borussia Berlin


Es ist stets ein angenehmes Gefühl, den täglichen Text für die „Tassen-Like-Liga powered by Hardy Grüne“ (www.facebook.copm/hardygruene) zu schreiben und dabei an jene unter Euch zu denken, denen diese Tasse eine besondere Freude machen wird. Bei einigen weiß ich die Lieblingsvereine, bei anderen habe ich inzwischen eine Ahnung von dem, was Euch in der Vereinswelt so bewegt und anspricht.

Der heutige Tassenpost wird voraussichtlich einige „Hurra“ erhalten. Tennis Borussia Berlin hat in seinen 112 Jahren zwar schon einige Transformationen durchgemacht, doch die letzte, die aus einem Klub, der mit viel Geld und wenig Empathie am liebsten gleich in die Champions League durchgestartet wäre, einen in der Berlin-Liga auf Gegner wie Sportfreunde Johannisthal treffenden Sechstligisten gemacht hat, war die wohl umwälzende. Für die lila-weiße Fanszene war das nun sicherlich kein „Glücksfall“, der tiefe Absturz aber hat dennoch zu einem gewissen Reinigungsprozess geführt und den inneren Zusammenhalt gestärkt. Doch nicht nur deshalb verfügt TeBe heute über eine der interessantesten Fanszenen des Landes, die weit mehr als nur einen ungewöhnlichen Farbklecks in der Fankultur in Berlin darstellt.

Viele von jenen, die heute in Johannisthal und Mahlsdorf einen ruhmreichen Sechstligisten bei seinen Auswärtsspielen in der Berlin-Liga begleiten, waren auch schon dabei, als Winnie Schäfer und die unsägliche „Göttinger Gruppe“ mit dickem Portemonnaie und großer Klappe versuchten, aus einem unspektakulären und von überschaubaren Zuschauerscharen begleiteten Klub eine schillernde Schlagzeilenmaschine zu machen. Diese schaffte es bekanntlich zurück in die 2. Bundesliga, brach dort aber, wie die gesamte „Göttinger Gruppe“, alsbald zusammen.

Über Tebe ließen sich Bücher füllen, und weil ich genau das im derzeit entstehenden Band „Legendäre Fußballvereine Berlin“ (erscheint im Frühjahr 2015 beim Verlag Die Werkstatt) ohnehin tun werde (und zwar nicht nur über TeBe) erzähle ich lieber von meinen persönlichen Begegnungen mit den Veilchen. Die erste fand im August 1975 statt, als die Berliner gerade ihr erstes Bundesliga-Abenteuer hinter sich hatten und zum ersten Saisonspiel der 2. Bundesliga Nord im Göttinger Jahnstadion aufliefen. Für mich war es ein besonderer Moment, denn ich weihte meine während der Sommerpause mühevoll zusammengenähte erste 05-Fahne ein! Es wurde eine furiose Premiere, da auf dem Spielfeld nicht etwa Favorit Tennis Borussia dominierte, sondern Underdog Göttingen 05. Dessen 3:0-Triumph bescherte meiner Fahne jedenfalls ein perfektes Debüt.

Das erste Mal in Berlin sah ich 05 (und Tebe) 1980/81, als die beiden Mannschaften in der Rückrunde der damaligen Mammutzweitligasaison aufeinander trafen und sportlich längst sämtliche Messen sowohl für Tennis Borussia als auch Göttingen 05 gelesen waren. Gespielt wurde im Olympiastadion, wo nach meiner Erinnerung irgendwas um die 800 Zuschauer versammelt war - jedenfalls eine gespenstische Atmosphäre herrschte. Für 05 liefen diverse Akteure der Landesligaamateure auf, und wir Handvoll mitgereister Göttinger sahen beim 2:3 eine weitere Niederlage in einer an Niederlagen ohnehin reichen Rückrunde.

Wesentlich schmerzhafter war allerdings die 1:3-Niederlage im Mommsenstadion in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga 1991, mit der 05 damals vorzeitig nahezu sämtliche Chancen verspielte. Wir mitgereisten Fans waren an diesem Mittwochabend in Berlin jedenfalls ziemlich frustriert, obwohl sich während des Spiels 05-Trainer „Charly“ Mrosko zu uns gesellte, nachdem ihn sein Frust einen Verweis aus dem Stadioninnenraum eingebracht hatte.

Immer gerne erinnere ich mich auch an die „Lila Laune“ der "neuen" TeBe-Fanszene, die wir in den 1990er Jahren fleißig gegen unseren „Schlafenden Riesen“ tauschten, dem damaligen 05-Fanzine. Wenn ich mich recht erinnere, erhielten wir seinerzeit sogar den Fanzine-Preis „Luftpumpe“ als Nachfolger der „Lila Laune“ (oder was es andersherum?).

Heute verbinden mich derweil diverse angenehme und oft genug befruchtende Facebookkontakte mit TebelerInnen, und nicht zuletzt deshalb steht ein erneuter Besuch im Mommsenstadion schon lange aus. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr länger darauf warten, bis Tennis Borussia und Göttingen 05 wieder in einer gemeinsamen Liga spielen...

Alle Tassen im Schrank? Young Boys Bern


In Bern hat man ja bekanntlich seit Sonntag ein klitzekleines Problem mit der eigenen Bevölkerung, und da passt es vielleicht, die Tasse eines Klubs zu posten, der nicht nur einen ausländischen Namen trägt sondern an dessen Stadion einst ein klares Bekenntnis der eigenen Anhänger gegen Rassismus zu sehen war.

Das besagte Stadion ist natürlich jener Ort, der zugleich tief in der deutschen Fußballgeschichte verankert ist als Schauplatz des „Wunder von Bern“. Auch für mich war das Wankdorfstadion ein mystischer Ort, und ich habe den Abriss der alten WM-Arena und den Neubau des heutigen Stade de Suisse bei regelmäßigen Besuchen vor Ort mit wehmütigem Interesse verfolgen können. Auch wenn die heutige Arena zweifelsohne zeitgemäßer ist und für YB wirtschaftlich ein Segen sein mag, strahlt sie nicht annähernd die Atmosphäre des Wankdorf aus – aber das sage ich sicherlich auch mit den verklärten Augen eines deutschen Fußballfans, für den der 4. Juli 1954 irgendwie ein magisches Datum ist.

Verlassen wir die globale Ebene und kommen zur nationalen und damit zum Berner SC Young Boys, der mir nicht zuletzt aufgrund seiner Klubfarben Schwarz-Gelb irgendwie immer etwas sympathisch war. Der Name „Young Boys“ geht übrigens nicht auf britische Mitgründer zurück, wie man vermuten könnte, sondern auf ein Gastspiel der Old Boys aus Basel beim älteren Stadtrivalen FC Bern anno 1898. Einige lokale Jugendliche sahen das Spiel seinerzeit und beschlossen anschließend die Gründung eines eigenen Vereins, den sie aufgrund ihres jugendlichen Alters „Young Boys“ nannten. „YB“, wie der Klub in der Schweiz kurz genannt wird (ausgesprochen: I-B), wurde schon 1903 erstmals Landesmeister und errang bis 1929 fünf weitere Landestitel. Präsident Otto Eicher war damals einer der eifrigsten Befürworter des Profifußballs in der Schweiz. Ausgerechnet als die Profiliga schließlich 1931 eingeführt wurde, verlor YB jedoch ein wenig den Anschluss.

Die nächste Erfolgsepoche des Klubs waren die 1950er Jahre, als der frühere deutsche Nationalspieler (und Herberger-Freund) Albert Sing das Training leitete und Spieler wie „Geni“ Meier, Heinz Schneiter, Ernst Wechselberger und Toni Alleman nicht nur für YB sondern auch für die Schweiz spielten. Vier weitere Landesmeisterschaften zwischen 1957 und 1960 wurden gekrönt vom Einzug ins Halbfinale um den Europapokal der Landesmeister 1959, in dem ein Geni-Meier-Treffer vor 60.000 im Wankdorf gegen Stade Reims einen landesweiten Jubelschrei auslöste. Das Rückspiel jedoch gewann Reims mit 3:0 und erreichte das Finale.

Anschließend kam es zum personellen Umbruch, und die längst zum Berner Aushängeschild aufgestiegenen Schwarz-Gelben (Klubhymne: „Jeder Bärner Giel, dä isch für YB“ – „Jeder Berner Junge hält für YB“) mussten bis 1986 warten, ehe der nächste Meistertitel eingefahren wurde – es war zugleich der bis heute letzte. Mehrfach war man seitdem nah dran, ging 1993, 2004, 2008, 2009 und 2010 jeweils als Vizemeister durchs Ziel, verpasste den Durchbruch aber trotz Spielern wie Stephane Chapuisat, Hakan Yakin und Klublegende Thomas Häberli immer wieder. Zugleich gilt YB als einer der beliebtesten Vereine der Schweiz, und mit über 14.000 Jahreskarten war man 2011 Krösus in der Super League.

Vielleicht wird es ja mal wieder Zeit für ein „Wunder von Bern“. Und das könnte dann auch gleich noch für die politische Ebene gelten, die in Bern ja bekanntlich ihre Hauptstadt hat und auf der es gegenwärtig drängende Probleme zu lösen gibt.

Alle Tassen im Schrank? Cheltenham Town


Einmal mehr steht heute Abend zittern für mich auf dem Programm. Die Bristol Rovers stecken unverändert im Abstiegskampf. Nachdem es zwischenzeitlich ein wenig nach Entspannung ausgesehen hatte, brachte eine extrem ärgerliche Last-Minute-Heimniederlage gegen Accrington Stanley sämtliche Sorgen zurück. Um 19.45 Uhr britischer Zeit kommt es nun im Memorial Stadium zum Nachbarschaftsduell mit Cheltenham Town, aus dem hoffentlich drei Punkte herausspringen werden.

Cheltenham ist ein besonderer Gegner für die Pirates. Als vor einigen Jahren bereits Grünes Licht für den Umbau des Memorial Stadiums gegeben worden war, sollte eine komplette Spielzeit (es wäre 2008/09 gewesen) im Exil in Cheltenham gespielt werden. Dann sorgte der Börsencrash für das Aus der Stadionumbaupläne und die Exilsaison konnte entfallen. Dafür befindet sich das Memorial Stadium bis heute in einem leicht rückständigen Zustand, gibt es inzwischen Pläne für einen Stadionneubau etwas weiter nördlich auf dem Gelände der University of the West of England (UWE), die kommenden März hoffentlich endgültig Grünes Licht bekommen.

Nun aber zum heutigen Tassenteilnehmer, der sich hier mit einem Gefäß präsentiert, das nicht nur das historische Vereinswappen präsentiert sondern das insgesamt schon ein paar Tage auf dem Buckel hat. „The Robins“ waren gerade auf dem Weg in die Football League, als ich 1997/98 erstmals an der Whaddon Road zu Gast war und eine engagierte wenngleich nicht allzu vielköpfige Zuschauerschar antraf. Ich lief seinerzeit mit schwarz-gelbem 05-Schal auf, denn Cheltenham ist Göttingens Partnerstadt, und so konnte ich ruhigen Gewissens Farbe zeigen. Prompt ergaben sich herzliche Gespräche auf den Rängen, und mein Schal blieb gleich vor Ort. Im Folgejahr gastierte Cheltenham Town dann erstmals zu einem Freundschaftsspiel in seiner Partnerstadt und traf dort auf die damals von Joachim Krug betreute „Weltauswahl“ von Göttingen 05. Aber ich schweife ab…

Einige Jahre später kehrte ich mit den Rovers zu einem Spiel an die Whaddon Road zurück, und der 05-Schal hing tatsächlich im Klubhaus und setzte dort einen fröhlichen Farbtupfer in all dem Rotweiß der „Robins“. Sportlich hatten die Cheltenhamer ihren Erfolgsweg in beeindruckender Manier fortgesetzt. 2002/03 rang man erstmals in der dritthöchsten Spielklasse Englands um Zähler, verpasste dort jedoch den Klassenerhalt. 2006 gelang unter dem gegenwärtigen Rovers-Manager John Ward mit einem 1:0 im Play-off-Finale über Grimsby Town die Rückkehr in League One, der man diesmal insgesamt drei Spielzeiten lang angehörte, ehe es 2009 wieder zurück in Richtung League Two ging. Größter Tag war der 25. November 2007, als im ausverkauften Stadion an der Whaddon Road ein historischer 1:0-Sieg über Leeds United gelang. Das Tor des Tages erzielte in der 86. Minute Steven Gillespie – der seit einigen Tagen übrigens als loan-player das blau-weiß gefelderte Trikot der Bristol Rovers trägt und heute Abend gegen seinen Ex-Klub auflaufen wird.

Seitdem hoffen die Robins alljährlich so ein bisschen auf die Rückkehr, die aber bislang hat auf sich warten lassen. 2012 setzte es im Play-off-Finale in Wembley ein 0:2 gegen Crewe Alexandra und 2013 rutschte man am letzten Spieltag mit einem 0:0 gegen Bradford von einem automatischen Aufstiegsplatz und schied in den Play-offs gegen Northampton aus. Cheltenham gilt als solider, wenngleich wenig aufregender Klub aus einer Stadt, die von Bildung geprägt ist (Motto im Stadtwappen, auch auf der Tasse zu sehen: "Salubritas et Eruditio" - "Gesundheit und Bildung") und als wohlhabend gilt. Fußball spielt da naturgemäß eher eine weniger zentrale Rolle, zumal der Klub lange Zeit recht unbeachtet im Amateurfußball mitspielte und sich das Interesse der lokalen Fans auf die umliegenden Profiklubs richtete – wozu nun wieder die Bristol Rovers zählen. Als ich im Januar 2012 mal wieder zum Gastspiel der Pirates an die Whaddon Road reiste, war der Gästeblock ausverkauft, hatten die mitgereisten Bristolians stimmungsmäßig deutlich die Oberhand. Nebenbei erwähnt sei aber noch, dass Cheltenham auch Sitz des nicht unumstrittenen staatlichen Nachrichtendienstes GCHQ ist.

Das heutige Duell kann Weichen stellen kann. Gewinnen die Rovers (gegenwärtig 31 Punkte), winkt ein Aufrücken ins Mittelfeld, wo die Robins mit gegenwärtig 36 Zählern alles andere als auf der sicheren Seite sind. COME ON YOU BLUES!

Sonntag, 9. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank: Liverpool FC


Bitte mal alle Fankurvenposition einnehmen, die Schals in die Höhe recken, die Brust anschwillen lassen. Stimme räuspern, und los geht es: "Walk on, walk on, with hope in your heart, and you'll neeeeever waaaalk alooooone, you'll neeeever waaalk aloone".

Es ist DIE Hymne des Fußballs, und sie ist verbunden mit einem Klub, der wie kaum ein anderer für die Verbindung von Fan- und Popkultur auf den Tribünen steht. Während die Beatles in den 1960er Jahren erst Hamburg, dann Liverpool und schließlich die ganze Welt eroberten, verwandelten Zehntausende von Liverpool-Fans alle zwei Wochen das Stadion an der Anfield Road in eine Konzerthalle der ungewöhnlichen Art. Selbst die BBC berichtete seinerzeit über das, was da in Liverpool passierte und stand 1964 mit staunenden Kamerablicken und ratloser Reporterstimme vor einer swingenden und wogenden Masse, die doch eigentlich "nur" aus Fußballfans bestand. Wer sich die sehenswerte 75-Minuten Dokumentation „The Story of the Kop“ nicht ganz ansehen will, sollte zumindest mal kurz in den Abschnitt 18:15 bis 20:10 Minuten reinschauen, wo Fußball- und Popkultur wahrlich miteinander verschmelzen: http://www.youtube.com/watch?v=cwFtdHV-oUc

Ein Besuch at Anfield stand oder steht sicher auf dem Wunschzettel jedes Fußballfreundes, der in seinem Fandasein ein wenig über den Tellerrand schaut. Und er lohnt sich, selbst wenn Anfield längst nicht mehr der Sangestempel von einst ist und im Bauch der Kop heute ein McDonalds für Umsatz sorgt. Gelangt man von der Parkseite zum Stadion, betritt man es über das berühmte eiserne Eingangstor mit der Aufschrift „You’ll never walk alone“. Kommt man von der anderen Seite, so öffnet sich nach einer schier endlosen Reihe typischer roter Backsteinhäuser schlagartig der Blick, jubelt der versteinerte Bill Shankley auf seinem Podium und weckt Erinnerungen an jene Tage, in denen Liverpool die Hauptstadt des Fußball auf der Welt war.

Ich hatte das große Glück, mehrfach auf der Kop stehen zu dürfen, als sie noch im Originalzustand und nicht versitzplatzt war. Mein persönliches Highlight war dabei das offizielle (und, wie sich später herausstelle, verfrühte) Abschiedsspiel für Kenny Dalglish 1988, bei dem ich auf der natürlich ausverkauften Kop stand und in den gänsehauttreibenden Gesängen der Liverpool-Fans förmlich ertrank. Acht Jahre später kehrte ich anlässlich der Europameisterschaft 1996 zurück, sah Tschechien in Anfield sensationell mit 2:1 gegen Italien gewinnen und erlebte die komplett umgebaute Kop erstmals als Sitzplatztribüne.

Nach dem Umbaus war Anfield aber bald viel zu klein für den Liverpool FC, der im sich rasant entwickelten Kommerzfußball zunehmend Probleme bekam, vor allem mit Manchester United mithalten zu können. Nachdem die lange diskutierten Pläne eines Neubaus im benachbarten Stanley Park im Oktober 2012 endgültig aufgegeben wurden, hat Anfield nun doch eine Zukunft. Demnächst soll der Ausbau auf 60.000 Plätze beginnen – das dabei eine Menge Häuser werden weichen müssen, rief zwar Proteste hervor, ist aber wohl Teil eines Preises, den der "moderne" Fußball zahlen muss, will er zumindest Teile seiner Tradition bewahren.

Samstag, 8. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? 1. FC Kaiserslautern



Zur inzwischen ja üblichen frühen Zweitligamittagstunde treffen heute auf dem Betzenberg zwei Teams aufeinander, die sich Hoffnungen auf die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus machen dürfen: 1. FC Kaiserslautern und SpVgg Greuther Fürth.

Der 1. FC Kaiserslautern ist ein Klub, der sehr früh in mein Leben trat. Es war 1974, und bei der Weltmeisterschaft in Deutschland lief Schweden mit einem Mann zwischen den Torpfosten auf, den ich, damals ein nur latent begabter, dafür aber umso ambitionierter Torhüter einer Straßenmannschaft in Dortmund-Mengede, rasch zu meinem Vorbild erhob: Ronnie Hellström. Wenig später wechselte der Mann mit den herrlichen Koteletten zum 1. FC Kaiserslautern, der in meiner jugendlichen Begeisterung prompt so etwas wie mein erster Lieblingsverein wurde.

Heute weiß ich, dass es keine wirklich schlechte Wahl war, auch wenn meine Liebe zu den Roten Teufeln nicht allzu lang anhielt sondern nach unserem Umzug von der zu Göttingen 05 abgelöst wurde. Ob das nun ein so schlauer Schachzug war, sei dahingestellt. Kaiserslautern hat auch ansonsten eine gewisse Rolle in meiner frühen Fußballsozialisation gespielt, denn anno 1975 sah ich auf dem Betzenberg eines meiner ersten Bundesligaspiele außerhalb von Vaters Dortmundern. Und das war garantiert eine glückliche Fügung, denn der Betzenberg Mitte der 1970er Jahre – das war wahrlich eine „Hölle“.

Später ging es mir wie vermutlich vielen – irgendwie gab es da einen gewissen Sympathiebonus für Klub und Stadt, dessen Fans und natürlich die Geschichte mit diesem unvergleichlichen Fritz Walter und all den anderen 1954er Helden. Lautern, das war für mich lange Zeit ein leidenschaftlich kämpfendes Kollektiv, getragen von einem begeisterungsfähigen Publikum und ansässig in einem einzigartigen Stadion. Wobei ich zugebe, das ich auf dem Weg hinauf zum Betzenberg stets Station auf dem Erbsenberg gemacht und kurz mal beim VfR hereingeschaut habe – eines dieser vielen Opfer der frühen Kommerzialisierung des Fußballs bereits in den 1960er Jahren.

Meine wohlwollende Zuneigung hielt bis zum Beginn der Turbulenzen im Nachklang der Überraschungsmeisterschaft unter Otto Rehhagel. Mit Schrecken verfolgte ich, wie der FCK anschließend zunehmend das Liebenswerte verlor und zu einem Verein wurde, mit dem mich kaum noch Sympathien verbanden. 2006 frischte sich meine Zuneigung zu Kaiserslautern als leidenschaftliche Fußballstadt bei einem Besuch während der WM zwar wieder auf, doch der Betzenberg hatte irgendwie das heimelige verloren, so, wie er da oben in seiner ganzen Dimension thronte. Damals gelangte auch dieser Megabecher in meinen Besitz, der sich mit seiner Größe bestens eignet, bei winterlichen Erkältungsattacken mit reichlich lindernden Heißgetränken befüllt zu werden und der natürlich vor allem jenes Wappen aufweist, dass die Roten Teufel damals für einen kurzen Zeitraum auf ihren Jerseys trugen.

Wenn wir alle wählen könnten, würde der 1. FC Kaiserslautern vermutlich schon längst wieder in der Bundesliga spielen. Aber vielleicht klappt es ja in diesem Jahr auch sportlich. Dazu ein herzliches Glückauf auf den Betzenberg.

Freitag, 7. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Blau-Weiß (Emden-) Borssum

 
Der heutige Auftritt in der „Tassen-Like-Liga powered by Hardy Grüne“ ist ein besonderer und zudem verbunden mit einer kleinen Suchmeldung. Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei dieser Tasse um ein Produkt aus jenen Tagen, an de...nen man flugs in einen Fotokopiershop gehen konnte und für relativ viel Geld ein Foto auf eine Tasse "brennen" lassen konnte. Das sah anfangs ganz schick und fast professionell aus, wurde aber mit zunehmender Zeit immer unansehnlicher und trug alsbald diesen hässlichen Hintergrund, wie man ihn auch auf diesem Foto erkennen kann.

Was den Fall SV Blau-Weiß Emden-Borssum betrifft, möchte ich nun aber gerne mit dem bekannten Sprichwort „Einem geschenkten Gaul, schaut man nichts ins Maul“ weitermachen, denn die abgebildete Tasse war vor vielen Jahren ein sehr herzliches und persönliches Geschenk einer guten Bekannten, die aus Emden stammt und es im SV Blau-Weiß Borssum zu lokaler Berühmtheit im Tischtennis gebracht hatte. Gedacht war die Tasse als Erweiterung meiner damals zögerlich startenden Sammlung, die damit zugleich ihren ersten Exoten erhielt. Leider verloren die Überbringerin und ich uns später aus den Augen, und weil sie zwar einen recht ungewöhnlichen Vornamen, zugleich aber auch einen überaus verbreiteten Nachnamen trägt (trug?), waren bislang alle Versuche, den Kontakt wieder aufzunehmen, vergeblich. Also, liebe Ilka, wenn Du durch irgendwelche magischen Kräfte diese Zeilen liest: bitte melde Dich!

Der SV Blau-Weiß Borssum ist aus einem einstigen Arbeitersportverein hervorgegangen und mit knapp 2.000 Mitgliedern heute immerhin der drittgrößte Breitensportverein in Ostfriesland. Im Fußball kicken die Blau-Weißen gegenwärtig in der Bezirksliga, waren aber 1952-54 und 1957-64 bereits in der dritthöchsten Spielklasse am Ball, was ihnen dereinst sogar ein kleines Kapitel in meinem Buch „Legendäre Fußballvereine Norddeutschland“ (http://www.hardy-gruene.de/buecher/legendaere_vereine.htm) einbrachte. Als größer Tag gilt ein 4:1 im Nordpokal gegen den damaligen Erstligisten Bremerhaven 93. 1965 avancierte man mit der erneuten Rückkehr in die 3. Liga kurzzeitig sogar zur Nummer 1 im Emder Fußball – eine Rolle, die man aber rasch wieder an den BSV Kickers verlor. Zuletzt wurde im bis heute ein wenig eigenständig-störrischen Borssum 2006 und 2008 jeweils der Gewinn der Emder Hallenstadtmeisterschaft gefeiert. Deutlich erfolgreicher agieren die Blau-Weißen im Tischtennis, in dem sie in der Regionalliga an die Platte treten und damit der ranghöchste Vertreter dieser Disziplin in Ostfriesland sind. Und damit gebe ich zurück zu meiner obigen Suchmeldung.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Gloucester City


Gloucester ist, wie Worchester, einer dieser Begriffe, an dem wir einst im Englischunterricht wohl fast verzweifelt wären. Wieso heißt das jetzt „Gloster“ und nicht „Gluhchester“?

Nun, das sind die Spitzfindigkeiten und Eigenarten der englischen Sprache (ebenso wie Leicester übrigens, wohingegen Reading ein anderes Thema ist ), die an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden sollen. Zumal es beim Thema Gloucester City ohnehin Wichtigeres zu besprechen gibt, denn der Klub hat seit mehr als 2.400 Tagen kein einziges Spiel mehr im heimischen Meadow Park austragen können!

Es war im Juli 2007, als das erst 1986 bezogene Stadion zum dritten Mal in nur 17 Jahren völlig überflutet wurde, nachdem der benachbarte Severn über die Ufer getreten war. Die Bilder, die es dazu im Netz gibt (http://www.bbc.com/sport/0/football/24802846) sehen schrecklich aus und machen wenig Hoffnung, dass die Schwarz-Gelben eines Tages in den Meadow Park werden zurückkehren können. Längst sind die Tribünen zerstört, ist das Klubhaus verfallen, ist von schönem englischen Rasen nichts mehr zu sehen. Gloucester City ist derweil auf fremden Plätzen zu Gast – zunächst bei den Forest Green Rovers, dann in Cirencester (was übrigens „sirenchester“ ausgesprochen wird...) und gegenwärtig in Cheltenham, zwölf Meilen nördlich von Gloucester.

Das lange Exil hat den Klub vor schwere wirtschaftliche Probleme gestellt, denn die Zuschauerzahlen sind kontinuierlich gesunken und betrugen mitunter nur wenige hundert Zahlende. Dabei ist man sportlich durchaus erfolgreich und erreichte 2013 zum zweiten Mal in Folge die lukrative erste Runde im FA-Cup, wo man (in Cheltenham...) auf Viertligist Fleetwood Town traf. 2012 schien als, als könne man mit Hilfe von Klubchef Eamonn McGurk und anstelle des maroden Meadow Parks ein nagelneues Stadion mitsamt Flutwall entstehen, doch nach einem Einspruch des Gloucester City Council, das ausgerechnet die Überflutungsschutzpläne bemängelte, mussten die Pläne fallengelassen werden. Gegenwärtig läuft ein erneuter Planungsantrag, der im Laufe des Frühjahrs hoffentlich Grünes Licht bekommen wird.

Ich habe Gloucester in den 1990er Jahren als eine lebendige Fanhochburg mit ausgezeichneter Atmosphäre und einem lebhaft frequentiertem Pub direkt am Stadion kennengelernt, als ich mit den Rovers dort bei einem Freundschaftsmatch vor der Saison gastierte. Drücken wir Daumen, dass es bald wieder soweit ist und der Gloucester City Supporters Club zu einem „echten“ Heimspiel laden kann.

Mittwoch, 5. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Stade Brest


Ich mag ja nicht alle Tassen im Schrank zu haben, doch deshalb kommen mir noch längst nicht alle Tassen in den Schrank. Bei einigen (wenigen) Klubs wehre ich mich einfach, ihre Gefäße in meine Küche zu lassen. Da gibt es beispielsweise südlich des Flüsschen Avon im Südwesten von England einen Verein, in dessen Stadion ich zwar schon mehrfach Spiele besucht habe, in dessen Fanshop ich aber niemals gewesen bin und vermutlich auch niemals gehen werde.

Auch in Guingamp gibt es einen Rivalen, doch irgendwie ist mein Verhältnis zu diesem Klub deutlich entspannter als im obigen Fall. Das mag damit zusammenhängen, dass mich mit der Stadt Brest einige persönliche Erinnerungen verbinden, denn unweit von Brest habe ich einst einen Sommer lang gearbeitet und mich dabei in die Bretagne verliebt. Brest, diese wahrlich nicht als hübsch zu bezeichnende Stadt am Meer, hat da seinerzeit mit ihrem rauen aber zugleich herzlichen Charme durchaus beigetragen. Und anders als im Fall Bristol stehe ich bei der Rivalität Guingamp/Brest auch desöfteren auf der Seite des Siegers, was die Akzeptanz offenbar erleichtert. Nicht vergessen will ich zudem, dass einer meiner Radfahrträume mit Brest verbunden ist – der Radmarathon Paris-Brest-Paris, den ich irgendwann in den nächsten Jahren einmal mitfahren möchte.

Stade Brest hat eine wilde und turbulente jüngere Vergangenheit hinter sich. Gegründet 1950, als sich mehrere Vereine zu Stade Brestois zusammenschlossen, erreichte man 1970 erstmals die 2. Liga und 1979/80 schließlich auch das französische Fußball-Oberhaus. Die Marinestadt war seinerzeit eine brodelnde Fußballhochburg. Federführend agierte mit Präsident François Yvinec ein Mann, der sich als Großbäcker eine goldene Nase verdient hatte. 1980 gleich wieder abgestiegen, lief es für die Brestois nach ihrer Rückkehr ab 1981 prächtig, etablierte sich die u.a. mit den WM-Teilnehmern Julio Cesar (Brasilien) und Sergio Goycoechea (Argentinien) verstärkte Elf um das lokale Ausnahmetalent Paul Le Guen in der höchsten Spielklasse. Unterdessen entdeckte man seine bretonischen Wurzeln, wurde aus Stade Brest „Brest Armorique“ (nach „Armorika“, der keltischen Bezeichnung für die Bretagne), fielen die Besucherzahlen im Stade Francis Le Blé für französische Verhältnisse exorbitant hoch aus.

Doch der Erfolg war auf Pump gebaut. Im Dezember 1991 kam es zum Finanzcrash, und der eilig gegründete Nachfolgeverein Stade Brestois musste von ganz unten beginnen. Dass dabei ausgerechnet Guingamps Präsident Le Graët als Vorsitzender des Ligaverbandes eine Schlüsselrolle einnahm, schuf in Brest bis heute anhaltende tiefe Abneigung gegenüber dem aufstrebenden Provinzklub aus dem Nachbardepartement. Als Stade Brest 2004 u.a. mit dem jungen Franck Ribéry im Team in die 2. Liga zurückkehrte, herrschte bei den Derbys prompt ein normalerweise bei einem Fußballspiel in der Bretagne eher seltener Ausnahmezustand.

Während meine Guingampais in die Krise gerieten und sogar für ein Jahr in der National auflaufen mussten, erwachte der schlafende Riese Stade Brest und feierte 2010 unter Trainer Alex Dupont die Rückkehr ins Oberhaus. Wieder stand die 155.000-Einwohnerstadt Kopf, drängelten sich die Fans ins inzwischen allerdings ziemlich rückständige und marode Stade Francis Le Blé. 2012/13 brach die Euphorie schlagartig zusammen. Vorstandskrisen, finanzielle Probleme, sportlicher Niedergang – am Saisonende war Stade Brest zurück in Ligue 2 und kämpft dort aktuell erneut gegen den Abstieg. Für den Moment sind die Hierarchien in der Nordwestbretagne also in meinem Sinne geregelt – und auch deshalb hat Stade Brest einen festen Platz in meiner Tassensammlung.

Ach, und falls das noch jemand wissen möchte: der Leuchtturm auf der Tasse ist der Phare de Brest in der gleichnamigen wunderschönen Bucht.

Dienstag, 4. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Hertha BSC Berlin


Als ich am Freitag an dieser Stelle (www.facebook.com/hardygruene) einen kleinen Vergleich zwischen dem MSV Duisburg und RB Leipzig postete, wies ein Leser auf den Umstand hin, dass Anhänger „guter“ Traditionsvereine gerne gegen den „modernen Fußball“ wettern würden, obwohl auch bei ihren Klubs in der Sponsorenlandschaft mitunter längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Am selben Tage hatte nämlich der US-amerikanische Finanzinvestor KKR verkündet, 9,7 Prozent der Anteile von Hertha BSC Berlin zu erwerben und insgesamt 61,2 Mio. Euro in das Berliner Fußballunternehmen zu investieren. Damit sollen Herthas Schulden in Höhe von 36,8 Mio. (Stand Ende 2012/13) beglichen werden. Außerdem will die Hertha BSC GmbH & Co KGaA die einst aus Geldmangel veräußerten Marketing-, TV- und Catering-Rechte zurückerwerben.

Ich finde die Frage interessant, ob es einen Unterschied macht, wenn sich ein Investor in einem Traditionsverein engagiert oder in einem der sogenannten „Retortenvereine“. Sorgt die üppigere Historie womöglich für eine höhere Akzeptanz? Darf Schalke für Gazprom werben, weil es Schalke ist? Darf sich Hertha mit einer Private-Equity-Firma verbinden, die von seriösen Wissenschaftlern zu jenen „Heuschrecken“ gezählt werden, deren Wirken in der Wirtschaft häufig so fatale Folgen haben? „Das ist keine Liebhaberei für KKR, die sind keine Fußballfans – die wollen Geld verdienen“, glaubt besagter Wissenschafter (Professor Voth, Uni Zürich) und sieht einerseits erheblichen Einfluss seitens des Investors auf die Hertha zukommen und betrachtet das Engagement bei den Berliner andererseits als „Testballon“: „Die wollen sich bei Hertha vermutlich nur warmlaufen für das richtig große Geschäft. Die halten mal den Fuß ins Wasser. Dafür mischen sie ein bisschen Geld rein.“ (alle Zitate aus der Süddeutschen von gestern, der Artikel „Trainingslager für Heuschrecken“ ist leider nicht online verfügbar.)

Nun ist es natürlich unfair der Hertha und ihren Anhängern gegenüber, sie in der „Tassen-Like-Liga powered by Hardy Grüne“ mit so einem provokanten Thema starten zu lassen. Ich will daher auch gleich den Blick aus der Gegenwart nehmen und ihn auf einen Klub richten, der Berlin immer wieder fasziniert und bewegt hat – und das gilt nun wiederum in allen vorstellbaren Dimensionen. Dass die Hertha vor rund 30 Jahren in der damals noch rein Westberliner Oberliga kickte und auf Gegner wie TSV Rudow oder Traber FC Mariendorf traf, scheint heute nahezu unvorstellbar zu sein. Doch damals stand Berlins Spitzenfußball kurz vor einem Führungswechsel, denn während die Hertha in der auf die eingemauerten/-zäunten Stadtgrenzen beschränkten Drittklassigkeit kickte, begeisterte Newcomer SpVgg Blau-Weiß 90 in der Bundesliga mit frischem Fußball. Gesponsert übrigens von einem „Investor“ aus dem Süden der Republik – so „modern“ ist der „Moderne Fußball“ manchmal gar nicht.

Berlin verbindet eine Hassliebe mit der Hertha, und ich will mich an dieser Stelle gar nicht weiter zu diesem Thema äußern, denn wie ich meine kommentarfreudige Berliner Leserschaft kenne, werden die entsprechenden erheiternden bis erhellenden Beiträge im Laufe des Tages an dieser Stelle eintreffen.

Was die Hertha zweifelsohne ist, ist Berlins mit Abstand erfolgreichster Fußballverein (klammern wir den BFC Dynamo bitte mal aus). Die späten 1920er Jahre mit dem unvergleichlichen Hanne Sobek, der 1930, als gegen Holstein Kiel die fünfte Finalniederlage in Folge drohte, das Endspiel quasi im Alleingang in einen 5:4-Sieg verwandelte. Ein Jahr später dann gegen 1860 bereits Titelgewinn Nummer zwei, doch diesmal war die Hertha im Glück, denn Schiedsrichter Fissenewert war seinerzeit sicherlich alles, aber ganz bestimmt kein Löwen-Fan. Seitdem wartet man in Berlin auf Titel Nummer drei, der zuletzt 2008/09 in greifbare Nähe rückte. Wenig später musste Erfolgscoach Lucien Favre gehen und es begannen jene Fahrstuhljahre, von denen man in Berlin hofft, dass sie nun endlich vorbei sind. Auch dabei soll der neue Investor KKR helfen.

Meine persönlichen Verbindungen zur Hertha sind geprägt von den Duellen meiner 05er mit den Berlinern. Stets ein Duell „David gegen Goliath“, und aus Göttinger Sicht gerne mal mit einer gewissen Tragik ausgestattet. Erstes Beispiel: Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1968. 05 ist mit einem 3:0 über die Fritz-Walter-Elf SV Alsenborn gestartet und hat sich in einen regelrechten Rausch gespielt. Göttingen träumt von der Bundesliga, als die Reise zur Hertha geht. An einem Mittwochabend. Während Berlins Profispieler das egal ist, müssen die Göttinger Halbamateure „nebenbei“ in „normalen“ Jobs arbeiten und werden erst am Spieltag in die Metropole an der Spree kutschiert. Wo sagenhafte 80.000 Fans warten. Darunter eine kleine Abordnung Göttinger, von denen ich viele Jahre später mal einige interviewen konnte und ein schönes Stimmungsbild vom Dasein eines Fußballfans aus der Provinz Ende der 60er erhielt. 05 spielte großartig und verteidigte mit stets am Rande des Erlaubten angesiedelten Mitteln, hielt 88 Minuten ein 0:0, kassierte dann das Tor des Tages und konnte sich den Bundesligaaufstieg abschminken. Es war das letzte Mal, dass Göttingen ernsthaft von der Bundesliga träumen durfte.

Ich selber reiste 1980/81 erstmals mit den Schwarz-Gelben zum damaligen Zweitbundesligaspiel nach Berlin, und eigentümlicherweise war es erneut ein Mittwochabendspiel. Unvergessen ist mir die Anreise vom Bahnhof Zoo hinaus zum Olympiastadion, als wir Handvoll Göttinger in der U-Bahn umzingelt waren von den damals gefürchteten „Fröschen“ und nervös nach unseren schwarz-gelben Schals tasteten, damit sie ja nicht aus der Jackentasche lugten. Wir waren chancenlos und verloren 0:4. Und dann natürlich das Pokaljahr 1984, als 05 zunächst die Frankfurter Eintracht aus dem Wettbewerb geworfen hatte und anschließend über die SpVgg Neu-Isenburg in die Runde der letzten 16 eingezogen war. Gegner dort: Hertha BSC. Am Spieltag goss es in Strömen, und ausgerechnet Heinz-Peter Meyn, mein damaliger Lieblingsspieler und 05-Keeper, unterlief ein Fehler zum Tor des Tages. Es war das letzte Mal, dass 05 im DFB-Pokal so weit kam.

Zu einem Pokal- oder gar Ligaspiel zwischen Hertha BSC und Göttingen 05 wird es vermutlich nie wieder kommen. Das wiederum hat nur zum Teil mit dem neuen Investor aus den USA zu tun...

Sonntag, 2. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Belenenses Lissabon


Dieses herrliche Set erwarb ich vor vielen Jahren in einem klitzekleinen Andenkenladen in Lissabon, der versteckt in einer Seitengasse residierte und dessen Einrichtung den Anschein erweckte, als sei sie seit den 1920er Jahren nicht mehr verändert worden. Neben Anstecknadeln all der großen und nicht so großen Klubs Portugals gab es dort von diversen Vereinen auch Porzellangefäße zu erwerben, wobei ich mich - damals noch kein Tassensammler - im Fall von Belenenses aus nostalgischen Gründen für diese niedliche Variante entschied.

Später am Tag folgte ein Ausflug hinaus nach Belém, wo Belenenses seine Heimstatt hat. Nach den vorangegangen Stationen Estádio da Luz (Benfica) und Estádio José Alvalade (Sporting) entpuppte sich der Besuch als ein Trip in die Vergangenheit. Belenenses rustikale Estádio do Restelo versprühte den Charme der 1950er Jahre, und die anwesende Rentner-Kiebitze-Schar, die aufgeregt schwatzend beim Training zusah, passte da perfekt hin. Leider waren (und sind) meine Portugiesisch-Kenntnisse quasi nicht-existent, ansonsten wäre es zweifelsohne zu einem amüsanten und sicher auch lehrreichen Schnack mit den rüstigen Herren gekommen. So aber blieb es beim freundlichen Zunicken und dem gescheiterten Versuch, ein Gespräch auf Englisch oder Französisch zu führen.

Belenenses war bis zum Titeltriumph Boavistas 2001 der einzige Verein abgesehen von Benfica, Sporting und Porto, der in Portugal Landesmeister wurde. 1946 war das, und seitdem ist viel Wasser den Tejo hinabgeflossen. Seit Mitte der 1980er Jahre ist das einstige Stammmitglied der Primeira Divisão sogar zur Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga verkommen und noch tiefer in den Schatten der großen Drei geraten, als man es schon vorher war. Die letzte Trophäe gelangte 1989 in den Trophäenschrank, als sich die „Azúl“ („Blauen“) mit einem 2:1 Finalsieg über Benfica zum dritten Mal den Landespokal sicherten.

Heute ist Belenenses so etwas wie das Gegenstück zur hippen Fußballkultur bei Benfica und Sporting – mit anderen Worten: Belenenses ist Portugals in Ehren gealterter Traditionsverein. Der Klubname steht übrigens frei übersetzt für „aus Belém stammend“. Belém wiederum ist ein wohlhabender Stadtteil von Lissabon, in dem sich neben dem Estádio do Restelo auch zahlreiche Diplomatenhäusern und Botschaften sowie der Präsidentenpalast befinden. Daraus ergibt sich, dass Belenenses als Klub der „besseren Gesellschaft“ gilt, während Benfica als „Volksverein“ und Sporting als „aristokratischer“ Klub bezeichnet werden. Nicht zufällig wird bei Belenenses wohl bis heute der ursprüngliche upper-class-Sport Rugby betrieben, in dem Belenenses übrigens zuletzt 2008 als Landesmeister von Portugal gefeiert wurde.

Samstag, 1. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Preston North End



„Das“ Internet ist toll! Wie sonst hätte ich mit ein paar Mausklicks herausfinden können, dass sich Preston North End und Notts County, die heute Nachmittag in Preston aufeinandertreffen, am 3. November 1888 zum allerersten Mal in einem Ligaspiel gegenüber standen?

7:0 gewann PNE damals in Nottingham, und auch das Rückspiel am 5. Januar 1889 endete mit einem Sieg für den ersten Landesmeister der Fußball-Weltgeschichte. Wenig später besiegelte der Preston North End Football Club dann mit einem 3:0 im FA-Cup-Finale über die Wolverhampton Wanderers auch gleich noch das erste „Double“ der globalen Weltgeschichte.

Preston North End war damit das unumstritten stärkste Team weltweit und wurde nicht umsonst „the Invincibles“ genannt – „die Unbezwingbaren“. Gebildet worden war das Erfolgsteam aus einer wilden Mischung aus lokalen Spielern und schottischen Legionären, die mit ein paar finanziellen Verlockungen in die Textilstadt in Nordengland gelockt worden waren.

1890 wiederholten die „Lilywhites“ ihren Meistertitel-Erfolg, ehe die Siegesserie riss und PNE schon 1901 erstmals aus dem englischen Fußballoberhaus ausschied - PNE war also irgendwie so etwas wie ein "One-Hit-Wonder", auch wenn man tatsächlich zwei Meisterschaften gewann.

Anschließend fast sieben Jahrzehnte zwischen erster und zweiter Liga pendelnd (mit der Zeit stieg allerdings die Zahl der Jahre in der Zweitklassigkeit) ging es 1970/71 erstmals in die dritte Liga. Der sportliche Niedergang war begleitet von dem der lokalen Textilindustrie, der den ganzen Norden Englands erfasst hatte und viele einst blühende Städte in große Schwierigkeiten stürzte.

PNE wurde anschließend zur Fahrstuhlelf zwischen Zweit- und Viertklassigkeit, in der man 1985/86 erstmals auflaufen musste. Der traurige Verfall des Vereins wurde gespiegelt von dem des Stadions Deepdale, das sich Ende der 1980er Jahre, als ich erstmals dort zu Gast war, in einem beklagenswerten Zustand befand.

Heute also kommt es erneut zum Duell zwischen Preston North End und Notts County, jenen beiden ältesten Profivereinen Englands, die beide seit 1888 in der Football League am Ball sind. In einer Gesamtrechnung ist PNE übrigens der vierterfolgreichste Verein Englands seit 1888, während niemand mehr Spiele in der Football League bestritten hat als Notts County. Bedauerlich insofern, dass das heutige Duell nur noch unter "Drittligafußball" firmiert, denn wie PNE hat auch Notts County schwere Zeiten durchgemacht.

Preston erhielt immerhin 2001 das National Football Museum, das in einer Ecke des inzwischen renovierten Stadions Deepdale eingerichtet wurde und mich bei einem Besuch vor einigen Jahren mehr als überzeugte. Seit Juli 2012 aber ist auch das in Manchester ansässig, nachdem es ursprünglich eigentlich ins Wembley Stadium nach London hatte kommen sollen.

Aus Manchester kam derweil 1995 ein Spieler, der in fünf Einsätzen für PNE immerhin zwei Tore schoss und sein großes Talent dabei unter Beweis stellte. Sein Name war David Beckham, der in Deepdale etwas Spielpraxis bekommen sollte.