Mittwoch, 19. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? Reading FC

 
Vor einigen Tagen habe ich mich an dieser Stelle im Zusammenhang mit Gloucester City schon einmal über die Spitzfindigkeiten der englischen Sprache ausgelassen – und im Falle des Reading FC ist das erneut nötig. Analog des Verbs „to read“ könnte man wohl von einer entsprechenden Aussprache irgendwie in Richtung „Rieding“ ausgehen. Statt dessen aber heißt es „Redding“ – und warum das so ist, habe ich trotz einiger Mühe bei der Googlerecherche leider nicht herausfinden können. Gibt es hier (www.facebook.com/hardygruene) möglicherweise kundige Englischsprachler, die für Aufklärung sorgen können?

Ansonsten ist der Reading FC so ein bisschen wie der SC Paderborn, mit dem wir uns gestern an dieser Stelle beschäftigt haben. Ein Klub, der über lange Zeit zwar existierte, aber nicht im Rampenlicht stand, dann von einem Gönner nach oben gebracht wurde, eine mehr oder weniger treue Fanschar aufbaute und in ein hochmodernes Stadion umzog.

Als der 1871 gegründete Reading FC noch ein stinknormaler Klub im unteren Sektor der Football League war, kam die abgebildete Tasse in meine Sammlung. Sie ist eine Sonderedition zu 100 Jahren at Elm Park, einer Spielstätte, die seit 1998 nicht mehr genutzt wird. Sie lag – typisch für das „alte“ England inmitten eines Wohngebietes – also inmitten „des Lebens“. Der junge Nick Horny, der im nahegelegenen Leatherhead aufwuchs, erlebte dort eine seiner frühen Fußballerfahrungen, wie er in „Fever Pitch“ schön anschaulich schreibt. Ich wiederum erinnere mich noch gut an den in einem Nebenraum untergebrachten Souvenirshop, in dem ich die Tasse seinerzeit erstand, und der von heutigen Kommerzzeiten Lichtjahre entfernt zu sein scheint.

Als der Reading FC sich auf den Weg nach oben machte, war der Elm Park nicht mehr tauglich genug und wurde ersetzt vom nagelneuen Madejski Stadium, das 1998 an völlig anderer Stelle eröffnete. Mit der Arena ist eine meiner grandiosesten Fußballerinnerungen verbunden, als die Bristol Rovers dort nämlich am 16. Januar 1999 vor unter anderem meinen Augen als einer der ersten Gästemannschaften gleich mit 6:0 gewannen. Später trennten sich die Wege der Pirates und der „Royals“ (= Reading FC), die von einem erfolgreichen Geschäftsmann mit reichlich Geld und Ehrgeiz ausgestattet wurden und 2006 den Sprung in die Premiere League schafften, in der sie bis 2008 am Ball waren. 2012/13 durfte man in der 150.000-Einwohnerstadt, die für viele London-Pendler eine Heimat ist, erneut Erstligafußball genießen.

Der Reading FC war lange Zeit mit dem Keksfabrikanten Huntley & Palmers verbunden, weshalb man den Klub auch „The Biscuitmen“ nannte. Als die Keksfabrik verschwand, wurde er in den 1970er Jahren zu „The Royals“ – Reading liegt in der Grafschaft Royal Berkshire. 1920 in die Football League aufgenommen, tingelten die „Keksmänner“ über Jahrzehnte beschaulich zwischen zweiter und vierter Liga. 1995 verpassten die nunmehrigen Royals als Vizemeister der First Division erstmals den Sprung in die Premiere League, als sie in der Relegation den Bolton Wanderers unterlagen. 2006 gelang der Klassensprung schließlich mit eindrucksvollen zwei Saisonniederlagen, und im ersten Erstligajahr seiner Geschichte verpasste Reading 2006/07 sogar nur knapp einen UEFA-Cup-Platz, ehe es im Folgejahr zurück in die Championship ging.

Zu verdanken war der sportliche Aufschwung vor allem John Robert Madejski, einem Geschäftsmann mit polnischen Wurzeln, der das erfolgreiche Autoanzeigenmagazin „Auto Trader“ ins Leben gerufen hatte und dessen Vermögen 2009 auf 250 Mio. Pfund geschätzt wurde. Madejski hatte 1990 den seinerzeit vor dem Konkurs stehenden Reading FC übernommen, ihn gerettet und anschließend mit dem Bau des nach ihm benannten Stadiums unmittelbar an der Autobahn A4 den Aufschwung eingeleitet. 2012 gab er die Hauptanteile des Klubs an ein russischen Konsortium weiter, unter dem nun die erneute Rückkehr in die Premier League glücken soll.

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