Es mag unglaublich klingen, doch in der großen weiten Fußballwelt dürfte Hertha Zehlendorf manchenorts auf einer Bekanntheitsstufe mit dem FC Bayern München stehen. Die „kleine Hertha“ ist nicht nur eine der größten und erfolgreichsten Nachwuchswiegen im deutschen Fußball (bisweilen waren über 70 Mannschaften im Spielbetrieb!), sondern zählt auch zu den engagiertesten Förderern und Botschaftern des deutschen Fußballs in der ganzen Welt. Es dürfte kaum ein Land auf der Welt geben, wo noch keine Mannschaft von Hertha Zehlendorf angetreten ist, und der Eindruck, den die selbsternannten „sportlichen Botschafter“ dabei hinterließen, ist für gewöhnlich makellos. Auch die Liste späterer Bundesligaspieler, die der Deutsche A-Jugendmeister von 1970 und B-Jugendmeister von 1988 hervorgebracht hat, ist bemerkenswert. Auf ihr stehen Größen wie Helmut Faeder, Volkmar Groß, Uwe Kliemann (der als Jugendlicher aus Lichterfelde kam), Wolfgang Sühnholz, Norbert Stolzenburg, Christian Sackewitz, Karsten Bäron, die Brüder Niko und Robert Kovac, Thorben Marx, Malik Fathi, Sejad Salihovic und natürlich Pierre Littbarski, ein Spieler, der Hertha Zehlendorf viel Ruhm eingebracht hat. Seine Nachwuchsarbeit hat dem über Jahrzehnte von Otto Höhne angeführten Verein auch im Seniorenbereich eine führende Position im Berliner Spitzenfußball eingebracht. Von 1953 bis 1963 gehörte Hertha Zehlendorf mit Ausnahme einer Saison zu den Stammmitgliedern der Oberliga Berlin, und aus der Regionalliga Berlin schied man erst aus, als die Klasse 1974 aufgelöst wurde. Höhepunkte waren die Teilnahmen an der Bundesliga-Aufstiegsrunde 1969 und 1970, in der der Verein freilich an seine Grenzen stieß. So gern man in Zehlendorf das „Abenteuer Bundesliga“ gewagt hätte (und Talente wie Kliemann und Sühnholz hätten es sportlich durchaus erlaubt), so risikoreich wäre das Unterfangen auch gewesen. Letztendlich klappte es sportlich in beiden Anläufen nicht, und 1979 scheiterten die Zehlendorfer in der Relegation zur 2. Bundesliga-Nord nur knapp am OSC Bremerhaven. Anschließend gehörten die Blau-Weißen mehr als ein Jahrzehnt zu den Spitzenteams der höchsten Berliner Amateurliga, erreichten 1991 problemlos die Amateuroberliga Nordost und qualifizierten sich 1994 auch für die eingleisige Regionalliga Nordost. Dort gestaltete sich der Alltag ein weniger schwieriger, und 1998 musste Hertha 03 zum ersten Mal seit 1954 wieder aus einer Spielklasse absteigen. 2000 wurde der in der Oberliga von seinen Fans verlassene Klub in die Verbandsliga (heute Berlin-Liga) durchgereicht. Zudem kam es zu wirtschaftlichen Turbulenzen, da man sich 2003 bei den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag übernommen hatte und eine happige Nachzahlungsforderung der Berufsgenossenschaft aus Regionalligatagen eingetrudelt war. Hertha Zehlendorf ist bis heute ein besonderer Verein. 60 Prozent des Etats gehen in die Jugend, nur 20 Prozent werden für die 1. Herren aufgewendet. Während dort selten mehr als 80 Zuschauer auftauchen, lockt die B-Jugend-Bundesliga locker das Dreifache an. Für sein vielfältiges Engagement und seine erfolgreiche Arbeit hat der Klub unzählige Ehrungen erhalten und steht mit seinem Motto „Die Jugend ist unsere Zukunft!“ unverändert zu seinen Prinzipien, die ihn seit über einem halben Jahrhundert auszeichnen. Hertha Zehlendorf ist zweifelsohne einer der ganz Großen im Lande – auch wenn er spielklassentechnisch eher klein geworden ist.
Dieser Artikel stammt aus dem "großen Buch der Deutschen Fußballvereine"
(Agon Sportverlag, ISBN: 3-89784-3622, 528 Seiten, Hardcover, 39,90 €)
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