Donnerstag, 14. Oktober 2010

K.o. eines Schiedsrichters

Heute vor 30 Jahren, am 14. Oktober 1980, schrieb Schiedsrichter Max Klauser aus Vaterstetten unfreiwillig Bundesligageschichte: Klauser wurde beim Spiel zwischen dem karlsruher SC und Borussia Mönchengladbach von einem Querschläger des Bielefelder Verteidigers Ulrich Büscher getroffen und ging als erster Schiedsrichter in der Bundesligahistorie k.o.

Schiedsrichter sind bekanntlich dann am besten, wenn man sich nicht an sie erinnert. Wenn sie sozusagen „unsichtbar“ bleiben, und das Spiel mit souveräner Hand aber ohne viel Aufsehen souverän über die Bühne bringen. Dass gelingt freilich nicht immer, und in der Bundesligageschichte gibt es einen ganzen Reigen kurioser Vorfälle um Schiedsrichter, deren Auftritte mehr Wirbel als gewünscht verursachten. Berühmtestes Beispiel dürfte Wolf-Dieter Ahlenfelder sein, der am 8. November 1975 bei der Begegnung Werder Bremen gegen Hannover 96 schon nach 30 Minuten zur Halbzeit pfiff. Dass der damals 31-Jährige in seinem sechsten Bundesligaspiel ein wenig über den Durst getrunken hatte, kommentierte er bissig mit: „Wir sind doch Männer. Da sind doch wohl zum Mittagessen ein Bier und ein Malteser erlaubt. Betrunken war ich jedenfalls nicht“.
Wie ein Betrunkener zu Boden ging derweil fünf Jahre später sein stocknüchterner Schiedsrichterkollege Max Klauser, den beim Spiel zwischen dem Karlsruher SC und Arminia Bielefeld ein Querschläger frontal am Kopf erwischte. Es war der erste K.O. in der Bundesligageschichte.
69 Minuten hatte die Partie im Karlsruher Wildparkstadion im sportlichen Duell zweier Neulinge gestanden, die sich nichts geschenkt hatten. 1:1 stand es, als der eingewechselte Bielefelder Ulrich Büscher auf der linken Seite von einer Horde Karlsruher umringt und eingekreist wurde. Nicht wissend, wohin mit dem Leder, drosch Büscher es mit voller Wucht aus der Gefahrenzone. Dummerweise befand sich Schiedsrichter Max Klauser aus Vaterstetten dabei mitten in der Flugbahn. „Ich stand etwa sieben Meter entfernt und wollte gerade ein Stück nach hinten ausweichen, um Büscher nicht in die Quere zu kommen“, erinnerte sich der Unparteiische später gegenüber dem Magazin „11 Freunde“: Aber der erwischte den Ball nicht richtig und produzierte einen fulminanten Querschläger. Der Ball raste auf mich zu wie ein Komet, ich hatte keine Chance mehr: Er traf mich mit voller Wucht am Kopf, seitlich an der Schläfe - ein klassischer Knock-out. Ich kippte nach hinten um und war sofort bewusstlos. Erst später im Fernsehen sah ich, dass ich, beide Arme steif nach vorn ausgestreckt, in einer Abpfiff-Geste eingefroren war. Und das, obwohl ich gar keine Zeit mehr gehabt hatte, mir etwas dergleichen zu überlegen.“
Ein erschreckendes Bild, das auch im Zeitalter der noch verhältnismäßig unaufgeregten Bundesligaberichterstattung à la „Sportschau“ Entsetzen auslöste. Wahlweise zeichnete man Bilder von einem „gefällten Baum“ oder einem, der „umfällt wie ein Zinnsoldat“, während den Beteiligten der Schrecken im Gesicht stand. Zumal sich Klauser zunächst nicht rührte und regungslos auf dem Spielfeld liegen blieb. „Ich dachte, er hat einen Schädelbruch. Ich sah nur noch das Weiße in seinen Augen“, bekannte Ulrich Büscher, von dem das Geschoss gekommen war. Erst nach einigen Sekunden erlangte der Unparteiische sein Bewusstsein wieder. „Mir wurde aufgeholfen, und ich sagte sofort, beinahe mechanisch: ‚Es geht schon wieder, es geht schon wieder!’ Ich wollte unbedingt weiter pfeifen - man ist ja schließlich pflichtbewusst! Aber die medizinischen Hilfskräfte ließen mich nicht.“
Zu Recht, denn während Linienrichter Dölfel die Spielführung übernahm, wurde Klauser in die Kabine geführt, wo er erneut ohnmächtig wurde. „Vom Transport in die Universitätsklinik bekam ich schon nichts mehr mit. Die behandelnden Ärzte befürchteten zunächst einen Schädelbruch, am Ende war es aber nur eine Gehirnerschütterung. Zwei Tage musste ich trotzdem dort bleiben und wurde an allerlei Kanülen und Schläuche angeschlossen“, erinnerte sich der Unparteiische.
Kaum genesen, wurde Klauser zum Medienstar. Im „Aktuellen Sportstudio“ wurde die Szene noch einmal genüsslich analysiert, und da es Klauser inzwischen deutlich besser ging, durfte auch schon wieder gelacht werde. Der Unparteiische aus Vaterstetten kämpfte dabei auch in eigener Sache, „denn nur weil ich in der Sendung einen recht guten Eindruck gemacht hatte, ließ mich der DFB 14 Tage später das große Derby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln pfeifen. In diesem Spiel habe ich mich wieder ganz normal gefühlt und auch überhaupt keine Angst vorm Ball gehabt.“
Ein Nachspiel hatte die Geschichte dann aber doch, denn zwei Wochen später trudelte bei Unglücksrabe Büscher ein Schreiben von Klausers Krankenkasse ein, die von dem Bielefelder Abwehrspieler 60.000 DM Behandlungskosten einforderte. Büscher, der sich längst bei Klauser entschuldigt hatte, schrieb daraufhin einen wütenden Brief an den nichtsahnenden Schiedsrichter, der wiederum aus allen Wolken fiel und sich sofort mit seiner Kasse in Verbindung setze. Mit gutem Ende, denn „das Verfahren wurde eingestellt, es war keine Absicht“.

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