Montag, 24. Dezember 2012
Donnerstag, 20. Dezember 2012
Insolvenzticker: Schwarz-Weiß Essen
Der nächste bitte: Mit dem Essener Turnerbund Schwarz-Weiß hat am gestrigen Mittwoch erneut ein Traditionsverein einen Insolvenzantrag gestellt. Bis zuletzt hoffte man am Uhlenkrug, dass ein Sponsor die zur Abwendung nötigen 50.000 Euro als Darlehen zur Verfügung stellen würde. Vor der Jahreshauptversammlung des Klubs am gestrigen Abend wurde das Scheitern dieser Pläne bekannt.
"Reviersport" zitierte Aufsichtsratsvorsitzenden Georg von Wick: „Bis 14 Uhr hat es so ausgesehen, dass unser auf vier Bausteine basierendes Sanierungskonzept auf einem guten Weg ist. Mit einem Anruf wurde uns der komplette Wind aus den Segeln genommen. Das ist bitter.“
Der ETB stand in den letzten Jahren immer wieder vor wirtschaftlichen und auch internen Problemen. Die Zuschauerzahlen gingen weiter zurück, und aus dem erhofften Sprung in die Regionalliga wurde nichts. In einem Interview mit "Reviersport" stellte das ehemalige Aufsichtsratmitglied Klaus Imort seine Sicht der Dinge dar:
Der ETB stand in den letzten Jahren immer wieder vor wirtschaftlichen und auch internen Problemen. Die Zuschauerzahlen gingen weiter zurück, und aus dem erhofften Sprung in die Regionalliga wurde nichts. In einem Interview mit "Reviersport" stellte das ehemalige Aufsichtsratmitglied Klaus Imort seine Sicht der Dinge dar:
Wie es nun am traditionsreichen Uhlenkrug weitergeht, wird sich in den nächsten Tagen klären. Der Oberligist wird versuchen, die Rückrunde durchzuspielen, um 2013/14 einen Neustart in der Landesliga nehmen zu können. Präsident Manfred Kuhmichel sprach auf der gestrigen JHV von einer "Chance, die hinter jeder Insolvenz steckt".
Dabei dient sicher auch Stadtrivale Rot-Weiss Essen als Vorbild, der sich nach einem Insolvenzverfahren völlig neu aufgestellt hat.
Von der Insolvenz ist im Übrigen nur die Fußballsektion des Großvereins und Pokalsiegers von 1959 betroffen.
Weitere Infos:
http://www.etb-fussball.com/?p=1420
http://www.derwesten.de/sport/lokalsport/essen/etb-blickt-in-ungewisse-zukunft-id7385120.html
Weitere Infos:
http://www.etb-fussball.com/?p=1420
http://www.derwesten.de/sport/lokalsport/essen/etb-blickt-in-ungewisse-zukunft-id7385120.html
Mittwoch, 19. Dezember 2012
Insolvenzticker: Bröndby IF
Berichten dänischer Medien zufolge plagen den zehnfachen Landesmeister Bröndby IF akute finanzielle Probleme. Demnach ist der Klub, gegenwärtig Tabellenletzter der Superliga, seit Monaten mit der Zahlung der Gehälter in Rückstand und hat seinen Angestellten angekündigt, dass auch die Dezember-Gehälter gefährdet seien.
"Sport.dk" zufolge belaufen sich die offenen Zahlungen auf 3,4 Mio Kronen (rund 4,5 Mio. Euro). Während dänische Medien bereits über eine bevorstehende Insolvenz spekulieren kündigte die Klubführung an, die Krise durch die Ausschüttung frischer Aktien zu beenden.
Weitere Infos (auf Dänisch):
http://ekstrabladet.dk/sport/fodbold/dansk_fodbold/superligaen/broendby/article1886623.ece
http://jyllands-posten.dk/sport/fodbold/superliga/brondby/article4953760.ece
"Sport.dk" zufolge belaufen sich die offenen Zahlungen auf 3,4 Mio Kronen (rund 4,5 Mio. Euro). Während dänische Medien bereits über eine bevorstehende Insolvenz spekulieren kündigte die Klubführung an, die Krise durch die Ausschüttung frischer Aktien zu beenden.
Weitere Infos (auf Dänisch):
http://ekstrabladet.dk/sport/fodbold/dansk_fodbold/superligaen/broendby/article1886623.ece
http://jyllands-posten.dk/sport/fodbold/superliga/brondby/article4953760.ece
Dienstag, 18. Dezember 2012
Insolvenzticker: VfB Lübeck
Für den früheren Zweitligisten VfB Lübeck scheint es keinen Ausweg aus der finanziellen Misere zu geben. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht unmittelbar bevor, womit die Grün-Weißen aller Voraussicht nach automatisch erster Absteiger aus der Regionalliga Nord sind.
Noch hoffen die Verantwortlichen auf der Lohmühle allerdings, den Sturz in die Schleswig-Holstein-Liga verhindern zu können und bauen dabei auf unklare Statuten des NFV:
http://www.ln-online.de/lokales/luebeck/3635423/trotz-insolvenz-vfb-hofft-noch-auf-ein-hintertuerchen
Im Raum steht sogar die Liquidation des 1945 als gemeinsamer Nachfolger des Arbeitersportvereins BSV Vorwärts sowie der SpVgg Polizei gegründeten Vereins. Bis zum Saisonende benötigt der Verein mindestens 240.000 Euro, um eine "geordnete Insolvenz" zu erreichen, wie Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Scholze gegenüber den "Lübecker Nachtrichten" mitteilte. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zeigte sich gegenüber den "LN" vorsichtig optimistisch: „Wenn ich überhaupt keine Möglichkeiten mehr sehen würde, dann wäre ich nicht mehr aktiv und würde nicht nach Lösungen suchen“.
Inzwischen wurden Trainer Ramazan Yildirim und Sportmanager Jürgen Popp von ihren Aufgaben entbunden. Die Gehälter der 22 Spieler werden drastisch gekürzt, während Kapitän Oualid Mokhtari, Salih Altin, „Momo“ Diabang sowie Yakub Ramazan Zorlu den Klub verlassen werden. Auf einem "Retterkonto" haben VfB-Anhänger derweil 14.000 Eruo gesammelt, die aber erst frei werden, wenn das Insolvenzverfahren geordnet über die Bühne gehen kann. Zudem hat der Unternehmer Björn Birr von Bismarck angekündigt, eine sechsstellige Summe in den Verein zu investieren.
Weitere Infos:
http://blog-trifft-ball.de/blog/2012/09/vfb-am-boden-die-insolvenz-chronologie/
Noch hoffen die Verantwortlichen auf der Lohmühle allerdings, den Sturz in die Schleswig-Holstein-Liga verhindern zu können und bauen dabei auf unklare Statuten des NFV:
http://www.ln-online.de/lokales/luebeck/3635423/trotz-insolvenz-vfb-hofft-noch-auf-ein-hintertuerchen
Im Raum steht sogar die Liquidation des 1945 als gemeinsamer Nachfolger des Arbeitersportvereins BSV Vorwärts sowie der SpVgg Polizei gegründeten Vereins. Bis zum Saisonende benötigt der Verein mindestens 240.000 Euro, um eine "geordnete Insolvenz" zu erreichen, wie Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Scholze gegenüber den "Lübecker Nachtrichten" mitteilte. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zeigte sich gegenüber den "LN" vorsichtig optimistisch: „Wenn ich überhaupt keine Möglichkeiten mehr sehen würde, dann wäre ich nicht mehr aktiv und würde nicht nach Lösungen suchen“.
Inzwischen wurden Trainer Ramazan Yildirim und Sportmanager Jürgen Popp von ihren Aufgaben entbunden. Die Gehälter der 22 Spieler werden drastisch gekürzt, während Kapitän Oualid Mokhtari, Salih Altin, „Momo“ Diabang sowie Yakub Ramazan Zorlu den Klub verlassen werden. Auf einem "Retterkonto" haben VfB-Anhänger derweil 14.000 Eruo gesammelt, die aber erst frei werden, wenn das Insolvenzverfahren geordnet über die Bühne gehen kann. Zudem hat der Unternehmer Björn Birr von Bismarck angekündigt, eine sechsstellige Summe in den Verein zu investieren.
Weitere Infos:
http://blog-trifft-ball.de/blog/2012/09/vfb-am-boden-die-insolvenz-chronologie/
Freitag, 14. Dezember 2012
Insolvenzticker: Schwarz-Weiß Essen
Mit dem ETB Schwarz-Weiß steht ein weiterer Traditionsverein vor dem finanziellen Aus. Der Klub aus dem Essener Süden ist Medienberichten zufolge mit den Gehälterzahlungen seiner Spieler in Rückstand und sucht händeringend nach weiteren Sponsoren bzw. Unterstützern.
Der Pokalsieger von 1959 ist inzwischen bis in die Oberliga Nordhrein (5. Liga) abgerutscht und steht seit langem im Schatten von Stadtrivale RWE. Mit dem FC Kray spielt inzwischen noch ein weiterer Klub eine Klasse über den Schwarz-Weißen vom Uhlenkrug.
Das Fachblatt "Reviersport" spekulierte in seiner gestrigen Ausgabe sogar über eine drohende Insolvenz des Vereins: http://www.reviersport.de/217224---etb-frage-insolvenz-weiter-offen.html
Der Pokalsieger von 1959 ist inzwischen bis in die Oberliga Nordhrein (5. Liga) abgerutscht und steht seit langem im Schatten von Stadtrivale RWE. Mit dem FC Kray spielt inzwischen noch ein weiterer Klub eine Klasse über den Schwarz-Weißen vom Uhlenkrug.
Das Fachblatt "Reviersport" spekulierte in seiner gestrigen Ausgabe sogar über eine drohende Insolvenz des Vereins: http://www.reviersport.de/217224---etb-frage-insolvenz-weiter-offen.html
Dienstag, 11. Dezember 2012
Buchpräsentation: Die Löwen/München 1860
Am Mittwoch, den 12. Dezember findet in der Gaststätte "Substanz" in München (Rupperstraße 28) die Präsentation von "Die Löwen. Fußballgeschichte des TSV München 1860" statt. Los geht es um 20 Uhr. Moderiert wird der Abend von Achim Bogdahn, und wir werden ein illustres Ensemble an Löwen- und Fußballexperten am Start haben. Ich bin natürlich mit dabei!
Insolvenzticker: AGOVV Apeldoorn
In den Niederlanden steht Zweitligist AGOVV Apeldoorn finanziell mit dem Rücken zur Wand. Auf 400.000 Euro beläuft sich die Schuldenlast des früheren Klubs von Schalke-Torjäger Klaas-Jan Huntelaar. Die Spieler werden derzeit nicht bezahlt, und den Blau-Weißen droht aktuell der Konkurs und die Auflösung.
Größter Erfolg des 1913 gegründeten Klubs war das Erreichen der niederländischen Pokalfinales 1938. 1971 ins Amateurlager degradiert kehrte AGOVV ("Alleen Gezamenlijk Oefenen
Voert Verder", "Nur gemeinsam trainieren führt weiter") erst 2003 in die zweitklassige Eerste Divisie zurück und entwickelte anschließend Ambitionen auf den Aufstieg in die Ehrendivision.
Apeldoorns Stadion Sportpark Berg en Bos gilt als eines der schönsten in den Niederlanden. Anwohnerproteste haben eine notwendige Sanierung aber auch immer wieder verhindert.
Weitere Infos: http://nos.nl/artikel/449413-faillissement-dreigt-voor-agovv.html
Größter Erfolg des 1913 gegründeten Klubs war das Erreichen der niederländischen Pokalfinales 1938. 1971 ins Amateurlager degradiert kehrte AGOVV ("Alleen Gezamenlijk Oefenen
Voert Verder", "Nur gemeinsam trainieren führt weiter") erst 2003 in die zweitklassige Eerste Divisie zurück und entwickelte anschließend Ambitionen auf den Aufstieg in die Ehrendivision.
Apeldoorns Stadion Sportpark Berg en Bos gilt als eines der schönsten in den Niederlanden. Anwohnerproteste haben eine notwendige Sanierung aber auch immer wieder verhindert.
Weitere Infos: http://nos.nl/artikel/449413-faillissement-dreigt-voor-agovv.html
Donnerstag, 6. Dezember 2012
Insolvenzticker: Wuppertaler SV
Der Wuppertaler SV war mit hohen Erwartungen und Zielen in die Saison 2012/13 in der Regionalliga West gegangen. Nachdem diese nun sowohl sportlich (13 Punkte Rückstand auf Platz 1) als auch finanziell (725 Zuschauer gegen den SC Verl waren neuer Minusrekord) verfehlt zu werden drohen, hat Klubchef und Finanzier Runge die Mannschaft öffentlich massiv unter Druck gesetzt.
Er forderte eine engagiertere Leistung und sprach davon, dass er einen Rückzug aus der Regionalliga zum Saisonende erwäge, sollte der Aufstieg in die 3. Liga in der Rückrunde nicht doch noch realisiert werden.
Um den WSV gab es in den letzten Jahren wiederholt vergleichbare Gerüchte, die sich häufig auch um die Person des umstrittenen Präsidenten drehten. Einmal hieß es, es sei ein "Bergischer FC" mit dem FC Remscheid und Union Solingen geplant, dann war die Rede von einem Ausstieg des zahlungskräftigen Präsidenten, ohne den der Wuppertaler SV gegenwärtig vermutlich keine Überlebenschance im Regionalligafußball haben würde.
Dementsprechend löste die Meldung in WSV-Fankreisen zunächst Zurückhaltung aus. Ob sie lediglich eine Warnung an die Mannschaft ist (deren Mitglieder nach Runges Aussage zur Winterpause um ihre Freigabe bitten können) oder aber einen ernsthaften Hintergrund hat, wird sich wohl erst im Verlauf der Rückrunde herausstellen.
Der WSV versucht seit Jahren, mit hohem finanziellen Aufwand in die 3. Liga zurückzukehren.
Weitere Infos:
http://www.reviersport.de/216519---wsv-aufstieg-oder-regionalliga-rueckzug.html
http://www.wuppertalersv.com/aktuelles-termine/news/pressespiegel/85-artikel/3424-profifussball-wsv-erwaegt-rueckzug-aus-der-regionalliga
Er forderte eine engagiertere Leistung und sprach davon, dass er einen Rückzug aus der Regionalliga zum Saisonende erwäge, sollte der Aufstieg in die 3. Liga in der Rückrunde nicht doch noch realisiert werden.
Um den WSV gab es in den letzten Jahren wiederholt vergleichbare Gerüchte, die sich häufig auch um die Person des umstrittenen Präsidenten drehten. Einmal hieß es, es sei ein "Bergischer FC" mit dem FC Remscheid und Union Solingen geplant, dann war die Rede von einem Ausstieg des zahlungskräftigen Präsidenten, ohne den der Wuppertaler SV gegenwärtig vermutlich keine Überlebenschance im Regionalligafußball haben würde.
Dementsprechend löste die Meldung in WSV-Fankreisen zunächst Zurückhaltung aus. Ob sie lediglich eine Warnung an die Mannschaft ist (deren Mitglieder nach Runges Aussage zur Winterpause um ihre Freigabe bitten können) oder aber einen ernsthaften Hintergrund hat, wird sich wohl erst im Verlauf der Rückrunde herausstellen.
Der WSV versucht seit Jahren, mit hohem finanziellen Aufwand in die 3. Liga zurückzukehren.
Weitere Infos:
http://www.reviersport.de/216519---wsv-aufstieg-oder-regionalliga-rueckzug.html
http://www.wuppertalersv.com/aktuelles-termine/news/pressespiegel/85-artikel/3424-profifussball-wsv-erwaegt-rueckzug-aus-der-regionalliga
Freitag, 23. November 2012
Insolvenzticker: Wiedergründung 1. SC Göttingen 05
Der 1. SC Göttingen 05 hatte 2001 in zwei Relegationsspielen gegen Holstein Kiel (0:2, 3:0) die Regionalliga Nord erreicht, konnte aber aufsteigen, weil eine Bürgschaft nicht aufgebracht wurde. Im September 2003 schied der inzwischen in die 5. Liga abgestiegene Verein aus dem laufenden Spielbetrieb aus. Zuvor hatte die Jugendabteilung mit dem 1. FC Göttingen 05 einen Auffangverein gegründet, dem sich nach dem Aus des 1. SC 05 auch die Fanszene der Schwarz-Gelben anschloss. Es wurde eine Fusion mit dem langjährigen Jugendkooperationspartner RSV Geismar (Geismar ist ein Stadtteil von Göttingen) vereinbart, der 2005 zum RSV Göttingen 05 führte.
Der RSV 05 wird in der Zukunft als Dachverein eines Gebildes fungieren, das auf drei Säulen ruht: 1. SC 05 als Leistungsfußballabteilung mit dem Ziel, 2015 in der Regionalliga aufzusteigen, der bereits seit zwei Jahren bestehende Jugendfußballverein (JFV) als Förderer des Leistungsfußball im Jugendbereich und RSV 05 als Dachverein sowie Träger der zweiten und dritten Mannschaft, der Frauenmannschaft und der restlichen Jugendmannschaften.
Eine ausführliche Geschichte des RSV 05 bzw. des alten 1. SC 05 gibt es hier: http://alteherrenultras.wordpress.com/rsv-gottingen-05/
Montag, 19. November 2012
Al-Ahly neuer Afrikameister
Anlässlich des Erfolges von Al-Ahly Kairo im Endspiel der afrikanischen Champions League über Esperance Tunis mal wieder ein kleiner Ausflug nach Afrika.
Nachstehend das Porträt über Ägyptens erfolgreichsten Klub aus dem zweiten Band meiner 2009 erschienenen Weltfußball-Enzyklopädie (http://www.hardy-gruene.de/buecher/weltenzyklopaedie.htm).
Afrikas schillernder Fußballkönig, der 2000 zum Jahrhundertklub des Kontinents gekürt wurde. Schon die schiere Auflistung der Erfolge ist beeindruckend.
National errang Al-Ahly 33 Meisterschaften und 35 Pokalsiege. International gewann man sechsmal die Kontinentalmeisterschaft und viermal den Pokal der Pokalsieger, zu denen sich vier afrikanische Superpokalerfolge gesellen. 2006 erhielt Al-Ahly zudem als erster afrikanischer Klub eine Medaille bei der FIFA-Klub-WM (Bronze). Die Anhängerschaft des zu den größten und legendärsten Vereinen der Welt zählenden Klubs wird auf 40 Mio. geschätzt. Im arabischen Raum unumstrittene Nummer eins, nimmt Al-Ahly in Ägypten den Status eines Heiligtums ein. Das verdankt der Großverein mit mehr als 40.000 Mitgliedern und einer Vielzahl von Sparten auch seiner klaren politischen Positionierung, die bereits der Klubname Al-Ahly (»Volk« im Sinne von Nation) ausdrückt.
Obwohl erst 1907 gegründet, liegen Al-Ahlys Wurzeln im Jahr 1905, als der Student Omar Bey Lotfi einen Studentenverein installierte. Am 24. April 1907 wurde daraus der im Süden des auf der Nil-Insel Gezira gelegenen Kairoer Stadtteils Zamalek ansässige Sportverein Al-Ahly. Das britische Protektorat, unter dem Ägypten seinerzeit stand, hatte zur Entstehung einer Nationalbewegung geführt, zu der auch die Vereinsgründer um den ägyptischen Nationalhelden Saad Zaghloul gehörten. Sie gaben ihrem Klub das Rot der ägyptischen Flagge und schufen ein Wappen, das den königlichen Adler sowie die Königskrone aufwies.
Während Al-Ahly damit zum Aushängeschild der Nationalisten wurde, stieg die 1911 gebildete Fußballabteilung binnen kurzem zum populärsten und größten Verein in Kairo bzw. Ägypten auf. Ärgster Rivale war der gleichfalls in Zamalek ansässige liberale Klub Al-Mokhtalat (»International«), der seit 1952 Zamalek heißt. Während Al-Ahly vornehmlich die Mittelschicht und die Arbeiter erreicht, wird Zamalek der Aristokratie zugeordnet. Sowohl in der Zahl seiner Erfolge als auch in der Popularität rangiert Al-Ahly allerdings mit deutlichem Vorsprung vor dem Erzrivalen. Schätzungen zufolge bekennen sich rund 70 Prozent aller ägyptischen Fußballfans zu Al-Ahly. Wiederholt mussten deshalb zu entscheidenden Spielen ausländische Schiedsrichter eingeflogen werden, da es schwierig war, in Ägypten Al-Ahly gegenüber neutrale Unparteiische zu finden.
Der Klub hat in seiner Geschichte zahlreiche herausragende Spieler hervorgebracht. So bestand die in den 1920er Jahren erfolgreiche ägyptische Olympiamannschaft zum Großteil aus Al-Ahly-Akteuren, während man 1934 bei der WM in Italien u.a. von Ausnahmestürmer »Mokhtar« El-Titch vertreten wurde. Als 1949 Ägyptens Fußball-Nationalliga eingeführt wurde, schwang sich Al-Ahly zur dominierenden Kraft auf und gewann bis 1989 insgesamt 22 von 33 ausgespielten Titeln.
Die Dominanz war nicht zuletzt der Nähe zur jeweiligen Landesfühung zu verdanken. Nach dem Sturz der Monarchie bekannte sich auch Ägyptens Präsident Nasser zu dem Fußball spielenden Nationalheiligtum und wurde von jenem zum Ehrenmitglied ernannt. Nachdem der Klub in den 1960er und 1970er Jahren, angeführt von der Vereinslegende Saleh Selim und trainiert u. a. von Nandor Hidegkuti und Ferenc Puskás, national weiterhin von Erfolg zu Erfolg geeilt war, eroberte er in den 1980er Jahren schließlich auch die internationale Bühne. 1982, 1983 und 1987 erreichten die »Red Devils« jeweils das Endspiel um die Kontinentalmeisterschaft, das sie 1982 (gegen Asante Kotoko aus Ghana) und 1987 (gegen Al-Hilal aus Sudan) jeweils für sich entschieden, während sie 1983 an Asante Kotoko scheiterten. Zudem ging der Klub von 1984-86 im kontinentalen Pokalsiegerwettbewerb dreimal in Folge als Sieger hervor.
Im Gegensatz zur Konkurrenz setzte Al-Ahly dabei vornehmlich (aber nicht ausschließlich) auf ägyptische Spieler und folgte damit seinem Ruf als »Nationalverein«. Nach einer längeren Durststrecke sicherte sich 1993 eine von den Nationalspielern Hani Ramzi, Hossam Hassan, Ibrahim Hassan und Magdi Abdul-Ghani geprägte Elf zum vierten Mal die afrikanische Pokalsiegertrophäe. 2000 zu Afrikas »Jahrhundertklub« gekürt, konnte die große Fangemeinde (»Ahly Lovers Union«, »ALU«) 2001, 2005, 2006 und 2008 vier weitere Male die Kontinentalmeisterschaft bejubeln.
Mit sechs Titeln ist Al-Ahly damit Afrikas Rekordmeister. Ohnehin ist der Klub eigentlich nur in Superlativen zu beschreiben und nimmt vor allem im arabischen Raum eine herausragende Bedeutung ein. Mit dem Mokhtar-El-Titch-Stadion verfügt er zudem über ein höchsten Ansprüchen genügendes Trainings- und Vereinszentrum. Seine Spiele bestreitet Al-Ahly allerdings ebenso wie Erzrivale Zamalek im Cairo International Stadium von Nasserstadt. [24.4.1907 | Cairo International (74.100) | 33 | 35]
Freitag, 16. November 2012
Insolvenzticker: TSV Straubing
Der Herbst ist da, die Vereine kommen in verstärkte Probleme. Da läuft der Insolvenzticker mal wieder auf Hochtouren. Heute trudeln die Problemmeldungen geradezu im Stundentakt ein. Alemannia Aachen hat einen Antrag gestellt, beim MSV Duisburg und Rot-Weiß Oberhausen sieht es düster aus, Concordia Hamburg wird in einer Fusion verschwinden und in der Eishockeyhochburg Straubing meldet ein weiterer Traditionsklub "zahlungsunfähig".
Der schon seit 2009 nur noch auf Kreisebene spielende Ex-Zweitligist (1950-61) hat bereits am vergangenen Dienstag einen Antrag auf Insolvenz beim Antsgericht gestellt. Darüber entschieden wird allerdings erst im kommenden Jahr. Hier weitere Infos: http://www.fupa.net/berichte/tsv-straubing-stellt-insolvenzantrag-40017.html
Und auch hier der Beitrag über den Klub aus dem "Großen Buch der Deutschen Fußballvereine" (2009, Agon Sportverlag)
Straubing gilt zwar als Eishockeyhochburg, hat aber auch im Fußball ein paar Zeichen setzen können. In den 1930er und 1940er Jahren bemühte sich der damalige 1. FC Straubing lange Zeit vergeblich um den Aufstieg in die Gauliga, die er erst erreichte, als der Krieg 1944 den Spielfeld schon fest im Griff hatte.
Nachfolgeverein TSV Straubing gehörte 1950 zu den Gründungsmitgliedern der 2. Liga Süd, der die Weißblauen bis 1961 ohne Unterbrechung angehörten. 1951/52 und 1954/55 gelangen ihnen jeweils sechste Plätze.
Nach dem Abstieg in die Bayernliga feierte man ausgerechnet 1963 die Staffelmeisterschaft, als es wegen der Bundesligaeinführung keinen Aufstieg gab. Anschließend konnten die Straubinger lediglich 1967/68 mit Platz drei noch einmal von der Regionalliga träumen.
Nach seinem Abstieg aus dem bayerischen Amateuroberhaus 1970 vergingen 22 Jahre, ehe der TSV Straubing 1982 in die Bayernliga zurückkehrte. Es reichte jedoch nur noch zu zwei Spielzeiten. Seitdem verdingen sich die Blau-Weißen in unteren Ligen und sind 2009 gar in die Kreisliga abgestiegen.
Der schon seit 2009 nur noch auf Kreisebene spielende Ex-Zweitligist (1950-61) hat bereits am vergangenen Dienstag einen Antrag auf Insolvenz beim Antsgericht gestellt. Darüber entschieden wird allerdings erst im kommenden Jahr. Hier weitere Infos: http://www.fupa.net/berichte/tsv-straubing-stellt-insolvenzantrag-40017.html
Und auch hier der Beitrag über den Klub aus dem "Großen Buch der Deutschen Fußballvereine" (2009, Agon Sportverlag)
Straubing gilt zwar als Eishockeyhochburg, hat aber auch im Fußball ein paar Zeichen setzen können. In den 1930er und 1940er Jahren bemühte sich der damalige 1. FC Straubing lange Zeit vergeblich um den Aufstieg in die Gauliga, die er erst erreichte, als der Krieg 1944 den Spielfeld schon fest im Griff hatte.
Nachfolgeverein TSV Straubing gehörte 1950 zu den Gründungsmitgliedern der 2. Liga Süd, der die Weißblauen bis 1961 ohne Unterbrechung angehörten. 1951/52 und 1954/55 gelangen ihnen jeweils sechste Plätze.
Nach dem Abstieg in die Bayernliga feierte man ausgerechnet 1963 die Staffelmeisterschaft, als es wegen der Bundesligaeinführung keinen Aufstieg gab. Anschließend konnten die Straubinger lediglich 1967/68 mit Platz drei noch einmal von der Regionalliga träumen.
Nach seinem Abstieg aus dem bayerischen Amateuroberhaus 1970 vergingen 22 Jahre, ehe der TSV Straubing 1982 in die Bayernliga zurückkehrte. Es reichte jedoch nur noch zu zwei Spielzeiten. Seitdem verdingen sich die Blau-Weißen in unteren Ligen und sind 2009 gar in die Kreisliga abgestiegen.
Insolvenzticker: Concordia Hamburg
In Hamburg neigen sich 105 Jahre reiche Fußballtradition ihrem Ende zu. Der SC Concordia Hamburg, 1907 gegründet und viele Jahre in der Oberliga, der Regionalliga und der Amateuroberliga spielend, wird zur neuen Saison in einer Fusion mit dem TSV Wandsbek verschwinden. Für die Anhänger der Rot-Schwarzen ist dies der möglicherweise finale Rückschlag, nachdem ihr Klub 2009 schon das traditionsreiche Marienthalstadion im Wandsbeker Gehölz hatte aufgeben müssen.
Weitere Infos: http://www.google.de/imgres?hl=en&sa=X&biw=1920&bih=985&tbm=isch&prmd=imvns&tbnid=hfl0z-DQvmSugM:&imgrefurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/005_Neuigkeiten.htm&docid=O-QVAZEJThbw-M&imgurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/Diverse-Bilder/Saison_2012-2013/Vereinsnachrichten_02.11.12%252520(1).jpg&w=540&h=761&ei=kAWmUJqgCs7Usgbio4H4Cg&zoom=1&iact=hc&vpx=645&vpy=112&dur=56&hovh=267&hovw=189&tx=129&ty=143&sig=107842849491740770134&page=1&tbnh=136&tbnw=96&start=0&ndsp=55&ved=1t:429,r:2,s:0,i:75
Nachstehend der Eintrag über den SC Concordia aus dem "großen Buch der deutschen Fußballvereine", 2009 erschienen im Verlag Die Werkstatt.
2009 war ein trauriges Jahr für den Sport-Club Concordia von 1907 e.V. 85 Jahre, nachdem man im Wandbeker Gehölz sein Marienthalstadion errichtet hatte, hieß es Abschied nehmen. Das Geld war auch bei „Cordi“ chronisch knapp, und die Toplage der Anlage inmitten eines exklusiven Villenviertels ließ den Verkauf nur logisch erscheinen. Damit war es vorbei mit einem Dreisatz der besonderen Art, der Hamburgs Amateurfußball seit Jahrzehnten ausgezeichnet hatte: Freitagabend + Flutlicht + Marienthal = SC Concordia. Concordia ist ein Verein nach altem Schlage. Der Vereinsgeist waberte in Marienthal durch alle Ecken und Winkel, die Nachwuchsarbeit ist seit langem berühmt und den aufopferungsvollen Mitgliedern der Rot-Schwarzen gelang es in der Vergangenheit mehrfach, ihren Verein aus der Krise zu führen. Die sportliche Erfolgsstory der 1907 gegründeten Rot-Schwarzen begann 1939, als die von Vereinslegende Kurt „Malik“ Hinsch geführte Mannschaft in die Gauliga Nordmark aufstieg. Schon damals war der Erfolg ein Resultat der Nachwuchspflege, und auch wenn es zwei Jahre später zurück in Liga 2 ging, hatte „Cordi“ ein Markenzeichen gesetzt. Nach dem Krieg zählten die Wandsbeker zu den Gründungsmitgliedern der Oberliga Nord, in der sich die Elf dank ihres gefürchteten Innensturms (Hinsch, Ackermann, Eccarius) bestens etablierte. 1950 erreichte man mit Platz sechs den Zenit seiner Vereinsgeschichte – und das, obwohl „Cordi“ seit Kriegsende nicht auf der von den Briten beschlagnahmten Anlage in Marienthal hatte kicken können! 1951 durfte man zwar in die runderneuerte Anlage („Schmuckkästchen am Wandsbeker Gehölz“) zurückkehren, doch sportlich reichte es nur noch zu Abstiegskampf, in dem die Rot-Schwarzen 1953 den Kürzeren zogen. 1956 gelang im dritten Anlauf die Rückkehr, und anschließend verteidigte der Klub bis zur Auflösung der Oberliga Nord seinen Platz im norddeutschen Oberhaus. Nach Einführung der Bundesliga gab es sieben Spielzeiten lang Regionalligafußball in Wandsbek zu sehen, wo die Sorgenfalten jedoch mit jedem Jahr größer wurden. Marienthal war vom öffentlichem Nahverkehr abgetrennt („Die Welt“: „Eine kaum noch erreichbare Oase in der Wüste“), Parkplätze gab es auch keine und die Zuschauerzahlen sanken stetig ab. 1970 war der Abstieg nicht mehr zu vermeiden. Als drei Jahre später die Rückkehr gelang, stand die 2. Bundesliga bereits vor der Tür, und „Cordi“ konnte schon mal für die drittklassige Amateuroberliga Nord planen. Dort waren die Rot-Schwarzen dann 17 Spielzeiten lang fester Bestandteil, brachten Spieler wie Frank Neubarth hervor und feierten als größten Erfolg Platz fünf im Spieljahr 1976/77. 1991 sorgte eine Mixtur aus sportlicher Schwäche und finanziell eingeschränkten Möglichkeiten erstmals für den Sturz in die Viertklassigkeit, der Concordia, wie einst in der Ober- und der Regionalliga nach drei Jahren wieder entkam. Noch einmal flammte anschließend der Kult um die Wandsbeker auf, begrüßte man in der Regionalliga Nord große Kulissen zum traditionellen Freitagabendspiel. Mit dem erneuten Abstieg begann 1997 der Absturz. Im Frühjahr 1999 musste Michael Schickel, langjähriger „Cordi“-Obmann und „Morgenpost“-Sportchef, bereits vor dem drohenden Konkurs warnen, dem der Klub nur knapp entging. 2000 wurde er erstmals fünftklassig, kehrte unter Marc Fascher noch einmal in die Oberliga zurück und verschwand 2005 abermals auf lokaler Ebene – und diesmal wird es für immer sein.
Weitere Infos: http://www.google.de/imgres?hl=en&sa=X&biw=1920&bih=985&tbm=isch&prmd=imvns&tbnid=hfl0z-DQvmSugM:&imgrefurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/005_Neuigkeiten.htm&docid=O-QVAZEJThbw-M&imgurl=http://www.s192339152.online.de/Cordi-Fanclub/Diverse-Bilder/Saison_2012-2013/Vereinsnachrichten_02.11.12%252520(1).jpg&w=540&h=761&ei=kAWmUJqgCs7Usgbio4H4Cg&zoom=1&iact=hc&vpx=645&vpy=112&dur=56&hovh=267&hovw=189&tx=129&ty=143&sig=107842849491740770134&page=1&tbnh=136&tbnw=96&start=0&ndsp=55&ved=1t:429,r:2,s:0,i:75
Nachstehend der Eintrag über den SC Concordia aus dem "großen Buch der deutschen Fußballvereine", 2009 erschienen im Verlag Die Werkstatt.
2009 war ein trauriges Jahr für den Sport-Club Concordia von 1907 e.V. 85 Jahre, nachdem man im Wandbeker Gehölz sein Marienthalstadion errichtet hatte, hieß es Abschied nehmen. Das Geld war auch bei „Cordi“ chronisch knapp, und die Toplage der Anlage inmitten eines exklusiven Villenviertels ließ den Verkauf nur logisch erscheinen. Damit war es vorbei mit einem Dreisatz der besonderen Art, der Hamburgs Amateurfußball seit Jahrzehnten ausgezeichnet hatte: Freitagabend + Flutlicht + Marienthal = SC Concordia. Concordia ist ein Verein nach altem Schlage. Der Vereinsgeist waberte in Marienthal durch alle Ecken und Winkel, die Nachwuchsarbeit ist seit langem berühmt und den aufopferungsvollen Mitgliedern der Rot-Schwarzen gelang es in der Vergangenheit mehrfach, ihren Verein aus der Krise zu führen. Die sportliche Erfolgsstory der 1907 gegründeten Rot-Schwarzen begann 1939, als die von Vereinslegende Kurt „Malik“ Hinsch geführte Mannschaft in die Gauliga Nordmark aufstieg. Schon damals war der Erfolg ein Resultat der Nachwuchspflege, und auch wenn es zwei Jahre später zurück in Liga 2 ging, hatte „Cordi“ ein Markenzeichen gesetzt. Nach dem Krieg zählten die Wandsbeker zu den Gründungsmitgliedern der Oberliga Nord, in der sich die Elf dank ihres gefürchteten Innensturms (Hinsch, Ackermann, Eccarius) bestens etablierte. 1950 erreichte man mit Platz sechs den Zenit seiner Vereinsgeschichte – und das, obwohl „Cordi“ seit Kriegsende nicht auf der von den Briten beschlagnahmten Anlage in Marienthal hatte kicken können! 1951 durfte man zwar in die runderneuerte Anlage („Schmuckkästchen am Wandsbeker Gehölz“) zurückkehren, doch sportlich reichte es nur noch zu Abstiegskampf, in dem die Rot-Schwarzen 1953 den Kürzeren zogen. 1956 gelang im dritten Anlauf die Rückkehr, und anschließend verteidigte der Klub bis zur Auflösung der Oberliga Nord seinen Platz im norddeutschen Oberhaus. Nach Einführung der Bundesliga gab es sieben Spielzeiten lang Regionalligafußball in Wandsbek zu sehen, wo die Sorgenfalten jedoch mit jedem Jahr größer wurden. Marienthal war vom öffentlichem Nahverkehr abgetrennt („Die Welt“: „Eine kaum noch erreichbare Oase in der Wüste“), Parkplätze gab es auch keine und die Zuschauerzahlen sanken stetig ab. 1970 war der Abstieg nicht mehr zu vermeiden. Als drei Jahre später die Rückkehr gelang, stand die 2. Bundesliga bereits vor der Tür, und „Cordi“ konnte schon mal für die drittklassige Amateuroberliga Nord planen. Dort waren die Rot-Schwarzen dann 17 Spielzeiten lang fester Bestandteil, brachten Spieler wie Frank Neubarth hervor und feierten als größten Erfolg Platz fünf im Spieljahr 1976/77. 1991 sorgte eine Mixtur aus sportlicher Schwäche und finanziell eingeschränkten Möglichkeiten erstmals für den Sturz in die Viertklassigkeit, der Concordia, wie einst in der Ober- und der Regionalliga nach drei Jahren wieder entkam. Noch einmal flammte anschließend der Kult um die Wandsbeker auf, begrüßte man in der Regionalliga Nord große Kulissen zum traditionellen Freitagabendspiel. Mit dem erneuten Abstieg begann 1997 der Absturz. Im Frühjahr 1999 musste Michael Schickel, langjähriger „Cordi“-Obmann und „Morgenpost“-Sportchef, bereits vor dem drohenden Konkurs warnen, dem der Klub nur knapp entging. 2000 wurde er erstmals fünftklassig, kehrte unter Marc Fascher noch einmal in die Oberliga zurück und verschwand 2005 abermals auf lokaler Ebene – und diesmal wird es für immer sein.
Donnerstag, 15. November 2012
Die Löwen. Neues Buch über den TSV München 1860
Gemeinsam mit dem unersetzlichen Claus Melchior ("Der tödliche Pass") habe ich 1996 ein Buch über den TSV München 1860 herausgegeben, das seit vielen Jahren vergriffen war: "Legenden in Weiß und Blau".
Nun haben wir uns die durchaus turbulente Löwen-Fußballgeschichte erneut vorgenommen und versucht, sie auf möglichst interessante und zugleich verdauliche Häppchen zu unterteilen. Herausgekommen ist der 512-Seiten-Wälzer "Die Löwen", in der ich mich ausführlich über die 1860-Historie von der Klubgründung bis ins Jahr 1994 austoben durfte.
Danach übernimmt Claus Melchior und erzählt aus eigener Leidenserfahrung vom Auf und Ab der Weißblauen seit dem Durchmarsch von Liga 3 in Liga 1. Dem Ganzen beigemengt sind Exkurse zu Fans, 1860 und Politik, Stadtteil, Stadion, Rivalität mit den Bayern sowie ein ziemlich üppiger Statistikteil, der wirklich kaum noch Fragen offen lässt.
Für 29,90 Euro ist das gute Stück ab sofort im gutsortierten Fachhandel zu erwerben.
Hier gibt's weitere Infos und auch einen "Blick ins Buch": http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/497
Nun haben wir uns die durchaus turbulente Löwen-Fußballgeschichte erneut vorgenommen und versucht, sie auf möglichst interessante und zugleich verdauliche Häppchen zu unterteilen. Herausgekommen ist der 512-Seiten-Wälzer "Die Löwen", in der ich mich ausführlich über die 1860-Historie von der Klubgründung bis ins Jahr 1994 austoben durfte.
Danach übernimmt Claus Melchior und erzählt aus eigener Leidenserfahrung vom Auf und Ab der Weißblauen seit dem Durchmarsch von Liga 3 in Liga 1. Dem Ganzen beigemengt sind Exkurse zu Fans, 1860 und Politik, Stadtteil, Stadion, Rivalität mit den Bayern sowie ein ziemlich üppiger Statistikteil, der wirklich kaum noch Fragen offen lässt.
Für 29,90 Euro ist das gute Stück ab sofort im gutsortierten Fachhandel zu erwerben.
Hier gibt's weitere Infos und auch einen "Blick ins Buch": http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/497
Montag, 12. November 2012
Vergessene Traditionsvereine: Bremerhaven 93
Über Jahrzehnte war Bremerhaven 93 eine etablierte Adresse im norddeutschen Fußball. Die Weinroten aus der
Hafenstadt mischten sowohl in der Oberliga als auch in der Regionalliga in der
norddeutschen Spitze mit. 1977 verschwanden sie für immer von der Bildfläche. Ein Nachruf.
Seit dem 1. Juli 1977 ist Bremerhavens einstiger Fußballstolz Geschichte. Seinerzeit übernahm der fünf Jahre zuvor gebildete Großverein OSC Bremerhaven die Tradition (und die Schulden…) der Weinroten, deren Aufschwung und Niedergang dem der Hafenstadt an der Wesermündung glich.
Seit dem 1. Juli 1977 ist Bremerhavens einstiger Fußballstolz Geschichte. Seinerzeit übernahm der fünf Jahre zuvor gebildete Großverein OSC Bremerhaven die Tradition (und die Schulden…) der Weinroten, deren Aufschwung und Niedergang dem der Hafenstadt an der Wesermündung glich.
1893 als
Arbeiterturnverein gegründet, eröffnete Bremerhaven 93 kurz vor dem Ersten
Weltkrieg eine Fußballsektion, die nach dem Krieg ad hoc zur Vorzeigeabteilung
bei den Weinroten wurde. Allerdings im vom DFB unabhängigen Arbeitersport, wo
die Nordlichter rasch zu den stärksten Teams im gesamten Reichsgebiet
aufstiegen. 1921 und 1923 erreichten sie jeweils das Halbfinale der Endrunde um
die Deutsche Meisterschaft und verpassten nur knapp das Endspiel. 1926
eröffnete der engagierte Klub zudem im ehemaligen Zollinlandshafen eine neue Spielstätte,
die rasch den Kosename „Zolli“ erhielt und zum Zentrum des Bremerhavener
Spitzenfußballs wurde.
Die
proletarischen 93er hatten dort über Jahre friedlich Seite an Seite mit den im
DFB-Spielbetrieb integrierten Stadtrivalen Sparta und ATS Bremerhaven um Punkte
gerungen, als der Arbeitersport 1933 unter den Nationalsozialisten zerschlagen
wurde. Von dem Verbot war auch der ATV 93 betroffen. Doch weil Bremerhaven 93
eine hohe Bedeutung im Fußball der Hafenstadt genoss und zudem
schichtenübergreifend in der ganzen Stadt beliebt war, durfte der Klub als TuS
93 übergangslos im bürgerlichen Lager weiterkicken. 1942 erreichten die
Weinroten die Gauliga und waren damit erneut führendes Team vor Ort.
Nach dem
Zweiten Weltkrieg boomte die 1947 durch den Zusammenschluss von Wesermünde,
Lehe und Bremerhaven gebildete Stadt Bremerhaven, die zum größten deutschen
Passagierhafen Deutschlands aufstieg. Auch auf dem „Zolli“ war seinerzeit
ordentlich was los. Als den 93ern 1948 der Aufstieg in die Oberliga gelang, wurde
Bremerhaven über Nacht zur brodelnden Fußballhochburg. Ihren Zenit erreichten
die vom ehemaligen Nürnberger Robert „Zapf“ Gebhardt trainierten Weinroten um
Kapitän Kapteina 1954/55, als sie hinter dem ewigen Nordmeister Hamburger SV
Zweiter wurden und sich für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft
qualifizierten. Weil der altehrwürdige „Zolli“ zu klein für derlei Spektakel
war, musste 93 allerdings ins Bremer Weserstadion ausweichen, wo man Worms und
Offenbach besiegte, während es gegen den späteren Finalisten Rot-Weiss Essen
immerhin ein Unentschieden gab.
Der
Höhepunkt markierte zugleich den Beginn einer schleichenden und schier
unendlichen Talfahrt. Problem Nummer 1 war das beschauliche Zollinlandstadion,
das in Zeiten des anbrechenden Profitums zu wenige Einnahmemöglichkeit bot.
Damit verbunden Problem Nummer 2: Finanzsorgen. Die prägten fortan die
Geschicke eines Klubs, der unter dem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt
Bremerhaven litt und immer wieder Leistungsträger verlor. 1959 verließ Erfolgstrainer
Gebhardt den Verein, aus dem spätere Bundesligaasse wie Uwe Klimaschefski,
Willi Reimann und Egon Coordes hervorgingen.
1963 mit
der Bundesligagründung in die Zweitklassigkeit abgerutscht, konnten die
Weinroten nur durch den regelmäßigen Verkauf von Leistungsträgern überleben.
Der Publikumszuspruch in der wirtschaftlich inzwischen danieder liegenden
Hafenstadt ging kontinuierlich zurück, so dass Schmalhans bald ungeliebter
Küchenmeister war. Zudem bereitete der entwürdigende Zustand des „Zolli“ Sorge.
Seitdem die Haupttribüne Anfang der 1970er Jahre einer
Straßenverbreitungsmaßnahme zum Opfer gefallen war, verfügte das Areal nur noch
über drei Seiten mit heruntergekommenen Stehtraversen und keinerlei überdachten
Sitzplätzen.
Bis zur
Auflösung der Regionalliga Nord 1974 hielt sich Bremerhaven 93 dennoch in der
zweithöchsten Spielklasse, ehe Platz 14 im Spieljahr 1973/74 nicht zur
Qualifikation für die neue 2. Bundesliga-Nord reichte und Bremerhaven 93
erstmals in die Drittklassigkeit musste. Zu jenem Zeitpunkt war das Aus des
Traditionsvereins bereits besiegelt. Ein hoher Schuldenberg und das moderne
Nordseestadion sorgten für die Bildung des Großvereins OSC Bremerhaven, der in
die Fußstapfen der 93er trat. Bis 1977 geschah dies aus formalen Gründen noch
unter dem Namen „93“, ehe der Traditionsklub mit dem Gewinn der
Nordmeisterschaft und dem Aufstieg in die 2. Bundesliga am 1. Juli 1977
endgültig Geschichte wurde.
Die
Erfolgsära des OSC währte nur kurz, und der anschließende Absturz des Klubs,
der emotional nie die Rolle der 93er einnehmen konnte, war brutal. 1985
verschwand der Klub auf Landesebene und kehrte nie zurück. Das Nordseestadion,
mit seinen weitläufigen Leichtathletikanlagen nie geliebt, verwaiste, und auf
dem „Zolli“ ließ sich der in FC Bremerhaven umbenannte VfB Lehe nieder, der
kürzlich nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit aus dem Vereinsregister
gestrichen wurde. Der Mythos von Bremerhaven 93 waberte bis heute durch
Hafenstadt. „93 war ein Markenzeichen, ein Begriff, den man nicht hätte
aufgeben sollen“, konstatierte Ex-Erfolgstrainer Helmut Johannsen schon 1980,
nachdem der OSC auch im zweiten Anlauf, sich in der 2. Bundesliga zu
etablieren, gescheitert war.
Dieser Artikel erschien im August 2012 im Rahmen meiner wöchentlichen Kolumne in "Nordsport"
Montag, 5. November 2012
Insolvenzticker: VfB Lübeck
Zum zweiten Mal nach 2008 musste der VfB Lübeck am heutigen Montag den Gang zum Insolvenzrichter antreten. Der Viertligist aus Schleswig-Holstein hofft aber, die Eröffnung des Verfahrens noch verhindern zu können. Das muss in den kommenden drei Monaten geschehen, ansonsten stünden die Grün-Weißen als erster Absteiger aus der Regionalliga Nord fest. "Die Chancen, das Verfahren zu verhindern, stehen derzeit bei 50:50", wurde Vorstandssprecher Holger Leu auf ndr.de zitiert.
Gegenwärtig belasten den VfB 450.000 Euro Schulden, die im Saisonverlauf auf 700.000 Euro ansteigen könnten. Durch den Insolvenzantrag soll vor allem Zeit gewonnen werden, denn die Gehälter der Mitarbeiter und Spieler, die schon im Oktober nicht mehr flossen, werden nun von der Agentur für Arbeit gezahlt.
Zudem ist der Klub auf der Suche nach einem neuen Aufsichtsrat, nachdem der alte am 30.Oktober in einer turbulenten Veranstaltung von der Jahreshauptversammlung abgewählt worden war. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung soll am 26. November die Nachfolger bestimmen. Davon wird abhängen, inwiefern es dem Klub gelingt, Investoren zu gewinnen. Medienberichten zufolge steht ein Investor aus Hessen bereit. Vorstandssprecher Leu bezeichnete einen Neuanfang in der fünften Liga (Schleswig-Holstein-Liga) jedoch als konkrete Option, sollte kein Investor gefunden werden.
Weitere Infos: http://www.ln-online.de/sport/regional/3596545/vfb-luebeck-zweite-insolvenz-binnen-vier-jahren
Gegenwärtig belasten den VfB 450.000 Euro Schulden, die im Saisonverlauf auf 700.000 Euro ansteigen könnten. Durch den Insolvenzantrag soll vor allem Zeit gewonnen werden, denn die Gehälter der Mitarbeiter und Spieler, die schon im Oktober nicht mehr flossen, werden nun von der Agentur für Arbeit gezahlt.
Zudem ist der Klub auf der Suche nach einem neuen Aufsichtsrat, nachdem der alte am 30.Oktober in einer turbulenten Veranstaltung von der Jahreshauptversammlung abgewählt worden war. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung soll am 26. November die Nachfolger bestimmen. Davon wird abhängen, inwiefern es dem Klub gelingt, Investoren zu gewinnen. Medienberichten zufolge steht ein Investor aus Hessen bereit. Vorstandssprecher Leu bezeichnete einen Neuanfang in der fünften Liga (Schleswig-Holstein-Liga) jedoch als konkrete Option, sollte kein Investor gefunden werden.
Weitere Infos: http://www.ln-online.de/sport/regional/3596545/vfb-luebeck-zweite-insolvenz-binnen-vier-jahren
Freitag, 2. November 2012
Mein erster Stadionbesuch
Ja, ja, ich weiß - Ewigkeiten nichts mehr passiert hier. Und der Insolvenzticker verschwand auch plötzlich von der Bildfläche Ganz schön blöd! :-( Sorry, aber es gab und gibt (natürlich) Gründe dafür. Da waren nicht nur zwei Buchprojekte, die enorm zeitintensiv waren sowie meine sommerlichen Radrenn-Ambitionen, die sich gleichfalls als Zeitfresser herausstellten (aber enorm Spaß machten!) - da war leider auch eine saftige Antwaltsrechnung wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung, die mir ziemlich den Wind aus den Segeln nahm und gehörig die Freude an diesem Blog vergällte, den ich schließlich nur als unbezahltes Hobby betreibe.
Wie es hier nun weitergehen wird mit dem FußballGlobus, darüber will ich in den nächsten Wochen etwas nachdenken. In jedem Fall will und werde ich den Insolvenzticker wieder anwerfen! As erstes Schmankerl zunächst aber mein Beitrag aus dem Buch "Mein erster Stadionbesuch", das kürzlich im Verlag die Werkstatt erschien und zahlreiche Geschichten vom "ersten Mal" enthält. Weitere Infos zum Buch gibt es hier: http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/489
Und hier ist meine Story:
Ich war zwölf und voller trauriger Wut. Ich wollte nicht weg aus Dortmund, von meinen Freunden, von meinem Leben. Vom Mengeder Volksgarten, wo ich mir erste Meriten als Reinkarnation eines bärbeißigen Terriers namens Berti Vogts erworben hatte. Mit meinem fußballerischen Talent war es nicht allzu weit her, doch einen Gegner zudecken und ihn mit wütenden Tritten bearbeiten, sobald er an den Ball kam, das konnte ich.
Doch nun hockte ich auf dieser rumpelnden Dieselschleuder und dachte mit bangem Herzen an mein neues Zuhause. Hinten im Laderaum unser gesamter Hausstand. Auf dem Schoß mein Meerschweinchen Pukki, das mit starren Augen aus seinem Käfig glotzte und an trockenen Grashalmen mümmelte.
Was mich in Göttingen erwarten würde, wusste ich nicht. Vater hatte dort einen neuen Job gefunden. Ich würde eine neue Schule besuchen, neue Freunde finden. Und in der Provinz verdörren. Da war ich mir sicher. Denn, also bitte: Göttingen! Gibt es eine piefigere Kleinstadt für jemanden, der mitten im Ruhrgebiet aufgewachsen ist?
Nur eine Aussicht versetzte mich in Aufregung: Fußball. Fußball würde mich erwarten in Göttingen. Endlich! Ich war Spätstarter. Erst bei der WM 1974 hatte ich entdeckt, dass ich Fußballfan bin. Durch die Holländer, die mit ihren orangefarbenen Klamotten und lauten Gesängen durch die Dortmunder Innenstadt gezogen waren. Während mein Vater eilig vor ihnen geflohen war, blieb ich stehen und staunte. So wollte ich auch sein. Doch wie? Wir wohnten in Mengede. Eine gefühlte Weltreise vom Westfalenstadion entfernt. Zudem war Vater, eigentlich glühender Borusse und 66 beim Europacupsieg live dabei, auf den BVB nicht mehr gut zu sprechen. Der Abstieg aus der Bundesliga hatte ihm das Herz gebrochen. All mein Bitten und Flehen, doch endlich mal zu einem Spiel zu fahren, war an seinem Starrsinn (»Die spielen doch nur noch 2. Liga!«) abgeprallt. Seit fast einem Jahr war ich nun schon Fußballfan, verfolgte jeden Samstag »Sport und Musik« mit Kurt Brumme, doch im Stadion war ich immer noch nicht gewesen.
Und nun Göttingen. Dass meine neue Heimat tiefste Fußballprovinz war, ahnte ich nicht. Wie auch? Immerhin spielte Göttingen 05 wie der BVB in der 2. Bundesliga Nord, fand der Verein im Bergmann-Sammelbilderalbum der Saison 1974/75 statt, horchte ich seit Wochen aufmerksam auf, wenn bei »Sport und Musik« die Zweitligaergebnisse kamen. Göttingen 05 war zwar nur im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt, doch ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Name fiel. Noch in Dortmund knüpfte ich ein emotionales Zweckbündnis mit Göttingen 05. Eine zunächst platonische Fernbeziehung, gespeist aus reiner Vernunft. Von wegen Nick Hornby und »wir suchen uns unsere Vereine nicht aus«. Ich suchte mir meinen Verein im vollem Bewusstsein aus! Denn seit ich wusste, dass wir nach Göttingen ziehen werden, war 05 mein Lieblingsverein. Ohne das Team jemals gesehen zu haben. Ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie es in Göttingen aussieht. Einfach aus der Verlockung heraus, dass mein Vater mir nach unserem Umzug nach Göttingen endlich den ersten Stadionbesuch versprochen hatte. Was ich über Göttingen 05 wusste, stand im Bergmann-Sammelbilderalbum. Gelbe Trikots, schwarze Hosen. Wie Vaters BVB. Das fand ich einen guten Start. Auf dem Teamfoto sah ich mutige, entschlossene Männer. Mein Team!
In der Schule in Deininghausen kannte niemand Göttingen 05. Da zählte nur Borussia oder Schalke. Mir war es egal. Mit Vaters Versprechen in der Hand hatte ich sämtliche Spielernamen gelernt, konnte auf dem Mannschaftsbild jeden zuordnen. Den langen Manfred Zindel mit den tollen Freistößen. Lothar Hübner, vordere Reihe ganz links. Der blonde Verteidiger Harald Evers. Helmut Hinberg, der Libero mit dem ernsten Blick. Torhüter Albert Wenzel im grauen Sweater. »Ede« Wolf mit diesen ultracoolen Koteletten. Frank-Michael Schonert, der in der kicker-Torschützenliste ganz oben stand. Mein Team! Mit vollem Herzen stürzte ich mich in etwas, das sich als »amour fou« entpuppen sollte. Aber, bitte: Ich war doch erst zwölf! Was wusste ich schon von tragischer Liebe?
Irgendwann so gegen Mittag erreichten wir unsere neue Heimat. Müde prügelte mein Vater die Gänge in den röhrenden LKW, während wir die letzten Hügel vor Göttingen überkrochen. Pukki hockte noch immer auf meinem Schoß und zuppelte friedlich an ein paar Grashalmen, die ich bei einem Zwischenstopp vom Straßenrand gerupft hatte. Über eine Ausfall-straße röhrten wir in Richtung Stadtzentrum, als an beiden Straßenrändern immer mehr wild auf den Grünstreifen abgestellte Autos auftauchten. Menschen mit schwarz-gelben Fahnen und Schals eilten zu einer abgesperrten Straße, die schon voller Menschen war. »Junge«, meinte mein Vater und bremste den 15-Tonner ab, »Junge, hier ist heute ein Spiel!« Vor Aufregung wurden meine Augen groß. »Halten wir an?«, fragte ich mit hoffnungsvollem Timbre. Vater guckte kurz rüber, grinste und meinte: »Klar halten wir an. Komm Junge, wir gehen zum Fußball!«
Wenn es um Fußball ging, konnte mein Vater eben ausgesprochen cool sein.
Einen Parkplatz für den 15-Tonner zu finden, war nicht einfach. Und dass wir unseren gesamten Hausstand, all unseren Besitz, und auch Pukki, unbewacht stehen lassen mussten, auch nicht. Zumindest nicht für meinen Vater. Mir hingegen war das ziemlich egal. Aufgeregt hüpfte ich vom Führerhaus, drängte zur Eile, fürchtete, keinen Platz mehr im Stadion zu finden. Überall waren doch so viele Menschen!
Die Sichtweise eines Zwölfjährigen ist noch unfertig. Mein größtes Erlebnis war bis dahin ein Konzert von The Sweet in der Dortmunder Westfalenhalle gewesen. In der kleinen wohlgemerkt; also der Westfalenhalle II. Das war meine einzige Orientierungshilfe für »Masse«. Und hier liefen mindestens genau so viele Menschen herum. Davon war ich zumindest überzeugt. Vor dem Stadion sogar lange Schlangen. Aufgeregt trieb ich meinen Vater zur Eile, fürchtete ein ausverkauftes Stadion. Und war plötzlich abgelenkt, als ich neben den Kassen einen fahrbaren Fanstand entdeckte. Oben drauf schwarz-gelbe Fahnen mit dem Wappen von Göttingen 05. Sieben Mark waren dafür fällig. Mein Vater hatte keine Chance. Aufgeregt schwenkte ich meine neue Fahne, als wir auf die Gegengerade marschierten.
Das Jahnstadion war anno 1975 wahrlich keine Schönheit. Keine Überdachung, durch die Leichtathletikanlagen sehr weitläufig. Die Gegengerade so flach, dass man selbst von ganz oben durch den Gitterzaun gucken musste. Ein rumpeliges, notdürftiges Zweitligastadion ohne jegliche Atmos-phäre. Für mich der Himmel auf Erden. Meine neue Heimat. Dass es nur spärlich gefüllt war, entging meinen liebesblinden Augen. Vielleicht 2.000 waren es, die gekommen waren. Platz war für 24.000. Ob es am Gegner lag? Die Spielvereinigung Erkenschwick stand ein paar Spieltage vor Saisonende wie 05 in der Tabelle jenseits von Gut und Böse. Und repräsentierte zumindest in Göttingen eine dieser »grauen Mäuse«, die es damals in der 2. Bundesliga Nord zuhauf gab.
Vater hatte einen Vorteil gegenüber vielen der Stadionbesucher. Denn er wusste, wo Erkenschwick ist! Wir hatten ja in Mengede gewohnt, und von dort ist es nur ein Katzensprung nach Oer-Erkenschwick. Für einen Göttinger aber klang Erkenschwick exotisch unbekannt. Ich war stolz, als Vater unseren Nachbarn auf den Stehrängen verriet, dass er schon einmal dort gewesen sei und dass es bei Recklinghausen läge. Irgendwie waren Vater und ich damit so etwas wie Weltbürger in der Provinz.
Dann kamen die Teams und Dauerregen setzte ein. Ein trister, zutiefst unspektakulärer Frühsommertag. Nicht für mich. Die gelben Shirts der 05er kamen mir vor wie die Sonne, und »meine« Mannschaft endlich spielen zu sehen fühlte sich an, als sei ich an einem langersehnten Ziel angekommen. Unermüdlich schwenkte ich meine Fahne, die vom Regen klatschnass war und Vater immer wieder Wassertropfen zuschleuderte. Das Spiel erschloss sich mir nur bedingt. Im Grunde genommen hatte ich keine Ahnung davon. Fußball gesehen hatte ich bislang nur bei der WM ’74 im Fernsehen. Und natürlich kannte ich die Sportschau. Live im Stadion aber war das alles viel aufregender. Da fühlte ich mich als Teil einer wogenden Masse. Auch wenn das Stadion tatsächlich ziemlich leer war. Auch wenn das Spiel grottenschlecht und unsagbar langweilig war. Halbzeit 0:0. Nach 64 Minuten brachte »Patsche« Hansing 05 in Führung. Eine Viertelstunde später der Ausgleich für Erkenschwick. 1:1. Dabei blieb es. Im strömenden Regen des Göttinger Jahnstadions.
Mein erstes Spiel muss, nüchtern betrachtet, eine ziemlich abschreckende Erfahrung gewesen sein.
Später, als ich allmählich begriff, welch folgenschwere Entscheidung ich bei der Wahl meines Lieblingsvereins getroffen hatte, musste ich immer wieder an diesen Regen zurückdenken. Wie ich klitschnass meine ebenso klitschnasse Fahne schwenke. Glückselig und resistent gegen Niederschlag, Tristesse, leere Ränge. Heute schmunzle ich gern mal über meine eigene Fansozialisierung. Immerhin komme ich aus Dortmund, wuchs im Spannungsfeld von BVB und S04 mit dem Fußball auf. Ich könnte also BVB-Fan sein, ich könnte Schalker sein, auch wenn mein Vater das als Borusse vermutlich nicht geduldet hätte. Stattdessen wurde ich 05er. Und ließ 32 Jahre später im Mai 2012 eine 1:2-Heimniederlage in der fünften Liga gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck über mich ergehen, während der BVB in der Bundesliga mal wieder Deutscher Meister wurde. Umgeben von Göttingern, die den BVB als ihren Lieblingsklub bezeichneten und sich über die Meisterschaft freuten. Während ich als gebürtiger und auch noch immer leidenschaftlicher Dortmunder dem Titelgewinn mit zwar schwarz-gelbem, aber eben 05er-Herzen, gleichgültig gegenüberstand und an der peinlichen Pleite gegen Osterholz-Scharmbeck nagte.
Mal ehrlich: Irgendetwas muss da doch schiefgelaufen sein?
Doch derart vorbehaltlos, wie ich Göttingen 05 bei meinem ersten Stadionbesuch begegnete, war die Sachlage eigentlich klar. 05 konnte tun, was es wollte, ich wäre geblieben. Das karge 1:1, die von meinem Vater als »grausam« definierte Leistung, das leere Stadion, der überschaubare Fanblock neben dem alten hölzernen Ansagehäuschen auf der Hauptgeraden, der Regen, dem wir ungeschützt ausgesetzt waren – nichts konnte meine glühende Zuneigung zu Göttingen 05 bremsen. Und schon gar nicht der BVB, denn der war für mich ja nicht erreichbar. Zu 05 hingegen konnte ich fortan alle zwei Wochen gehen. Und wie geht Liebe, wenn man sich nicht ständig sehen kann? Fernsehfußballfan hätte ich nie werden können.
Nach dem Schlusspfiff schlurften wir klatschnass zu unserem 15-Tonner zurück. Rumpelten hinauf nach Geismar, in unsere neue Wohnung. Wie die Möbel ins Haus kamen, weiß ich nicht mehr. Wie wir den ersten Abend in der neuen Wohnung verbrachten auch nicht. Aber ich weiß noch, wie ich meine schwarz-gelbe Fahne stolz in mein neues Zimmer trug und die Wände nach dem besten Platz absuchte. Fortan war ich 05er. Zur neuen Saison gründete ich mutig einen Fanklub, nachdem sich eine Klassenkameradin ebenfalls als 05-Fan geoutet hatte. Zum Einstand der »Schwarz-Gelben Löwen« gab es ein 3:0 gegen Tennis Borussia, und dass 05 in derselben Saison auch den BVB mit 3:0 abfertigte, sorgte für schlechte Laune bei meinem Vater, die ich insofern zu meinen Gunsten nutzte, als ich ihm kommentarlos ein BVB-Fähnchen mitsamt einer Schachtel Streichhölzer auf den Küchentisch legte.
Wie jeder Fan (außer denen der Bayern) habe ich meine Wahl seitdem zigtausendfach bereut und mich hundertmillionenfach darüber gefreut. Natürlich hätte ich mit dem BVB oder Schalke viele große Erfolge feiern können. Stattdessen musste ich 2003 die Auflösung meines Klubs miterleben, beim Neustart in der achten Liga selbst mit Hand anlegen. Als Borusse oder Königsblauer würde ich zu Europapokalspielen fliegen, meine Mannschaft im Fernsehen sehen, überall Fans meines Klub begegnen. Mit 05 war ich schon in Käffern wie Landolfshausen, Ihrhove und Hillerse, freue mich über gelegentliche halbseitige Spielberichte im hiesigen Provinzblatt und ernte regelmäßig mitleidige Blicke, wenn ich von meinem Lieblingsverein erzähle.
05-Fan geworden zu sein war eben die beste Entscheidung meines Lebens. Danke Papa, dass du damals so cool warst und angehalten hast!
Wie es hier nun weitergehen wird mit dem FußballGlobus, darüber will ich in den nächsten Wochen etwas nachdenken. In jedem Fall will und werde ich den Insolvenzticker wieder anwerfen! As erstes Schmankerl zunächst aber mein Beitrag aus dem Buch "Mein erster Stadionbesuch", das kürzlich im Verlag die Werkstatt erschien und zahlreiche Geschichten vom "ersten Mal" enthält. Weitere Infos zum Buch gibt es hier: http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/489
Und hier ist meine Story:
Wer braucht schon Europapokal?
Wenn es um Fußball ging, konnte mein Vater ausgesprochen cool sein. So wie am 24. Mai 1975, dem Tag unseres Umzugs von Dortmund nach Göttingen. Seit dem frühen Morgen zockelten wir nervtötend langsam durch die Landschaft. Mit einem Möbelwagen kommt man halt nicht so flott voran, zumal mein Vater die eigentümliche Angewohnheit hatte, Autobahnen zu meiden und stattdessen ausnahmslos Landstraßen zu benutzen. Ob das daran lag, dass er zur letzten Kriegsgeneration zählte und Autobahnen unheimlich fand? Keine Ahnung, jedenfalls quälten wir uns in einem muffigen und bis unters Dach vollgepropften 15-Tonner über schmale Landstraßen, passierten Örtchen wie Brilon, Warburg und, jetzt bitte nicht lachen, Erbsen und näherten uns im Schneckentempo Göttingen. Meiner neuen Heimat.Ich war zwölf und voller trauriger Wut. Ich wollte nicht weg aus Dortmund, von meinen Freunden, von meinem Leben. Vom Mengeder Volksgarten, wo ich mir erste Meriten als Reinkarnation eines bärbeißigen Terriers namens Berti Vogts erworben hatte. Mit meinem fußballerischen Talent war es nicht allzu weit her, doch einen Gegner zudecken und ihn mit wütenden Tritten bearbeiten, sobald er an den Ball kam, das konnte ich.
Doch nun hockte ich auf dieser rumpelnden Dieselschleuder und dachte mit bangem Herzen an mein neues Zuhause. Hinten im Laderaum unser gesamter Hausstand. Auf dem Schoß mein Meerschweinchen Pukki, das mit starren Augen aus seinem Käfig glotzte und an trockenen Grashalmen mümmelte.
Was mich in Göttingen erwarten würde, wusste ich nicht. Vater hatte dort einen neuen Job gefunden. Ich würde eine neue Schule besuchen, neue Freunde finden. Und in der Provinz verdörren. Da war ich mir sicher. Denn, also bitte: Göttingen! Gibt es eine piefigere Kleinstadt für jemanden, der mitten im Ruhrgebiet aufgewachsen ist?
Nur eine Aussicht versetzte mich in Aufregung: Fußball. Fußball würde mich erwarten in Göttingen. Endlich! Ich war Spätstarter. Erst bei der WM 1974 hatte ich entdeckt, dass ich Fußballfan bin. Durch die Holländer, die mit ihren orangefarbenen Klamotten und lauten Gesängen durch die Dortmunder Innenstadt gezogen waren. Während mein Vater eilig vor ihnen geflohen war, blieb ich stehen und staunte. So wollte ich auch sein. Doch wie? Wir wohnten in Mengede. Eine gefühlte Weltreise vom Westfalenstadion entfernt. Zudem war Vater, eigentlich glühender Borusse und 66 beim Europacupsieg live dabei, auf den BVB nicht mehr gut zu sprechen. Der Abstieg aus der Bundesliga hatte ihm das Herz gebrochen. All mein Bitten und Flehen, doch endlich mal zu einem Spiel zu fahren, war an seinem Starrsinn (»Die spielen doch nur noch 2. Liga!«) abgeprallt. Seit fast einem Jahr war ich nun schon Fußballfan, verfolgte jeden Samstag »Sport und Musik« mit Kurt Brumme, doch im Stadion war ich immer noch nicht gewesen.
Und nun Göttingen. Dass meine neue Heimat tiefste Fußballprovinz war, ahnte ich nicht. Wie auch? Immerhin spielte Göttingen 05 wie der BVB in der 2. Bundesliga Nord, fand der Verein im Bergmann-Sammelbilderalbum der Saison 1974/75 statt, horchte ich seit Wochen aufmerksam auf, wenn bei »Sport und Musik« die Zweitligaergebnisse kamen. Göttingen 05 war zwar nur im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt, doch ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Name fiel. Noch in Dortmund knüpfte ich ein emotionales Zweckbündnis mit Göttingen 05. Eine zunächst platonische Fernbeziehung, gespeist aus reiner Vernunft. Von wegen Nick Hornby und »wir suchen uns unsere Vereine nicht aus«. Ich suchte mir meinen Verein im vollem Bewusstsein aus! Denn seit ich wusste, dass wir nach Göttingen ziehen werden, war 05 mein Lieblingsverein. Ohne das Team jemals gesehen zu haben. Ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie es in Göttingen aussieht. Einfach aus der Verlockung heraus, dass mein Vater mir nach unserem Umzug nach Göttingen endlich den ersten Stadionbesuch versprochen hatte. Was ich über Göttingen 05 wusste, stand im Bergmann-Sammelbilderalbum. Gelbe Trikots, schwarze Hosen. Wie Vaters BVB. Das fand ich einen guten Start. Auf dem Teamfoto sah ich mutige, entschlossene Männer. Mein Team!
In der Schule in Deininghausen kannte niemand Göttingen 05. Da zählte nur Borussia oder Schalke. Mir war es egal. Mit Vaters Versprechen in der Hand hatte ich sämtliche Spielernamen gelernt, konnte auf dem Mannschaftsbild jeden zuordnen. Den langen Manfred Zindel mit den tollen Freistößen. Lothar Hübner, vordere Reihe ganz links. Der blonde Verteidiger Harald Evers. Helmut Hinberg, der Libero mit dem ernsten Blick. Torhüter Albert Wenzel im grauen Sweater. »Ede« Wolf mit diesen ultracoolen Koteletten. Frank-Michael Schonert, der in der kicker-Torschützenliste ganz oben stand. Mein Team! Mit vollem Herzen stürzte ich mich in etwas, das sich als »amour fou« entpuppen sollte. Aber, bitte: Ich war doch erst zwölf! Was wusste ich schon von tragischer Liebe?
Irgendwann so gegen Mittag erreichten wir unsere neue Heimat. Müde prügelte mein Vater die Gänge in den röhrenden LKW, während wir die letzten Hügel vor Göttingen überkrochen. Pukki hockte noch immer auf meinem Schoß und zuppelte friedlich an ein paar Grashalmen, die ich bei einem Zwischenstopp vom Straßenrand gerupft hatte. Über eine Ausfall-straße röhrten wir in Richtung Stadtzentrum, als an beiden Straßenrändern immer mehr wild auf den Grünstreifen abgestellte Autos auftauchten. Menschen mit schwarz-gelben Fahnen und Schals eilten zu einer abgesperrten Straße, die schon voller Menschen war. »Junge«, meinte mein Vater und bremste den 15-Tonner ab, »Junge, hier ist heute ein Spiel!« Vor Aufregung wurden meine Augen groß. »Halten wir an?«, fragte ich mit hoffnungsvollem Timbre. Vater guckte kurz rüber, grinste und meinte: »Klar halten wir an. Komm Junge, wir gehen zum Fußball!«
Wenn es um Fußball ging, konnte mein Vater eben ausgesprochen cool sein.
Einen Parkplatz für den 15-Tonner zu finden, war nicht einfach. Und dass wir unseren gesamten Hausstand, all unseren Besitz, und auch Pukki, unbewacht stehen lassen mussten, auch nicht. Zumindest nicht für meinen Vater. Mir hingegen war das ziemlich egal. Aufgeregt hüpfte ich vom Führerhaus, drängte zur Eile, fürchtete, keinen Platz mehr im Stadion zu finden. Überall waren doch so viele Menschen!
Die Sichtweise eines Zwölfjährigen ist noch unfertig. Mein größtes Erlebnis war bis dahin ein Konzert von The Sweet in der Dortmunder Westfalenhalle gewesen. In der kleinen wohlgemerkt; also der Westfalenhalle II. Das war meine einzige Orientierungshilfe für »Masse«. Und hier liefen mindestens genau so viele Menschen herum. Davon war ich zumindest überzeugt. Vor dem Stadion sogar lange Schlangen. Aufgeregt trieb ich meinen Vater zur Eile, fürchtete ein ausverkauftes Stadion. Und war plötzlich abgelenkt, als ich neben den Kassen einen fahrbaren Fanstand entdeckte. Oben drauf schwarz-gelbe Fahnen mit dem Wappen von Göttingen 05. Sieben Mark waren dafür fällig. Mein Vater hatte keine Chance. Aufgeregt schwenkte ich meine neue Fahne, als wir auf die Gegengerade marschierten.
Das Jahnstadion war anno 1975 wahrlich keine Schönheit. Keine Überdachung, durch die Leichtathletikanlagen sehr weitläufig. Die Gegengerade so flach, dass man selbst von ganz oben durch den Gitterzaun gucken musste. Ein rumpeliges, notdürftiges Zweitligastadion ohne jegliche Atmos-phäre. Für mich der Himmel auf Erden. Meine neue Heimat. Dass es nur spärlich gefüllt war, entging meinen liebesblinden Augen. Vielleicht 2.000 waren es, die gekommen waren. Platz war für 24.000. Ob es am Gegner lag? Die Spielvereinigung Erkenschwick stand ein paar Spieltage vor Saisonende wie 05 in der Tabelle jenseits von Gut und Böse. Und repräsentierte zumindest in Göttingen eine dieser »grauen Mäuse«, die es damals in der 2. Bundesliga Nord zuhauf gab.
Vater hatte einen Vorteil gegenüber vielen der Stadionbesucher. Denn er wusste, wo Erkenschwick ist! Wir hatten ja in Mengede gewohnt, und von dort ist es nur ein Katzensprung nach Oer-Erkenschwick. Für einen Göttinger aber klang Erkenschwick exotisch unbekannt. Ich war stolz, als Vater unseren Nachbarn auf den Stehrängen verriet, dass er schon einmal dort gewesen sei und dass es bei Recklinghausen läge. Irgendwie waren Vater und ich damit so etwas wie Weltbürger in der Provinz.
Dann kamen die Teams und Dauerregen setzte ein. Ein trister, zutiefst unspektakulärer Frühsommertag. Nicht für mich. Die gelben Shirts der 05er kamen mir vor wie die Sonne, und »meine« Mannschaft endlich spielen zu sehen fühlte sich an, als sei ich an einem langersehnten Ziel angekommen. Unermüdlich schwenkte ich meine Fahne, die vom Regen klatschnass war und Vater immer wieder Wassertropfen zuschleuderte. Das Spiel erschloss sich mir nur bedingt. Im Grunde genommen hatte ich keine Ahnung davon. Fußball gesehen hatte ich bislang nur bei der WM ’74 im Fernsehen. Und natürlich kannte ich die Sportschau. Live im Stadion aber war das alles viel aufregender. Da fühlte ich mich als Teil einer wogenden Masse. Auch wenn das Stadion tatsächlich ziemlich leer war. Auch wenn das Spiel grottenschlecht und unsagbar langweilig war. Halbzeit 0:0. Nach 64 Minuten brachte »Patsche« Hansing 05 in Führung. Eine Viertelstunde später der Ausgleich für Erkenschwick. 1:1. Dabei blieb es. Im strömenden Regen des Göttinger Jahnstadions.
Mein erstes Spiel muss, nüchtern betrachtet, eine ziemlich abschreckende Erfahrung gewesen sein.
Später, als ich allmählich begriff, welch folgenschwere Entscheidung ich bei der Wahl meines Lieblingsvereins getroffen hatte, musste ich immer wieder an diesen Regen zurückdenken. Wie ich klitschnass meine ebenso klitschnasse Fahne schwenke. Glückselig und resistent gegen Niederschlag, Tristesse, leere Ränge. Heute schmunzle ich gern mal über meine eigene Fansozialisierung. Immerhin komme ich aus Dortmund, wuchs im Spannungsfeld von BVB und S04 mit dem Fußball auf. Ich könnte also BVB-Fan sein, ich könnte Schalker sein, auch wenn mein Vater das als Borusse vermutlich nicht geduldet hätte. Stattdessen wurde ich 05er. Und ließ 32 Jahre später im Mai 2012 eine 1:2-Heimniederlage in der fünften Liga gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck über mich ergehen, während der BVB in der Bundesliga mal wieder Deutscher Meister wurde. Umgeben von Göttingern, die den BVB als ihren Lieblingsklub bezeichneten und sich über die Meisterschaft freuten. Während ich als gebürtiger und auch noch immer leidenschaftlicher Dortmunder dem Titelgewinn mit zwar schwarz-gelbem, aber eben 05er-Herzen, gleichgültig gegenüberstand und an der peinlichen Pleite gegen Osterholz-Scharmbeck nagte.
Mal ehrlich: Irgendetwas muss da doch schiefgelaufen sein?
Doch derart vorbehaltlos, wie ich Göttingen 05 bei meinem ersten Stadionbesuch begegnete, war die Sachlage eigentlich klar. 05 konnte tun, was es wollte, ich wäre geblieben. Das karge 1:1, die von meinem Vater als »grausam« definierte Leistung, das leere Stadion, der überschaubare Fanblock neben dem alten hölzernen Ansagehäuschen auf der Hauptgeraden, der Regen, dem wir ungeschützt ausgesetzt waren – nichts konnte meine glühende Zuneigung zu Göttingen 05 bremsen. Und schon gar nicht der BVB, denn der war für mich ja nicht erreichbar. Zu 05 hingegen konnte ich fortan alle zwei Wochen gehen. Und wie geht Liebe, wenn man sich nicht ständig sehen kann? Fernsehfußballfan hätte ich nie werden können.
Nach dem Schlusspfiff schlurften wir klatschnass zu unserem 15-Tonner zurück. Rumpelten hinauf nach Geismar, in unsere neue Wohnung. Wie die Möbel ins Haus kamen, weiß ich nicht mehr. Wie wir den ersten Abend in der neuen Wohnung verbrachten auch nicht. Aber ich weiß noch, wie ich meine schwarz-gelbe Fahne stolz in mein neues Zimmer trug und die Wände nach dem besten Platz absuchte. Fortan war ich 05er. Zur neuen Saison gründete ich mutig einen Fanklub, nachdem sich eine Klassenkameradin ebenfalls als 05-Fan geoutet hatte. Zum Einstand der »Schwarz-Gelben Löwen« gab es ein 3:0 gegen Tennis Borussia, und dass 05 in derselben Saison auch den BVB mit 3:0 abfertigte, sorgte für schlechte Laune bei meinem Vater, die ich insofern zu meinen Gunsten nutzte, als ich ihm kommentarlos ein BVB-Fähnchen mitsamt einer Schachtel Streichhölzer auf den Küchentisch legte.
Wie jeder Fan (außer denen der Bayern) habe ich meine Wahl seitdem zigtausendfach bereut und mich hundertmillionenfach darüber gefreut. Natürlich hätte ich mit dem BVB oder Schalke viele große Erfolge feiern können. Stattdessen musste ich 2003 die Auflösung meines Klubs miterleben, beim Neustart in der achten Liga selbst mit Hand anlegen. Als Borusse oder Königsblauer würde ich zu Europapokalspielen fliegen, meine Mannschaft im Fernsehen sehen, überall Fans meines Klub begegnen. Mit 05 war ich schon in Käffern wie Landolfshausen, Ihrhove und Hillerse, freue mich über gelegentliche halbseitige Spielberichte im hiesigen Provinzblatt und ernte regelmäßig mitleidige Blicke, wenn ich von meinem Lieblingsverein erzähle.
05-Fan geworden zu sein war eben die beste Entscheidung meines Lebens. Danke Papa, dass du damals so cool warst und angehalten hast!
Donnerstag, 19. April 2012
Neuling in der Football League: Fleetwood Town
Zur Spielzeit 2011/12 wird mit Fleetwood Town ein Klub in der englischen Football League vertreten sein, der nie zuvor im Profifußball dabei war. Das Team aus der Kleinstadt unweit von Blackpool erreichte nach einem 2:2 gegen Lincoln sowie einem 2:2 von Verfolger Wrexham gegen Grimsby vorzeitig das Ziel, das in der vorherigen Saison noch in den play-off-Spielen verpasst worden war.
Der Klub existiert erst seit 1997, reicht aber zurück auf eine Klubgründung im Jahr 1908. Der seinerzeit gegründete Fleetwood FC musste 1976 aus finanziellen Gründen aufgelöst werden. Nachfolger Fleetwood Town erreichte 1985 das Finale um die FA Vase (1:3 gegen Halesowen Town vor 16.000 Zuschauern in Wembley) und ging 1996 ebenfalls in die Insolvenz.
1997 entstanden daraufhin die Fleetwood Wanderers, die zunächst unter dem Sponsorennamen Fleetwood Freeport auftraten und erst 2002 ihren heutigen Namen erhielten. Seit 2010 arbeitet der Klub unter Vollprofibedingungen. Das bereits Football-League -Ansprüchen genügende Stadion Highbury fasst 5.500 Zuschauer.
Für Fleetwood war es ist der fünfte Aufstieg in nur acht Jahren. Als Vater des Erfolges gilt Klubchef Andy Pilley, der den Klub seit 2003 anführt und der von der BBC mit den Worten zitiert wurde: "Es ist das Resultat von vieler Jahre Arbeit. Der Aufstieg ist ein großer Erfolg für die Stadt und wird dort neue Jobs schaffen. Wir hatten immer die Vision, in die Football League aufzusteigen. Nun haben wir es geschafft."
Der Klub existiert erst seit 1997, reicht aber zurück auf eine Klubgründung im Jahr 1908. Der seinerzeit gegründete Fleetwood FC musste 1976 aus finanziellen Gründen aufgelöst werden. Nachfolger Fleetwood Town erreichte 1985 das Finale um die FA Vase (1:3 gegen Halesowen Town vor 16.000 Zuschauern in Wembley) und ging 1996 ebenfalls in die Insolvenz.
1997 entstanden daraufhin die Fleetwood Wanderers, die zunächst unter dem Sponsorennamen Fleetwood Freeport auftraten und erst 2002 ihren heutigen Namen erhielten. Seit 2010 arbeitet der Klub unter Vollprofibedingungen. Das bereits Football-League -Ansprüchen genügende Stadion Highbury fasst 5.500 Zuschauer.
Für Fleetwood war es ist der fünfte Aufstieg in nur acht Jahren. Als Vater des Erfolges gilt Klubchef Andy Pilley, der den Klub seit 2003 anführt und der von der BBC mit den Worten zitiert wurde: "Es ist das Resultat von vieler Jahre Arbeit. Der Aufstieg ist ein großer Erfolg für die Stadt und wird dort neue Jobs schaffen. Wir hatten immer die Vision, in die Football League aufzusteigen. Nun haben wir es geschafft."
Montag, 2. April 2012
Gründung des VfB Stuttgart vor 100 Jahren
Heute vor 100 Jahren entstand der VfB Stuttgart, als sich der Stuttgarter FV 1893 und der FC Krone Cannstatt vereinten. Hier ein Auszug aus meinem Buch "Mit dem Ring auf der Brust. Die Geschichte des VfB Stuttgart" über den Zusammenschluss.
Die Fusion
Mit dem imposanten Aufschwung des FV 93 nach dessen Wandel von einem Rugby- in einen Fußballverein geriet Stuttgarts Fußball völlig durcheinander. Plötzlich gab es neben den Kickers, den Sportfreunden sowie dem FC Union einen weiteren Verein, der sich unter den besten Klubs in Süddeutschland festzusetzen versuchte.
Mit dem imposanten Aufschwung des FV 93 nach dessen Wandel von einem Rugby- in einen Fußballverein geriet Stuttgarts Fußball völlig durcheinander. Plötzlich gab es neben den Kickers, den Sportfreunden sowie dem FC Union einen weiteren Verein, der sich unter den besten Klubs in Süddeutschland festzusetzen versuchte.
Die Schwarz-Gelben waren drauf und dran, dieses Ziel zu erreichen, als sie auf Widerstände stießen. Der erste war sportlicher Natur und hieß FV Zuffenhausen – 1910 hatten die Männer von der Schlotwiese im Aufstiegsspiel zur A-Klasse glücklich die Nase vorn. Der zweite verband sich mit dem Sportplatz am Karl-Olga-Krankenhaus, dessen Zukunft höchst ungewiss war. Und als dritter Grund spielte eine bedrohlich dünne Personaldecke eine Rolle, die die sportliche Zukunft der 93er ungewiss erscheinen ließ.
Während der packenden Saison 1910/11, als sich der FV 93 und der Kronenclub Cannstatt ein dramatisches Rennen um den Staffelsieg geliefert hatten, war es zu engeren Kontakten zwischen Akteuren beider Vereine gekommen. Gemeinsame gesellige Veranstaltungen festigten das Verhältnis, und so war eines Tages das Thema Fusion aufgetaucht, dem beide Seiten durchaus offen gegenüber standen.
Auch der im gesellschaftlichen Leben Cannstatts eine wichtige Rolle spielende FC Krone war nämlich ein wenig an seine Grenzen gestoßen. Vor allem sportlich. Erst 1908 verwandelten sich die Grün-Weiß-Roten offiziell von einem Schülerklub in einen „echten" Sportverein, dessen Mittel jedoch begrenzt waren. Unter Vorsitz von Eugen Imberger sowie FV-93-Vertreter Karl Rupp kam es 1911 zu ersten Gesprächen über einen möglichen Zusammenschluss, der zahlreiche Vorteile bot: Während der FC Krone neben seinem Sportplatz am Fuße der Münsterer Kirche mit Copé Wendling, Willy Giersch und Fritz Stiefel drei Ausnahmefußballer vorweisen konnte, bestach der FV 93 durch langjährige Erfahrungen im Vereinswesen und wies einen innovativen Geist auf.
Im Spätsommer 1911 kam es im Hotel Concordia zu einer gemeinsamen Versammlung, bei der der Durchbruch erzielt wurde. Wenigen Skeptikern stand die überwältigende Mehrheit an Befürwortern gegenüber, und so wurde beschlossen, die Fusion nach Ende der laufenden Spielzeit im Spätsommer 1912 durchzuführen.
Von diesem Moment wirkten Kronenclub und FV 93 Hand in Hand, denn als die Schwarz-Gelben Weihnachten 1911 zu einem Freundschaftsspiel zu Inter Mailand reisten, waren mit Giersch, Stiefel und Wendling sogar drei Kronenklübler dabei. Das brachte den Akteuren zwar eine Sperre durch den Verband ein (sie hätten nicht für einen anderen Verein spielen dürfen), festigte aber die Bindung zwischen den Fusionswilligen.
Dass der am 2. April 1912 mit der Eintragung ins Vereinsregister vollzogenen Fusion zum VfB Stuttgart eine glückliche Zukunft beschieden war, verdankte man nicht zuletzt seinem sportlichen Traumstart mit dem Aufstieg in die Südkreisliga. Nicht nur der Erfolg schweißte den von Wilhelm Hinzmann angeführten Klub zusammen – schließlich stammten beide Ursprungsvereine aus schulischem Umfeld, war man vergleichbaren sozialen Milieus entsprungen und verfügte über diverse vereinsübergreifende „zarte Bande".
Die Harmonie bestätigte sich bei Fragen nach den neuen Vereinsfarben bzw. dem Wappen. Für das erste wurde weder das Schwarz-Gelb des FV 93 noch das Grün-Weiß-Rot des FC Krone gewählt, sondern das verbindende Weiß-Rot Cannstatts, während die als Logo fungierenden drei Hirschangeln des württembergischen Hauses den Anspruch des VfB dokumentierten, Nummer eins von Württemberg zu werden!
Freitag, 23. März 2012
Frankreich: Erstligisten wünschen "Abstiegsschutz"
In Frankreich sind erneut Überlegungen laut geworden, die Zahl der Erstligisten von 20 auf 18 oder sogar 16 zu reduzieren. Nach Ansicht eines Sprechers der UCPF (Vereinigung der Profiklubs in Frankreich) sind die Belastungen durch die 20er Liga zu groß. Außerdem wird über eine Winterpause nachgedacht.
Im Umfeld dieser Forderungen gibt es aber noch weiterreichende Vorschläge, die den Profifußball in Frankreich nachhaltig verändern könnten. So hat der Präsident des AS Nancy vorgeschlagen, künftig höchstens zwei Absteiger aus der 1. Liga vorzusehen - wobei einer der beiden Klubs über Relegaionsspiele gegen den Zweiten der 2. Liga noch eine Zusatzchance auf den Klassenerhalt erhalten soll. Begründung: die finanziellen Folgen eines Abstiegs aus der 1. Liga seien zu groß und in der 2. Liga nicht aufzufangen. Wünschenswert sei es, Absteigern für mindestens zwei Jahre dieselben Fernsehgelder wie in der 1. Liga zu garantieren.
Kommt es zur Umsetzung dieser Idee, dürfte sich die Kluft zwischen Erst- und Zweitligisten in Frankreich deutlich verbeitern - mit der Gefahr einer "geschlossenen Gesellschaft" 1. Liga.
Im Umfeld dieser Forderungen gibt es aber noch weiterreichende Vorschläge, die den Profifußball in Frankreich nachhaltig verändern könnten. So hat der Präsident des AS Nancy vorgeschlagen, künftig höchstens zwei Absteiger aus der 1. Liga vorzusehen - wobei einer der beiden Klubs über Relegaionsspiele gegen den Zweiten der 2. Liga noch eine Zusatzchance auf den Klassenerhalt erhalten soll. Begründung: die finanziellen Folgen eines Abstiegs aus der 1. Liga seien zu groß und in der 2. Liga nicht aufzufangen. Wünschenswert sei es, Absteigern für mindestens zwei Jahre dieselben Fernsehgelder wie in der 1. Liga zu garantieren.
Kommt es zur Umsetzung dieser Idee, dürfte sich die Kluft zwischen Erst- und Zweitligisten in Frankreich deutlich verbeitern - mit der Gefahr einer "geschlossenen Gesellschaft" 1. Liga.
Dienstag, 20. März 2012
Kultklubs: Cracovia Kraków
Aus der Fuwo-Serie "Kleine Kultklubs in Europa" heute "Cracovia Kraków
An der Gewaltfrage kommt man im polnischen Fußball nur selten vorbei. Zu viele Schlagzeilen haben marodierende Hooliganbanden seit den 1990er Jahren geschrieben. Das gefürchtetste Derby des Landes findet in Krakau statt. Wisla, sportlich und auch in Fankreisen Nummer 1, gegen Cracovia, Polen wohl legendärsten Traditionsverein, der nach Jahrzehnte in der Vergessenheit eine weithin begrüßte Wiedergeburt feierte. Doch wann immer die beiden Teams, deren Stadien nur ein paar hundert Meter auseinander liegen, aufeinander treffen, gibt es Ausschreitungen mit Verletzen und gar Toten. Selbst Polens Hooliganzirkel sprechen respektvoll von „wohl einem der fiesesten Derbys in Europa“.
Das hat Tradition, denn schon in der 1920er Jahren heizte Cracovia-Spieler Ludwig Gintel die Stimmung vor einem Stadtduell mächtig an. Mit seiner Aufforderung „Meine Herren, na los, gehen wir in diesen heiligen Krieg“, drückte er dem sportlichen Duell sogar einen immerwährenden schauerlichen Stempel auf. Bis heute bezeichnet Polen das Krakauer Derby als „święta wojna“ („Heiligen Krieg“).
Beide Vereine reichen zurück ins Jahr 1906. Wisla („Weichsel“) ist der Klub der einfachen Leute, Cracovia (lateinischer Name für Krakau) der Klub der Akademiker. Mit seinem Gründungsdatum 13. Juni 1906 ist letzterer ältester Fußballverein Polens. Während Wisla in der Zeit der polnischen Staatenlosigkeit nationalistisch agitierte und vor dem Ersten Weltkrieg aus Protest gegen den Einfluss Wiens aus dem Österreichischen Fußballverband austrat, passte sich die kosmopolitisch ausgerichtete Cracovia den herrschenden Verhältnissen an und konnte ungleich größere Erfolge feiern. 1913 errangen die Rot-Weißen sogar die Österreichische Meisterschaft für Polen - also Galiziens. Schon damals entwickelte sich eine Rivalität, die nicht zuletzt entlang der sozialen und politischen Trennlinien verlief.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Cracovia unter den Gründern des polnischen Nationalverbandes PZPN zu finden und segelte zunächst weiter auf Erfolgskurs. 1921 führte der ungarische Trainer Imre Poszonyi die Elf sogar zur ersten polnischen Landesmeisterschaft. Damals begründete sich auch der heutige Kultcharakter des Klubs. Landesweit wurde die Cracovia zum Liebling vor allem in gebildeteren Kreisen und stand synonym für die Multikulturalität und Multiethnizität Polens. Der sportliche Höhenflug erreichte in den 1930er Jahren seinen Höhepunkt. 1930, 1932 und 1937 errang die Cracovia drei weitere Meistertitel. Es waren die goldenen Jahre des Vereins, für die mit Józef Kałuża der spätere Namensgeber der zum Cracovia-Stadion führenden Straße steht. Kałuża bestritt 408 Spiele für Cracovia, in denen er sensationelle 465 Tore markierte. Nach Ende seiner sportlichen Laufbahn übernahm er 1932 die Trainingsleitung und führte nebenbei Polens Nationalmannschaft 1936 zu Platz vier bei den Olympischen Spielen in Berlin und 1938 zur WM in Frankreich.
Mit dem Zweiten Weltkrieg endeten sowohl Kałużas Karriere als auch Cracovias Erfolgsserie. Kałuża starb 1944, während der 1939 unterbrochene Spielbetrieb der polnischen Nationalliga erst 1946 fortgesetzt werden konnte. 1948 sicherten sich die Rot-Weißen mit einem 3:1 im Entscheidungsspiel gegen den punktgleichen Rivalen Wisla zum bis heute letzten Mal den Meistertitel. Während Wisla anschließend als der Polizei unterstellter Verein Karriere machte und zum Spitzenklub aufstieg, fristete die Cracovia unter der Obhut der ökonomisch nicht wettbewerbsfähigen Nahverkehrsbehörde ein Schattendasein und stieg 1958 erstmals aus der Eliteklasse ab. Anfangs immerhin noch als Fahrstuhlmannschaft auftretend, wurde die Cracovia ab 1970 binnen weniger Jahre in die Viertklassigkeit durchgereicht. Zu allem Übel brannte seinerzeit die hölzerne Tribüne im Cracovia-Stadion ab und verbildlichte damit den desolaten Zustand des Traditionsvereins.
Der Kultcharakter überlebte. 1975 zählte man im Cracovia-Stadion sogar sensationelle 20.000 Zuschauer beim Drittliga-Heimspiel gegen Lublin. Sportlich indes gab es zunächst Rückschläge. Erst 1978 kehrte Cracovia in die 2. Liga zurück, und 1982 war die rot-weiße Fangemeinde geradezu außer sich vor Freude, als nach 13 langen Jahren die Rückkehr ins Oberhaus gelang. Doch die Euphorie war nicht von Dauer. Zwar bejubelte der Kultklub überraschende Erfolge wie ein 3:1 gegen Legia Warschau und ein 1:0 gegen Meister Lech Posen, 1983 aber ging es zurück in die zweite Liga und damit erneut auf Talfahrt. Ihren 80. Geburtstag feierte die Cracovia 1986 bereits wieder in der dritten Liga und stand angesichts leerer Kassen und eines maroden Stadions vor einer ungewissen Zukunft.
Just zur politischen Wende sorgte die wiedererweckte Nachwuchsarbeit für eine erneute Renaissance. 1990 und 1991 wurde Cracovia jeweils polnischer Jugendmeister, und 1991 führten Talente wie Tomasz Rząsa und Lukasz Kubik den Klub zurück in Liga 2. Erneut wurden die Rot-Weißen zur Fahrstuhlmannschaft, feierte die schmaler gewordene Fangemeinde im September 1995 ein historisches 1:0 beim längst weit enteilten Stadtrivalen Wisła und stürzte zur Milleniumswende abermals in die Drittklassigkeit ab. Begleitet von einer längst als „problematisch“ eingeschätzten Fanszene. Wojtek, ein langjähriger Cracovia-Fan, erinnerte sich kürzlich im Gespräch mit dem österreichischen Magazin „ballesterer“: Wir waren zwar sportlich am Boden, aber nicht, was die Hooligans anbelangt. Wir zwei sind keine Hooligans, aber viele unserer Leute haben ihre Aggressionen wegen der tristen Lage unseres Vereins in sich hineingefressen und in der Stadt entsprechend rausgelassen. Cracovia wurde in den Neunzigern nicht mit sportlichen Erfolgen, sondern mit Hooligans in Verbindung gebracht. In Krakau sind leider auch erstmals in Polen Messer in den Fights aufgetaucht. Cracovia hatte daran großen Anteil. Wenn Eltern ihren Kindern erlaubten, auf den Platz zu gehen, dann zu Wisła. Ich musste meine Eltern anlügen und oft weglaufen, um Cracovia sehen zu können.“
2002 entdeckte mit Janusz Filipiak der vermögende Gründer des Softwarenriesen Comarch seine Liebe zu Cracovia und erweckte den Klub. Dank seiner Finanzkraft ging es anschließend steil bergauf. Spieler wie Piotr Giza, Arkadiusz Baran, Łukasz Skrzyński und Paweł Nowak schossen die von Wojciech Stawowy trainierte Elf 2003 zurück in die 2. Liga und feierten 2003/04 den Durchmarsch in die Ektraklasa. Plötzlich war der Kult um Cracovia wieder lebendig. Cracovia-Fan Wojtek: „Es ist eine Euphorie ausgebrochen. In der dritten Liga kamen 2002 zu einem Heimspiel gegen Korona Kielce plötzlich 12.000 Zuseher. Es gibt in Polen die Legende von in den Bergen schlafenden Rittern, die aufwachen werden, wenn Polen sie braucht. Bei Cracovia war es ähnlich. Als wir 2003 in die erste Liga aufgestiegen sind ist es zur vollkommenen Eruption gekommen. In den besten Zeiten hatten wir regelmäßig um die 3.000 Leute im Fansektor und einen Zuschauerschnitt von 8.000. Das waren aber nur zu dreißig Prozent Leute, die sich plötzlich für Cracovia zu interessieren begannen. Der Rest waren diese schlafenden Ritter. Das Blatt hat sich gewendet. Wisła-Fans hatten es damals wirklich schwer in der Stadt.“
Und die Himmelsstürmer waren noch längst nicht am Ende ihrer Traumreise angekommen. Schon im Aufstiegsjahr verpasste Cracovia als Fünfter nur knapp einen UEFA-Cup-Platz und rückte 2007 unter Trainer Stefan Majewski auf Position vier in der Abschlusstabelle sowie bis ins Pokalfinale vor. Seitdem prägt allerdings Abstiegskampf das Schicksal des Klubs. 2009 reichte Platz 15 sogar nur zum Ligaerhalt, weil den beiden Lódzer Vereine LKS und Widzew die Lizenzen entzogen wurden. Für große Freude sorgte derweil das 1:1 im „heiligen Krieg“ gegen Wisla am vorletzten Spieltag der Saison 2009/10, mit dem der erneute Titelgewinn des verhassten Nachbarn verhindert wurde.
Cracovias Zuschauerstruktur ist außergewöhnlich. Neben der intellektuellen Elite erreicht der Klub vor allem Menschen von den gesellschaftlichen Rändern. „Die Cracovia zieht Leute an, die in einem bestimmten Lebensabschnitt Erfolge haben können, aber schnell große Tiefschläge erleiden“, erläutert Wojtejk gegenüber „ballesterer“: „Wenn jemand zur Cracovia kommt, dann muss er schon ein wenig gestört sein.“
Gründungsdatum: 13. Juni 1906. Vereinsfarben: Rot-Weiß. Stadion: Stadion Cracovii im. Józefa Piłsudskiego. Internet: www.cracovia.pl
Fans: Die Fanszene besteht aus der Ultragruppe “Ultras Opravcy” und der Hooligangruppierung “Jude Gang”. Deren Bezeichnung leitet sich von dem hämischen „Juden“ ab, mit dem Wislar-Fans Cracovia-Anhänger zu verunglimpfen versuchen. Unter den Gründern der Cracovia waren einige Juden zu finden. Bekanntester Anhänger des Klubs war der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. Karel Wojtyla trug in seiner Jugend selber das rot-weiße Cracovia-Shirt.
Erfolge: Polnischer Meister 1921, 1930, 1932, 1937, 1948. Meister von Galizien: 1913
An der Gewaltfrage kommt man im polnischen Fußball nur selten vorbei. Zu viele Schlagzeilen haben marodierende Hooliganbanden seit den 1990er Jahren geschrieben. Das gefürchtetste Derby des Landes findet in Krakau statt. Wisla, sportlich und auch in Fankreisen Nummer 1, gegen Cracovia, Polen wohl legendärsten Traditionsverein, der nach Jahrzehnte in der Vergessenheit eine weithin begrüßte Wiedergeburt feierte. Doch wann immer die beiden Teams, deren Stadien nur ein paar hundert Meter auseinander liegen, aufeinander treffen, gibt es Ausschreitungen mit Verletzen und gar Toten. Selbst Polens Hooliganzirkel sprechen respektvoll von „wohl einem der fiesesten Derbys in Europa“.
Das hat Tradition, denn schon in der 1920er Jahren heizte Cracovia-Spieler Ludwig Gintel die Stimmung vor einem Stadtduell mächtig an. Mit seiner Aufforderung „Meine Herren, na los, gehen wir in diesen heiligen Krieg“, drückte er dem sportlichen Duell sogar einen immerwährenden schauerlichen Stempel auf. Bis heute bezeichnet Polen das Krakauer Derby als „święta wojna“ („Heiligen Krieg“).
Beide Vereine reichen zurück ins Jahr 1906. Wisla („Weichsel“) ist der Klub der einfachen Leute, Cracovia (lateinischer Name für Krakau) der Klub der Akademiker. Mit seinem Gründungsdatum 13. Juni 1906 ist letzterer ältester Fußballverein Polens. Während Wisla in der Zeit der polnischen Staatenlosigkeit nationalistisch agitierte und vor dem Ersten Weltkrieg aus Protest gegen den Einfluss Wiens aus dem Österreichischen Fußballverband austrat, passte sich die kosmopolitisch ausgerichtete Cracovia den herrschenden Verhältnissen an und konnte ungleich größere Erfolge feiern. 1913 errangen die Rot-Weißen sogar die Österreichische Meisterschaft für Polen - also Galiziens. Schon damals entwickelte sich eine Rivalität, die nicht zuletzt entlang der sozialen und politischen Trennlinien verlief.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Cracovia unter den Gründern des polnischen Nationalverbandes PZPN zu finden und segelte zunächst weiter auf Erfolgskurs. 1921 führte der ungarische Trainer Imre Poszonyi die Elf sogar zur ersten polnischen Landesmeisterschaft. Damals begründete sich auch der heutige Kultcharakter des Klubs. Landesweit wurde die Cracovia zum Liebling vor allem in gebildeteren Kreisen und stand synonym für die Multikulturalität und Multiethnizität Polens. Der sportliche Höhenflug erreichte in den 1930er Jahren seinen Höhepunkt. 1930, 1932 und 1937 errang die Cracovia drei weitere Meistertitel. Es waren die goldenen Jahre des Vereins, für die mit Józef Kałuża der spätere Namensgeber der zum Cracovia-Stadion führenden Straße steht. Kałuża bestritt 408 Spiele für Cracovia, in denen er sensationelle 465 Tore markierte. Nach Ende seiner sportlichen Laufbahn übernahm er 1932 die Trainingsleitung und führte nebenbei Polens Nationalmannschaft 1936 zu Platz vier bei den Olympischen Spielen in Berlin und 1938 zur WM in Frankreich.
Mit dem Zweiten Weltkrieg endeten sowohl Kałużas Karriere als auch Cracovias Erfolgsserie. Kałuża starb 1944, während der 1939 unterbrochene Spielbetrieb der polnischen Nationalliga erst 1946 fortgesetzt werden konnte. 1948 sicherten sich die Rot-Weißen mit einem 3:1 im Entscheidungsspiel gegen den punktgleichen Rivalen Wisla zum bis heute letzten Mal den Meistertitel. Während Wisla anschließend als der Polizei unterstellter Verein Karriere machte und zum Spitzenklub aufstieg, fristete die Cracovia unter der Obhut der ökonomisch nicht wettbewerbsfähigen Nahverkehrsbehörde ein Schattendasein und stieg 1958 erstmals aus der Eliteklasse ab. Anfangs immerhin noch als Fahrstuhlmannschaft auftretend, wurde die Cracovia ab 1970 binnen weniger Jahre in die Viertklassigkeit durchgereicht. Zu allem Übel brannte seinerzeit die hölzerne Tribüne im Cracovia-Stadion ab und verbildlichte damit den desolaten Zustand des Traditionsvereins.
Der Kultcharakter überlebte. 1975 zählte man im Cracovia-Stadion sogar sensationelle 20.000 Zuschauer beim Drittliga-Heimspiel gegen Lublin. Sportlich indes gab es zunächst Rückschläge. Erst 1978 kehrte Cracovia in die 2. Liga zurück, und 1982 war die rot-weiße Fangemeinde geradezu außer sich vor Freude, als nach 13 langen Jahren die Rückkehr ins Oberhaus gelang. Doch die Euphorie war nicht von Dauer. Zwar bejubelte der Kultklub überraschende Erfolge wie ein 3:1 gegen Legia Warschau und ein 1:0 gegen Meister Lech Posen, 1983 aber ging es zurück in die zweite Liga und damit erneut auf Talfahrt. Ihren 80. Geburtstag feierte die Cracovia 1986 bereits wieder in der dritten Liga und stand angesichts leerer Kassen und eines maroden Stadions vor einer ungewissen Zukunft.
Just zur politischen Wende sorgte die wiedererweckte Nachwuchsarbeit für eine erneute Renaissance. 1990 und 1991 wurde Cracovia jeweils polnischer Jugendmeister, und 1991 führten Talente wie Tomasz Rząsa und Lukasz Kubik den Klub zurück in Liga 2. Erneut wurden die Rot-Weißen zur Fahrstuhlmannschaft, feierte die schmaler gewordene Fangemeinde im September 1995 ein historisches 1:0 beim längst weit enteilten Stadtrivalen Wisła und stürzte zur Milleniumswende abermals in die Drittklassigkeit ab. Begleitet von einer längst als „problematisch“ eingeschätzten Fanszene. Wojtek, ein langjähriger Cracovia-Fan, erinnerte sich kürzlich im Gespräch mit dem österreichischen Magazin „ballesterer“: Wir waren zwar sportlich am Boden, aber nicht, was die Hooligans anbelangt. Wir zwei sind keine Hooligans, aber viele unserer Leute haben ihre Aggressionen wegen der tristen Lage unseres Vereins in sich hineingefressen und in der Stadt entsprechend rausgelassen. Cracovia wurde in den Neunzigern nicht mit sportlichen Erfolgen, sondern mit Hooligans in Verbindung gebracht. In Krakau sind leider auch erstmals in Polen Messer in den Fights aufgetaucht. Cracovia hatte daran großen Anteil. Wenn Eltern ihren Kindern erlaubten, auf den Platz zu gehen, dann zu Wisła. Ich musste meine Eltern anlügen und oft weglaufen, um Cracovia sehen zu können.“
2002 entdeckte mit Janusz Filipiak der vermögende Gründer des Softwarenriesen Comarch seine Liebe zu Cracovia und erweckte den Klub. Dank seiner Finanzkraft ging es anschließend steil bergauf. Spieler wie Piotr Giza, Arkadiusz Baran, Łukasz Skrzyński und Paweł Nowak schossen die von Wojciech Stawowy trainierte Elf 2003 zurück in die 2. Liga und feierten 2003/04 den Durchmarsch in die Ektraklasa. Plötzlich war der Kult um Cracovia wieder lebendig. Cracovia-Fan Wojtek: „Es ist eine Euphorie ausgebrochen. In der dritten Liga kamen 2002 zu einem Heimspiel gegen Korona Kielce plötzlich 12.000 Zuseher. Es gibt in Polen die Legende von in den Bergen schlafenden Rittern, die aufwachen werden, wenn Polen sie braucht. Bei Cracovia war es ähnlich. Als wir 2003 in die erste Liga aufgestiegen sind ist es zur vollkommenen Eruption gekommen. In den besten Zeiten hatten wir regelmäßig um die 3.000 Leute im Fansektor und einen Zuschauerschnitt von 8.000. Das waren aber nur zu dreißig Prozent Leute, die sich plötzlich für Cracovia zu interessieren begannen. Der Rest waren diese schlafenden Ritter. Das Blatt hat sich gewendet. Wisła-Fans hatten es damals wirklich schwer in der Stadt.“
Und die Himmelsstürmer waren noch längst nicht am Ende ihrer Traumreise angekommen. Schon im Aufstiegsjahr verpasste Cracovia als Fünfter nur knapp einen UEFA-Cup-Platz und rückte 2007 unter Trainer Stefan Majewski auf Position vier in der Abschlusstabelle sowie bis ins Pokalfinale vor. Seitdem prägt allerdings Abstiegskampf das Schicksal des Klubs. 2009 reichte Platz 15 sogar nur zum Ligaerhalt, weil den beiden Lódzer Vereine LKS und Widzew die Lizenzen entzogen wurden. Für große Freude sorgte derweil das 1:1 im „heiligen Krieg“ gegen Wisla am vorletzten Spieltag der Saison 2009/10, mit dem der erneute Titelgewinn des verhassten Nachbarn verhindert wurde.
Cracovias Zuschauerstruktur ist außergewöhnlich. Neben der intellektuellen Elite erreicht der Klub vor allem Menschen von den gesellschaftlichen Rändern. „Die Cracovia zieht Leute an, die in einem bestimmten Lebensabschnitt Erfolge haben können, aber schnell große Tiefschläge erleiden“, erläutert Wojtejk gegenüber „ballesterer“: „Wenn jemand zur Cracovia kommt, dann muss er schon ein wenig gestört sein.“
Gründungsdatum: 13. Juni 1906. Vereinsfarben: Rot-Weiß. Stadion: Stadion Cracovii im. Józefa Piłsudskiego. Internet: www.cracovia.pl
Fans: Die Fanszene besteht aus der Ultragruppe “Ultras Opravcy” und der Hooligangruppierung “Jude Gang”. Deren Bezeichnung leitet sich von dem hämischen „Juden“ ab, mit dem Wislar-Fans Cracovia-Anhänger zu verunglimpfen versuchen. Unter den Gründern der Cracovia waren einige Juden zu finden. Bekanntester Anhänger des Klubs war der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. Karel Wojtyla trug in seiner Jugend selber das rot-weiße Cracovia-Shirt.
Erfolge: Polnischer Meister 1921, 1930, 1932, 1937, 1948. Meister von Galizien: 1913
Mittwoch, 14. März 2012
Traditionsvereine in Europa: Stade Reims
In Frankreichs zweiter Liga steht ein Verein mit großer Tradition vor seinem Comeback und möglichem Aufstieg in die 1. Liga: Stade Reims. Der Klub hat eine turbulente jüngere Vergangenheit hinter sich. Hier ein Porträt, das ich vor zwei Jahren für die "Fuwo" verfasste.
Tiefer abgestürzt ist keiner der ehemaligen Spitzenklubs in Europa: Stade Reims, 1956 und 1959 jeweils im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister (heute Champions League) gegen das königliche Real Madrid unterlegen, musste in den 1990er Jahren bisweilen in der sechsten Liga auflaufen und hauchte gleich zweimal sein Leben aus.
Umso erfreulicher, dass den Rot-Weißen aus der Champagnerhochburg im Nordosten Frankreichs 2010 die Rückkehr in die 2. Liga gelang. Und Anlass für die inzwischen wieder üppige Fangemeinde des Traditionsklubs, optimistischer in die Zukunft zu schauen, zumal man mit seinem modernisierten Stade Auguste Delaune durchaus von höheren Zielen träumen darf.
Die erfolgreichste Epoche der “Rouge et Blanc“ (Rot-Weißen) trägt in Frankreich das Label „le grand Reims“ und spielte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ab. 1931 aus einer seit 20 Jahren bestehenden Betriebsmannschaft der berühmte Sektkellerei Pommery & Greno gegründet, war der Klub schon vor dem Krieg systematisch in ein Spitzenteam verwandelt worden. Auf wen der Erfolg zurückging, war klar ersichtlich, denn das damalige Klubwappen krönte eine Sektflasche. Federführend waren mit Victor Canard und Henri Germain zwei Funktionäre mit Visionen und Beziehungen. Vor allem Germain kam eine Schlüsselrolle in der Erfolgsstory der Rêmois zu. Der ehemalige Rugbyspieler arbeitete für Champagnerhersteller Pommery & Greno, zog nebenbei im regionalen Fußballverband als Funktionär erfolgreich Strippen und schuf in Reims professionelle Verhältnisse.
Nach dem Krieg kam der Erfolgsexpress allmählich in Fahrt. 1949 holte die Elf um die Sinibaldi-Brüder Pierre und Paul sowie die Nationalspieler Jonquet und Marche erstmals die Landesmeisterschaft und ein Jahr später auch den Pokal nach Reims. Als Klubchef Germain 1951 den erst 31-jährigen Nationalstürmer Albert Batteux überredete, den Posten des scheidenden Trainers Henri Roessler zu übernehmen, nahm der Aufschwung an Tempo zu. „Monsieur Albert“, wie Batteux bald landesweit genannt wurde, kreierte einen attraktiven Offensivstil, der bis heute das Label „Champagner-Fußball“ trägt.
Zudem hatte Batteux einen vorzüglichen Riecher für Fußballtalente. 1951 lockte er den polnischstämmigen Raymond Kopa vom SCO Angers in die Champagne, mit dem Stade Reims 1953 erneut Meister wurde und zudem den seinerzeit populären Latin Cup gewann. Nachdem Reims 1955 abermals Landesmeister geworden war, übernahm Erfolgstrainer Batteux in Personalunion auch den Job des französischen Nationaltrainers, womit das Herz des französischen Fußballs vollends in der Kleinstadt im Herzen der Champagne schlug.
Mit dem im selben Jahr eingeführten Europapokal der Landesmeister hatte der Klub längst ein neues Ziel: Stade Reims wollte König von Europa werden. Und schon im ersten Jahr gelang den Rêmois über Aarhus, Vörös Lobogo Budapest und Hibernian Edinburgh der Einzug ins Finale, das nach neunzig packenden Minuten jedoch mit einem 4:3-Sieg für Real Madrid und dem anschließenden Wechsel von Superstar Kopa zu den Königlichen endete.
Kopas Verlust, eigentlich nicht zu verschmerzen, konnte Batteux sofort durch einen aus Nizza gekommenen Franzosen marokkanischer Herkunft ersetzen: Just Fontaine. Nachdem in den Folgejahren mit Jean Vincent, Roger Piantoni und Dominique Colonna drei weitere Ausnahmefußballer ins Stade Auguste Delaune gekommen waren, feierte man 1958 zum vierten Mal die Landesmeisterschaft und damit die Rückkehr in den Europapokal der Landesmeister.
Die Batteux-Elf um den hoch geschätzten Zentralverteidiger Robert Jonquet war nun auf dem Gipfel ihres Könnens angekommen. Als Frankreich im selben Sommer bei der WM in Schweden mit erfrischendem Offensivfußball Dritter wurde, standen gleich sechs Rêmois im Kader der Equipe Tricolore - darunter der mit 13 Treffern ewige WM-Torschützenkönig Just Fontaine. Insgesamt stellte Stade Reims seinerzeit in nur 19 Jahren 25 Nationalspieler mit 372 Länderspielen.
Über den nordirischen Ards FC, Finnlands Meister HPS Helsinki, Standard Lüttich aus Belgien sowie die Young Boys aus Bern drangen die Rot-Weißen 1958/59 abermals ins Finale des europäischen Landesmeisterwettbewerb vor. Doch vor 75.000 Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion hatten die Franzosen Pech. Erneut war Real Madrid der Gegner (diesmal mit dem Ex-Rêmois Kopa), und erneut hatten die seinerzeit fast unschlagbaren Königlichen die Nase vor.
Anschließend neigte sich die Ära von „le grand Reims“ allmählich ihrem Ende zu. Zunächst konnte der Klub 1959 mit finanzieller Unterstützung eines französischen Fruchtsafthersteller aber noch Raymond Kopa aus Madrid zurückholen, mit dem er 1960 und 1962 zwei weitere Male Landesmeister wurde. Zwischenzeitlich endete allerdings Just Fontaines Karriere 1961 durch einen komplizierten Beinbruch, ehe 1963 der Vertrag von Erfolgscoach Batteux nicht verlängert wurde. Ein fataler Fehler, denn während Batteux in Saint-Etienne eine neue Erfolgself aufbaute, stürzte Stade Reims unter seinem Nachfolger Camille Cottin völlig ab.
Nachdem sämtliche Leistungsträger den Verein verlassen hatten, landete der Klub 1964 sogar in der 2. Liga und wurde zur Fahrstuhlmannschaft. 1966 hörte mit Präsident Henri Germain auch der letzte Vertreter der Erfolgsära auf. Mitte der 1970er Jahre gab es noch einmal ein kurzes Aufbäumen. 1973/74 stellte Stade Reims mit dem Argentinier Carlos Bianchi den Torschützenkönig der Nationalliga (30 Treffer), 1975/76 beendete man die Saison auf einem fünften Platz und 1977 gelang der Einzug ins Pokalfinale, das jedoch mit 1:2 gegen AS St. Etienne verloren ging.
Inzwischen plagten den Klub schwere finanzielle Sorgen, die ihn 1978 zwangen, Insolvenz anzumelden. Die nicht erstligataugliche Notelf verabschiedete sich daraufhin 1979 mit nur drei Saisonsiegen zum letzten Mal aus der 1. Liga. Verlassen von Fans und Sponsoren, taumelte Stade Reims einer ungewissen Zukunft entgegen. 1986 und 1987 drangen die Rot-Weißen im Pokal jeweils bis ins Halbfinale vor, wobei am 2. Juni 1987 beim 1:5 gegen Olympique Marseille mit 27.774 Zuschauern sogar noch ein Vereinsrekord registriert wurde. Doch im Januar 1991 kam das Aus, wurde der mit über 50 Millionen Franc verschuldete Traditionsklub zunächst in die 3. Liga zwangsversetzt und im Oktober 1991 schließlich liquidiert.
Der Nachfolgeverein Stade de Reims Champagner FC hielt nicht einmal eine Saison durch, ehe auch er am 11. Mai 1992 Insolvenz anmeldete und Stade Reims endgültig Geschichte wurde. Durchschnittlich 982 Zuschauer hatten der letzten Saison des Klubs beigewohnt.
Im Juli desselben Jahres entstand mit Stade de Reims Champagne ein neuer Verein, der den Spielbetrieb in der sechsten Liga aufnahm. Nach drei Aufstiegen binnen fünf Jahren kehrten die Rêmois schließlich 1999 zur großen Freude der französischen Fußballöffentlichkeit in die 3. Liga zurück. Hinter dem Erfolg stand Brillengrossist Alain Afflelou, der zwischenzeitlich nicht nur sämtliche 1992 beim Vereins-Aus verkauften Pokale und Wimpel aus glorreichen Tagen zurückgekauft hatte, sondern den Klub finanziell auf solide Füße gestellt und ihm 1999 zudem den Traditionsnamen Stade de Reims zurückgegeben hatte.
Längst war Stade Reims zu einem landesweit beliebten Liebling aufgestiegen, und als den Rouge et Blanc 2002 der Aufstieg in die 2. Liga gelang, war die Freude in Frankreich groß. 2002/03 noch sportlich gescheitert, etablierten sich die Rêmois ab 2004 im zweiten Anlauf in der zweithöchsten Spielklasse. Parallel dazu wurde der Umbau des maroden Stade Auguste Delaune vorangetrieben, während 2007 im Ligapokal der Einzug ins Halbfinale gelang und in Reims zarte Erstligaträume erwachten.
Doch als der Stadionumbau 2009 abgeschlossen wurde, stand man in Reims abermals vor sportlichen Trümmern. Nach einer katastrophalen Hinrunde hatte der zur Winterpause verpflichtete Trainer Luis Fernandez mit seinem Team in der Rückrunde 2008/09 zwar aus 18 Spielen 27 Punkte geholt, die aber nicht mehr zum Klassenerhalt reichten. Inzwischen dürfen die seit ihrem sofortigen Wiederaufstieg vom früheren Guingamp- und Mönchengladbach-Verteidiger Hubert Fournier trainierten Rêmois erneut auf eine Etablierung im Profilager hoffen.
Klub, Fans und Region wäre es zu wünschen. Stade Reims ist ungeachtet seiner turbulenten jüngeren Vergangenheit ein stolzer Klub, dessen Aura greifbar ist und dessen Tradition ihn zu einem besonderen Verein macht. Zu einem Verein, dem auch die Erstklassigkeit gut zu Gesicht stehen würde. Zumal Reims dazu inzwischen zweifelsohne alle Voraussetzungen liefert: Das Stadion ist hübsch und wäre mit kleineren Ausbaumaßnahmen erstligatauglich, die Attraktivität des Klubs ist hoch und der Ruhm sowie Legende.
Tiefer abgestürzt ist keiner der ehemaligen Spitzenklubs in Europa: Stade Reims, 1956 und 1959 jeweils im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister (heute Champions League) gegen das königliche Real Madrid unterlegen, musste in den 1990er Jahren bisweilen in der sechsten Liga auflaufen und hauchte gleich zweimal sein Leben aus.
Umso erfreulicher, dass den Rot-Weißen aus der Champagnerhochburg im Nordosten Frankreichs 2010 die Rückkehr in die 2. Liga gelang. Und Anlass für die inzwischen wieder üppige Fangemeinde des Traditionsklubs, optimistischer in die Zukunft zu schauen, zumal man mit seinem modernisierten Stade Auguste Delaune durchaus von höheren Zielen träumen darf.
Die erfolgreichste Epoche der “Rouge et Blanc“ (Rot-Weißen) trägt in Frankreich das Label „le grand Reims“ und spielte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ab. 1931 aus einer seit 20 Jahren bestehenden Betriebsmannschaft der berühmte Sektkellerei Pommery & Greno gegründet, war der Klub schon vor dem Krieg systematisch in ein Spitzenteam verwandelt worden. Auf wen der Erfolg zurückging, war klar ersichtlich, denn das damalige Klubwappen krönte eine Sektflasche. Federführend waren mit Victor Canard und Henri Germain zwei Funktionäre mit Visionen und Beziehungen. Vor allem Germain kam eine Schlüsselrolle in der Erfolgsstory der Rêmois zu. Der ehemalige Rugbyspieler arbeitete für Champagnerhersteller Pommery & Greno, zog nebenbei im regionalen Fußballverband als Funktionär erfolgreich Strippen und schuf in Reims professionelle Verhältnisse.
Nach dem Krieg kam der Erfolgsexpress allmählich in Fahrt. 1949 holte die Elf um die Sinibaldi-Brüder Pierre und Paul sowie die Nationalspieler Jonquet und Marche erstmals die Landesmeisterschaft und ein Jahr später auch den Pokal nach Reims. Als Klubchef Germain 1951 den erst 31-jährigen Nationalstürmer Albert Batteux überredete, den Posten des scheidenden Trainers Henri Roessler zu übernehmen, nahm der Aufschwung an Tempo zu. „Monsieur Albert“, wie Batteux bald landesweit genannt wurde, kreierte einen attraktiven Offensivstil, der bis heute das Label „Champagner-Fußball“ trägt.
Zudem hatte Batteux einen vorzüglichen Riecher für Fußballtalente. 1951 lockte er den polnischstämmigen Raymond Kopa vom SCO Angers in die Champagne, mit dem Stade Reims 1953 erneut Meister wurde und zudem den seinerzeit populären Latin Cup gewann. Nachdem Reims 1955 abermals Landesmeister geworden war, übernahm Erfolgstrainer Batteux in Personalunion auch den Job des französischen Nationaltrainers, womit das Herz des französischen Fußballs vollends in der Kleinstadt im Herzen der Champagne schlug.
Mit dem im selben Jahr eingeführten Europapokal der Landesmeister hatte der Klub längst ein neues Ziel: Stade Reims wollte König von Europa werden. Und schon im ersten Jahr gelang den Rêmois über Aarhus, Vörös Lobogo Budapest und Hibernian Edinburgh der Einzug ins Finale, das nach neunzig packenden Minuten jedoch mit einem 4:3-Sieg für Real Madrid und dem anschließenden Wechsel von Superstar Kopa zu den Königlichen endete.
Kopas Verlust, eigentlich nicht zu verschmerzen, konnte Batteux sofort durch einen aus Nizza gekommenen Franzosen marokkanischer Herkunft ersetzen: Just Fontaine. Nachdem in den Folgejahren mit Jean Vincent, Roger Piantoni und Dominique Colonna drei weitere Ausnahmefußballer ins Stade Auguste Delaune gekommen waren, feierte man 1958 zum vierten Mal die Landesmeisterschaft und damit die Rückkehr in den Europapokal der Landesmeister.
Die Batteux-Elf um den hoch geschätzten Zentralverteidiger Robert Jonquet war nun auf dem Gipfel ihres Könnens angekommen. Als Frankreich im selben Sommer bei der WM in Schweden mit erfrischendem Offensivfußball Dritter wurde, standen gleich sechs Rêmois im Kader der Equipe Tricolore - darunter der mit 13 Treffern ewige WM-Torschützenkönig Just Fontaine. Insgesamt stellte Stade Reims seinerzeit in nur 19 Jahren 25 Nationalspieler mit 372 Länderspielen.
Über den nordirischen Ards FC, Finnlands Meister HPS Helsinki, Standard Lüttich aus Belgien sowie die Young Boys aus Bern drangen die Rot-Weißen 1958/59 abermals ins Finale des europäischen Landesmeisterwettbewerb vor. Doch vor 75.000 Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion hatten die Franzosen Pech. Erneut war Real Madrid der Gegner (diesmal mit dem Ex-Rêmois Kopa), und erneut hatten die seinerzeit fast unschlagbaren Königlichen die Nase vor.
Anschließend neigte sich die Ära von „le grand Reims“ allmählich ihrem Ende zu. Zunächst konnte der Klub 1959 mit finanzieller Unterstützung eines französischen Fruchtsafthersteller aber noch Raymond Kopa aus Madrid zurückholen, mit dem er 1960 und 1962 zwei weitere Male Landesmeister wurde. Zwischenzeitlich endete allerdings Just Fontaines Karriere 1961 durch einen komplizierten Beinbruch, ehe 1963 der Vertrag von Erfolgscoach Batteux nicht verlängert wurde. Ein fataler Fehler, denn während Batteux in Saint-Etienne eine neue Erfolgself aufbaute, stürzte Stade Reims unter seinem Nachfolger Camille Cottin völlig ab.
Nachdem sämtliche Leistungsträger den Verein verlassen hatten, landete der Klub 1964 sogar in der 2. Liga und wurde zur Fahrstuhlmannschaft. 1966 hörte mit Präsident Henri Germain auch der letzte Vertreter der Erfolgsära auf. Mitte der 1970er Jahre gab es noch einmal ein kurzes Aufbäumen. 1973/74 stellte Stade Reims mit dem Argentinier Carlos Bianchi den Torschützenkönig der Nationalliga (30 Treffer), 1975/76 beendete man die Saison auf einem fünften Platz und 1977 gelang der Einzug ins Pokalfinale, das jedoch mit 1:2 gegen AS St. Etienne verloren ging.
Inzwischen plagten den Klub schwere finanzielle Sorgen, die ihn 1978 zwangen, Insolvenz anzumelden. Die nicht erstligataugliche Notelf verabschiedete sich daraufhin 1979 mit nur drei Saisonsiegen zum letzten Mal aus der 1. Liga. Verlassen von Fans und Sponsoren, taumelte Stade Reims einer ungewissen Zukunft entgegen. 1986 und 1987 drangen die Rot-Weißen im Pokal jeweils bis ins Halbfinale vor, wobei am 2. Juni 1987 beim 1:5 gegen Olympique Marseille mit 27.774 Zuschauern sogar noch ein Vereinsrekord registriert wurde. Doch im Januar 1991 kam das Aus, wurde der mit über 50 Millionen Franc verschuldete Traditionsklub zunächst in die 3. Liga zwangsversetzt und im Oktober 1991 schließlich liquidiert.
Der Nachfolgeverein Stade de Reims Champagner FC hielt nicht einmal eine Saison durch, ehe auch er am 11. Mai 1992 Insolvenz anmeldete und Stade Reims endgültig Geschichte wurde. Durchschnittlich 982 Zuschauer hatten der letzten Saison des Klubs beigewohnt.
Im Juli desselben Jahres entstand mit Stade de Reims Champagne ein neuer Verein, der den Spielbetrieb in der sechsten Liga aufnahm. Nach drei Aufstiegen binnen fünf Jahren kehrten die Rêmois schließlich 1999 zur großen Freude der französischen Fußballöffentlichkeit in die 3. Liga zurück. Hinter dem Erfolg stand Brillengrossist Alain Afflelou, der zwischenzeitlich nicht nur sämtliche 1992 beim Vereins-Aus verkauften Pokale und Wimpel aus glorreichen Tagen zurückgekauft hatte, sondern den Klub finanziell auf solide Füße gestellt und ihm 1999 zudem den Traditionsnamen Stade de Reims zurückgegeben hatte.
Längst war Stade Reims zu einem landesweit beliebten Liebling aufgestiegen, und als den Rouge et Blanc 2002 der Aufstieg in die 2. Liga gelang, war die Freude in Frankreich groß. 2002/03 noch sportlich gescheitert, etablierten sich die Rêmois ab 2004 im zweiten Anlauf in der zweithöchsten Spielklasse. Parallel dazu wurde der Umbau des maroden Stade Auguste Delaune vorangetrieben, während 2007 im Ligapokal der Einzug ins Halbfinale gelang und in Reims zarte Erstligaträume erwachten.
Doch als der Stadionumbau 2009 abgeschlossen wurde, stand man in Reims abermals vor sportlichen Trümmern. Nach einer katastrophalen Hinrunde hatte der zur Winterpause verpflichtete Trainer Luis Fernandez mit seinem Team in der Rückrunde 2008/09 zwar aus 18 Spielen 27 Punkte geholt, die aber nicht mehr zum Klassenerhalt reichten. Inzwischen dürfen die seit ihrem sofortigen Wiederaufstieg vom früheren Guingamp- und Mönchengladbach-Verteidiger Hubert Fournier trainierten Rêmois erneut auf eine Etablierung im Profilager hoffen.
Klub, Fans und Region wäre es zu wünschen. Stade Reims ist ungeachtet seiner turbulenten jüngeren Vergangenheit ein stolzer Klub, dessen Aura greifbar ist und dessen Tradition ihn zu einem besonderen Verein macht. Zu einem Verein, dem auch die Erstklassigkeit gut zu Gesicht stehen würde. Zumal Reims dazu inzwischen zweifelsohne alle Voraussetzungen liefert: Das Stadion ist hübsch und wäre mit kleineren Ausbaumaßnahmen erstligatauglich, die Attraktivität des Klubs ist hoch und der Ruhm sowie Legende.
Sonntag, 11. März 2012
VfL Bückeburg
Heutiger Gast im Jahnstadion (Fritz-Rebell-Kampfbahn) ist der VfL Bückeburg. Hier mein Porträt für die 05er-Stadionzeitung. Anpfiff 15 Uhr, alle hin!
Selbst Uralt-05ern steht heute eine Premiere bevor: Denn Pflichtspiele zwischen Göttingen 05 und dem VfL Bückeburg hat es noch nie gegeben. In diesem Sinne also ein doppeltes „Willkommen in Göttingen, VfL Bückeburg“. Das lag einerseits daran, dass Bückeburg und Göttingen bezirkstechnisch derart getrennt sind, dass man sich in unteren Klassen nicht begegnen kann, andererseits aber auch daran, dass Bückeburg sich ligatechnisch zumeist eher bescheiden gab. Was nun wieder für eine 20.000-Einwohnerstadt nicht überraschend und vor allem relativ ist. Denn erfolglos war der VfL wahrlich nicht! Die schillerndsten Jahre waren die Spielzeiten 1953/54-1956/57, als die Grün-Weißen in der damals zweitklassigen Amateuroberliga West mitkickten. Weil aus finanziellen Gründen regelmäßig Leistungsträger abgegeben werden mussten, wurde der VfL später bis in die 1. Kreisklasse durchgereicht. Jene konnte man erst 1972 nach einem epischen Duell mit Nachbar FC Hevesen wieder verlassen. Nach einem Fiasko mit einer überteuerten und lustlosen Legionärself setzte der VfL ab den 1980er Jahren verstärkt auf Nachwuchsarbeit und wurde zu einem Vorbildverein. 1989 gelang mit einer fast ausschließlich aus eigenen Nachwuchsspielern bestückten Elf der Gewinn des Niedersachsenpokals, dem ein DFB-Pokalauftritt gegen die Braunschweiger Eintracht folgte, die sich vor 6.000 Fans mühsam mit 2:0 durchsetzte. Ab 1992 pendelte der mit 1.850 Mitgliedern und 18 Sparten unumwunden als „Großverein“ zu bezeichnende VfL ständig zwischen Landes- und Verbands- bzw. zweigleisiger Oberliga, etablierte sich zunehmend als führendes Fußballteam im Schaumburger Land und feierte weiterhin große Erfolge in der Nachwuchsarbeit. 2011 gelang der bislang größte Erfolg seit den goldenen 50ern. Mit nur drei Niederlagen in 32 Spielen stachen die Residenzstädter im Titelrennen der Landesliga Hannover den hochdotierten 1. FC Wunstorf aus und sicherten sich durch ein von 300 mitgereisten Fans gefeiertes standesgemäßes 7:1 in Heeßel erstmals den Aufstieg in die eingleisige Oberliga Niedersachsen. Erfolgsrezept des Teams um Trainer Timo Nottebrock natürlich auch diesmal: die vorbildliche Nachwuchsarbeit. Finally a personal message to the proud Bückeburg supporter Graham, who is already honored somewhere else by Onkel Günther: “Welcome to the home of the German Pirates. Up the O’s, Up the Gas“!
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