Mittwoch, 3. August 2011

Das Hoffenheim Frankreichs? Évian-Thonon-Gaillard im Porträt

Am Wochenende beginn in Frankreich die Erstligasaison 2011/12. Am Start sind diesmal zwei neue Klubs: Dijon FCO und Évian-Thonon-Gaillard FC. Letzterer ist ein ungewöhnlicher Debütant, den ich kürzlich für die Berliner "Fuwo" porträtiert habe. Hier der Artikel:


Frankreichs Fußball-Oberhaus „Ligue 1“ wird in der neuen Saison ein ungewohntes Bild liefern. Für die abgestiegenen Traditionsklubs Monaco und Lens gehen mit Dijon und Évian TG zwei absolute Erstliganeulinge an den Start.


Beide Klubs sind einigermaßen unerwartet und auch ungeplant ins Oberhaus gerutscht. Während Dijon immerhin schon seit 2004 in der 2. Liga kickte und seinerzeit auch das Halbfinale im Landespokal erreichte, ist Évian ein völlig unbeschriebenes Blatt im französischen Fußball.

Die Klubgeschichte erinnert in Ansätzen an die der TSG Hoffenheim. 2008 spielte der Verein noch in der vierten Liga, ehe er nun durch drei Aufstiege binnen vier Jahren im Oberhaus angekommen ist.

Ähnlich wie in Hoffenheim war das auch bei den Franzosen kein Zufall, denn hinter dem Évian Thonon Gaillard FC, so der vollständige Klubname, stehen berühmte und mächtige Männer. Honorarpräsident des Klubs ist mit Franck Riboud der Besitzer des Danone-Konzerns und damit einer der mächtigsten Unternehmer Frankreichs. Zu Ribouds Freunden gehören mit Zinedine Zidane und Bixente Lizarazu zwei Weltmeister von 1998, die ebenso wie Alain Boghossian unter den Aktionären des Fußball-Himmelsstürmer aus dem Departement Haute-Savoie zu finden sind.

Bislang galt die französische Alpenregion südlich des Genfer Sees nicht unbedingt als Fußballhochburg. Attraktivster Klub war über Jahrzehnte der 17fache Schweizer Landesmeister Servette Genf. Nach dessen wirtschaftlichem und sportlichen Absturz kam es 2007 zum Zusammenschluss mehrerer Vereine der Region unter dem Label Olympique Croix de Savoie. Das „Kreuz der Savoyen“ ist das historische Wappen der Region. Federführend war Franck Riboud, der seinerzeit mit seinem stark in der Region verankerten Danone-Konzern zum Hauptsponsor wurde und den Klub völlig umkrempelte.

Seit Juli 2009 heißt der Verein nun Évian Thonon Gaillard, wobei das Évian“ keineswegs auf die gleichnamige Stadt hinweist, sondern auf den dort ansässigen Mineralwasserproduzenten. Sitz des Klubs ist der westlich von Évian gelegene Kurort Thonon-les-Bains. Die zweite Basis befindet sich in Gaillard, einer 30 Kilometer entfernten unscheinbaren Vorstadt zwischen Genf und dem französischen Annemasse. ÉTG ist zweifelsohne ein ungewöhnlicher Verein.

Von Riboud konsequent durchprofessionalisiert, gelang 2008 der Aufstieg in die 3. Liga, ehe die Rot-Weißen 2010 mit dem Sprung in die 2. Liga sogar das Profilager erreichten. Damit einher gingen allerdings strukturelle Probleme. Das Stadion in Thonon durfte in der 2. Liga nicht mehr genutzt werden, und dem bereits besiegelten Umzug nach Genf schob die UEFA einen Riegel vor. So blieb nur der Umzug ins 80 Kilometer entfernte Annecy.

Erfolgsbasis war 2010/11 passenderweise die enorme Auswärtsstärke der Savoyer, die lediglich drei Partien auf fremden Platz verloren. Nebenbei sorgten sie im Pokal für Furore und schalteten Landesmeister Marseille aus. Das Interesse der Fans hielt sich dennoch in Grenzen. Knapp 7.000 kamen in der Zweitligameisterschaftssaison zu den Heimkicks der Rot-Weißen. Auch im Oberhaus wird ÉTG in Annecy spielen. Erst 2014 soll ein eigenes Stadion in Thonon die Pforten öffnen.

Für das neue Spieljahr strebt der Klub den Klassenerhalt an und will ansonsten vermeiden, den warnenden Beispielen von Grenoble und Arles-Avignon zu folgen. Beide Klubs gerieten nach ihrem Erstligaausflug in Krisen, die in Grenoble sogar zur Insolvenz führten. Eine Mischung aus ehrgeizigen Youngstern und erfahrenen Profis soll für das möglichst frühzeitige Erreichen des Klassenziels sorgen. Unter den Neuzugängen ist neben Fabrice Ehret vom 1. FC Köln mit Sidney Govou immerhin ein Nationalspieler, der aus Athen nach Frankreich zurückkommt.

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