Mittwoch, 26. März 2014

Alle Tassen im Schrank? FC Albstadt 07

 
Tradition und Leidenschaft sind zwei große Begriffe, die im Fußball gerne benutzt werden – mitunter auch entgegen ihrer eigentlichen Aussage. Dass sich beispielsweise Vereine, die über Jahrzehnte unter dem Label „TSG“ zumeist auf Bezirks- o...der Kreiseebene aufliefen nach ihrem Aufstieg in bundesweite Spielklassen plötzlich mit einer Jahreszahl schmücken, die wenig bis gar nichts mit der eigenen Fußballgeschichte zu tun hat, fällt sicher nicht unter „Tradition“ und wohl auch nicht zu „gelebter Leidenschaft“.

Der FC Albstadt 07 wiederum hat ein anderes Problem im Zusammenhang mit „Tradition“: Er existiert erst seit 1998! Und doch darf er für sich in Anspruch nehmen, sowohl "Leidenschaft" als auch „Tradition“ zu verkörpern, denn die Namen seiner beiden Vorgängerverein lassen bei interessierten Zeitgenossen sicherlich einige Glöckchen klingeln: FV 07 Ebingen und FC 1910 Tailfingen. Ebingen und Tailfingen sind zudem die beiden größten Ortsteile der Kunstgemeinde Albstadt, die 1975 entstand und die größte Stadt im Zollernalbkreis darstellte. Sie liegt etwa auf halben Weg zwischen Stuttgart und Bodensee auf der Schwäbischen Alb und kommt auf knapp 44.000 Einwohner.

Mit dem FV Ebingen und dem FC Tailfingen fusionierten 1998 zwei über Jahrzehnte miteinander rivalisierende Nachbarn und regionale Spitzenvereine, um gemeinsam an alte und erfolgreichere Zeiten anzuknüpfen. Der FC Tailfingen verbrachte 1949/50 ein Jahr in der nur kurzzeitig bestehenden Oberliga Südwest/Süd, die ein Resultat aus der französischen Besatzungszone gewesen war. Später gehörte er zum Stamm der Amateurliga Schwarzwald-Bodensee und war 1978 unter den Gründungsmitgliedern der Oberliga Baden-Württemberg zu finden, aus der die Grün-Weißen 1982 zum ersten und 1989 zum zweiten und letzten Mal abstiegen. Tailfingens Sportstätte Langenwand war seinerzeit bei der Gegnerschaft höchst gefürchtet und zudem eine üppig sprudelnde Talentequelle, der unter anderem die späteren Bundesligaspieler Egon Flad und Axel Thoma entsprangen. Größter Erfolg des Klubs war der Gewinn der württembergischen B-Jugendmeisterschaft 1980, als man sich im Finale mit 1:0 gegen die Stuttgarter Kickers mit dem jungen Jürgen Klinsmann durchsetzte.

Fusionspartner FV Ebingen weist eine ähnlich imposante Erfolgsgeschichte auf. In den frühen 1940ern scheiterte man zweimal am Sprung in die damalige Gauliga, kickte 1949/50 ebenfalls in der Oberliga Südwest/Süd und schaffte es 1964 und 1965 unter den Trainer Rudi Faßnacht bzw. Bernd Hoss jeweils in die Aufstiegsrunde zur Regionalliga Süd. 1978 verpassten die Rot-Weißen allerdings die großräumige Oberliga Baden-Württemberg und gerieten ein wenig in den Schatten von Nachbar FC Tailfingen, mit dem man schließlich 1998 die Kräfte zum FC 07 Albstadt bündelte.

Die tief verankerte Fußballkultur in Albstadt hat ihren Hintergrund in einer intensiven Industriekultur in der Region, die mit dem FC Onsmettingen übrigens noch einen weiteren recht erfolgreichen Fußballklub stellte. Nach der Fusion klappte es indes nicht wie erhofft. 2001 musste man von der Verbandsliga Württemberg in die Landesliga absteigen, erkämpfte 2007 – als Aufstiegsaspirant gestartet – erst in der Relegation gegen Bezirksligavizemeister TSG Ehingen/Donau den Klassenerhalt und musste schließlich bis 2011 warten, ehe ein 3:0 im Relegationsspiel gegen den TV Echterdingen endlich die Rückkehr in die Verbandsliga besiegelte. Dort soll der Weg noch nicht zu Ende sein, denn in Albstadt würde man gerne an seine reichhaltige Tradition anknüpfen und tut dies mit regionstypischer Leidenschaft.

Leidenschaft ist auch ein guter Begriff für die kleine Geschichte, die hinter der Tasse steht, denn sie wurde unter großem Einsatz und allerlei Mühen vom Blogger „Spätzleskick“ erworben, der kürzlich mit seinem Leib- und Magenverein 1. FC Normannia Gmünd per ÖPNV zum fälligen Auswärtsspiel nach Albstadt reiste und darüber fachkundig in seinem sehr lesenswerten und unterhaltsamen Blog berichtet: http://spaetzleskick.blogspot.de/2014/03/nach-albstadt-einer-tasse-wegen-fc-07.html
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