Freitag, 21. März 2014
Alle Tassen im Schrank? Southend United
Heute abend wäre ich liebend gerne im Memorial Stadium von Bristol. Nicht etwa wegen Southend United, die dort am Abend auflaufen werden, sondern wegen der sicherlich einzigartigen Atmosphäre aufgrund der gestrigen Entscheidung, dass das neue Rovers-Stadion nun (hoffentlich) endlich gebaut werden kann. Ein kleine Gruppe Gegner hatte die bereits im letzten Jahr eigentlich final gefällte Entscheidung angefochten und war vor Gericht gezogen. Dort wurde der Einspruch nun gestern zurückgewiesen, und wenn alles glatt läuft, rollen schon im Sommer die Bagger an. Sie schaffen dann einige Meilen nördlich vom jetzigen Stadion in Horfield eine nagelneue Arena mit 21.700 Plätzen, die gemeinsam mit der University of West England (UWE) betrieben werden wird und deshalb den schönen Namen UWE Stadium bekommen soll.
Ich glaube das allerdings erst, wenn der erste Spatenstich vollzogen ist (oder vielleicht besser: wenn das Stadion öffnet), denn seit die Rovers 1986 aus ihrem Stadion Eastville ausziehen mussten, hat es zig Anläufe gegeben, ein neues Stadion zu errichten, das dem Status und dem Potenzial des Klubs angemessen ist. Nun könnte es also endlich soweit sein. Heute abend wird The Mem daher also richtig „rocken“, und es wird hoffentlich nach 90 Minuten noch deutlich mehr rocken, denn ein Blick auf die Tabelle verrät, dass drei Punkte für die Pirates sehr willkommen wären, um den Abstand zur Abstiegszone zu vergrößern.
Nach dieser etwas ungewöhnlichen Einleitung nun aber flugs zum heutigen Star in der „Tassen-Like-Liga powered by Hardy Grüne“ – dem heutigen Rovers-Gegner Southend United FC. Auch the „Shrimpers“ („Krabben“, ein Hinweis auf die Fischereitradition in im Südosten gelegenen Southend) genannt, ist der Klub recht jung an Jahren – 1906 gegründet – und spielt in einem der in meinen Augen charakteristischen Stadien in englischen Fußball. „Roots Hall“ ist ein Ausflug in britische Stadionarchitektur verschiedener Jahrzehnte, und schon der Name suggeriert ja irgendwie, dass der Ground recht alt sein muss. Dabei stammt er tatsächlich erst aus dem Jahr 1953, nachdem Southend United zuvor in einem Greyound Stadium gespielt hatte.
Seit 1920 spielen die Blau-Weißen in der Football League, wobei sie zumeist zwischen dritter und vierter Liga pendelten. Größter Tag war ein Pokalspiel gegen den Liverpool FC am 10. Januar 1979, das die Ränge in Roots Hall mit 31.090 Besuchern so sehr füllte wie nie wieder. Southend United spielte damals grade mal wieder in der Third Divsion und wurde angeführt von Nachtklubbesitzer Anton Johnson, dessen Führungsqualitäten allerdings ebenso zu wünschen ließen wie seine Gesetzestreue. Als er Anfang der 1980er verhaftet wurde, stand der Klub jedenfalls kurz vor dem Ruin.
Unter seinem Nachfolger gesundeten die Shrimpers nicht nur sondern preschten erstmals hinauf bis in die zweithöchste Spielklasse, deren Tabellenführer Southend United am Neujahrstag 1992 für einen Spieltag war. Aus den Träumen von der Erstklassigkeit wurde aber nichts – am Ende stand "nur" Platz zwölf und damit immerhin der größte Erfolg der Klubgeschichte. Bis 1997 hielten sich die Shrimpers noch in der Zweitklassigkeit, ehe sie binnen eines Jahres in die vierte Liga durchgereicht wurden. Prompt musste das Stadion verkauft werden, um einen Konkurs zu vermeiden.
Als 2003 Ex-Spieler Steve Tilson das Training übernahm, kam die Wende. 2004 stand der Klub erstmals in einem Pokalfinale und verlor im Kampf um die LDV Vans Trophy gegen Blackpool vor 20.000 nach Cardiff mitgereisten Fans mit 0:2. 2005 gab es an selber Stelle ein 0:2 gegen Wrexham, wohingegen in der Liga die Rückkehr auf die dritthöchste Ebene gelang. Dort sicherten sich die Shrimpers 2006 als Aufsteiger auf Anhieb die Meisterschaft und kehrten damit in die zweite Liga zurück! Das Auf und Ab hielt jedoch an, denn postwendend in Liga drei zurückgekehrt, ging es 2010 sogar noch eine Etage tiefer in die vierte Liga, wo man auch heute noch spielt.
Diesen Becher erstand ich in der Saison 2007/08, als sich Southend und Bristol Rovers in der First Division trafen und ich zum Spiel nach Roots Hall reiste. Ich durfte dort einen feinen 2:0-Sieg meiner Pirates feiern und war einerseits zutiefst bewegt von dem herrlichen Ground, andererseits aber auch ziemlich erschrocken von der recht mauen Atmosphäre im Stadion. Gewöhnungsbedürftig auch Southends Klubmaskottchen – eine wandelnde Krabbe.
Wie die Rovers würde auch Southend United gerne ein neues Stadion bauen. Es existieren bereits Pläne für einen Neubau in Fossetts Farm. Für beide Klubs gilt wohl, dass ein neues Stadion unabdingbar ist, will man sich sportlich und vor allem wirtschaftlich weiter entwickelt. Zugleich ist aber auch eine gewisse Furcht zu spüren, denn sollten die Arenen gebaut werden, müssen sich beide Klubs wohl oder übel dem „modernen Fußball“ stellen – mit all seinen Risiken. Leistungsfußball ist ein schwieriges Business geworden.
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