Sonntag, 9. Februar 2014
Alle Tassen im Schrank: Liverpool FC
Bitte mal alle Fankurvenposition einnehmen, die Schals in die Höhe recken, die Brust anschwillen lassen. Stimme räuspern, und los geht es: "Walk on, walk on, with hope in your heart, and you'll neeeeever waaaalk alooooone, you'll neeeever waaalk aloone".
Es ist DIE Hymne des Fußballs, und sie ist verbunden mit einem Klub, der wie kaum ein anderer für die Verbindung von Fan- und Popkultur auf den Tribünen steht. Während die Beatles in den 1960er Jahren erst Hamburg, dann Liverpool und schließlich die ganze Welt eroberten, verwandelten Zehntausende von Liverpool-Fans alle zwei Wochen das Stadion an der Anfield Road in eine Konzerthalle der ungewöhnlichen Art. Selbst die BBC berichtete seinerzeit über das, was da in Liverpool passierte und stand 1964 mit staunenden Kamerablicken und ratloser Reporterstimme vor einer swingenden und wogenden Masse, die doch eigentlich "nur" aus Fußballfans bestand. Wer sich die sehenswerte 75-Minuten Dokumentation „The Story of the Kop“ nicht ganz ansehen will, sollte zumindest mal kurz in den Abschnitt 18:15 bis 20:10 Minuten reinschauen, wo Fußball- und Popkultur wahrlich miteinander verschmelzen: http://www.youtube.com/watch?v=cwFtdHV-oUc
Ein Besuch at Anfield stand oder steht sicher auf dem Wunschzettel jedes Fußballfreundes, der in seinem Fandasein ein wenig über den Tellerrand schaut. Und er lohnt sich, selbst wenn Anfield längst nicht mehr der Sangestempel von einst ist und im Bauch der Kop heute ein McDonalds für Umsatz sorgt. Gelangt man von der Parkseite zum Stadion, betritt man es über das berühmte eiserne Eingangstor mit der Aufschrift „You’ll never walk alone“. Kommt man von der anderen Seite, so öffnet sich nach einer schier endlosen Reihe typischer roter Backsteinhäuser schlagartig der Blick, jubelt der versteinerte Bill Shankley auf seinem Podium und weckt Erinnerungen an jene Tage, in denen Liverpool die Hauptstadt des Fußball auf der Welt war.
Ich hatte das große Glück, mehrfach auf der Kop stehen zu dürfen, als sie noch im Originalzustand und nicht versitzplatzt war. Mein persönliches Highlight war dabei das offizielle (und, wie sich später herausstelle, verfrühte) Abschiedsspiel für Kenny Dalglish 1988, bei dem ich auf der natürlich ausverkauften Kop stand und in den gänsehauttreibenden Gesängen der Liverpool-Fans förmlich ertrank. Acht Jahre später kehrte ich anlässlich der Europameisterschaft 1996 zurück, sah Tschechien in Anfield sensationell mit 2:1 gegen Italien gewinnen und erlebte die komplett umgebaute Kop erstmals als Sitzplatztribüne.
Nach dem Umbaus war Anfield aber bald viel zu klein für den Liverpool FC, der im sich rasant entwickelten Kommerzfußball zunehmend Probleme bekam, vor allem mit Manchester United mithalten zu können. Nachdem die lange diskutierten Pläne eines Neubaus im benachbarten Stanley Park im Oktober 2012 endgültig aufgegeben wurden, hat Anfield nun doch eine Zukunft. Demnächst soll der Ausbau auf 60.000 Plätze beginnen – das dabei eine Menge Häuser werden weichen müssen, rief zwar Proteste hervor, ist aber wohl Teil eines Preises, den der "moderne" Fußball zahlen muss, will er zumindest Teile seiner Tradition bewahren.
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