Gegenwärtig wird in Libyen kein Fußball gespielt. Und auch die Vorbereitungen auf das Kontinentalturnier im Januar/Februar 2013 sind völlig zum Stillstand gekommen. Zudem sorgt sich die CAF um die Sicherheit, da ein Ende des Krieges derzeit ebenso wenig abzusehen ist wie die sich nach einem möglichen Frieden entwickelte Situation im Land.
Im Frühjahr 2011 ist bereits die U20-Kontinentalmeisterschaft von Libyen nach Südafrika verlegt worden. Neben Südafrika, das dank der WM über eine afrikaweit unschlagbare Infrastruktur verfügt, hat sich auch Ägypten als Ausrichter für das 2013-Turnier beworben. Südafrika steht turnusmäßig bereits für 2017 als Ausrichter fest.
Nach Angaben von CAF-Sprecher Hicham El Amrani ist bislang aber noch keine Entscheidung gefallen. Sowohl die CAN als auch die CHAN (Afrikameisterschaft für Spieler, die noch auf dem Kontinent aktiv sind) sowie die Futsal-Meisterschaft sollen wie geplant in Libyen stattfinden. "Wir suchen allerdings nach einem Plan B und einem Plan C", erklärte Al Amrani in einem Interview mit der BBC. Eine Entscheidung soll laut CAF im September fallen.
Nachstehend ein Auszuig aus dem Kapitel Libyen aus meiner Weltfußballenzyklopädie (Band 2: Afrika, Amerika und Ozeanien)
Fußball als Spielball der Politik
Der Besuch eines Fußballspiels in Libyen ist eine ganz besondere Erfahrung. Da trifft italienische Ultrakultur auf nordafrikanischen Habitus, erschüttern auch schon mal Feuerwerkskörper die Luft, gibt sich das Publikum mit an Fanatismus grenzender Leidenschaft dem Spiel hin. »So muss es im Zirkus von Rom gewesen sein«, fasste »African Soccer«-Korrespondent Benedict Smith 2000 seine Eindrücke vom WM-Qualifikationsspiel zwischen Libyen und Kamerun in Tripolis zusammen. »Die 60.000-Köpfe starke Kulisse, allesamt Libyer, bildete ein Meer in Grün. Sie pfiff, klatschte, sang mit harten arabischen Stimmen und schuf eine Atmosphäre, wie ich sie noch nie erlebt hatte, nicht einmal bei wichtigen Entscheidungsspielen in England.«
auch in anderen bereichen wird Libyen »Fanatismus« nachgesagt. Ex-US-Präsident George W. Bush reihte das nordafrikanische Land in seine berüchtigte »Achse des Bösen« ein, und Staatschef Muammar al-Gaddhafi wird gerne mit Iraks Ex-Präsident Saddam Hussein verglichen. In der Tat ist die Liste der libyschen Verwicklungen in internationale Terrorakte lang – so gingen beispielsweise der Flugzeugabsturz von Lockerbie und der Anschlag auf die Berliner Diskothek »La Belle« auf das Konto Libyens.
Drahtzieher war Staatschef al-Gaddhafi, ein Armeeoffizier, der in seinem berühmten »Grünen Buch« einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus aufzeigt. Gaddhafis panarabische Ambitionen führten bereits mehrfach zu fehlgeschlagenen Versuchen, Staatenföderationen mit Ländern wie Ägypten, Syrien, Marokko, Tunesien oder Tschad zu formen.
Gaddhafi gilt als leidenschaftlicher Fußballanhänger, der sich Insidern zufolge regelmäßig über die Ergebnisse der englischen Premier League informiert. Sein Sohn Saad war bisweilen Präsident des libyschen Fußballverbands und blickt auf eine mit mäßigem Erfolg ausgestattete Karriere als Fußballprofi in Italien zurück, die eher als PR-Maßnahme einzuschätzen war. 2002 schockte er die Fußballwelt, als er einen fünfprozentigen Anteil an Juventus Turin erwarb und Italien damit in Angst und Schrecken wegen einer drohenden »libyschen Übernahme« des Traditionsvereins versetzte. Juves Hauptsponsor war die staatliche libysche Ölgesellschaft »Tamoil«.
Vater Muammar al-Gaddhafi hatte unterdessen 1989 für einen Skandal gesorgt, als er wenige Minuten vor dem Anpfiff der WM-Qualifikationspartie zwischen Libyen und Algerien eine Spielabsage anordnete, um sich für die algerische Unterstützung nach den Bombenangriffen auf Tripolis und Benghazi durch die USA zu bedanken. »Die Mannschaften von Libyen und Algerien sind ein Team, zwischen denen es keinen Wettbewerb geben kann«, ließ der Revolutionsführer verlautbaren. Die FIFA war »not amused« und schloss Libyen von den weiteren Qualifikationsspielen aus.
fußball hat eine lange Tradition in dem Wüstenstaat zwischen Algerien und Ägypten, der eine der wichtigsten Verbindungsbrücken zwischen Sahel und Europa ist. Nach rund 500 Jahren unter osmanischer Herrschaft war die aus den drei Provinzen Cyrenaika, Tripolitanien und Fezzan bestehende Region 1912 nach der türkischen Niederlage im Krieg gegen Italien an den Siegerstaat gefallen. Gegen den hartnäckigen Widerstand der islamischen Sanussi leiteten Mussolinis Faschisten später eine systematische Kolonialisierung und Verwestlichung ein und fassten die drei Provinzen 1934 als »Libia« zusammen. Nach Italiens Niederlage im Zweiten Weltkrieg kam Libyen unter UN-Verwaltung und wurde im Dezember als unabhängiges Königreich unter Führung des prowestlichen Sanussi Sidi Mohammad Idris al-Mahdi (König Idris I.) erster unabhängiger Staat der Sahel-Zone.
Trotz gewaltiger Erdölvorräte litt Libyens Bevölkerung unter einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung, woraufhin Idris I. im September 1969 von einer Gruppe junger Offiziere um Muammar al-Gaddhafi gestürzt wurde. Gaddhafi verwandelte Libyen anschließend in einen nationalistisch-islamischen Staat mit sozialistischer Ausrichtung und strikt antiisraelischer Position. Italiener und Juden wurden des Landes verwiesen, die Wirtschaft verstaatlicht und 1977 eine Sozialistische Volksrepublik (»Dschamahiriyya«) ausgerufen, in der jegliche Opposition im Keim erstickt wurde.
Föderationsbestrebungen mit Ägypten, Syrien, dem Sudan und Tunesien waren bereits gescheitert, als Gaddhafi in den 1980er Jahren in einen Konflikt mit den USA geriet, die ihm eine führende Rolle im internationalen Terrorismus vorwarfen. Die nachgewiesene Beteiligung an mehreren Terroranschlägen führte schließlich 1986 zum erwähnten Luftangriff auf Tripolis und Benghazi und einem internationalen Wirtschaftsembargo. Erst nach der Millenniumswende kehrte das Land an den Verhandlungstisch zurück und versucht seitdem, sein Image als böser Bube abzustreifen.
analog zu den entlang der küste konzentrierten Städten sind Libyens Fußballhochburgen ausnahmslos an der Mittelmeerküste zu finden. In der Stein- und Sandwüste im Landesinneren wird das Spiel lediglich in vereinzelten Oasen betrieben. Das Herz des libyschen Fußballs schlägt in der Hauptstadt Tripolis, in deren Großraum auch das Gros der 5,7 Mio. Libyer lebt. Tripolis ist eine aufregende Mischung aus arabischen und westlichen Einflüssen. Über Jahrhunderte war die Stadt als das »Tor der Sahara« Ausgangs- und Endpunkt des Saharahandels und diente Händlern aus allen Teilen Nordafrikas und Europas als Stützpunkt.
Italiener waren es, die den Fußball nach der Jahrhundertwende einführten. Sie blieben dabei zunächst unter sich. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich ein Vereinsnetz, und 1918 wurde eine Art Landesmeisterschaft ins Leben gerufen. Nachdem zunächst Militärmannschaften dominiert hatten, spielten sich im Verlauf der 1920er Jahre zivile Vereine wie Libia FC, Union Tripolis und Fulgor SC in den Vordergrund.
Mit der sich abzeichnenden militärischen Niederlage Italiens im Zweiten Weltkrieg ging der Fußball in libysche Hände über. 1944 entstand der heutige Rekordmeister Al-Ittihad (»Eintracht«), und auch in Benghazi und Az-Zawiyah kam das Spiel ins Rollen.
Nach der Ausrufung des Königreichs Libyen öffneten sich 1951 die internationalen Pforten. Im Juli 1953 debütierte Libyens Nationalmannschaft mit einem 7:4 gegen Ägypten bei den panarabischen Spielen in Kairo. 1962 wurde die Libyan Football Federation ins Leben gerufen, die 1963 der FIFA und 1965 der CAF beitrat. Zwei Jahre später nahm eine auf den Küstenraum konzentrierte Nationalliga ihren Spielbetrieb auf, deren erster Meister Al-Ahly Tripolis wurde. Der 1950 gegründete Klub dominiert seitdem gemeinsam mit seinem Lokalrivalen Al-Ittihad den nationalen Spielbetrieb. Gemeinsam errangen die beiden Vereine seit 1964 24 Landesmeisterschaften. Abgesehen von Tripolis wurde der Meistertitel bislang nur noch in Libyens zweiter Fußballhochburg Benghazi bzw. 2004 zum bislang einzigen Mal in Az-Zawiyah gefeiert.
Im prowestlichen Königreich Libyen von Idris I. florierte der Fußball. Mit Ben Soued und Ahmed Al-Ahwal verfügte Libyen über zwei renommierte Angreifer, die 1968 mit der Landesauswahl in der Olympiaqualifikation sowie der Afrikameisterschaft debütierten. Die für 1966 vorgesehene Teilnahme an der WM-Qualifikation indes fiel dem afrikanischen Boykott gegen die europalastige FIFA-Politik zum Opfer. Für den größten Erfolg sorgte Serienmeister Al-Ittihad Tripolis, der 1967 in der afrikanischen Landesmeisterschaft bis ins Viertelfinale vordrang.
mit Gaddhafis revolution von 1969 brach auch für Libyens Fußball eine neue Ära an. Mit der nunmehrigen sozialistischen Ausrichtung des Landes wurde Sport zur Staatsangelegenheit. Im Verbund mit dem vielfältigen Engagement des Landes im Nahostkonflikt sowie den Bemühungen Gaddhafis um ein panarabisches Bündnis führte dies zu einem dramatischen Leistungsrückgang. Einsamer Erfolg der 1970er Jahre war das Vordringen von Al-Ahly Tripolis in das Viertelfinale der Kontinentalmeisterschaft. Libyens Nationalelf scheiterte unterdessen bei ihren ohnehin nur noch sporadischen Teilnahmen an internationalen Wettbewerben stets frühzeitig.
Nachdem Libyen 1977 in eine Volksrepublik umgewandelt worden war, rückte der Fußball wieder auf die Agenda. 1982 wurde der Wüstenstaat ungeachtet wütender Proteste von Gaddhafi-Gegnern wie dem damaligen CAF-Präsidenten Tessema sogar die Ausrichtung der Afrikameisterschaft übertragen. Libyens Fußball-Nationalverband heuerte daraufhin einen ungarischen Fachlehrer an, um seine seit Jahren erfolglose Landesauswahl auf das prestigeträchtige Turnier vorzubereiten. Mit Erfolg. Nachdem Libyen die Vorrunde ungeschlagen überstanden hatte, warf die Elf um Torhüter Kouafi im Halbfinale den Favoriten Sambia aus dem Rennen und traf im Finale auf die ghanaischen »Black Stars«, in deren Reihen das 19-jährige Ausnahmetalent Abédi Pelé stand. Vor 80.000 leidenschaftlich mitgehenden Zuschauern zwang der Außenseiter die Ghanaer in ein Elfmeterschießen, in dem sich die »Black Stars« durchsetzten. Anschließend drangen Libyens »Jamahiriya« (»Grüne«) in der WM-Qualifikation 1986 mit einer nahezu undurchdringbaren Betonabwehr bis in die letzte Qualifikationsrunde vor, wo sie an Marokko scheiterten.
zur selben zeit geriet libyen immer tiefer in seine politischen Konflikte. Nachdem sich Revolutionsführer Gaddhafi in den Tschad-Konflikt eingemischt hatte und seine Verwicklung in den Anschlag auf die West-Berliner Diskothek »La Belle« und den Flugzeugabsturz über dem schottischen Lockerbie bestätigt worden war, verhängten die USA 1986 ein Wirtschaftsembargo und verübten die Luftangriffe auf Tripolis und Benghasi.
Der Fußball war seinerzeit längst zum Werkzeug Gaddhafis geworden. Als Al-Ahly Tripolis 1984 im kontinentalen Pokalsiegerwettbewerb das Finale erreichte und dort auf den ägyptischen Namensgeber Al-Ahly Kairo treffen sollte, ordnete der wegen des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens verärgerte Revolutionsführer den Rückzug an. Ein Jahr später traf Al-Nasr Benghazi dasselbe Schicksal, als man im Halbfinale ebenfalls auf Al-Ahly Kairo traf.
In den 1990er Jahren verschärfte sich die Situation. Nachdem Gaddhafi 1989 für die bereits erwähnte Absage des WM-Qualifikationsspiels gegen Algerien gesorgt hatte, wurde Libyen von den weiteren Spielen in der Qualifikation zur WM 1990 ausgeschlossen. 1994 suspendierte die FIFA das Land, weil es seine Heimspiele nicht wie gefordert im Ausland durchführen wollte. Hintergrund war das 1992 auf Druck der USA verhängte UN-Wirtschafts-
embargo. 1998 wiederum verzichtete die LFF auf ihre Meldung zur WM-Qualifikation, und auch an der Afrikameisterschaft nahm Libyen zwischen 1988-98 nicht teil.
Erst als sich die politische Lage nach der Millenniumswende entspannte und Gaddhafi versuchte, sein Image zu verbessern, konnte Libyen auf die internationale Fußballbühne zurückkehren. Der von Präsidentensohn Saad Gaddhafi angeführte Rekordmeister Al-Ittihad Tripolis erreichte daraufhin 2000 das Halbfinale des kontinentalen Pokalsiegerwettbewerbs, während die Landesauswahl in der WM-Qualifikation 2002 immerhin in die zweite Runde vordrang.
Wenig später versuchte sich Kapitän und Revolutionsführersohn Saad Gaddhafi in einem bizarren Gebilde aus wirtschaftlichem Interesse, politischem Kalkül und sportlichem Ehrgeiz in der italienischen Serie A zu etablieren. Nachdem er durch die staatliche »Libyan Arab Foreign Investment Company« (»Lafico«) bereits 7,5 Prozent der Anteile von Juventus Turin erworben hatte und damit in die Vereinsführung aufgerückt war, unterschrieb er 2003 beim AC Perugia einen Profivertrag und bestritt ein Erstligaspiel für den Klub. 2005 lief Gaddhafi in Diensten von Udinese Calcio noch ein zweites Mal in der Serie A auf. Zudem wurde 2002 das Finale um den italienischen Supercup in der libyschen Hauptstadt durchgeführt.
Von diesen fußballerischen PR-Feldzügen abgesehen, hat sich Libyens Fußball nach der Millenniumswende durchaus positiv entwickeln können. 2006 führte der serbische Trainer Ilija Lončarević die »Jamahiriya« sogar zum zweiten Mal nach 1982 zum Endturnier um die Afrikameisterschaft. In Ägypten blieb das Team um Regisseur Tarek El-Taib gegen den Gastgeber Ägypten, die Elfenbeinküste und Marokko allerdings ohne Punktgewinn.
Libyens Nationalliga hat sich derweil dank der unablässig sprudelnden Petrodollar in eine moderne Profiliga verwandelt, die nicht nur zahlreiche Legionäre anlockt, sondern zudem Libyens Nationalspieler den Verbleib in der Heimat möglich macht. Abgesehen von Nationalmannschaftskapitän El-Taib, der seinerzeit im türkischen Gaziantep spielte, standen 2006 ausnahmslos in der Heimat aktive Auswahlspieler im Kader bei der Afrikameisterschaft. Immerhin führte dies zu einem gewissen Aufschwung auf kontinentaler Ebene. 2007 erreichte Al-Ittihad Tripolis sogar das Halbfinale der Champions League, wo die Rot-Weißen an Al-Ahly Kairo scheiterten.
2013 wird Libyen zum zweiten Mal nach 1982 Gastgeber der Afrikameisterschaft sein.
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