Heute mal eine alte Schmonzette aus den wilden Tagen des albanischen Fußball, die ich vor längerer Zeit für meine damalige Kolumne in den 11 Freunde schrieb.
Albanien ist kein Traum-Reiseziel. Gut, ein paar antike Säulen gibt es zu bestaunen, und an der gesamten Küstenlinie stehen Bunker, mit denen Ex-Staatschef Enver Hoxha sein drangsaliertes Land einst vor Eindringlingen schützen wollte. Dass in jenen heute vornehmlich die ärmsten der Armen wohnen, wirft ein bezeichnendes Licht auf das "Land der Skipetaren".
Große Reichtümer gab es in Albaniens Fußball nie zu verdienen- nicht umsonst kickten Recken wie Altin Rrakli, Ilir Shulku oder Altin Lala in bundesdeutschen Gefilden. Doch für einen kurzen Moment rollte der berühmte "Rubel" auch zwischen Shkoder und Gjirokaster, ertrank Albanien im fremdfinanzierten Fußballrausch. Man schrieb die Spielzeit 1996/97, als die wirtschaftliche Öffnung des Balkanlandes in seinem Spitzenfußball ankam. Wie so häufig, lockte dies krude Zeitgenossen an, die sich im Rampenlicht des Fußballs sonnen wollte. Einer von ihnen war Pellumb Xhefarri, ein 30-jähriger Geschäftsmann, der gemeinsam mit Vater Rrapush die "Fondacioni Xhefarri" gegründet hatte. Dabei handelte es sich um ein Geldhaus, das Kleinsparern mit abstrusen Versprechungen von bis zu 100% Zinsen das Geld aus der Tasche lockte. Ein zunächst extrem erfolgreiches Unternehmen. "Ich verdiene mehr als 3.000 Dollar pro Stunde. Meine Villa hat elf Zimmer und vier Küchen", prahlte der Neureiche schon nach wenigen Monaten stolz.
Xhefarri junior hatte aber noch ein weiteres Hobby: Fußball-Erstligist SK Lushnja. Einst unter dem schönen Namen "Traktori" auflaufend handelte es sich dabei um einen biederen Provinzklub ohne jegliche Ambitionen. Bis Xhefarri kam. Der verkündete vollmundig: "In fünf Jahren wollen wir zu den besten acht Klubs Europas zählen". Helfen sollten dabei namhafte Kicker. "Okocha hat mir versprochen zu kommen, und ich denke außerdem an Edmundo, der in Brasilien Probleme hat."
Auch für die Trainingsleitung hatte sich der Jungmillionär einen illustren Kandidaten ausgesucht: Mario Kempes, Argentiniens WM-Held von 1978. "Ich war arbeitslos und wartete auf Angebote, als mir ein Vermittler von Lushnja erzählte", erklärte der zuvor in Indonesien tätige Argentinier. Schlappe 3.000 Mark pro Monat gab es für Kempes in Albanien zu verdienen - eine Summe, für die ein gewöhnlicher Albaner immerhin zwei Jahre arbeiten musste. Zudem lockten weitere 50.000 Mark für den Fall, dass er den SK Lushnja zu Meisterschaft oder Pokalsieg führen sollte. Im Januar 1997 trat Mario Kempes seinen Dienst im Roza Haxhiu-Stadion zu Lushnja an.
Keine drei Wochen später war der Traum geplatzt - so wie der von tausenden albanischer Kleinsparer. Das vielfach kopierte Zinskonstrukt war landesweit zusammengebrochen und hatte ein armes Volk noch ärmer gemacht. Und wütender. Erbost hatten die Geprellten Kasernen und Polizeistationen gestürmt, wo sie sich bewaffneten und auf die Suche nach den Verantwortlichen begaben. Auch in Lushnja ging es drunter und drüber. Der geplante Rückrundenauftakt gegen Apolonia Fier musste abgesagt werden, und Vereinsboß Xhefarri flog vor dem Volkszorn. Mit ihm ging das Geld - und Kempes. Der hatte sich wohlweislich in Rom niedergelassen und war nur zu Training und Spiel nach Albanien gekommen. "Ich wusste von den Vorgängen nichts", gab sich der Ex-WM-Star unschuldig und verkündete "Mein Koffer sind immer gepackt".
Das waren auch die vieler Albaner, denen Finanzhaie wie Xhefarri ihre lächerlichen Ersparnisse geraubt hatten und die nun vollends mittellos dastanden.
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