Dienstag, 26. Oktober 2010

Legendäre Vereine: Victoria Hamburg

Aus aktuellem Anlass das Porträt von Victoria Hamburg aus meinem Buch "Das große Buch der Deutschen Fußballverein", das 2009 im AGON Sportverlag erschienen ist (ISBN: 978-3-89784-362-2, 39,90 Euro).
Good luck, Vicky!



Victoria Hamburg
Hamburg strotzt nur so von Traditionsvereinen und ehemaligen Fußballgrößen. Eine der ersten Adressen, wenn es um Fußballtradition geht, ist der SC Victoria aus dem Stadtteil Hoheluft. 1895 gegründet, zählen die Blau-Gelben auch 2009 noch zu den führenden Vereinen der Stadt. Ihr Stadion, in dem die älteste Tribüne Norddeutschlands steht, diente 2008/09 Regionalligist Altona 93 als Ausweichquartier, während „Vicky“ in der Hamburger Oberliga versuchte, seinen im Vorjahr errungenen Meistertitel zu verteidigen, um selber die Regionalliga zu erreichen. Gemeinsam mit den HSV-Gründerklubs Germania 87 und Hamburg 88 zählte Victoria zur Jahrhundertwende zu den Pionieren des Ballsports in der Hansestadt. Angeführt von DFB-Mitgründer Egon Hugo Kubaseck brachte man eine Vielzahl von Ausnahmefußballern hervor (darunter die frühen Nationalspieler Garrn, Eikhof und Weymar), wurde 1906 erstmals Hamburger Meister und sicherte sich 1907 mit einem 6:1 über Eintracht Braunschweig erstmals die Norddeutsche Meisterschaft. Bis zum Ersten Weltkrieg zählte die im bürgerlichen Lager ansässige Victoria – „die Zitronengelben“ – zu den reichsweiten Spitzenteams und eröffneten 1907 ihr Stadion Hoheluft, das 1911 erstmals Schauplatz eines Länderspiels war. Den Ersten Weltkrieg in einer Gemeinschaft mit Hamburg 88 überstehend, sollte der Klub 1919 eigentlich in die zum HSV führende Fusion einfließen. Er entschied sich jedoch für die Eigenständigkeit. Eine folgenschwere Entscheidung, denn fortan stand die Victoria im immer größer werdenden Schatten des HSV und verlor während der 1920er Jahre trotz renommierter Trainer wie William Townley und Julius Kertesz seine Führungsposition in Hamburg. 1931 heuerte die Vereinsführung mit „Tull“ Harder, Erwin Seeler, Kolzen und Rave vier Ausnahmefußballer an, die jedoch nicht die erhoffte Wende einleiteten. 1933 wurde die stolze Victoria prompt übergangen, als die Gauliga Nordmark eingerichtet wurde, und musste erstmals in der Zweitklassigkeit antreten. Zwar gelang im ersten Jahr die Rückkehr, doch der Klub kam einfach nicht mehr auf die Beine. 1938 feierte man zwar einen epochalen 4:3-Pokalsieg über Schalke 04 und erreichte 1943 erstmals wieder die Endrunde um die „Deutsche“, der Durchbruch blieb jedoch aus. 1947 zählte „Vicky“ zu den Gründungsmitgliedern der Oberliga Nord, aus der man gleich im ersten Jahr abstieg. Zwei weitere Kurzgastspiele im norddeutschen Oberhaus folgten, doch die überregionalen Zeiten der Blau-Gelben waren vorbei. Von 1963-66 mischten sie noch mit mäßigem Erfolg in der Regionalliga Nord mit, ehe es 1966 erstmals in die Drittklassigkeit und 1968 gar in die Viertklassigkeit ging. Mit der Qualifikation zur Amateuroberliga Nord gab es 1974 das letzte Aufbäumen. 1975 erreichte Victoria das Finale um die Deutsche Amateurmeisterschaft (0:3 gegen Bürstadt), 1977 stieg der Klub wieder ins Hamburger Amateurlager ab. Als die Victoria 1994 die Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein verpasste, war sie erstmals nur noch fünftklassig. Seitdem geht es hin und her, pendelt der Traditionsklub zwischen Viert- und Fünftklassigkeit, während das runderneuerte Stadion Hoheluft Regionalligatauglichkeit erhielt. Dass der SC Victoria es eines Tages selber wird nutzen können, um dort um Regionalligapunkte zu kicken, wäre zu wünschen, ist aber nur schwer vorstellbar.

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