War das ein feines Fußballfest gestern Abend! Ich war lange nicht mehr so gefesselt von einem Fußballspiel wie beim Duell zwischen den USA und Japan. Und ich hatte lange nicht mehr so ein großes Problem, mich für eine Mannschaft zu entscheiden und "parteiisch" zu sein. Wirklich schade, dass ein Team schlussendlich verlieren musste.
So wahnsinnig viel von der Frauen-WM habe ich nicht gesehen. Das, was ich gesehen habe, war jedoch bemerkenswert. Häufig empfand ich das Gesehene als deutlich ehrlicheren Fußball als den, den wir 2010 von den Männern in Südafrika serviert bekamen. Und wenn man die beiden Endspiele 2010 und 2011 miteinander vergleicht, nun...
Besonders erfrischend empfang ich den unterschiedlichen Umgang der Spielerinnen mit dem "Ereignis" Finale. Kein bisschen Macho-Gehabe. Statt dessen Freude/Trauer, die sehr ehrlich rüberkam. Nicht das ständige Gesuche nach der nächsten TV-Kamera, in die man irgendwelche Obszönitäten brüllen oder irgendwelche T-Shirt-Slogans zeigen kann. Statt dessen gemeinsame Freude innerhalb der Mannschaft. Das hat mir Japan sympathisch gemacht, das hat mir aber auch die USA sympathisch gemacht.
Weniger gelungen fand ich die Kommentierung nach dem Spiel. Dass sich der ARD-Mensch dazu hinreißen ließ, die Pfiffe gegen Blatter zu bedauern und er meinte "ich hatte gehofft, die Zuschauer übersehen ihn", halte ich für bedenklich. Es ist gerade einmal ein paar Wochen her, als Blatter seine Allmacht und Weltfremdheit demonstrierte und sich die gesamte Fußballwelt aufregte. Und nun soll brav geklatscht werden, weil das "schöne Fußballfest" nicht leiden darf? Schön zur Tagesordnung übergehen und 2022 nach Katar fliegen?
Ähnlich der Umgang mit dem Dopingskandal. Es ist ja "nur" Nordkorea. Logisch. Steinzeitkommunismus. Geht ja gar nicht anders. Und die FIFA hat ja ohnehin alles aufgedeckt. Also ist der Fußball sauber - bis auf Nordkorea eben. Auch hier Übergang zur Tagesordnung. Während zeitgleich bei der Tour de France in jedem Artikel/Beitrag unweigerlich das Wort "Doping" auftaucht, obwohl die Durchschnittsgeschwindigkeit in diesem Jahr deutlich geringer ist als zu Hochzeiten des Dopings, das, das sei ja völlig unbestritten, den Radsport kaputt macht (und das zweifelsohne auch heute noch stattfindet). Für mich ist der Fußball eine tickende Dopingzeitbombe. Irgendwann wird sie hochgehen. Und dann wird die Explosion nicht nur in Nordkorea zu hören sein.
Aber noch mal zur Frauen-WM. Frankreichs Trainer Bini meckerte über das Sinsheimer Publikum und bezeichnete es als "Männerfußball-Publikum". Mal abgesehen davon, dass sich das Hoffenheimer Neupublikum damit ein Lob erwarb, über das man sicher auch noch streiten darf - was ist denn bitte ein "Frauenfußball-Publikum"? Brav La-Olas durch die Arena rauschen lassen, bloß keine umstrittenen Funktionäre auspfeifen (oder Schauspielerinnen wie Marta), lieb und nett die Catering-Angebote in den multifunktionalen "FIFA-WM-Arenen" konsumieren und ansonsten hübsch aussehen etwa?
Ich bin vermutlich nicht alleine mit meiner Befürchtung, dass das der Trend für die kommenden Jahre im "Eventfußball" sein wird. Die Vorfälle/Diskussion um Manuel Neuer in München belegen das ebenso wie die Aussprechung von 56 Stadionverboten in Kiel, wo die KSV Holstein auf der Suche nach einem konsumfreudigen und pflegeleichten Publikum kurzerhand jeden kreativen Geist mit dem Label "Gewalttäter" versieht und ihn vorsorglich aussperrt.
Schöne Woche!
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