Donnerstag, 21. Juli 2011

Racing Strasbourg - eine Chronik der Trauer

In den letzten Wochen habe ich ja mehrfach über den bedauernswerten Niedergang von Racing Strasbourg berichtet. Dabei die Übersicht zu bewahren, fiel mitunter nicht leicht. Für die Fuwo Berlin habe ich nun einen Artikel verfasst, der die Geschehnisse um Racing, das nun doch in der CFA (5. Liga) antreten kann, zusammenfasst.


Beim französischen Meister von 1979 Racing Straßburg gehen die Lichter aus. Die seit Jahren anhaltenden Querelen um den 2010 in die Drittklassigkeit abgestürzten Verein eskalierten zuletzt in der Lizenzverweigerung für die 3. Liga. Nun droht dem lange Zeit einzigen Profiklub im Elsass gar die Auflösung.


Racings existenzbedrohende Krise ist ein mahnendes Beispiel für die Gepflogenheiten im investorengesteuerten Fußball. 2009 veräußerte der damalige Racing-Hauptaktionär Philippe Ginestet, dessen Engagement vor allem vom erhofften Bau eines neuen Stadions gespeist gewesen war, seine Anteile an den britischen Finanzspekulanten Alain Fontenla. Der wiederum holte das britische Konsortium „Carousel Finance“ ins Racing-Boot, dessen Hauptaktionär der in London lebende französische Geschäftsmann Jafar Hilali war. Hilali lenkte fortan die Geschäfte der Racing-Fußballer und schaffte es mit zahlreichen umstrittenen Entscheidungen, binnen kurzem zur persona non grata unter den Racing-Fans aufzusteigen.

Im Verlauf der Saison 2009/10 zerbrach der Klub unter seinen internen Spannungen. Binnen neun Wochen wurde fünfmal der Präsident gewechselt, kamen die Alltagsgeschäfte nahezu zum Erliegen, taumelte Racing sportlich ungebremst in die dritte Liga. Bemühungen, den Niedergang zu stoppen, wurden derweil von den Mehrheitsaktionären Fontenla und Hilali torpediert. So verlief der Versuch einer Gruppe lokaler Unternehmer, die Mehrheitsanteile zu übernehmen und die Kontrolle über den Verein zurückzugewinnen, im Sande. Straßburgs Lokalpresse urteilte seinerzeit: „Mit unglaublicher Arroganz führte Fontela das elsässische Establishment in diesen ‚Verhandlungen’ am Nasenring durch die Manege, wobei bis heute noch nicht einmal klar ist, ob der junge Mann tatsächlich auf eigene Rechnung oder im Auftrag Dritter handelt. Mal auf Mal desavouiert er die Straßburger Stadtspitze, die elsässischen Investoren und letztlich auch die Fans des Vereins.“

Nach dem Abstieg in die 3. Liga verschärfte sich die Talfahrt. Die Lizenz für die Saison 2010/11 erhielt Racing erst im Gnadengesuch, woraufhin der neue Trainer Laurent Fournier mit einem Notkader in die erste Drittligaspielzeit der Klubgeschichte gehen musste. Fournier gelang dennoch ein kleines Wunder, dem allerdings das Happy-end fehlte, da Racing als Vierter knapp die Rückkehr in Liga 2 verpasste.

Zwischenzeitlich hatte Jafar Hilali auch Fontenlas Anteile übernommen und war selbst Präsident der Racing-Fußballer geworden. Ins Stadion gehen konnte der eigenwillige Geschäftsmann zu jenem Zeitpunkt längst nicht mehr. Angesichts der aufgebrachten Fans vermochte niemand für seine Sicherheit bürgen. Potenzielle Käufer schreckte er derweil mit einer absurden 10 Mio.-Euro-Forderung für den Krisenklub ab.

Nach dem verpassten Aufstieg gab Hilali eigenmächtig die Profilizenz zurück und versetzte Racing damit den Todesstoß. Erneut wurde den mit 20 Mio. Euro verschuldeten Elsässern die Lizenz für die 3. Liga verweigert, und diesmal blieb es auch im Gnadengesuch beim „Nein“. Der elsässische Investor Sébastian Graeff, der Hilalis Anteile für 1,6 Mio. Euro erwerben wollte, zog sein Angebot daraufhin zurück.

In einem letzten Coup trat Hilali den Klub für einen symbolischen Euro an den 32jährigen Informatiker Thomas Fritz ab, der aus Racing einen mitgliedergeführten Verein nach spanischem Vorbild machen wollte. Nach nur zwei Tage war auch Fritz Geschichte, hatte der Racing-Aufsichtsrat die Übernahme abgelehnt.

Nun droht im besten Fall die Rückstufung in die 5. Liga. Wahrscheinlicher ist jedoch die Auflösung. „Cette fois, c'est fini », orakelte die Regionalzeitung « L’Alsace » düster. „Diesmal ist es vorbei“.

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