Samstag, 30. November 2013

Alle Tassen im Schrank? AFC Wimbledon



Foto: Buenos días, da bin wieder, frisch aufgefüllt mit reichlich spanischen Verben und einem schicken Bündel Grammatik, der auf den ersten Blick gar nicht so kompliziert ausschaut, aber dennoch erst mal verdaut werden will.

Eigentlich müsste die „Tassen-like-Liga powered by Hardy Grüne“ nach meinem Intensiv-Spanisch-Kurs ja mit einem Gefäß aus dem entsprechenden Sprachraum fortgesetzt werden. Doch die beiden spanischen "tazas" in meiner Kollektion (Barça y Atletic Bilbao) habe ich bereits vorgestellt.

Da passt es gut, dass es heute Nachmittag in Bristol zum Duell zwischen den Bristol Rovers und dem AFC Wimbledon kommt. Ein Duell mit aktueller Brisanz, den meine Pirates stecken mehr denn je im Abstiegskampf und suchen verzweifelt nach einem treffsicheren Torjäger. Zugleich ein Duell mit Geschichte, denn nach dem Aufstieg des AFC Wimbledon in die Football League 2011 war es diese Begegnung, mit der die einzig wahren „Dons“ auf die große Bühne des englischen Profifußballs zurückkehrten.

Ich flog damals nach London, um bei dem historischen Ereignis im Kingsmedow Stadium live dabei zu sein. Voller Hoffnung auf einen positiven Saisonstart meiner Rovers, und voller stolzer Freude, bei diesem schönen Anlass anwesend zu sein.

Über Wimbledons Geschichte muss ich an dieser Stelle sicher keine Worte verlieren – jeder kennt die bitterbösen Hintergründe, wie der Wimbledon FC mit Genehmigung der englischen FA nach Milton Keynes transferiert und zu den MK Dons wurde. Das erste Spiel nach "Rückkehr" in die Football League war eine dementsprechend emotionale Angelegenheit, und es erfüllte mich mit Stolz, dass ausgerechnet „mein“ Klub Wimbledons Auftaktgegner war, denn auch die Bristol Rovers weisen schließlich eine Geschichte mit diversen Fangstricken auf, in der es vor allem eine Konstante gibt: eine treue und sehr dickköpfige Fanschar. So war es klar, dass auch die gut 750 mitgereisten Bristolian vor dem Anpfiff in die „Wimbledon“-Sprechchöre der Heimfans einstimmten und es langanhaltenden und respektvollen Beifall für die "Wombles" gab.

Für alle Neugierigen hier noch einmal meine Reportage von damals, die seinerzeit u.a. in der „Fußballwoche“ und auf „stern.de“ erschien:

Dies ist ein großer Tag für unseren Klub", sagt Ken mit vor Stolz glitzernden Augen. Souverän arrangiert der Fanshop-Mithelfer die Reihe der wartenden Fans vor dem Shop des AFC Wimbledon. Noch fast zwei Stunden bis zum Anpfiff, doch die Schlange will einfach kein Ende nehmen. Alle wollen Souvenirs vom heutigen Tag. Vom großen Tag des AFC Wimbledon. Vom Tag der Rückkehr Wimbledons in die Football League.
2002 war der damalige Wimbledon FC in einem dreisten und vom nationalen Fußballverband FA sanktionierten Akt von Südlondon ins knapp 100 Kilometer westlich gelegene Milton Keynes verlegt und in "MK Dons FC" umbenannt worden. "Die haben uns einfach unseren Klub geklaut damals", erregt sich Ken noch heute und schiebt grinsend und mit entwaffnender Selbstverständlichkeit nach: "Da haben wir einfach einen Neuen gegründet und die Sache selber in die Hand genommen".

Damals, im Mai 2002, war auch Ken dabei, als auf einer öffentlichen Wiese ein paar Kneipenfußballer vorspielten, mit denen sich der neugegründete AFC Wimbledon in das Abenteuer Ligafußball begeben wollten. Ein Stadion hatte man noch nicht, und in welcher Liga man würde spielen dürfen, war auch unklar. Die FA meinte damals, die Gründung eines neuen Klubs wäre ohnehin nicht im "größeren Interesse des Fußballs" - heute kann man im Fanshop T-Shirts mit der Aufschrift "Not in the wider interests of football?" kaufen.

Es war die 9. Liga, in der schließlich ein Abenteuer begann, das eine der faszinierendsten Geschichten des Fußballs hervorbrachte. Klubmitgründer und heutiger Geschäftsführer Erik Samuelson: "Niemand von uns hatte eine Ahnung, wie man einen Klub führt. Aber wir wussten einiges über Business, und so konnten wir den Klub wirtschaftlich gut aufstellen". Räumlich fand man beim im südwestlichen Speckgürtel von London ansässigen Amateurklub Kingstonian Unterschlupf, und als zum ersten Ligaspiel statt der erwarteten 1.000 Zuschauer über 4.500 kamen, wusste die Führungscrew um Samuelson: "hier entsteht etwas".
Und zwar ein Fanverein, wie es ihn noch nie gegeben hatte.

2.500 Fans des AFC Wimbledon sind heute shareholder und damit Eigentümer des Klubs. Die Fans wurden das Kapital des Klubs - buchstäblich. Mit einem Besucherschnitt von über 3.000 war der AFC Wimbledon der Konkurrenz meilenweit überlegen und marschierte mit fünf Aufstiegen binnen neun Jahren steil nach oben. Als Vater des sportlichen Aufstiegs wurde Trainer Terry Brown gefeiert, der im Mai 2007 nach Wimbledon gekommen war.

Nachdem Kapitän Danny Kedwell die "Dons" am 21. Mai 2011 mit seinem verwandelten Strafstoß im Elfmeterschießen des Aufstiegsspiels gegen Luton Town in die Football League geschossen hatte, stand Wimbledon endgültig Kopf. Zum Auftaktspiel gegen Drittligaabsteiger Bristol Rovers kündigte Sky Sport sogar eine Direktübertragung an, und aus ganz England gingen Glückwunsche beim streitbaren "Fan-Klub" ein. Wimbledon ist so etwas wie der "Robin Hood" des Fußballs.

Trotz des Hypes war das Auftaktspiel gegen die Bristol Rovers jedoch eine erfreulich unaufgeregte und ehrliche Angelegenheit. Kein Feuerwerk, kein überhitzter Stadionsprecher, keine schillernde Halbzeitshow - der AFC Wimbledon präsentierte sich so, wie er ist. Ein Klub, der sich der Eventisierung des Fußballs entzieht - obwohl er längst selber Teil der Eventisierung geworden ist. Im mit 4.629 Zuschauern bis auf den letzten Platz ausverkauften Stadion lenkte nicht der Stadion-DJ mit ohrenbetäubendem Lärm das Geschehen, sondern wie früher die beiden Fangruppen. Und als sich kurz vor dem Anpfiff auch noch der 750köpfige Anhang aus Bristol vor dem Neuling verneigte und ein "Wimbledon" anstimmte, schwelgte die gesamte Arena endgültig in Stolz.

Auf der Tribüne saßen derweil mit Bobby Gould und Dave Beasant zwei Mitglieder der "Crazy Gang", die 1988 Pokalsieger geworden war, während das Gastgeberteam in Erinnerung an Wimbledons ersten Aufstieg in die Football League anno 1977 Retro-Trikots aus jenen Tagen trug.

Ein perfekter Tag für den AFC Wimbledon, der nur einen Makel hatte. Die Punkte gingen nach Bristol. Doch den mutigen "Dons" muss nicht bange sein. Zum einen egalisierte die Brown-Elf einen frühen 0:2-Rückstand und glich auf ein zwischenzeitliches 2:2 aus (Endstand 2:3), zum anderen gelten die Rovers als Aufstiegsfavorit. "Wir müssen unsere Punkte gegen andere Mannschaften holen", bestätigt auch Ken, als er nach dem Schlusspfiff schon wieder eine Schlange von Einkaufswilligen vor dem "Dons"-Fanshop vorfindet. "Und wenn wir wieder absteigen, na, dann kommen wir eben zurück".
Buenos días, da bin wieder, frisch aufgefüllt mit reichlich spanischen Vokabeln und einem schicken Bündel Grammatik, der auf den ersten Blick gar nicht so kompliziert ausschaut, aber dennoch erst mal verdaut werden will.

Eigentlich müsste die „Tassen-like-Liga powered by Hardy Grüne“ nach meinem Intensiv-Spanisch-Kurs ja mit einem Gefäß aus dem entsprechenden Sprachraum fortgesetzt werden. Doch die beiden spanischen "tazas" in meiner Kollektion (Barça y Atletic Bilbao) habe ich bereits vorgestellt.

Da passt es gut, dass es heute Nachmittag in Bristol zum Duell zwischen den Bristol Rovers und dem AFC Wimbledon kommt. Ein Duell mit aktueller Brisanz, den meine Pirates stecken mehr denn je im Abstiegskampf und suchen verzweifelt nach einem treffsicheren Torjäger. Zugleich ein Duell mit Geschichte, denn nach dem Aufstieg des AFC Wimbledon in die Football League 2011 war es diese Begegnung, mit der die einzig wahren „Dons“ auf die große Bühne des englischen Profifußballs zurückkehrten.

Ich flog damals nach London, um bei dem historischen Ereignis im Kingsmedow Stadium live dabei zu sein. Voller Hoffnung auf einen positiven Saisonstart meiner Rovers, und voller stolzer Freude, bei diesem schönen Anlass anwesend zu sein.

Über Wimbledons Geschichte muss ich an dieser Stelle sicher keine Worte verlieren – jeder kennt die bitterbösen Hintergründe, wie der Wimbledon FC mit Genehmigung der englischen FA nach Milton Keynes transferiert und zu den MK Dons wurde. Das erste Spiel nach "Rückkehr" in die Football League war eine dementsprechend emotionale Angelegenheit, und es erfüllte mich mit Stolz, dass ausgerechnet „mein“ Klub Wimbledons Auftaktgegner war, denn auch die Bristol Rovers weisen schließlich eine Geschichte mit diversen Fangstricken auf, in der es vor allem eine Konstante gibt: eine treue und sehr dickköpfige Fanschar. So war es klar, dass auch die gut 750 mitgereisten Bristolian vor dem Anpfiff in die „Wimbledon“-Sprechchöre der Heimfans einstimmten und es langanhaltenden und respektvollen Beifall für die "Wombles" gab.

Für alle Neugierigen hier noch einmal meine Reportage von damals, die seinerzeit u.a. in der „Fußballwoche“ und auf „stern.de“ erschien:

Dies ist ein großer Tag für unseren Klub", sagt Ken mit vor Stolz glitzernden Augen. Souverän arrangiert der Fanshop-Mithelfer die Reihe der wartenden Fans vor dem Shop des AFC Wimbledon. Noch fast zwei Stunden bis zum Anpfiff, doch die Schlange will einfach kein Ende nehmen. Alle wollen Souvenirs vom heutigen Tag. Vom großen Tag des AFC Wimbledon. Vom Tag der Rückkehr Wimbledons in die Football League.
2002 war der damalige Wimbledon FC in einem dreisten und vom nationalen Fußballverband FA sanktionierten Akt von Südlondon ins knapp 100 Kilometer westlich gelegene Milton Keynes verlegt und in "MK Dons FC" umbenannt worden. "Die haben uns einfach unseren Klub geklaut damals", erregt sich Ken noch heute und schiebt grinsend und mit entwaffnender Selbstverständlichkeit nach: "Da haben wir einfach einen Neuen gegründet und die Sache selber in die Hand genommen".

Damals, im Mai 2002, war auch Ken dabei, als auf einer öffentlichen Wiese ein paar Kneipenfußballer vorspielten, mit denen sich der neugegründete AFC Wimbledon in das Abenteuer Ligafußball begeben wollten. Ein Stadion hatte man noch nicht, und in welcher Liga man würde spielen dürfen, war auch unklar. Die FA meinte damals, die Gründung eines neuen Klubs wäre ohnehin nicht im "größeren Interesse des Fußballs" - heute kann man im Fanshop T-Shirts mit der Aufschrift "Not in the wider interests of football?" kaufen.

Es war die 9. Liga, in der schließlich ein Abenteuer begann, das eine der faszinierendsten Geschichten des Fußballs hervorbrachte. Klubmitgründer und heutiger Geschäftsführer Erik Samuelson: "Niemand von uns hatte eine Ahnung, wie man einen Klub führt. Aber wir wussten einiges über Business, und so konnten wir den Klub wirtschaftlich gut aufstellen". Räumlich fand man beim im südwestlichen Speckgürtel von London ansässigen Amateurklub Kingstonian Unterschlupf, und als zum ersten Ligaspiel statt der erwarteten 1.000 Zuschauer über 4.500 kamen, wusste die Führungscrew um Samuelson: "hier entsteht etwas".
Und zwar ein Fanverein, wie es ihn noch nie gegeben hatte.

2.500 Fans des AFC Wimbledon sind heute shareholder und damit Eigentümer des Klubs. Die Fans wurden das Kapital des Klubs - buchstäblich. Mit einem Besucherschnitt von über 3.000 war der AFC Wimbledon der Konkurrenz meilenweit überlegen und marschierte mit fünf Aufstiegen binnen neun Jahren steil nach oben. Als Vater des sportlichen Aufstiegs wurde Trainer Terry Brown gefeiert, der im Mai 2007 nach Wimbledon gekommen war.

Nachdem Kapitän Danny Kedwell die "Dons" am 21. Mai 2011 mit seinem verwandelten Strafstoß im Elfmeterschießen des Aufstiegsspiels gegen Luton Town in die Football League geschossen hatte, stand Wimbledon endgültig Kopf. Zum Auftaktspiel gegen Drittligaabsteiger Bristol Rovers kündigte Sky Sport sogar eine Direktübertragung an, und aus ganz England gingen Glückwunsche beim streitbaren "Fan-Klub" ein. Wimbledon ist so etwas wie der "Robin Hood" des Fußballs.

Trotz des Hypes war das Auftaktspiel gegen die Bristol Rovers jedoch eine erfreulich unaufgeregte und ehrliche Angelegenheit. Kein Feuerwerk, kein überhitzter Stadionsprecher, keine schillernde Halbzeitshow - der AFC Wimbledon präsentierte sich so, wie er ist. Ein Klub, der sich der Eventisierung des Fußballs entzieht - obwohl er längst selber Teil der Eventisierung geworden ist. Im mit 4.629 Zuschauern bis auf den letzten Platz ausverkauften Stadion lenkte nicht der Stadion-DJ mit ohrenbetäubendem Lärm das Geschehen, sondern wie früher die beiden Fangruppen. Und als sich kurz vor dem Anpfiff auch noch der 750köpfige Anhang aus Bristol vor dem Neuling verneigte und ein "Wimbledon" anstimmte, schwelgte die gesamte Arena endgültig in Stolz.

Auf der Tribüne saßen derweil mit Bobby Gould und Dave Beasant zwei Mitglieder der "Crazy Gang", die 1988 Pokalsieger geworden war, während das Gastgeberteam in Erinnerung an Wimbledons ersten Aufstieg in die Football League anno 1977 Retro-Trikots aus jenen Tagen trug.

Ein perfekter Tag für den AFC Wimbledon, der nur einen Makel hatte. Die Punkte gingen nach Bristol. Doch den mutigen "Dons" muss nicht bange sein. Zum einen egalisierte die Brown-Elf einen frühen 0:2-Rückstand und glich auf ein zwischenzeitliches 2:2 aus (Endstand 2:3), zum anderen gelten die Rovers als Aufstiegsfavorit. "Wir müssen unsere Punkte gegen andere Mannschaften holen", bestätigt auch Ken, als er nach dem Schlusspfiff schon wieder eine Schlange von Einkaufswilligen vor dem "Dons"-Fanshop vorfindet. "Und wenn wir wieder absteigen, na, dann kommen wir eben zurück".

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