Er ist die „Mutter aller Wettbewerbe“. Der FA-Cup. Englands Vereinspokal. Am 11. November 1871 wurden auf der Insel die ersten Spiele des ältesten Fußballwettbewerbes der Welt ausgetragen. Hier mein Geburtstagsständchen im Rahmen meiner wöchentlichen Kolumne im "Nordsport".
Die Idee für einen Vereinspokal kam von Verbandssekretär Charles Alcock. Acht Jahre nach Gründung der Football Association (FA) war die Einrichtung eines Fußballwettbewerbes ein geradezu logischer Schritt. Denn Fußball in England hatte sich in einem dramatischen Tempo entwickelt. Die jährlich ausgespielte Handvoll Freundschaftsspiele befriedigte längst nicht mehr, und auch die Trennung zwischen Fußball und Rugby hatte ihre Spuren hinterlassen.
Nach der FA-Gründung war es ab 1863 zu einem schleichenden Bruch mit den Gentleman-Konventionen gekommen. Das betraf vor allem die Duldung der Idee, dass es im Sport Sieger und Besiegte geben darf. Ein Gedanke, den die aus elitärem Haus stammenden Urväter des Fußballs und des Rugbys strikt ablehnten. Für sie ging es im Sport ausschließlich um Ehre und Ritterlichkeit. Doch die nachrückende Jugend wollte Kräftemessen. Sie wollte gewinnen, sie wollte verlieren. Alcock verstand das. Aus eigener Erfahrung, denn die Harrow School, die er einst besucht hatte, führte regelmäßig sportliche Wettbewerbe durch und krönte Sieger.
Wenngleich sich der Fußball erst mit dem Eindringen der Arbeiterklasse im Verlauf der 1870er Jahre gänzlich von seiner ursprünglichen upper-class-Attitüde lossagte, war die Ausrufung des FA-Cups ein erster und wegweisender Schritt dorthin.
50 Klubs hätten theoretisch im ersten Jahr teilnehmen können. Doch nur zwölf wollten dies auch: Barnes, Civil Service, Clapham Rovers, Crystal Palace, Hamstead Heathens, Harrow Chequers, Harrow School, Lausanne, Royal Engineers, Upton Park, Wanderers und Windsor Home. Zumeist handelte es sich um Schul- bzw. Universitätsmannschaften sowie Teams von „Ehemaligen“. Die Teilnahmegebühr in Höhe von einem Pfund betrug rund ein Sechstel des seinerzeitigen Saisonbudgets.
Das Debütjahr war überschattet von Schwierigkeiten. Noch bevor der erste Ball getreten war, meldeten sich mit Harrow School, Lausanne und Windsor Home Park drei Teams wieder ab. Zwar gelang es der FA, das Teilnehmerfeld schließlich auf 14 Teilnehmer aufzustocken, doch am historischen 11. November 1871 kamen von den sieben angesetzten Spielen lediglich vier auch zum Austrag. Reigate Priority und die Harrow Chequers traten gegen die Wanderers bzw. die Royal Engineers nicht an, während sich Queen’s Park und Donington Grammar School nicht auf einen Termin einigen konnten.
Nur eine Handvoll Daten ist vom historischen ersten Spieltag am 11. November 1871 überliefert. Immerhin ist bekannt, wer das weltweit erste Tor in einem Wettbewerbsspiel schoss: Jarvis Kenrick, ein 1852 in Chichester geborener Stürmer, der wie viele seiner Zeitgenossen nebenbei Cricket spielte und beim 3:0-Sieg der Clapham Rovers über Upton Park gleich zwei Treffer markierte.
In der zweiten Runde setzten sich die administrativen Unzulänglichkeiten fort. Queens’s Park und die Donington Grammar School hatten Freilose erhalten und sollten nun erneut aufeinandertreffen. Als Donington verzichtete rückte Queen’s Park abermals kampflos eine weitere Runde vor. Der Klub war im Übrigen der ungewöhnlichste unter den Debütanten. Ansässig in Glasgow, gehörte er dem schottischen Verband an und nahm nur auf Einladung der englischen FA teil.
Das Viertelfinale geriet zur Farce. Statt acht waren nur noch fünf Mannschaften dabei. Wieder erhielt Queen’s Park ein Freilos, während sich die Wanderers und Crystal Palace 0:0 trennten und daraufhin gemeinsam ins Halbfinale einzogen. Einziger echter sportlicher Sieger waren die Royal Engineers, die mit einem 3:0 über Hamstead Heathens die Runde der letzten Vier erreichten.
Die Halbfinals fanden in London statt. Erstmals lief auch der schottische Eliteklub Queen’s Park auf, trennte sich aber torlos unentschieden von den Wanderers. Da auch die Partie zwischen den Royal Engineers und Crystal Palace 0:0 endete, wurden Wiederholungsspiele anberaumt. Das erwies sich als unüberwindbare Hürde für Queen’s Park. Die Glasgower konnten sich die weite Bahnfahrt nach London kein zweites Mal leisten und zogen sich schweren Herzens aus dem Wettbewerb zurück. Unterdessen bezwangen die Royal Engineers Crystal Palace mit 3:0 und trafen damit im Finale auf die Wanderers.
Etwa 2.000 Neugierige versammelten sich am 16. März 1872 im Londoner Cricket-Stadion Kennington Oval, um dem ersten Endspiel um den FA-Cup beizuwohnen. Es gab weder Torlatten noch Tornetze, der Mittelkreis war noch nicht erfunden, und Freistöße waren ebenso unbekannt wie Elfmeter oder Abseits. Fußball war eben mitten in der Entwicklung. Erster Pokalsieger wurden die Wanderers, für deren 1:0-Sieg der unter dem Pseudonym „A. H. Chequer“ spielende Mr. Belts sorgte, als er aus spitzem Winkel zwischen die Pfosten traf. Gebildet aus Spitzenkräften diverser Schul- und Universitätsteams galten die Wanderers als spielstärkste Mannschaft ihrer Zeit. Finalgegner Royal Engineers Chatham hatte allerdings das Pech, dass Leistungsträger Lieutnant Creswell schon nach zehn Minuten mit gebrochenem Nackenwirbel ausscheiden musste.
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