Zum heutigen Todestag von Robert Enke das Porträt über ihn aus meinem 96-Buch "Rote Liebe". Das Buch erschien 2009 wenige Tage vor den tragischen Ereignissen um Enke.
R.I.P.
Hannover 96 hat in seiner Geschichte mehrere herausragende Torhüter hervorgebracht. Das beginnt mit Ludwig Pritzer, dem Helden der 1938er Meistermannschaft, der als Verteidiger begann, und reicht über Hans Krämer, Horst Podlasly, „Maxe“ Rynio bis hin zum unvergessenen Jörg Sievers. Als Sievers 2003 aufhörte, plagte sich 96 ausnahmsweise mit einem Torhüterproblem. Gerhard Tremmel zeigte Licht und Schatten, Marc Ziegler war aus Wien nur ausgeliehen. Daraufhin kam 2004 ein Mann, der die großen Fußstapfen von Jörg Sievers nicht nur füllen sondern sogar noch größere formen sollte: Robert Enke.
In Jena geboren und über den unterklassigen Klub BSG Jenapharm bzw. dessen Lokalrivalen FC Carl Zeiß zum Fußball gekommen, wurde Enke 1996 nach seinem Wechsel zu Borussia Mönchengladbach als herausragendes Torhütertalent bezeichnet und 1997 erstmals in die deutsche U21-Nationalmannschaft berufen. Unter Trainer Friedel Rausch avancierte er in der Saison 1998/99 zum gefeierten Stammkeeper auf dem Bökelberg und reiste am Saisonende mit der deutschen Nationalmannschaft zum Konföderationencup nach Mexiko, wo er jedoch nicht zum Einsatz kam.
Zugleich wechselte Enke nach dem Mönchengladbacher Abstieg 1999 zu Benfica Lissabon und avancierte unter dem deutschen Trainer Jupp Heynckes zum Leistungsträger und schließlich sogar Mannschaftskapitän des portugiesischen Rekordmeisters. 2002 sicherte sich der FC Barcelona die Dienste des Ausnahmetorhüters, dessen Karriere in der Primera División jedoch ins Stocken geriet. Nur einmal stand er für „Barça“ zwischen den Pfosten, ehe Enke im Sommer 2003 an den türkischen Klub Fenerbahçe Istanbul ausgeliehen wurde, wo er mit Christoph Daum abermals auf einen deutschen Trainer traf. Doch der Ausflug an den Bosporus erwies sich als Sackgasse. Als Fenerbahçe das erste Spiel verlor, machten die heißblütigen Fans ausgerechnet den deutschen Torhüter dafür verantwortlich. In Istanbul unglücklich, wechselte Enke im Januar 2004 zum spanischen Zweitligisten CD Teneriffa, wo er zur alten Form zurückfand.
Sein Heimweh nach Deutschland führte den Ausnahmetorhüter im Sommer 2004 nach Hannover, wo Robert Enke begeistert aufgenommen wurde. Seine Verpflichtung dokumentierte die enorme Wertsteigerung, die der Klub seit seiner Rückkehr in die 1. Bundesliga erfahren hatte. Mit Robert Enke bekam Hannover 96 aber nicht nur einen extrem verlässlichen Torhüter, sondern zudem einen „Leader“ auf und neben dem Platz. Mit seiner wohltuenden Ruhe und Bescheidenheit bildet Enke seitdem einen Fels im wilden Bundesligageschäft und trägt folgerichtig seit 2007 die Kapitänsbinde der Roten. Auch seine internationale Karriere, die während seiner Zeit im Ausland ins Stocken geraten war, nahm in Hannover wieder Fahrt auf. Im März 2007 debütierte er beim 0:1 gegen Dänemark zwischen den deutschen Pfosten. Die WM 2006 sowie die EM 2008 erlebte er zwar nur auf der Bank mit, doch wenn ihn das Verletzungspech verschont, wird Deutschland 2010 in Südafrika zweifelsohne mit Robert Enke um die WM-Trophäe streiten.
Für Hannover 96 war Robert Enke ein Glücksfall. Seine sportlichen Leistungen sind herausragend – mehrfach wurde der Mann mit den großartigen Reflexen und der überragenden Strafraumbeherrschung bei Umfragen des Fachmagazins „Kicker“ zum besten Torwart der Bundesliga gewählt. Seine im Bundesligageschäft so seltene Mischung aus zielgerichtetem Ehrgeiz und bodenständiger Bescheidenheit machte den charakterstarken Zerberus aber auch abseits des Spielfeldes zu einer Galionsfigur bei den Roten. Obwohl Enke mehrfach lukrative Angebote renommierter Klubs erhielt, blieb er 96 treu und erwarb sich damit den Respekt der Fans. Für die 96-Anhänger ist Robert Enke eine herausragende Identifikationsperson, der sogar eine eigene Stadionhymne gewidmet ist.
Robert Enke hat in seiner Karriere Schatten- wie Sonnenseiten kennen gelernt. Ungern denkt er an seine Tage in Istanbul zurück, wo dem nachdenklichen und besonnenen Torhüter der überschäumende Fanatismus der „Fener“-Fans suspekt war. Viel mehr aber prägte ihn das Schicksal seiner Tochter Lara, die 2004 mit einem Herzfehler zur Welt kam und im September 2006 verstarb.
„Es gibt nun etwas, was immer wichtiger als alles ist: Laras Leben. Deshalb kannst du dich weniger über gute Spiele freuen, aber eben auch weniger über schlechte ärgern“, bekannte er im Frühjahr 2006 gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ und betrachtete seinen Beruf als Fußballprofi unter ganz anderen Gesichtspunkten: „Mein Frau hatte es, gerade wenn Lara auf der Intensivstation lag, doch viel härter. Sie konnte nie weg von Laras Problemen. Ich konnte zwei Tage zu einem Auswärtsspiel. Natürlich bin ich noch immer nervös vor einem Spiel, aber im Prinzip ist es Erholung: sich abzulenken.“
*24.8.1977 . 173 Pflichtspiele für Hannover 96 seit 2004.
Informationen über das Buch Rote Liebe. Die Geschichte von hannover 96 gibt es hier: http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/61
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