Auch wenn ich heute mal wieder in der
Bundesliga unterwegs bin (BVB vs. Hertha) gehen meine Gedanken zugleich
zurück an den 21. April 2009, als ich dem Toulouse FC nicht nur diese
Tasse sondern vor allem eine meiner unverhofftesten und schönsten
Fußballerinnerungen zu verdanken hatte. Heute nun ist so etwas wie der
„Jahrestag“ dieses Ereignisses, denn die Partie, die ich damals sah,
steht am Abend erstmals wieder auf dem Spielplanzettel der französischen
Ligue 1: Toulouse FC gegen En Avant Guingamp.
Es war das
Halbfinale im französischen Pokalwettbewerb. Guingamp, damals biederer
Zweitligist, hatte im Viertelfinale in Sedan gewonnen, doch die Hoffnung
auf ein Heimspiel im Halbfinale erfüllte sich nicht. Auswärts in
Toulouse, das war angesichts der anderen beiden im Lostopf befindlichen
Gegner (Rennes und Grenoble) so ziemlich das unüberwindlichste Los, das
man bekommen konnte.
Ich hingegen war gar nicht soooo
unglücklich. Denn ich befand mich zum Spieltermin ohnehin in Frankreich,
und vom Luberon, wo ich an meiner Radelkondition feilte, in die
Pyrenäen war es ein Katzensprung. Und weil ich als Guingampais
zweifelsohne nicht unter den Verdacht falle, Erfolgsfan zu sein, machte
ich mich am Morgen des 21. April natürlich auf den Weg nach La Ville
Rose. Mit der Überzeugung, vermutlich einer Niederlage beizuwohnen, aber
auch mit dem störrischen Glauben an die Möglichkeit einer Überraschung.
Mit mir hatten mehrere hundert Guingampais den Weg nach Toulouse
gefunden, und wir trafen uns schon am Nachmittag, um gemeinsam in der
Innenstadt ein wenig Präsenz zu zeigen. Dass dieser Ausflug ausgerechnet
in einer bretonischen Creperie in der Altstadt endete, entsprach dann
wohl sämtlichen Klischees über Bretonen im allgemeinen und Nordbretonen
im speziellen, war aber zweifelsohne auch erheiternd lustig.
Dann begann das Spiel, und es begann wie im Traum. Nach 29 Minuten
nutzte Guingamps brasilianischer Torjäger Eduardo eine Konterchance zum
1:0, und plötzlich roch es nach Sensation. Mit der Führung ging es in
die Pause, deren Ende wir im Gästeblock fieberhaft herbeisehnten und die
wir doch angesichts der allgemeinen Aufregung so sehr benötigten.
Manchmal ist Fußballfan sein eben auch körperlich richtig anstrengend.
Nach Wiederanpfiff kamen die Nackenschläge. 52. Minute: Platzverweis
für Soumah, Guingamp fortan in Unterzahl. 74. Minute: ein zugegeben
schönes Tor von Toulouse-Torjäger Gignac. 1:1. Das war’s, war die
allgemeine Auffassung, aber wir haben ein tolles Spiel abgeliefert und
können stolz sein. Doch Guingamp hatte unter Trainer Viktor Zvunka ein
Team, das zu fighten vermochte. Während Toulouse auf das 2:1 drängte,
ergaben sich immer wieder Konterchancen. Als Eduardo in der 89. Minute
am Pfosten scheiterte, machte sich im Gästeblock totale Verzweiflung
breit: „so eine Chance kriegen wie nie wieder“.
Dann kam die
Nachspielzeit. Freistoß für Guingamp auf der rechten Seite. Der Ball
fliegt hoch hinein, Eduardo verlängert und Sène jagt das Leder ins Tor.
2:1 für Guingamp! Finale?! Nach unendlich langen 40 Sekunden kam dann
der Schlusspfiff und die schwierigste Aufgabe des Tages stand an:
realisieren, dass wir gewonnen hatten und im französischen Pokalfinale
standen. Die Szenen, die sich im Gästeblock abspielten, sind mir
unvergesslich. Wir waren ja nur ein vergleichsweise kleiner Haufen, und
wir waren vor allem die „kleinen“ paysans (Bauern) aus der
nordbretonischen Provinz. Und wir hatten es den „Großen“ mal wieder
gezeigt. ICI C’EST GUINGAMP schallte es stolz durch le Stade, LES
PAYSANS SONT DE RETOUR („die Bauern sind wieder da“). Fußballfan zu sein
kann so geil sein!
Epilog: Sechs Wochen später ging es zum
Finale ins Stade de France. Ich war einer von 40.000 Guingampais (ja,
auch in der Provinz kommen die Erfolgsfans heraus, wenn es um was
geht...). Gegner Stade Rennes kam ebenfalls aus der Bretagne, spielte in
der 1. Liga und ging in der 2. Halbzeit mit 1:0 in Führung. Am Ende
stand erneut ein 2:1-Sieg der „Bauern“ und einer meiner größten Momente
als Fußballfan, der gekrönt wurde, als es anschließend im Europapokal
ausgerechnet zum Hamburger SV ging.
Fier d’etre Guingampais! Tous ensemble, toujours En Avant!
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