Morgen früh werden im englischen Hereford ein paar lokale Fußballfunktionäre ihre Aktentaschen schnappen und zu einem schweren Gang aufbrechen. Hereford United, viele Jahre in der Football League dabei und gegenwärtig in der fünftklassigen Conference am Ball, ist pleite. Eine Millionen Pfund beträgt das Defizit des Klubs, der Monat für Monat weitere 20.000 Pfund Defizit anhäuft. Nachdem sich Verhandlungen mit einem Mobilfunkunternehmen über die Anmietung eines Flutlichtmasten im Stadion Edgar Street als Sendemast zerschlugen und das Finanzamt eine weitere offene Rechnung in Höhe von 36.000 Pfund gestellt hat wird der Gang zum Insolvenzrichter nun wohl unvermeidlich sein.
Die Zukunft für den Klub sieht düster aus. Selbst in der Football League lockten die Bulls zuletzt kaum mehr als 2.000 Fans zu ihren Spielen ins rustikale aber zugleich auch schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäße Stadion Edgar Street. Der vermutliche Insolvenzantrag wird einen massiven Punktabzug nach sich ziehen, was angesichts von bislang erstrittenen 38 Punkten aus 28 Spielen (gestern gab es ein 1:0 daheim gegen Salisbury) zum Absturz in die Abstiegszone führen könnte.
Hereford war in der jüngeren Vergangenheit einer dieser Klubs, die irgendwie zwischen die Stühle fallen. Zu schwach für die Football League, zu stark für Non-League. Und zudem war United ein Klub, der die Probleme beim Abstieg aus der Football League massiv zu spüren bekam. Als es Hereford 2012 erwischte, hatten viele Spieler noch langfristige Verträge, die trotz des Abstiegs weiterliefen – natürlich zu Profiligabezügen. Zwei Drittel des Saisonetats 2012/13 waren daher gebunden, und schon im Herbst stellten sich prompt finanzielle Probleme ein, die nur durch einen guten Auftritt im FA Cup folgenlos blieben. Hinzu kam eine gewisse Ungeduld der Führung, die in dreieinhalb Jahren fünf Trainer verbrauchte und damit viel Geld verbrannte. Im Frühjahr 2013 waren die Kassen erneut leer. Man überstand die Krise, indem vorzeitig verbilligte Saisontickets für 2013/14 verkauft wurden. Doch das Problem wurde damit nur in die Zukunft verschoben und holte die Bulls nun ein. Keine 2.000 Zuschauer kamen bislang zu einem der Heimspiele, und davon besaßen 1.100 eine Dauerkarte, die bereits bezahlt war. Um zu überlebten, bräuchte der Klub durchschnittlich 3.300 Zuschauer – eine illusorische Zahl für Hereford United.
Herefords größte Stunde schlug 1972, als man im FA-Cup Newcastle United ausschaltete (sehr sehenswert: http://www.youtube.com/
1997 dann der erste Abstieg aus der Football League, schon damals begründet in wirtschaftlichen Problemen. Zudem ein unvergleichlich dramatischer Abstieg, denn im letzten Spiel standen sich mit Hereford und Brighton and Hove Albion jene beiden Teams an der Edgar Street gegenüber, von denen eines absteigen musste. Brighton traf in allerletzter Sekunde zum Ausgleich und schubste Hereford damit nach 25 Jahren aus dem Profilager.
Erst 2006 gelang im play-off-Finale gegen Halifax die Rückkehr in die Football League, und 2008 kletterten die Bulls sogar noch einmal in die 3. Liga hinauf. Dann kam der erneute Absturz in die Noin-League 2012, der den Bulls diesmal das Genick brechen könnte.
Fußball an der Edgar Street ist nicht nur eine Reise in vergangene Zeiten des Fußballs, sondern auch in die von Hereford. Direkt gegenüber des Stadions liegt der riesige Viehmarkt der Stadt, der Hereford reich und bekannt gemacht hat, und von dem Hereford United auch seinen Spitzenamen „the Bulls“ hat. Doch längst sieht es ökonomisch auch in der Kleinstadt an der walisischen Grenze nicht mehr allzu rosig aus, droht die Stadt, den Anschluss zu verlieren. Irgendwie wie Hereford United, denen ich tüchtig die Daumen drücken, dass sie die Wende schaffen und eines Tages in die Football League zurückkehren. Und das nicht nur, weil meine Bristol Rovers oft genug ziemlich gut ausgesehen haben gegen die Bulls, sondern vor allem, weil ich die ehrliche und leidenschaftliche Atmosphäre an der Edgar Street immer mochte.
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