Donnerstag, 16. Dezember 2010

Bristol Rovers

Heute mal aus leider aktuellem Anlass eine persönliche Note. Gestern hat mein englischer Liebling Bristol Rovers Trainer Paul Trollope entlassen. Nach einem 2:6 am Wochenende bei Sheffield Wednesday und dem Aus im Elfmeterschießen des JPT-Cups am Dienstag daheim gegen Exeter war "Trolls" Uhr abgelaufen.

Eine Entscheidung, die ich zugleich äußerst bedaure als auch äußerst richtig finde.

Trollope war einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der Bristol Rovers. Unter "Trolls" erreichten the Gas 2007 sowohl das Endspiel im JPT-Cup (verloren gegen Doncaster) als auch das Play-off zur 3. Liga (gewonnen gegen Shrewsbury). Neben den Rovers schaffte es nur Chelsea London, in einem Jahr sowohl im Millenium Stadium als auch im Wembley Stadium zu spielen. Mit dem Sieg über Shrewsbury führte Trollope den Klub zudem endlich zurück in die 3. Liga und beendete damit die düstereste Epoche der Klubgeschichte.

Zurück in der 3. Liga gab es zunächst eine stetige Aufwärtsentwicklung zu beobachten, und der Traum vom Aufstieg in die Championship rückte näher. Zugleich wurden Pläne für den dringend notwendigen Umbau des Memorial Stadiums in Nordbristol vorgestellt. Bristol Rovers war auf dem Weg nach oben!

Dann kam die Finanzkrise, die in England bekanntlich heftige Wirkungen hatte. Plötzlich war die Finanzierung für den Stadionumbau geplatzt. Die Bagger, die schon angefangen hatten, wurden wieder abgezogen und sind seitdem nicht mehr im "Mem" zu sehen gewesen. Finanziell nie auf großem Fuß lebend, hat dies den Klub schwer getroffen. Torjäger Ricky Lambert musste für 1 Mio.Pfund an Southampton abgegeben werden, womit auch die heimlichen Aufstiegsträume zerplatzten. In der Hinrunde der letzten Saison zunächst noch Tabellenführer, rutschten the Pirates in der Rückrunde allmählich ins Mittelfeld ab.

Dies Jahr nun scheint Abstiegskampf anzustehen. Die Kassen sind leer, das Stadion zwar kultig, aber wenig zeitgemäß und das Zerplatzen der Hoffnungen hat schwer auf die Stimmung gedrückt.

Die Rovers waren immer ein Klub der "underdogs". Zusammenhalt, Loyalität - das sind Werte, die den Verein auszeichnen. Werte, die es inzwischen auch in Bristol schwer haben. Die Kritik an Trainer Trollope nahm immer mehr zu und ging, ich habe es selber miterlebt, bisweilen tief unter die Gürtellinie. Die Stimmung unter den Fans war rasch gespalten. "Trollope macht das Beste aus dem wenigen Geld, das er hat", sagten die einen (ich auch), "Trollope hat keine Ahnung", behaupteten die anderen.

Nun musste er gehen, weil er nicht mehr zu halten war. Weil er den sportlichen Niedergang nicht in den Griff bekam. Ende letzter Saison ging mit Steve Elliot eine Galionsfigur der Defensive, weil sein Gehalt zu hoch war. Wenn ich mir die sechs Tore anschaue, die die Rovers am Samstag in Sheffield kassierten, kommen mir die Tränen. Das wäre mit Steve "fu*** brillant" Elliot nie passiert.

Für mich zeigt die Entwicklung bei den den Pirates das Dilemma, in dem viele Klubs auf ähnlichem Level stecken. Das Geld wird weniger, eine neue Zuschauergeneration bringt nicht mehr die alte Leidenschaft und Loyalität mit, jahrzehntealte Attribute gehen den Bach hinunter. Wie schrieb es gestern ein Fan im Rovers-Form: "Fußball hat sich seit 2005 unglaublich verändert. Und das nicht zum guten. Auch hier im Mem".

Wie es weitergeht? Für die Pirates sicher mit Abstiegs- und Überlebenskampf. Der Stadionumbau ist inzwischen in weite Ferne gerückt, und sportlich wird es auch der Trollope-Nachfolger schwer haben, mit dem Team mehr als nur die Klasse zu halten. Viele Fans werden weiter mosern, die Zuschauerzahl kaum spürbar ansteigen. Ein Teufelskreis.

In Bristol werden inzwischen Stimmen laut, die eine Rückkehr zur "no sell, no buy"-Politik der 50er Jahre fordern. Damals haben die Pirates nur mit eigenen Spielern ihre erfolgreichste Zeit verbracht und sogar einen Nationalspieler gestellt. Ich halte eine Wiederholung für unmöglich. Kein Talent würde heute mehr aus Loyalität bei den Rovers bleiben. Mal ganz abgesehen, dass ich meine Zweifel habe, ob der Nachwuchs noch so fließt wie damals in den 50ern, als es auch in Bristol nix anderes als Fußball gab.

Stadtrivale Bristol City geht übrigens den anderen Weg. Mit Hilfe eines zahlungskräftigen Mäzen will der Klub mit Macht in die Premier League. Geklappt hat es bislang noch nicht. Dafür machten die "Robins" allein in der letzten Saison 11 Mio. Pfund Verlust. Selbst City-Fans befürchten inzwischen, dass ihr Klub in große Schwierigkeiten geraten wird, wenn der Mäzen die Lust verlieren sollte, weil es mit dem Aufstieg nicht klappt. Dass England die WM 2018 nicht bekommen hat - Citys Stadion stand auf der Liste der Austragungsorte - war ein weiterer Rückschlag.

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