Gestern war für mein 05er Herz endlich mal wieder Fußball angesagt. Allerdings nur in der Halle, und so schön das auch ist, es ist eben nicht "the real thing". Das habe ich mit Göttingen 05 zuletzt am 31. Oktober erlebt, als sich die Schwarz-Gelb-Grünen im Heimspiel gegen Kästorf mit einem 2:2 zufrieden geben mussten. Gehen wir angesichts der Prognosen für den Jahrhundertwinter 2010/11 mal davon aus, dass es vor Anfang April zu keinem nennenswerten Spielbetrieb hier im südlichen Niedersachsen mehr kommen wird, dürfte die Mannschaft satte fünf Monate ohne Pflichtspiel gewesen sein, wenn es wieder los geht.
Das ist, mit Verlaub, absurd. Fünf Monate ohne Spielbetrieb in einer Liga, in der durchaus auch schon Gelder fließen. Fünf Monate keine Einnahmen, fünf Monate "warten" auf das nächste Spiel. Vom Verband sind übrigens im Januar schon die ersten Nachholspiele angesetzt - stattfinden werden die nicht, aber darauf vorbereitet sein, muss man als Trainer und Mannschaft ja doch irgendwie.
Vielleicht sollten wir im Winter einfach nach Katar wechseln. Dort entstehen ja demnächst mit deutscher Hilfe multimoderne Spielstätten, und wie mir die Bilder verrieten, könnte ich auch flugs mit meiner Yacht am Stadiongelände andocken. Super! Leider bin ich kein Abramowitsch und nenne daher auch keine Yacht mein eigen. Und wenn es neuerdings nach Sepp Blatter geht - und nach dem geht es ja in der Regel - wird Katar im Winter 2022 ohnehin geblockt sein. Für dieses Weltturnier der besten Fußballspieler, das aus bislang nicht vollständig geklärten Gründen an das fußballerische Entwicklungsland im Petrodollarparadies ging. Blatter hat sich mal wieder als Meister seines Faches gezeigt. Anfänglich alle Vorstellungen von der Verschiebung der WM in den Winter mit Verweis auf den internationalen Spielbetrieb strikt zurückweisend, ist er nach harscher Kritik von Koryphäen wie Franz Beckenbauer inzwischen großer Fan der weltmeisterlichen Winterspiele. Und wird natürlich für seine plötzliche Weisheit von der internationalen Fußball-Entourage abgefeiert.
A propos "abfeiern". Die Aufregung um die Vergabe der WM 2022 hat sich ja erstaunlich schnell gelegt. Es scheint, als hätten wir uns längst dran gewöhnt, dass demokratische Entscheidungen keine Rolle spielen und man am besten zur Tagesordnung übergeht. Das System funktioniert also. Auch medial. Und für das Hitzeproblem findet sich ja gerade eine Lösung. Ist also alles in Butter, oder? Katar, wir kommen! Früher war Fußball mal "the people's game" und erfreute die Massen. Heute heißt das "for the good of the game" und füllt die Kassen.
Auch Blatters "flapsig" gemeinter Rat an homosexuelle Fußballfans, während der WM in Katar doch besser auf amouröse Aktivitäten zu verzichten, um die Stimmung der Gastgeber nicht zu trüben, machte in der letzten Woche Furore. Liebe Leute! Er hat doch nur Spaß gemacht! Auch ein gewiefter Multufunktionär hat doch wohl das Recht auf Vergnügen - und sei es auf Kosten von "Randgruppen", um deren Akzeptanz es in greisen Funktionärskreisen ohnehin nicht allzu gut bestellt ist. Und außerdem: er hat sich doch entschuldigt! Reumütig, tränenreich, gewitzt. Wenn er "eine bestimmte Gruppe beleidigt habe", so Blatter in seinem Statement, "bereue ich dies". Hurra! Dass Blatter in seinem ursprünglichen Statement nicht von einer "bestimmten Gruppe", sondern sehr konkret von Homosexuellen gesprochen hatte, fällt da doch gar nicht weiter auf, oder? Und dass seine Entschuldigung kein Fitzelchen von Rücknahme seiner ursprünglichen Aussage, nämlich dass homosexuelle Aktivitäten während der WM zu unterbleiben haben, enthält, auch nicht. Es war sozusagen lediglich eine Entschuldigung, dass er ausgesprochen hat, was er denkt (und fordert). Die "Empfehlung" der "Enthaltsamkeit" während der WM aber steht auch nach seiner tränenreichen und reumütigen "Entschuldigung" noch immer unberührt im Raum.
Themawechsel. Was brachte uns das Wochenende? Dortmund eine ungewohnte Niederlage, Schalke das Gefühl, dass nun doch noch was geht. Und Magath möglicherweise doch der Messias ist. Geht ja alles sehr schnell heute. Doch abwarten! Das "System Magath" hat in dieser Saison mehr als nur kleine Aussetzer gezeigt. Ganz zu schweigen von der angespannten Stimmung auf Schalke, wo man vor drei Wochen noch den "Mythos Schalke" zu Grabe trug und wo sich die Fans so uneins wie noch nie sind. Für Euphorie ist da noch kein Platz.
In Kleve stehen sie derweil vor den Trümmern ihres Klubs. Wegen akut drohender Insolvenz hat sich der 1. FC Kleve aus dem laufenden Spielbetrieb abgemeldet. Es ist nach Viktoria Köln, dem Bonner SC, Preußen Hameln, SpVgg Weiden und DVV Coburg (dazu morgen mehr) der sechste Verein, der in der laufenden Spielzeit das Handtuch wirft (und das waren jetzt nur die mir bekannt gewordenen Fälle von "Traditionsvereinen"). Das interessiert jetzt sicher nicht wirklich jeden, denn was kümmert mich so ein popeliger NRW-Ligist? Doch es gibt ein kleines, interessantes Detail. Kleve liegt nicht weit von Düsseldorf, wo demnächst eine Arena für drei Zweitligaspiele errichtet wird. Aus städtischen Mitteln, also aus Steuergeldern. In Kleve hingegen hat man die städtischen Mittel zum Stadionausbau gestrichen, weil die Stadtkasse leer ist. Kleves fußballerischer Bankrott ist sicherlich zu weiten Teilen einer gewagten Finanzpolitik geschuldet und keinesfalls der Stadt anzulasten. Die zweierlei Maß, mit denen im Fußball seit längerem gemessen werden, unterstreicht es trotzdem.
Und noch was zu Düsseldorf (sorry, liebe Fortuna-Fans, es ist wirklich keine Absicht, dass ich so auf Euern Klub eindresche): Eine Untersuchtung brachte hervor, dass die komplexe Spitzensportstruktur der Stadt in den letzten Jahren großen Schaden genommen hat. Eishockey, Handball, Basketball - alles steht inzwischen im übergroßen Schatten der Fortuna bzw. des Fußball und hechelt nach Luft, um zu überleben. So sehr ich den Fortunas-Fans nach so vielen Leiden und auch Ignoranz ihres Klubs in Düsseldorf die Popularität gönne, macht mich diese trendweisende Monopolbildung traurig.
Schöne Woche im Schnee und allen ein erquickliches Weihnachtsfest!
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