Mittwoch, 15. Dezember 2010

Legendäre Vereine: Wacker München

Heute morgen las ich in der Zeitung, dass sich Fußball fernsehtechnisch weiter als Monokultur etabliert hat. Alles andere fällt zunehmend hinten runter, und selbst Disziplinen wie Handball und Eishockey sind inzwischen - TV-technisch - zu Randsportarten degradiert.
Innerhalb des Fußballs existiert ebenfalls eine sich verfestigende Monokultur. Aufmacher auf der Kicker.de-Seite heute war "Schweinsteiger packt aus". Da geht es dann beispielsweise darum, dass Oliver Kahn dem jungen Schweinsteiger, damals noch "Schweini", öfter mal das Handtuch geklaut hat. Nun denn.
Als der Fußball noch keine Monokultur war, lebte er von Derbies und einer Vielfalt, die sich auch in der Breite finden ließ. Doch um hier keine Sozialromantik zu blasen: Fußball hat sich immer verändert, und immer gab es dabei auch Opfer, die auf der Strecke geblieben sind. Von einem dieser Opfer will ich heute berichten: Wacker München, einst ein ernsthafter Rivale von Bayern und 1860 und der "Liebling von München".

Die Geschichte der "Blausterne"
Wacker München
Einer der ganz großen des Münchner Fußballs und phasenweise sogar das Aushängeschild des süddeutschen Spitzenfußballs.
1903 gegründet und bis zum Ersten Weltkrieg unter dem Schirm diverser anderer Vereine vor allem aus dem Turnerlager stehend, schafften die „Blausterne" in den 1920er Jahren ihren Durchbruch. Als sie 1922 zum ersten Mal die Süddeutsche Meisterschaft nach München holten, stand die gesamte Isarstadt hinter den Blau-Schwarzen aus Sendling, die sich weitverbreiteter Beliebtheit erfreuten.
Vater des Erfolges war Eugen Seybold, Gründer des Fachblattes „Fußball", der mit Alfréd Schaffer sogar einen ungarischen Ausnahmefußballer nach München gelockt hatte und bei seinen „Blausternen" unter verkapptem Profitum arbeiten ließ. Mit Heinrich Altvater stand zudem ein deutscher Nationalspieler in der Erfolgself. In der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft wurden die „Blausterne" seinerzeit als Meisterfavorit gehandelt, scheiterten jedoch bereits im Halbfinale an einem furios aufspielenden Hamburger SV, der mit 4:0 gewann.
1928 erreichte der FC Wacker abermals die Endrunde um die „Deutsche" und musste sich erneut erst im Halbfinale geschlagen geben – diesmal der Berliner Hertha. Anschließend gerieten die „Blausterne" zunehmend in den Schatten der aufstrebenden Lokalrivalen FC Bayern und 1860, die die lokale Führung übernahmen.
Für Wacker blieb lange Zeit zumindest die Rolle als Münchner Nummer drei, wobei der Klub unverändert als „heimlicher Liebling" unter vielen Münchner Fußballfans galt. Sportlich indes ging es schleichend bergab. 1938 verlor man erstmals den Erstligastatus, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Etablierung in der Oberliga Süd um Längen verfehlt, rutschte Wacker gar hinab bis in die Drittklassigkeit.
Unter dem ehrgeizigen Präsidenten Alfred Fackler gelang Anfang der 1960er Jahre die Renaissance, die die „Blausterne" 1963 zu den Gründungsmitgliedern der Regionalliga Süd zählen ließ. Doch der geliebten Heimstatt an der Sendlinger Kidlerstraße beraubt und in die weitab des Heimatkiezes gelegene Leichtathletikarena Dantestadion vertrieben, wandte sich Glücksgöttin Fortuna von der Wackeranern ab. Der Klassenerhalt in der Regionalliga wurde verfehlt, und erst 1970 gelang unter Trainer Charly Mai die Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse. Dem erneuten direkten Abstieg folgte 1972/73 der dritte Versuch, sich in der Regionalliga Süd zu etablieren, der jedoch unter dem Ex-Löwen Hans Auernhammer ebenfalls misslang. Immerhin konnte im selben Jahr die neuerrichtete Bezirkssportanlage an der Demleitner Straße bezogen und damit die Rückkehr nach Sendling gefeiert werden.
Zwischenzeitlich hatte sich der seit den frühen 1950er Jahren aktive Päsident Fackler zurückgezogen, und auf den FC Wacker kamen schwere Zeiten zu. Das letzte Lebenszeichen setzte der Klub 1975/76, als er sich im Entscheidungsspiel gegen Würzburg 04 die Bayernmeisterschaft sicherte, auf den damit verbundenen Aufstieg in die 2. Bundesliga jedoch verzichtete, weil das finanzielle Risiko zu hoch war. Bis 1989 verdingten sich die „Blausterne" bei dramatisch zurückgehenden Zuschauerzahlen noch als Fahrstuhlmannschaft zwischen Bayern- und Landesliga, ehe ihr dramatischer Absturz einsetzte. Als man von 1992-94 dreimal in Folge abstieg, wurde die Mannschaft sogar vom Spielbetrieb abgemeldet, und der FC Wacker musste 1995/96 in der C-Klasse München, Gruppe 16 einen Neustart beginnen.
Auf die Beine gekommen ist der Klub, dessen Damenabteilung zu den Pionieren im Münchner Frauenfußball zählte und heute als FFC Wacker eigenständig ist, nie wieder. 2009/10 gingen die stolzen „Blausterne" in der A-Klasse auf Punktejagd.

Dieser Artikel stammt aus meinem Buch "Das große Buch der Deutschen Fußballverein", das 2009 im AGON Sportverlag erschienen ist (ISBN: 978-3-89784-362-2, 39,90 Euro).

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