Man beachte den letzten Satz... Ich lass Euch damit nun mal alleine...
Das Fußballparadies in der WüsteGeld allein macht nicht glücklich – doch es erleichtert das Leben. Diese Binsenweisheit der Reichen und Schönen hat im Scheichtum Katar den Rang einer Lebensphilosophie. Öl und Gas haben das kleine Land am Golf so reich gemacht, dass es kaum weiß, wohin mit all dem Geld.
Einer der Bereiche, in denen die überschüssigen Petrodollars verschwinden, ist der Fußball. Nach der Milleniumswende verwandelte sich Katars unscheinbare Nationalliga schlagartig in eine der am schnellsten boomenden Spielklassen der Welt. Allerdings wurde sie auch zur »Rentnerliga«, denn diverse jenseits des Leistungszenits stehende Herren wie Stefan Effenberg, Gabriel Batistuta, Marcel Desailly und JayJay Okocha ließen sich von den katarischen Argumenten überzeugen und hängten noch ein paar Monate Wüstensandfußball an ihre schillernden Karrieren. Sie kickten in einem Land, das halb so groß ist wie Hessen, nicht einmal 780.000 Einwohner zählt und nach Durchführung der Asienspiele 2006 bereits von der Ausrichtung der Olympischen Spiele 2016 sowie der Fußball-WM 2014 (oder 2018) träumt.
Mit Emir Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani steht Katars höchster Politiker hinter den ehrgeizigen Sportplänen. Seit er 1995 gegen seinen eigenen Vater putschte (dessen Wirtschaftskurs er als zu »vorsichtig« beurteilte), boomt Katar und liefert sich mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein bizarres Rennen um Bestnoten in Sachen Prunk, Reichtum und internationales Renommee.
Den Preis zahlen ausländische Arbeiter, denn während viele Katarer (die lediglich zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellen) ihr Trinkwasser stilvoll aus vergoldeten Wasserhähnen zapfen, erledigen Zigtausende vom indischen Subkontinent, aus Jordanien oder Ägypten herbeigeschaffte Arbeitskräfte für weniger als einen Euro pro Tag und unter unmenschlichen Bedingungen die »Drecksarbeit«. Auch mit der Freiheit des Denkens ist es in Katar nicht weit her: Während der in Doha ansässige Nachrichtensender »Al-Dschasira« weltweit Furore macht, wird die heimische Presse strikt kontrolliert…
Im Fußball läuft es trotz der massiven Investitionen noch längst nicht rund. Zwar stellt die katarische Regierung jedem Erstligisten pro Spieljahr umgerechnet rund 8,5 Mio. € zur Verfügung und hat landesweit hochmoderne Stadien und Trainingsanlagen aus dem Boden stampfen lassen, zu einer Fußballnation ist Katar deshalb aber noch lange nicht geworden. Selbst die vielen Weltstars und die Aussicht auf freien Eintritt locken selten mehr als ein paar hundert Neugierige in die modernen Stadien.
In Katar hat man durchaus Interesse am Fußball – während der WM 2006 waren auch in Doha Großbildleinwände aufgebaut, vor denen sich Tausende von Vergnügungssüchtigen versammelten. Doch Katars Q-League hat zwei Probleme: Erstens wird sie von der eigenen Bevölkerung nicht ernst genommen, und zweitens identifizieren sich die ausländischen Arbeitskräfte nicht mit den teilnehmenden Teams, sondern folgen lieber via TV dem Fußball ihrer Heimatländer.
Im schwerreichen Katar weiß man freilich Rat. Mit Hilfe einer großangelegten Nachwuchsförderung soll die Grundlage für baldige Erfolge bei prestigeträchtigen Veranstaltungen wie der Asienmeisterschaft oder der WM geschaffen werden, die wiederum das Interesse im Lande ankurbeln würden – so hofft man zumindest. Michael Browne, Chefkoordinator der nationalen Sport-Nachwuchsschule »ASPIRE«: »Katar hatte niemals einen Spieler in einer Topliga und war niemals bei einer WM dabei. Unser Ziel ist es, die Nationalmannschaft für die kommenden Jahre mit Spielern zu versorgen.« Einen ersten Erfolg gab es 2006 zu feiern, als mit Khalfan Ibrahim ein erst 19-jähriger Katari zu Asiens Fußballer des Jahres gewählt wurde. Andere Talente sammelten derweil Erfahrungen im europäischen Ausland – Adel Jadouh und Saoud Fath kickten bereits für Rapid Wien, Mishal Mubarak bei Feyenoord Rotterdam, Wisam Ritah in Stuttgart.
Die Besinnung auf den eigenen Nachwuchs ist allerdings nur eine Notlösung, denn eigentlich hatte sich das Scheichtum eine Nationalmannschaft »kaufen« wollen. Man war sich bereits mit Akteuren wie Ailton, Leandro und Dede über einen Nationalitätenwechsel einig gewesen, als die FIFA dem Ansinnen einen Riegel vorschob und Katar zwang, sich auf seine eigenen Ressourcen zu besinnen.
Ein Blick in die Vergangenheit: Wie fast überall im Mittleren Osten ist Fußball auch in Katar ein verhältnismäßig junges Vergnügen und ruht auf britischen Wurzeln. Bis in die 1950er Jahre traten nahezu ausschließlich Ausländer gegen den Ball. Erst 1950 wurde mit Al-Ahli der erste katarische Fußballklub gegründet, dem zehn Jahre später der Nationalverband QFA folgte.
Großbritannien war auch politisch sowie wirtschaftlich Katars Ziehvater. Britische Kolonialisten hatten um 1860 die wohlhabende Familie Al-Thani an die Macht gebracht, unter deren Ägide sich der Familiensitz Doat Al-Bidaa in die boomende Metropole Doha verwandelte. 1916 wurde das Scheichtum Katar nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches unter britisches Protektorat gestellt und genoss einen der Perlenfischerei zuzuschreibenden Aufschwung.
Nachdem 1939 größere Erdölvorkommen entdeckt worden waren, wurde das Wüstenscheichtum zum glitzernden und prunkvollen Feudalstaat, dessen Einwohnerzahl durch die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte drastisch nach oben schnellte. Als Großbritannien seine Truppen 1968 aus der Region zurückzog, verzichtete die katarische Führung auf den eigentlich vorgesehenen Beitritt zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und rief statt dessen im September 1971 den eigenständigen Staat Katar aus.
Keine sechs Monate später putschte sich Kronprinz Scheich Khalifa bin Hamad al-Thani an die Macht und leitete ein umfangreiches Modernisierungsprogramm ein, von dem auch der Sport profitierte. Ziel war es, die Jugend des Landes moralisch zu stärken und sie damit von Drogen und anderen durch den Koran definierten Geißeln fernzuhalten. Auch der Fußball profitierte von der Entwicklung, die neben der Schaffung vorbildlicher Infrastrukturen eine umfassende Förderung auf nahezu allen Ebenen umfasste. Während die bereits 1963 ins Leben gerufene Stadtliga von Doha zur Nationalliga wurde und zudem ein Pokalwettbewerb entstand, nahm die im März 1970 mit einem 1:2 in Bahrain debütierende Nationalelf 1976 erstmals an der Qualifikation zur Asienmeisterschaft teil. Zwei Jahre später folgte das Debüt in den WM-Ausscheidungsspielen.
Als wenig später mit Macedo Evaristo ein ehemaliger Leistungsträger des FC Barcelona zur Betreuung der katarischen Auswahlmannschaften angeheuert wurde, stellten sich erste Erfolge ein. 1981 schaltete die U20 bei der WM in Australien mit Brasilien und England zwei »Große« aus, ehe die sonnenverwöhnten Wüstenkinder in einem von einem Wolkenbruch überschatteten Finale Deutschland mit 0:4 unterlagen. Für jeden Akteur gab es anschließend übrigens ein Haus und eine Nobelkarosse aus dem Hause Mercedes-Benz. Drei Jahre später erreichte die Erfolgself um Torsteher Mohammed Wafah Saami und Mubarak Anbar das Endturnier der Olympischen Spiele in Los Angeles, wo sie allerdings nur einen Punkt (gegen Frankreich) errang.
Ende der 1980er Jahre häuften sich die Erfolge. 1989 bezwang der dem Kronprinzen nahestehende Hauptstadtklub Al-Sadd im Endspiel um die Asienmeisterschaft sensationell den favorisierten Klub Al-Rasheed Bagdad, während die Nationalauswahl nur knapp die WM 1990 in Italien verpasste. 1992 konnte Katar schließlich mit dem Golf Cup erstmals eine Trophäe in Empfang nehmen.
Al-Arabi hatte mit dem Erreichen des Endspiels um die Asienmeisterschaft 1994/95 (0:1 gegen Thai Farmers Bank Bangkok) gerade erneut für internationales Aufsehen gesorgt, als Kronprinz Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani gegen seinen Vater putschte und Katar einen aggressiven, prowestlichen Wirtschaftskurs auferlegte. Er vergaß auch den Sport nicht. »Mit Sport-Investment will ich zum Fortschritt meines Volkes beitragen«, verkündete er – seitdem ist der Wüstenstaat regelmäßig Schauplatz von Großereignissen wie Formel 1-Rennen und Tennis-Weltranglistenturnieren, fließen Preisgelder in unvorstellbaren Dimensionen, rückt das Ziel, Nummer eins im Mittleren Osten zu werden, Stück für Stück näher.
In Sachen Fußball war es Verbandspräsident Saud Al-Mohannadi, der auf den Aufschwung drängte und dabei vordringlich auf ausländisches Personal setzte. Unterstützt wurde er vom katarischen Scheich Bin Hammam, der im August 2002 in einer von Bestechungsgerüchten überschatteten Wahl zum Präsidenten des asiatischen Kontinentalverbands gekürt worden war und als enger Vertrauter von FIFA-Chef Sepp Blatter gilt.
Für viele kurz vor der Pensionierung stehende Weltstars war die Entwicklung ein Geschenk des Himmels, denn just zur selben Zeit brachen die Gehälter im europäischen Fußball wegen der TV-Krise ein. So kam es zu einem regelrechten Massenexodus: Stefan Effenberg, Gabriel Batistuta und Taribo West traten Al-Arabi bei, Mario Basler, die De Boer-Brüder, Fernando Hierro, Sonny Anderson und Ali Benarbia heuerten bei Al-Rayyan an, JayJay Okocha, Christophe Dugarry und Claudio Cannigia fanden beim Qatar SC eine neue Heimat, Frankreichs WM-98-Kapitän Marcel Desailly unterschrieb bei Al-Gharrafa, und der vom Emir unterstützte Rekordmeister Al-Sadd verstärkte sich mit Romário, Frank Lebœef, Carlos Ténorio sowie Abedi Pele.
Während sich die Q-League ins vom »World Soccer« als »Middle East Eldorado« bezeichnete Schlaraffenland verwandelte, in dem die genannten Superstars für ein jährliches Salär in Höhe von umgerechnet 2,3 Mio. Euro vor einer Handvoll Neugieriger und bei Außentemperaturen von vierzig und mehr Grad gegen den Ball treten, bereitete die »Al-Annabi« (»die Weinroten«) genannte Nationalauswahl Sorgen. Nur 1998 durfte Katar von der WM-Qualifikation träumen, ansonsten sorgten ständige Trainerwechsel und wenig konstante Leistungen für Frust und Enttäuschung. Manchmal ist Geld eben doch nicht alles – zumal es bekanntlich auch »satt« machen und den Ehrgeiz trüben kann. Andererseits heißt es natürlich auch wieder »Geld regiert die Welt« – insofern werden sich die katarischen WM-Träume eines nicht allzu fernen Tages ja vielleicht erfüllen.
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