Donnerstag, 17. Oktober 2013

120 Jahre TuS Lübeck 93


Mit dem TuS Lübeck 93 feierte kürzlich ein Verein sein 120. Bestehen, der auf eine bemerkenswerte Geschichte zurückblickt. Für das Magazin "Nordsport" habe ich eine kleine Erinnerungsreise verfasst, die nun auch hier zu lesen ist.

120 Jahre alt wurde der TuS Lübeck 1893 am 23. September. Eine stolze Zahl für einen Verein, der eine große Geschichte aufweist. Und der durchaus auch hätte Lübecks fußballerische Nummer 1 sein können – wenn die Politik nicht gewesen wäre.


Politik spielte schon bei der Gründung des Vereins eine Rolle. Vier Monate nach der Aufstellung des Arbeiter Turnerbundes (ATB) am 21. Mai 1893 in Gera trafen sich in der Lübecker Gaststätte „Leecke“ in der Lederstraße 35 turnbegeistere Arbeiter und riefen den Arbeiter-Turnverein Lübeck ins Leben. Weil die Gruppe nicht der national ausgerichteten Deutschen Turnerschaft (DT) beitreten wollte, schloss man sich dem sozialdemokratisch ausgerichteten ATB an, in dem ein gewisses politisches Engagement vorausgesetzt wurde. Der ATV, der seine Übungsstunden in der städtischen Schulturnhalle am langen Lohberg durchführte, stieg binnen kurzem mit über 140 Mitgliedern zum drittgrößten Verein in Norddeutschland auf und richtete 1898 das Kreis-Turnfest im 3. Kreis aus. Immer wieder kam es aber zu Behinderungen durch die Behörden, die den Arbeitersportlern nicht wohlgesonnen waren.
1911 wurde nach jahrelangen Diskussionen ein Fußball angeschafft, der zur Einrichtung einer entsprechenden Abteilung führte. Nach dem Ersten Weltkrieg verselbständigten sich die ATV-Fußball zwar unter dem Namen FSV Lübeck, doch schon wenige Monate später entstand eine neue Fußballsektion im ATV, der sich daraufhin 1922 den Namen Arbeiter Turn- und Sportverein (ATSV) gab. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre nahmen die Schwarz-Weißen ein ehrgeiziges Projekt in Angriff: Gemeinsam mit dem gleichfalls im Arbeitersport aktiven BSV Vorwärts wurde an der Lohmühle ein modernes Sportstadion errichtet. Am 12. Mai 1929 eingeweiht, mussten sich die ATSV-Sportler jedoch schon 1933 wieder daraus verabschieden, nachdem der Arbeitersport unter den Nationalsozialisten zerschlagen worden war. Den ATSV Lübeck traf der Bannstrahl am 15. Mai 1933.
Während die Tradition des BSV Vorwärts über verschlungene Wege beim VfB Lübeck landete, schlossen sich die ATSV-Mitglieder zunächst dem Herrnburger SV an, ehe auch der 1936 – wegen der Aufnahme der Alt-ATSVler - zerschlagen wurde. 1936 kam es daraufhin zur Gründung des BSV Schwarz-Weiß Marli, der am nationalsozialistischen Spielbetrieb teilnahm.
Nach dem Zweiten Weltkrieg griffen Lübecks Arbeitersportler die ATSV-Traditionslinie wieder auf und gründeten am 29. September 1945 im späteren „Hoffnungs“-Kino den Allgemeinen Turn- und Sportverein (ATSV), dessen Kürzel an den Arbeiter-TSV erinnern sollte. Nach Rechtsstreitigkeiten mit Vorwärts-Nachfolger VfB verlor man allerdings die Nutzungsrechte an der Lohmühle und konzentrierte sich bei seinen Aktivitäten künftig auf die östlich des Marliringes entstehenden Stadtteile Brandenbaum, Wesloe, Eichholz und St. Gertrud.
Im Fußball erreichte der ATSV unter Anleitung des Ex-Phönixen Paul Gerais 1951 die höchste Landesklasse, in der man jedoch vor einem Problem stand: es gab keine passende Heimstatt. Schließlich schlüpften die Schwarz-Weißen ausgerechnet in der Lohmühle unter, die doch einst von ehemaligen ATSVlern errichtet worden war. Hinter dem VfB und dem Phönix vermochten sich ATSV-Kicker im Verlauf der 1950er Jahre als Nummer drei der Stadt zu etablieren. Legendäre Erfolge wie das 1:0 über den Phönix 1954/55 oder das 2:2 gegen Oberligaabsteiger VfB 1957/58 ragten aus der Historie heraus, als am 21. September 1957 mit dem Marlistadion zudem endlich wieder eine eigene Heimstatt bezogen werden konnte. Ein Jahr später streifte der ATSV seine Arbeitertradition ab und gab sich den unverfänglichen Namen TuS 93 Lübeck.
Dessen Zukunft lag im Breitensport statt im Leistungsfußball. 1961/62 mit Platz fünf im Landesoberhaus seinen Zenit erreichend, ging es 1964 zunächst in die Viertklassigkeit und 1968 sogar in die fünftklassige Bezirksliga. Dank einer intensiven Nachwuchspflege glückte 1973 noch einmal der Sprung in die Verbandsliga Süd, nachdem Trainer Jürgen Kossert den TuS-Nachwuchs 1968 erstmals zur Landesmeisterschaft geführt hatte. Nur ein Jahr konnte man im Marlistadion jedoch Viertligafußball bewundern, ehe es zurück in die Bezirksliga ging und der TuS 93 ausgerechnet im Jubiläumsjahr 1983 sogar erstmals in der Bezirksklasse verschwand.
Nachdem die Vereinsführung das Team 1999 in die Kreisliga zurückgezogen hatte fanden sich die Schwarz-Weißen schließlich 2001 erstmals in der Kreisklasse wieder. Seit 2010 sind sie nun aber wieder in der Verbandsliga am Ball.

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