Mit dem TuS Lübeck 93 feierte kürzlich ein Verein sein 120. Bestehen, der auf eine bemerkenswerte Geschichte zurückblickt. Für das Magazin "Nordsport" habe ich eine kleine Erinnerungsreise verfasst, die nun auch hier zu lesen ist.
120 Jahre alt wurde der TuS Lübeck 1893 am 23. September.
Eine stolze Zahl für einen Verein, der eine große Geschichte aufweist. Und der
durchaus auch hätte Lübecks fußballerische Nummer 1 sein können – wenn die
Politik nicht gewesen wäre.
Politik spielte
schon bei der Gründung des Vereins eine Rolle. Vier Monate nach der Aufstellung
des Arbeiter Turnerbundes (ATB) am 21. Mai 1893 in Gera trafen sich in der
Lübecker Gaststätte „Leecke“ in der Lederstraße 35 turnbegeistere Arbeiter und
riefen den Arbeiter-Turnverein Lübeck ins Leben. Weil die Gruppe nicht der
national ausgerichteten Deutschen Turnerschaft (DT) beitreten wollte, schloss
man sich dem sozialdemokratisch ausgerichteten ATB an, in dem ein gewisses
politisches Engagement vorausgesetzt wurde. Der ATV, der seine Übungsstunden in
der städtischen Schulturnhalle am langen Lohberg durchführte, stieg binnen
kurzem mit über 140 Mitgliedern zum drittgrößten Verein in Norddeutschland auf
und richtete 1898 das Kreis-Turnfest im 3. Kreis aus. Immer wieder kam es aber
zu Behinderungen durch die Behörden, die den Arbeitersportlern nicht
wohlgesonnen waren.
1911 wurde nach
jahrelangen Diskussionen ein Fußball angeschafft, der zur Einrichtung einer
entsprechenden Abteilung führte. Nach dem Ersten Weltkrieg verselbständigten
sich die ATV-Fußball zwar unter dem Namen FSV Lübeck, doch schon wenige Monate
später entstand eine neue Fußballsektion im ATV, der sich daraufhin 1922 den
Namen Arbeiter Turn- und Sportverein (ATSV) gab. In der zweiten Hälfte der
1920er Jahre nahmen die Schwarz-Weißen ein ehrgeiziges Projekt in Angriff:
Gemeinsam mit dem gleichfalls im Arbeitersport aktiven BSV Vorwärts wurde an
der Lohmühle ein modernes Sportstadion errichtet. Am 12. Mai 1929 eingeweiht, mussten
sich die ATSV-Sportler jedoch schon 1933 wieder daraus verabschieden, nachdem
der Arbeitersport unter den Nationalsozialisten zerschlagen worden war. Den
ATSV Lübeck traf der Bannstrahl am 15. Mai 1933.
Während die
Tradition des BSV Vorwärts über verschlungene Wege beim VfB Lübeck landete,
schlossen sich die ATSV-Mitglieder zunächst dem Herrnburger SV an, ehe auch der
1936 – wegen der Aufnahme der Alt-ATSVler - zerschlagen wurde. 1936 kam es
daraufhin zur Gründung des BSV Schwarz-Weiß Marli, der am
nationalsozialistischen Spielbetrieb teilnahm.
Nach dem
Zweiten Weltkrieg griffen Lübecks Arbeitersportler die ATSV-Traditionslinie
wieder auf und gründeten am 29. September 1945 im späteren „Hoffnungs“-Kino den
Allgemeinen Turn- und Sportverein (ATSV), dessen Kürzel an den Arbeiter-TSV
erinnern sollte. Nach Rechtsstreitigkeiten mit Vorwärts-Nachfolger VfB verlor
man allerdings die Nutzungsrechte an der Lohmühle und konzentrierte sich bei
seinen Aktivitäten künftig auf die östlich des Marliringes entstehenden
Stadtteile Brandenbaum, Wesloe, Eichholz und St. Gertrud.
Im Fußball
erreichte der ATSV unter Anleitung des Ex-Phönixen Paul Gerais 1951 die höchste
Landesklasse, in der man jedoch vor einem Problem stand: es gab keine passende
Heimstatt. Schließlich schlüpften die Schwarz-Weißen ausgerechnet in der
Lohmühle unter, die doch einst von ehemaligen ATSVlern errichtet worden war.
Hinter dem VfB und dem Phönix vermochten sich ATSV-Kicker im Verlauf der 1950er
Jahre als Nummer drei der Stadt zu etablieren. Legendäre Erfolge wie das 1:0
über den Phönix 1954/55 oder das 2:2 gegen Oberligaabsteiger VfB 1957/58 ragten
aus der Historie heraus, als am 21. September 1957 mit dem Marlistadion zudem endlich
wieder eine eigene Heimstatt bezogen werden konnte. Ein Jahr später streifte
der ATSV seine Arbeitertradition ab und gab sich den unverfänglichen Namen TuS
93 Lübeck.
Dessen Zukunft
lag im Breitensport statt im Leistungsfußball. 1961/62 mit Platz fünf im Landesoberhaus
seinen Zenit erreichend, ging es 1964 zunächst in die Viertklassigkeit und 1968
sogar in die fünftklassige Bezirksliga. Dank einer intensiven Nachwuchspflege
glückte 1973 noch einmal der Sprung in die Verbandsliga Süd, nachdem Trainer
Jürgen Kossert den TuS-Nachwuchs 1968 erstmals zur Landesmeisterschaft geführt
hatte. Nur ein Jahr konnte man im Marlistadion jedoch Viertligafußball
bewundern, ehe es zurück in die Bezirksliga ging und der TuS 93 ausgerechnet im
Jubiläumsjahr 1983 sogar erstmals in der Bezirksklasse verschwand.
Nachdem die
Vereinsführung das Team 1999 in die Kreisliga zurückgezogen hatte fanden sich die
Schwarz-Weißen schließlich 2001 erstmals in der Kreisklasse wieder. Seit 2010
sind sie nun aber wieder in der Verbandsliga am Ball.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen