Samstag, 26. Oktober 2013

Rezension: Ayia Napa! Fußballreisen nach Südeuropa


Jörg Pochert: Ayia Napa! Fußballreisen nach Südeuropa

Jörg Pochert ist einer von diesen verrückten Typen, über die wir alle den Kopf schütteln und auf die wir alle gleichzeitig unglaublich neidisch sind. Jörg Pochert ist Groundhopper und verbringt jede Gelegenheit damit, irgendwo auf der Welt Fußballstadien zu besuchen und Fußballkultur zu goutieren.

Das klingt aufregend, ist in der Realität aber häufig auch anstrengend, denn in der Welt der Groundhopper gibt es selten gemütliche Linienflüge und an Flughäfen wartende freundliche Taxifahrer, die einen in schicke Nobelherbergen bringen. Statt dessen muss man als Groundhopper akribisch planen, schlägt sich vor Ort mit gewieften Taxifahrern herum, die einen übers Ohr hauen wollen und blendet abends in der rudimentären Unterkunft die Bilder von Schaben und anderem Ungeziefer, das sich in derartigen Herbergen so aufhält, aus.

Lohn sind tolle Erlebnisse und tolle Begegnungen, auf die unsereins nun wieder neidisch ist und Lust entwickelt, selber in den Flieger zu steigen. Insofern ist es angemessen, vor dem Genuss von „Ayia Napa!“ zu warnen, denn es weckt das Reisefieber, und das nicht zu knapp. Das liegt vor allem daran, dass Pochert keiner dieser etwas fanatischen Groundhopper ist, die ein Stadion nach dem anderen abhaken, alles über die Anzahl der Stehtraversen und den Geschmack des Bieres erzählen können, vom Drumherum aber nichts mitbekommen. Bei Pochert geht es nicht vordringlich um Länderpunkte, Saufgelage und dumme Sprüche über die Attraktivität der weiblichen Stadionbesucher, sondern um Zusammenhänge, Einbettungen und zwischenmenschliche Dimensionen. Seine Fähigkeit zu Selbstironie verleiht Pocherts Buch zudem eine Lockerheit, die es höchst lesenswert macht und durch die man häufig ins Schmunzeln gerät.

Wenngleich Pochert fast überall auf der Welt unterwegs ist, beschränkt er sich in seinem Buch auf vier Touren, die er zwischen September 2012 und März 2013 in Südeuropa unternommen hat. Sie führten ihn in die Türkei, nach Portugal und nach Zypern, wo er neben packenden Duellen wie APOEL Nikosia gegen AEL Limassol oder Galatasaray gegen Besiktas auch Spiele unterklassiger Ligen sah, die aber häufig ihren ganz eigenen Reiz haben. Spannend auch seine Schilderung vom Heimspiel Fenerbahces, bei dem er zwischen fast ausschließlich weiblichen Stadionbesuchern saß – nach Ausschreitungen waren die einheimischen Männer vom Stadionbesuch ausgeschlossen.

Das Highlight aber ist sein Besuch des Derbys zwischen Esteghal und Persepolis Teheran, zu dem er in einem Kurzausflug von der Türkei aus in den Iran jettet. Schon frühmorgens sind die Tribünen prall gefüllt, und man fühlt mit Pochert, wenn er die langsam anschwellende Stimmung beschreibt. Spätestens zum Spielbeginn ist er dann auch wieder da: der Neid, selbst an Pocherts Stelle im Stadion sitzen zu wollen. Doch dann müsste man eben auch all die Schwierigkeiten und Herausforderungen meistern, mit denen sich Pochert vor und nach dem Spiel so herumzuschlagen hat – und da wiederum fühlt man sich dann ganz wohl, dass man sie gemütlich „erlesen“ kann und schmunzelt, wenn er von seinen schwierigen Tarif-Verhandlungen mit einem vermeintlichen Taxifahrer berichtet.

Wer neugierig ist auf Fußball, Fußballkultur und nationale Ausprägungen von Fußballkultur, wird mit diesem Buch bestens bedient. Aber auch wer schlicht Lust hat, seinen Jahresurlaub irgendwo an der anatolischen Küste oder sonst wo mal mit einem Stadionbesuch aufzupeppen, kann beruhigt zu „Ayia Napa!" greifen, denn neben guter Unterhaltung liefert es wertvolle Tipps und macht garantiert neugierig. Ich habe Euch gewarnt!

Jörg Pochert
Ayia Napa! Fußballreisen nach Südeuropa
ISBN: 978-3-00-042883-8
Verlag: Nofb-shop.de
11,90 Euro, zu beziehen über www.nofb-shop.de (geht auch über amazon)

1 Kommentar:

  1. Danke für die sehr positive und objektive Kritik und beste Grüße aus Tokio! Jörg

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